Kontrollen und hohe Bußgelder – Gefährdete Spätis in Leipzig: Inhaber fordern Fairness, Kritik kommt von IHK und der Politik

Durch strikte Auflagen bedroht das sächsische Ladenschlussgesetz Spätis in Leipzig. Unterstützung kommt von der IHK und aus der Politik. Das Wirtschaftsministerium sieht keinen Handlungsbedarf. Die Begründung dafür ist überraschend.
Leipzig. Gemütlich ist es in Simon Franks Ahoi-Späti. Ein Sofa lädt zum Fläzen ein. Das Brummen der Kaffeemaschine verspricht einen Cappuccino. Die Regale aus Holz bieten Ansichten zwischen regionalem Likör, Spielzeug, Kuchen und Zahnbürsten. Was man halt so braucht und mag im Leben.
So wohl man sich als Gast in der Wohnzimmer-Atmosphäre in der Merseburger Straße 38b fühlen kann, so unschön ist der Druck, den Simon Frank und seine Frau Cheng Gao spüren. Dieser Druck kommt aus dem Rathaus, entspringt aber dem Sächsischen Ladenschlussgesetz.
2400 Euro Strafe nach Verstoß
Seit ein paar Jahren häufen sich bei ihm und in anderen Spätis Kontrollen vom Ordnungsamt. Meist überprüft die Behörde das Einhalten der Schließzeit. „Bei Verstößen drohen empfindliche Bußgelder“, sagt Frank. 2024 musste er für eine Reklamation in drei seiner Spätis knapp 2400 Euro zahlen.
Viele Betreiber empfinden das als Schikane und Bedrohung ihrer beruflichen Existenz. Das Grundproblem: Im Gegensatz zu anderen Bundesländern wird der „Spätverkauf“, wie die Läden seit den 1950ern heißen, seinem Namen in Sachsen nur begrenzt gerecht: Nach 22 Uhr ist es dort untersagt, Einzelhandelswaren zu verkaufen. Das kann eine Packung Milch sein oder eine Zahnbürste.
Während in Berlin, Thüringen oder Nordrhein-Westfalen das Geschäft dann erst richtig brummt, setzt der Freistaat eine rote Linie. Die gilt auch für Sonn- und Feiertage. So richtig zu schaffen macht die Regelung der Branche aber erst, seit die Behörden vom lockeren Umgang auf einen restriktiven umstellten. Zumindest in Leipzig ist das so, seit 2016.
Die Auflagen und häufigen Kontrollen haben längst zu Konsequenzen geführt: Schon vor einem knappen Jahr machte Tom Rieger seine „Connserve“ in Connewitz zu. Simon Frank betreibt von seinen ehemals vier „Ahoi“-Spätis nur noch den in Lindenau. „Alles andere ist zu aufreibend.“
Trauer über geschlossene „Speisekammer“
Jüngstes Beispiel: die „Speisekammer“ in Schleußig. Seit Anfang Juli ist das Geschäft verschlossen. „Aufgrund der rigorosen Durchsetzung des Ladenschlussgesetzes sind existenzsichernde Umsätze weggebrochen“, erklärt eine Mitstreiterin aus dem Freundeskreis des Betreibers.
In einem Crowdfunding sammelte die Gruppe erfolgreich Spenden, um dessen Verschuldung aufzufangen: Knapp über 20.000 Euro kamen zusammen. Übrig bleibt die Trauer um einen beliebten Ort, der für die Kundschaft mehr war als ein Versorgungspunkt.
Auch Cheng Gao stellt die soziale Komponente von Spätis heraus. „Das ist Lebenskultur, das sind Treffpunkte, die verbinden und die Nachbarschaft stärken“, sagt sie.
Die 22-Uhr-Schranke empfinden Späti-Inhaber auch als Benachteiligung, weil Lieferdienste weit über diesen Zeitpunkt hinaus Waren ausfahren dürfen und Tankstellen für deren Verkauf eine Sonderregelung haben. Zudem gibt es Lebensmittel-Automaten ohne Nutzungslimit.
Gastro-Betrieb auch nach 22 Uhr
Um dennoch länger geöffnet bleiben zu dürfen, haben viele Betreiber ihr Profil um gastronomische Angebote erweitert. Denn dadurch fallen sie ins Sächsische Gaststättengesetz, das den weiteren Betrieb erlaubt. Spätis werden so zu Mischbetrieben, was die Sache nicht durchsichtiger macht.
Tom Rieger, der nur noch „Onkel Toms Hütte“ in der Südvorstadt betreibt, hat den Kampf gegen die für ihn „absurde Ungleichbehandlung“ ad acta gelegt. Auch um Gesundheit und Nerven zu schonen, wie er sagt.
Zwei Nebenjobs sind nötig
Angesichts der behördlichen Regeln in Sachsen sei es nicht möglich, mit einem Späti nach halbwegs normalen Maßstäben seinen Lebensunterhalt zu verdienen. „Das geht nur, wenn du das Personal rausschmeißt und dich täglich bis nachts selbst reinstellst.“ Er hat sich dafür entschieden, die Angestellten zu behalten und zwei Zusatzjobs anzunehmen.
Als „schlechten Witz“ bezeichnet der 42-Jährige die Begründungen für Ausnahmen im Ladenschlussgesetz – wie die für den Hauptbahnhof zur Versorgung von Reisenden. „Geh‘ mal dort sonntags zu Aldi. Wie viele von den Kunden steigen danach in den Zug? Und ich darf keine einzige Rolle Klopapier verkaufen.“
Erleichterungen für Spätis hält Juliane Nagel, Linke-Stadträtin und -Landtagsabgeordnete, für dringend notwendig. „Es braucht eine landesrechtliche Regelung von Spätverkäufen im Gesetz“, sagt sie. „Das sind wichtige nachbarschaftliche und soziale Orte. Sie gehören zur lokalen Nachtkultur.“
Nagel kritisiert sowohl eine „erhebliche Rechtsunsicherheit für die Betreiber dieser Mischform“ als auch die „ausgeprägte Kontrollpraxis der Stadtverwaltung. Dies widerspricht den blumigen Worten, die für die Funktion der Spätis gern gefunden wird.“
IHK fordert Ausnahme vom Gesetz
Die Industrie- und Handelskammer (IHK) in Leipzig sieht das genauso. „Spätverkaufsstellen brauchen unternehmerische Flexibilität statt rechtlicher Grauzonen“, heißt es. Die IHK plädiert für eine Ausnahme vom Ladenschlussgesetz. „Zumindest sollte eine kommunale Ausnahmeregelung ermöglicht werden, wie sie in anderen Bundesländern bereits existiert.“
Was sagt das gesetzgebende Land? Die Position des Wirtschaftsministeriums auf LVZ-Anfrage: „Spezifische Regelungen für sogenannte Spätverkaufsstellen bestehen nicht. Folglich besteht auch keine Veranlassung, diese näher auszugestalten oder anzupassen.“
Ministerium sieht keinen Handlungsbedarf
Außerdem gebe es keine einheitliche rechtliche Definition von Spätis, auch wenn der Begriff in der Praxis verwendet werde. Eine mindestens bemerkenswerte Stellungnahme, denn sie bedeutet: Die von anderen als größtes Problem kritisierte Existenz eines Graubereichs wird in Dresden als Argument genutzt, nichts zu ändern.
Immerhin, mit Verweis auf digitale Supermärkte will das Ministerium nicht ausschließen, „dass anlässlich anderer Entwicklungen im Handelsgewerbe das Anpassungspotenzial im Ladenöffnungsrecht überprüft werden könnte“.
Stadt hat keine Zahlen zu Kontrollen
Nun zur Stadt. Stimmt es überhaupt, dass häufiger kontrolliert wird? Das Ordnungsamt sagt, dazu gebe es keine Statistik. Auch zur Höhe der Bußgelder lässt die Behörde nichts blicken. „Die Bemessung erfolgt unter Berücksichtigung der individuellen Umstände des Einzelfalls“, heißt es schwammig.
Auch wenn es keine Zahlen gibt, so weiß Juliane Nagel: „Ein Großteil der Kontrollen im vergangenen Jahr wurde nicht wegen Ruhestörung oder Ähnlichem durchgeführt, sondern proaktiv durchs Ordnungsamt.“ Sie ist überzeugt, dass die Stadt einen Ermessensspielraum hat, Kontrollen zu unterlassen. „In Dresden beispielsweise wird dieser Druck nicht ausgeübt.“
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Ein Kommentar von Mark Daniel
27.07.2025
Späti-Kontrollen in Leipzig: Irrsinn, der Jobs und Orte gefährdet
In Leipzig sorgt die Durchsetzung des Ladenschlussgesetzes bei Spätis für Unmut und Sorge. Sie gefährdet nicht nur das subkulturelle Selbstverständnis der Stadt, sondern auch die Existenz von Jobs und wichtigen Orten.
Leipzig ist besonders. Tolerant, offen, reich an Subkultur und Freiräumen. Mit diesem Selbstverständnis sorgt die Stadt immer wieder für Aufmerksamkeit. So gingen zuletzt die Bilder der nachts von Feiernden okkupierten Baustelle auf der Südmeile durchs Netz.
Auch wenn dem jetzt zurecht aus Sicherheitsgründen, wegen Lärmbelästigung und Müll ein Riegel vorgeschoben wird, hat Leipzigs Image durch die Episode einen neuen Sympathieschub vor allem bei jungen Leuten bekommen. Ja, diese Stadt kann wunderbar lässig sein.
Rigoroses Vorgehen
Deshalb ist es eigentlich unvorstellbar, was bei den Spätis passiert: Jahrelang spielte die Einhaltung des Ladenschlussgesetzes keine Rolle. Plötzlich geht die Stadt mit Kontrollen und heftigen Bußgeldern rigoros gegen Betreiberinnen und Betreiber vor. Und damit gegen kleine Läden, die den subkulturellen Charme Leipzigs verstärken.
Unnötig und schwer nachvollziehbar, denn woanders gilt die 22-Uhr-Regelung entweder nicht, oder die Einhaltung wird nicht überprüft. Und das völlig zurecht, denn das Gesetz enthält eine Ungerechtigkeit.
Sonntags-Einkauf nur mit Zugticket?
Nehmen wir nur die Flughäfen und Bahnhöfe, in denen Ausnahmen wegen des Reisebedarfs gelten. Gefühlt geht sonntags halb Leipzig in die Promenaden zum Einkauf. Wäre das ausschließlich mit gültigen Zug- oder Flugtickets genehmigt, die Hallen wären leergefegt.
Und was ist das für eine Regel, bei der ich als Späti-Kunde ab 22.01 Uhr lediglich Ware kaufen darf, wenn ich sie dort verzehre oder nutze? Das Bier muss man an Ort und Stelle trinken – und bei einer dringend benötigten Zahnbürste die Beißer im Späti putzen? Also bitte!
Der Preis für diesen Irrsinn: der Verlust beruflicher Existenzen, von Arbeitsplätzen, von wichtigen sozialen Treffpunkten. Wenn das Land Sachsen es nicht hinbekommt, das Gesetz abzuschaffen oder zu ändern, ist die Stadt gefragt. Einfach tolerant sein und die Kontrollen sein lassen, so wie früher. Ein Späti ist ein Späti.
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Mark Daniel
10.07.2025
Leipziger Späti geschlossen – Freunde sammeln für verschuldeten Betreiber
Über 20 Jahre lang gehörte der beliebte Späti „Speisekammer“ zum Bild des Leipziger Stadtteils Schleußig. Nun hat der Betreiber aufgegeben und sitzt auf Schulden. Ein Freundeskreis will ihm helfen.
Leipzig. „Ein kurzer Halt, ein freundliches Gesicht, die fehlende Zutat fürs Abendessen oder einfach ein paar gute Worte zwischendurch.“ Mit diesen Stichworten beschreiben Freunde der „Speisekammer“, warum sie diesen Spätverkauf im Leipziger Stadtteil Schleußig so liebten. Seit dem vergangenen Samstag ist er geschlossen, aber seine Geschichte nicht zu Ende.
Holbeinstraße 19. Das war für viele die beste Adresse, wenn sie jenseits üblicher Öffnungszeiten entsetzt die Leere in ihren Kühlschränken und Regalen bemerkten. „Dieser wunderbare Laden von Andreas war oft die Rettung“, sagt die in der Nähe wohnende Bea Wolf, „dass es immer frische Lebensmittel wie Paprika oder Biobrot statt Fertigprodukte gab, war fantastisch.“
Inhaber Andreas Kundt und sein Team schufen Anfang der 2000er Jahre einen Ort, den Besucherinnen und Besucher als „kleines Stück Zuhause mitten in Schleußig“ liebten – lange Zeit aufrechterhalten „durch Höhen und Tiefen, mit viel Herz und Kraft“.
Doch in der jüngeren Vergangenheit gab es Überlegungen, die Speisekammer abzugeben. Im Oktober 2024 erklärte der Betreiber gegenüber der LVZ, Verhandlungen über eine Nachfolge zu führen. „Ich mache aber mindestens bis Mitte des kommenden Jahres weiter.“
Crowdfunding soll Schulden tilgen
Die ist nun erreicht – und damit auch das Ende dieser beliebten Mischung aus Späti und Bioladen. Am Samstag wurde spontan ein von Melancholie geprägtes Abschiedsfest gefeiert, aber auch ein Entschluss kommuniziert: Ein Freundeskreis möchte dafür sorgen, dass Kundt das Kapitel ohne Existenzängste beenden kann, denn noch drücken ihn Verbindlichkeiten.
„Andreas soll mit einem halbwegs guten Gefühl und schuldenfrei die Speisekammerzeit beenden können, um ohne Altlasten in ein neues Leben zu starten“, heißt es. Deshalb läuft seit Anfang Juli auf der Seite goodcrowd.org die Online-Spendenaktion.
Der Zielbetrag liegt bei 20.000 Euro. Das Geld soll zur Tilgung von offenen Rechnungen, für Steuer, Personal und Materialkosten verwendet werden. Am Freitagabend steuerte die Spendensumme auf die 90-Prozent-Mark zu.
Bei einem Erfolg soll ein kleines Soli-Abschiedsfest zu einem noch nicht benannten Zeitpunkt steigen. Der Freundeskreis möchte zudem die Holbeinstraße als wichtigen Treffpunkt im Kiez erhalten und sammelt dafür Ideen – per Mal an speisekammerhilfe@gmail.com.
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10.07.2025 Celina Riedl kreuzer
Kunst im Späti-Regal
Kunst im Späti-Regal Die studentische Ausstellung »Fragments of Leipzig – Visuelle Ethnographien im urbanen Raum« setzt wissenschaftliche Arbeiten künstlerisch um
Zwischen Hausprojekten und Straßenbahnlärm bietet die Spätibar Makan auf der Wurzner Straße einen neuen Treffpunkt im Leipziger Osten. Noch vor wenigen Monaten beherbergte die Ladenfläche einen kleinen, urigen Gewürzladen, dessen Gerüche noch immer in den Wänden stecken. Diese Woche wird der Späti zu einer kreativen Fläche für Kunst: Mit ihrer Ausstellung »Fragments of Leipzig – Visuelle Ethnographien im urbanen Raum« präsentieren Studierende des Instituts für Ethnologie an der Universität Leipzig die Ergebnisse ihrer ethnographischen Forschung. Durch künstlerische Umsetzung in Texten, Fotografien, Fundstücken oder Objekten haben sie den urbanen Raum Leipzigs erforscht und Fragestellungen, Perspektiven und Erzählungen der Stadt mit individuellen Forschungsfragen in Verbindung gesetzt.
Für Paola Kirchhof, Kuratorin des Projekts und wissenschaftliche Hilfskraft am Institut für Ethnologie bedeutet das Projekt eine Chance, akademische Inhalte an die Öffentlichkeit zu bringen: »Ich habe mich während des Studiums oft gefragt, warum ich wissenschaftliche Texte schreibe, die letztlich nur ein sehr begrenztes Publikum erreichen. Durch meine künstlerische Praxis war das immer ein Thema: Wie kann ich Wissen – auch akademisches – zugänglicher machen?« Diesen Ansatz konnte sie als Leiterin eines Methodenseminars direkt umsetzen.
Die Ausstellung zeigt nun, wie die Studierenden ihre Modularbeiten nicht nur wissenschaftlich, sondern auch künstlerisch umsetzten. »Sie haben Beobachtungen gemacht und Interviews geführt und wir übersetzen das nun in künstlerische Formen – Skulpturen, Videos, Bilder. Sogar einen Springbrunnen gibt es«, so Paola Kirchhof. So entstehe die Möglichkeit, durch die Ausstellung nicht nur mit den Interviewpartnern, sondern auch mit anderen Menschen in Kontakt zu treten und das generierte Wissen nach außen zu tragen: »Besonders Menschen, die keinen Zugang zum akademischen Kontext haben. Denn viele Themen sind spannend, aber oft fehlt der Zugang.«
Eine Gruppe habe sich beispielsweise mit der Frage beschäftigt, wer in der Öffentlichkeit Raum einnehmen darf, erzählt Kirchhof. Sie hätten probeweise am Hauptbahnhof gepicknickt, um zu testen, ob und wann sie weggeschickt würden. Eine weitere Studentin hat weibliche Graffiti-Sprayerinnen begleitet, um zu sehen, wie sie in dem immer noch männlich-dominierten Feld agieren. Entstanden ist daraus ein Fotobuch, das nun im Späti ausliegt.
Die Ergebnisse sollen bewusst außerhalb des akademischen Kontextes sichtbar gemacht werden – der Spätverkauf als alltäglicher, öffentlicher Raum wird dabei zum Ort der Begegnung. Statt Limoflaschen und Bierkisten säumen Kunstwerke aller Art die Regale – durch QR-Codes gibt es zu jedem Ausstellungsstück weiterführende audiovisuelle Infos. Den Raum hat Paola Kirchhof mit den Studierenden gezielt ausgewählt. Im Gegensatz zu einer Galerie oder einem Museum ermöglicht der Späti als informeller und offener Ort eine andere Art der Kunstvermittlung. »Kunst kann eine Möglichkeit sein, Wissen auf eine andere Weise weiterzugeben oder zu übersetzen. Oft ist jedoch die Kunstwelt, ähnlich wie die akademische Welt, sehr elitär. Der Zugang zu Museen ist zwar theoretisch da, praktisch aber oft nicht gegeben.«
Der Späti soll für Paola Kirchhof dabei insbesondere Menschen, die mit Kunst bisher wenig Berührungspunkte hatten, eine Möglichkeit bieten, künstlerische Inhalte zu entdecken: »Vielleicht haben sie grundsätzlich Interesse an Kunst und Wissenschaft, würden aber nie ins Museum gehen. Viele empfinden diese Orte als einschüchternd – alles wirkt sehr schick, und man hat das Gefühl, nicht dazuzugehören. Das wollte ich aufbrechen. Kunst in den öffentlichen Raum bringen, Wissenschaft und Kunst verbinden, aber eben nicht im klassischen Sinne als Street Art oder Graffiti im ganz öffentlichen Raum, sondern in einem semi-öffentlichen Raum.«
Heute eröffnet die Ausstellung mit einer Vernissage, bei der Forschende wie Kunstschaffende dazu einladen, gemeinsam in den Austausch zu kommen. Neben Gesprächen gibt es Performances und DJ-Sets ab 18 Uhr.
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Kevin Santy LVZ
27.05.2025
Polizei findet Cannabis und Meth in Leipziger Späti am Stannebeinplatz
Eigentlich war die Polizei wegen eines schweren Streits am Leipziger Stannebeinplatz im Einsatz. Doch bei Ermittlungen vor Ort stellten die Beamten Drogen sicher.
Leipzig. Ein heftiger Streit am Stannebeinplatz im Leipziger Osten hat die Polizei durch Zufall zu einem Drogenfund in einem Späti geführt. Angaben der Beamten zufolge kam es zuvor zwischen drei Männern im Alter von 18, 19 und 23 Jahren am Samstag auf dem Gehweg vor dem Spätverkauf zur Auseinandersetzung. Der 23-Jährige zog dabei offenbar eine Waffe, mit der er die anderen Beteiligten bedroht haben soll. Gegen 18.45 Uhr erhielt die Polizei deswegen einen Notruf.
Vor Ort, heißt es in einer Mitteilung, fanden die Einsatzkräfte zunächst nur den 18-Jährigen vor. Er hatte ein Messer bei sich und soll sich aggressiv verhalten haben. Deswegen nahmen ihn die Beamten über Nacht in Gewahrsam. Die weiteren Ermittlungen führten zum Späti, in dem die Waffe des 23-Jährigen gewesen sein sollte.
Drogen im Späti – Amtsgericht erlässt Haftbefehl
Eine Richterin ordnete die Durchsuchung des Spätis an. Darin trafen die Polizisten auf die zwei anderen, beteiligten Männer und einen 24-Jährigen. Außerdem im Geschäft: 800 Gramm Cannabis und 800 Gramm Methamphetamin. Anbei lagen „für den Drogenhandel typische Utensilien“, so die Polizei.
Weil die Polizei vermutete, dass die Drogen dem 24-Jährigen gehörten, nahmen sie ihn fest. Am Folgetag erließ ein Haftrichter einen Haftbefehl gegen den Mann. Er befindet sich nun im Gefängnis. Gegen ihn wird wegen Drogenhandels ermittelt.
Die anderen zwei Männer entließ die Polizei noch am Samstagabend. Doch auch gegen sie wird weiter wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung ermittelt.
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Vincent Ebneth LVZ
16.05.2025
Aus Connewitzer Kult-Späti „Connserve“ wird Familienimbiss mit Döner und Pizza
14 Jahre lang war die kleine DDR-Kaufhalle im Leipziger Süden Späti und Treffpunkt – dann war plötzlich Schluss. Der Laden stand monatelang leer. Der neue Betreiber hat bereits ein Hipster-Café im Zentrum-Süd. Warum jetzt noch Döner zum Flat White?
Zwei Fleischspieße drehen sich dort, wo bis vor knapp einem Jahr noch Bier, Limo und Zigaretten über die Theke gingen. Aus dem Kult-Späti „Connserve“ ist ein Imbiss geworden. Döner, Pizza, Schnitzel stehen auf der Karte bei „Donkeys“.
Was man von außen nicht sieht: Hinter der denkmalgeschützten Fassade der DDR-Kaufhalle steckt eine persönliche Geschichte.
Der neue Imbiss ist ein Familienbetrieb
Drinnen: frisch gestrichene Wände, moderne Lampen, dunkle Tische in Holzoptik, Pflanzen. „Die Einrichtung ist noch nicht ganz fertig“, sagt der neue Betreiber Robin Anwari. Schritt für Schritt soll ausgebaut werden. Mehr als 20 Sitzplätze bietet der Innenraum. Über der Theke hängen sieben Lampen. „Wir sind sieben Geschwister“, erklärt der 30-Jährige, dessen Familie aus Afghanistan stammt. „Für jeden eine Lampe.“ Er ist der Jüngste.
„Donkeys“ ist ein Familienbetrieb. Bruder Massi und Schwager Rami stehen hinter der Theke, schneiden Fleisch, belegen Pizzen. Beide haben jahrelange Erfahrung. Rami hat zuvor in Dönerladen in Oschatz und Dresden gearbeitet, außerdem führt er mit seiner Frau ein italienisches Restaurant in Borsdorf.
Erst Hipster-Café, jetzt Döner
Vor rund einem Jahr übernahm Robin Anwari das Hipster-Café „7Shots“ nahe dem Bayerischen Bahnhof – Flat White, Hafermilch, hochwertiger Kaffee. Und jetzt: Döner und Pizza in der ehemaligen „Connserve“?
„Es hat sich so ergeben“, sagt er. Dann wird er auf einmal nachdenklicher. „Über das Café habe ich René kennengelernt. Er wurde ein guter Freund.“ Er habe ihn auf die leerstehende „Connserve“ gebracht. „Vor ein paar Monaten ist René plötzlich verstorben.“ In einer Ecke des Ladens lehnt ein Foto. Es ist ein Porträt von René, ein Geschenk seiner Familie zur Eröffnung des Ladens.
Mutter inspiriert zum Namen
Warum verkauft Anwari Pizza und Döner? „Weil wir verstärkt auf Lieferservice setzen“, erläutert er. Seine Familie bringt die nötige Erfahrung mit, der Schritt sei logisch gewesen. „Ich weiß selbst nicht, ob das hier alles klappt. Aber ich glaube daran.“ Sein Imbiss liegt in einem Wohngebiet, eine Schule ist in unmittelbarer Nähe.
Der Name für einen Dönerladen ungewöhnliche Name „Donkeys“ geht auf seine Mutter zurück. „Sie hat mich immer liebevoll Kharag genannt – das heißt auf Afghanisch: mein Eselchen“, erzählt er und lacht. Als Nächstes will Anwari einen Freisitz bauen. „Hinten im Garten. Am besten auch einen Spielplatz.“
Auffällig: Das Logo der „Connserve“ hängt noch immer außen an der ehemaligen Kaufhalle. „Das bleibt“, sagt Anwari. „Ich mag das Wortspiel – und der Späti war Teil des Kiezes.“
Die „Connserve“ war für viele Connewitzer mehr als ein Spätverkauf, war auch sozialer Treffpunkt. Seit 2010 verkaufte Betreiber Tom Rieger hier Bier, Kaffee, Brötchen, vegane Snacks – oft bis spät in die Nacht. Im August 2024 schloss er den Laden. Der Grund: zunehmender Druck durch das Ordnungsamt. Das sächsische Ladenöffnungsgesetz erlaubt Spätverkäufen ohne Gastronomielizenz nur eingeschränkte Öffnungszeiten. Nach 14 Jahren „Connserve” war Schluss.
Neues Leben in alter „Connserve“
Jetzt ist wieder Leben drin. Manche freuen sich, andere hätten lieber einen neuen Späti gesehen – so steht es zumindest beim Online-Portal Reddit. Anwari lässt sich davon nicht beirren. „Ich bin froh, dass es jetzt richtig losgeht.“
Wer einen Werbeflyer mitbringt, zahlt bis zum 30. Juni nur 5 statt 7 Euro für einen Döner – auch für Pizza. „Ein Willkommensangebot.“ Für Schüler und Studierende gibt’s ohnehin günstigeren Döner zwischen 11 und 15 Uhr.
Am 24. Mai steigt die Eröffnungsfeier. „Ich freue mich, wenn viele vorbeikommen. Ihr seid herzlich willkommen“, sagt Anwari und lächelt.
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LVZ 03.04.2025
Mit Drogenspürhund – Polizei findet Drogen in Späti im Leipziger Osten
In einem Späti im Leipziger Osten hat die Polizei Drogen gefunden. Der Laden durfte eigentlich nicht betrieben werden. Gegen zwei Personen wird nun ermittelt.
In einem Spätkauf im Leipziger Osten hat die Polizei am Dienstag Drogen gefunden. Kontrolliert wurde der Laden laut Behördensprecherin Sandra Freitag um 12 Uhr, da er eigentlich verschlossen sein sollte – die Tür allerdings offen stand.
Festgestellt wurden laut Freitag „unter anderem Cliptütchen mit Heroin, Marihuana und Methamphetamin sowie andere für den Drogenverkauf typische Utensilien“. Über die Menge konnte sie keine Angaben machen. Vor Ort war zudem die Kriminalpolizei mit einem Drogenspürhund. Der Einsatz dauerte bis 21 Uhr.
Ermittlungen gegen zwei Tatverdächtige
Eine 31-jährige Frau und ein 19-jähriger Mann waren zum Zeitpunkt des Einsatzes im Geschäft. Von beiden wurden die Personalien aufgenommen. Danach wurden sie in Absprache mit der Staatsanwaltschaft aus der polizeilichen Maßnahme entlassen.
Gegen die Tatverdächtigen laufen nun Ermittlungen wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz. Zum Zeitpunkt der Kontrolle lag laut Stadt-Pressesprecher David Quorsdorf keine Gewerbeanmeldung zum Gewerbeobjekt bei der Gewerbebehörde der Stadt vor. Der Stadtordnungsdienst verschloss das Geschäft und versiegelte es nach dem Einsatz.
Transparenzhinweis: In einer früheren Fassung des Textes hieß es, dass das Lokal generell behördlich geschlossen war. Diese Angabe wurde korrigiert.
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07.02.2025 LVZ
Laden musste schließen – Mutmaßlicher Drogenhandel in Leipziger Späti – Verkäufer festgenommen
Die Polizei hat einen möglichen Umschlagsplatz für Drogen im Leipziger Osten ausfindig gemacht. Ein Verdächtiger wurde festgenommen.
In einem Spätverkauf im Leipziger Stadtteil Anger-Crottendorf hat die Polizei bei einer Durchsuchung Drogen in einer nicht geringen Menge sichergestellt. Gegen den 49-jährigen Verkäufer laufen nun Ermittlungen wegen des Verdachts auf Drogenhandel, hieß es am Freitag. Der Mann wurde vorübergehend festgenommen, zudem durchsuchten die Beamten seine private Wohnung. Der Laden in der Zweinaundorfer Straße musste schließen.
Der Spätverkauf ist demnach schon seit längerer Zeit im Visier der Behörden. „Der Verkäufer war bereits einschlägig wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz polizeibekannt“, teilte eine Sprecherin mit. Um 13.15 Uhr am Mittwoch betraten schließlich mehrere Einsatzkräfte mit dem erforderlichen Durchsuchungsbeschluss des Leipziger Amtsgerichts das Geschäft. Auch ein Drogenspürhund war im Einsatz.
Verpackte Drogen im Späti gefunden
Die Beamten fanden unter anderem knapp 50 Gramm Heroin, circa 100 Gramm Marihuana sowie knapp über zehn Gramm Methamphetamin, jeweils in fertigen Konsumeinheiten verpackt. Außerdem wurden mehr als 230 verschreibungspflichtige Tabletten sichergestellt.
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29.01.2025 Marco Brás Dos Santos – kreuzer
Mit Kanonen auf Spätis
Eine großangelegte Kontrolle von Zoll und Polizei verunsichert Späti-Betreibende im Leipziger Süden
Nach der Späti-Demonstration in Connewitz führte die Stadt Leipzig zusammen mit Zoll und Polizei groß angelegte Kontrollen in Kiosken und Spätverkäufen durch. Die Ausbeute ist gering. Ob die Aktion im Zusammenhang mit dem Protest steht, bleibt unklar – die Betreiberinnen und Betreiber wurden jedoch deutlich eingeschüchtert.
Am 15. Dezember versammelten sich in Connewitz zahlreiche Menschen, um gegen die Schikanen der Ordnungsbehörden zu protestieren und für den Erhalt der Späti-Kultur zu demonstrieren. Doch was einen knappen Monat später geschah, sorgt für Schlagzeilen: Am 16. Januar führte die Stadt Leipzig gemeinsam mit dem Zoll und der Polizeidirektion eine groß angelegte »konzertierte Aktion« in mehreren Gewerbeobjekten im Leipziger Süden durch.
Kontrollen und ihre Hintergründe
Die Kontrollen in den sogenannten Spätis seien auf Grundlage gewerberechtlicher Vorschriften durchgeführt worden, schreibt das Ordnungsamt auf kreuzer-Anfrage. Da der Begriff »Späti« jedoch nicht im rechtlichen Sinne existiere, hätten sich die Überprüfungen auf »Gewerbeobjekte« wie Gastronomie und Einzelhandel bezogen. Franziska Schneider, Pressesprecherin der Stadt Leipzig, erklärt dem kreuzer, dass die Maßnahme darauf abgezielt habe, sicherzustellen, dass alle geltenden Vorschriften eingehalten werden. Während der Überprüfungen seien verschiedene Unregelmäßigkeiten festgestellt worden, deren Auswertung nun im Ordnungsamt liefe. Ob es zu Ordnungswidrigkeitenverfahren oder weiteren Verwaltungsverfahren kommt, sei aktuell noch nicht absehbar.
Auf Anfrage von MDR Sachsen heißt es aus dem Wirtschaftsministerium: »Die geltenden gesetzlichen Regelungen bieten aktuell Rechtssicherheit, sowohl für die Betreiber und Beschäftigten sogenannter Spätverkaufsstellen als auch für Vollzugsbehörden.« In diesem Zusammenhang verweist das Wirtschaftsministerium auf den Ermessensspielraum der Ordnungsämter. Demnach können sie Verstöße ahnden, müssen es aber nicht zwangsläufig.
Zoll und Polizei im Einsatz
Ebenfalls beteiligt an den Kontrollen war das Hauptzollamt Dresden, das am 16. Januar mit 18 Beamten Prüfungen in acht Kiosken und Spätverkäufen in Connewitz durchgeführt habe, wie Pressesprecherin Rebecca Holldorf auf kreuzer-Anfrage schreibt. Dabei seien zehn Personen zu ihren Beschäftigungsverhältnissen befragt worden. Die Zollbeamten hätten ein Verdachtsmoment festgestellt wegen des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt, der nun weitere Prüfungen nach sich ziehe.
Im Rahmen der Kontrollen waren auch rund 50 Beamtinnen und Beamte der Bereitschaftspolizei im Einsatz. Sandra Freitag, Pressesprecherin der Polizeidirektion Leipzig, schreibt auf Anfrage, dass ein Schlagstock mit integriertem Pfefferspray sichergestellt worden sei. Nach einer Prüfung sei festgestellt worden, dass es sich um einen »erlaubnisfreien Gegenstand« handelte, also eine Waffe, die frei erworben werden kann. Der Schlagstock sei jedoch »zur Vernichtung zugeführt« worden – mit der »Erlaubnis« des Eigentümers.
Unklarer Zusammenhang zur Demonstration
Die Frage, ob die groß angelegte Kontrolle in den Geschäften, die vor allem entlang der Route der Dezember-Demonstration lagen, einen direkten Zusammenhang zu den Protesten hat, bleibt bislang offen. In den offiziellen Mitteilungen der Behörden konnte dieser Zusammenhang nicht eindeutig geklärt werden. Für Mario, aus dem Kreis der Vorbereitungsgruppe der Späti-Demo im Dezember 2024 steht jedoch fest, »dass die Betreiber:innen der betroffenen Gewerbe durch das massive Aufgebot an Einsatzkräften eingeschüchtert wurden.«
Er habe auch vernommen, dass Betreiberinnen und Betreiber von Spätis nun weniger geneigt seien, sich öffentlich zu den Kontrollpraktiken der Stadt Leipzig zu äußern, womit gewollt oder nicht, die Aktion einen bedrohlichen Effekt auch auf jene hätte, die im Januar nicht von den Maßnahmen betroffen waren. Ob diese »konzertierte Aktion« wirklich der Bekämpfung von Missständen diene oder eher ein Beispiel dafür sei, wie »Behörden mit übertriebenen Mitteln und in einer Art und Weise« vorgehen, die lokal ansässige »Kleinunternehmer:innen unter Druck setzt«, bleibe für Mario abzuwarten.
Klar sei nur, dass die Späti-Kultur und das Gewerbe im Leipziger Süden vor einer neuen Herausforderung stehen. Liebhaberinnen und Liebhaber der Spätis in Leipzig fordert Mario auf, »sich solidarisch mit den Betreiber:innen zu zeigen.« Die beste Art und Weise dafür sei, das Verweilen vor dem Späti. Dies stärke den gastronomischen Charakter der Gewerbeobjekte am offensichtlichsten.
Bislang im kreuzer dazu:
Immer wieder sonntags kommt das Ordnungsamt
Sonntagsruhe vor Spätibier
Das Ende von Leipzig
Kampf um das Urbane
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MDR 28. Januar 2025
Spätis in Leipzig: Zwischen Ordnungsamt-Druck und Neustart
Die Brötchen fürs Frühstück vergessen – einfach noch schnell zum Späti um die Ecke. Für viele Leipzigerinnen und Leipziger gehören die Spätverkaufsstellen in ihrem Kiez einfach dazu. Doch die Geschäfte sind letzter Zeit häufiger Zielscheibe von Kontrollen durch das Ordnungsamt geworden. Denn was Spätis dürfen und was nicht, ist gar nicht so einfach. Im Gespräch mit MDR SACHSEN berichten Späti-Betreiber und -Nutzer von Unsicherheit, Schikanen, aber es gibt auch positive Stimmen.
Thomas öffnet die Tür zum Pink Panther. Er nimmt sich eine Cola-Flasche aus dem Regal und geht zur Kasse. Er sei Stammkunde in dem Späti, erzählt der Leipziger. Ob er von den jüngsten Kontrollen von Zoll und Ordnungsamt etwas mitbekommen hat? „Natürlich, weil ich wohne direkt hier oben drüber im Haus“, sagt Thomas.
Stammkunde: Spätis sollen klein gemacht werden
Seiner Darstellung nach hätten Ordnungsamt und Zoll den Späti „komplett auf den Kopf gestellt, wie bei einer Hausdurchsuchung.“ Das Geschäft sei voller Beamter gewesen. Die gehäuften Kontrollen bei den Connewitzer Spätis findet er komplett überzogen. „Ich glaube, dass es vielen Spätis schon länger so geht, dass sie beobachtet werden und dass sie unter Druck stehen – sei es wegen der Öffnungszeiten, sei es mit dem, was sie verkaufen dürfen“, sagt der 44-Jährige.
Er glaube, dass man die Spätis bewusst klein machen wolle. Dabei seien die mehr als nur eine Bereicherung für den Stadtteil: „Der Späti erfüllt eine wichtige soziale Funktion. Hier treffen sich Menschen und tauschen sich aus.“ Dem Ordnungsamt mache er dabei keinen Vorwurf. Die Mitarbeiter würden schließlich nur Regeln umsetzen.
Zoll und Ordnungsamt durchsuchen Spätis
Vor anderthalb Wochen hatte das Ordnungsamt Leipzig zusammen mit dem Zoll mehrere Spätis in Connewitz kontrolliert. Die Kontrollen erfolgten wegen möglicher Schwarzarbeit, teilte das Hauptzollamt in Dresden auf Anfrage von MDR SACHSEN mit.
In einem Fall hat sich demnach der Verdacht wegen des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt herausgestellt. Der Zoll habe aber verdachtsunabhängig kontrolliert. Kontrollen gebe es zudem in allen gewerblichen Bereichen, Leipzig-Connewitz sei kein Schwerpunktgebiet.
Betreiber verunsichert durch Kontrollen
Die Kontrolleure kamen auch beim Betreiber des Spätis Pink Panther vorbei. Zu beanstanden habe der Zoll nichts gehabt, erzählt der Mann, der namentlich nicht genannt werden will. Doch dem Betreiber ist seine Verunsicherung dennoch anzumerken. Er wolle alles richtig machen und keinen Ärger, betont er. Das Ordnungsamt sei in den vergangenen Monaten schon öfters da gewesen, erzählt er. Den Laden habe er erst im September vergangenen Jahres übernommen.
Die Ordnungsbeamten hätten genau hingeschaut. „Sie sagten mir, dass ich bestimmte Lebensmittel an Sonn- und Feiertagen nicht anbieten darf“, erklärt der Mann. Er zeigt auf Fünf-Minuten-Terrinen, auf eingeschweißte Brötchen und Milch – die einzigen Lebensmittel, die er jetzt noch anbietet. Diese müsse er aber an Sonn- und Feiertagen wieder wegräumen.
Bestimmte Waren sind in manchen Zeiten tabu
Denn bei der Frage, was Spätis anbieten dürfen, wird es schnell kompliziert. Die Spätshops gelten rechtlich als sogenannte Mischbetriebe. Weil sie laut Ladenöffnungsgesetz nach 22 Uhr schließen müssten, bieten viele ein zusätzliches gastronomisches Angebot an. Damit fallen sie unter das Sächsische Gaststättengesetz. Das erlaubt den Verkaufsstellen auch zwischen 22 Uhr und 6 Uhr sowie an Sonn- und Feiertagen zu öffnen. Einzelhandelswaren dürfen sie jedoch nicht in dieser Zeit anbieten.
Was dürfen Spätis wann anbieten?
Für Spätverkaufsstellen gelten laut Sächsischem Ladenöffnungsgesetz die allgemeinen Ladenöffnungszeiten: Montag bis Samstag 6 bis 22 Uhr. Betreibt der Gewerbetreibende zusätzlich ein Gaststättengewerbe, dürfen auch außerhalb der Ladenöffnungszeiten bestimmte Dinge an Gäste verkauft werden. Dazu gehören Flaschenbier, alkoholfreie Getränke, Presse-, Tabak- und Süßwaren. Nicht erlaubt ist jedoch der Verkauf von Einzelhandelswaren. Im Gaststättenrecht gibt es nur Sperrzeitregelungen von einer Stunde, und zwar von 5 bis 6 Uhr.
Ein Gaststättengewerbe muss laut Ordnungsamt Leipzig vor Ort tatsächlich betrieben werden und als solches klar erkennbar sein. Unter anderem müssen ausreichend Sitz- und Verweilmöglichkeiten im Gewerbeobjekt vorhanden sein und es muss die Möglichkeit bestehen, vor Ort zubereitete Speisen und Getränke zu sich zu nehmen.
Beamte führen in Leipzig 144 Kontrollen durch
Im vergangenen Jahr führte das Ordnungsamt in Spätis in Leipzig 144 Kontrollen durch. Die Stadt Leipzig geht nach eigenen Angaben von mehr als 200 Spätis im gesamten Stadtgebiet aus. Das teilte das Ordnungsamt der Stadt auf Anfrage von MDR SACHSEN mit. Zu etwaigen Verstößen oder Strafen machte es keine Angaben.
Es verweist darauf, dass keine Statistik bei Verstößen gegen das Ladenöffnungsgesetz geführt werde. Dies sei gesetzlich nicht vorgeschrieben. Mögliche Vergehen würden als Einzelfälle geahndet.
Ordnungsamt: Klare Mängel festgestellt
Auf Anfrage der Partei Die Linke in Leipzig von Ende Oktober 2024, teilte das Ordnungsamt jedoch mit, dass bei den Kontrollen bis zum damaligen Zeitpunkt bei vielen Betrieben „klare Mängel“ festgestellt wurden. Dazu hieß es: „Vielmehr steht bei dem Großteil der Objekte, welche nach 22 Uhr öffnen, eine reine Verkaufsstelle für Getränke oder Einzelhandelswaren im Vordergrund. Der gastronomische Charakter weist bei vielen Objekten klare Mängel auf.“ Viele Spätis hielten sich demnach also nicht an die aktuell rechtlichen Vorgaben.
Welche Strafen drohen bei Missachtung des Ladenöffnungsgesetzes?
Bei Verstoß gegen das Sächsische Ladenöffnungsgesetz drohen Geschäftsinhabern Geldbußen von bis zu 5.000 Euro. Zudem können Zwangsgelder verhängt werden. Bei mehrfachen Verstößen droht Geschäften in letzter Konsequenz die Schließung.
Emotionales Thema bei den Connewitzern
Das Thema Spätis scheint aktuell in Connewitz emotional aufgeladen zu sein, wie eine Umfrage zeigt. Ein Späti-Kunde, der anonym bleiben will, erinnert sich an die letzten Wochen des vor einem halben Jahr geschlossenen Spätis Connserve. „Von Seiten des Ordnungsamtes habe ich vermehrte Kontrollen mitbekommen“, erzählt der 29-Jährige.
Er habe gesehen, dass Regale mit Einzelhandelswaren abgehangen wurden. Aufgrund der fortschreitenden Kontrollen habe der Besitzer aufgegeben, meint er. In einem Bericht der Leipziger Volkszeitung wird zwar vom Ärger mit den Behörden gesprochen. Der Betreiber der Connserve habe schließlich aber auch aus persönlichen Gründen und personellen Engpässen das Handtuch geworfen. Eine Connewitzerin sagt im Gespräch, dass sie nicht verstehe, warum man es den Spätis so schwer mache.
Linke scheiterte mit Gesetzanpassung
Könnten klarere Gesetzesregelungen Ladenbesitzern und Ämtern gleichermaßen helfen? Die Linken in Sachsen wollten im vergangenen Jahr eine Anpassung des Ladenöffnungsgesetzes im Sächsischen Landtag erreichen, scheiterten jedoch.
Leipzig und Dresden offen für neue rechtliche Regelung
Die Stadt Leipzig selbst stünde einer Neuregelung offen gegenüber: „Eine klarere gesetzliche Regelung zu den Öffnungszeiten solcher Mischbetriebe könnte aus Sicht der Stadt Leipzig dazu beitragen, die Abgrenzung zwischen Verkaufs- und Gaststättenbereichen zu vereinfachen und für mehr Rechtssicherheit zu sorgen.“
Auch die Stadt Dresden ist offen für eine gesetzliche Neuregelung, teilt die Stadt auf Anfrage mit. Das Ausmaß der Kontrollen scheint sich jedoch in der Elbestadt in Grenzen zu halten. Bei den 14 Kontrollen in Spätis in Dresden 2024 seien die Besitzer über etwaige Verstöße gegen das Ladenöffnungsgesetz hingewiesen worden. Ordnungswidrigkeitsverfahren habe es keine gegeben. Die Stadt Dresden geht nach eigenen Angaben von etwa 30 Spätverkaufsstellen aus.
Wirtschaftsministerium: Rechtliche Lage ausreichend
Nach Ansicht des Wirtschaftsministeriums sind die aktuellen Regeln ausreichend. Auf Anfrage von MDR SACHSEN heißt es aus dem Ministerium: „Die geltenden gesetzlichen Regelungen bieten aktuell Rechtssicherheit, sowohl für die Betreiber und Beschäftigten sogenannter Spätverkaufsstellen als auch für Vollzugsbehörden.“ In diesem Zusammenhang verweist das Wirtschaftsministerium auf den Ermessensspielraum der Ordnungsämter. Demnach können sie Verstöße ahnden, müssen es aber nicht zwangsläufig.
Späti-Nutzerin erinnert sich an Schikanen
In der Späti-Szene in Leipzig gab und gibt es viel Bewegung. Geschäfte mussten schließen, neue öffneten. Davon weiß auch Jenny, die gerade in einem Spätshop in der Leipziger Südvorstadt einkauft. Die 37-Jährige erinnert sich an den Späti, den es zuvor an gleicher Stelle gab.
Der damalige Betreiber habe die Kontrollen als Schikane wahrgenommen. „Die haben immer hohe Vertragsstrafen zahlen müssen. Das Problem war wohl, dass bestimmte Produkte auslagen, die nicht angeboten werden dürfen.“
Neuer Späti mit kurdischer Küche
Jenny nimmt sich eine Wasserflasche und geht zur Kasse. Kouman Ibrahim, der gebürtige Syrer, betreibt seinen Späti seit Oktober vergangenen Jahres, erzählt er. Sein Beispiel zeigt offenbar, dass ein solches Geschäft von Beginn an auch regelkonform funktionieren kann.
Darauf habe er geachtet, sagt Ibrahim. „Wir bieten neben dem Verkauf auch kurdische Küche an.“ Vor der Eröffnung habe das Ordnungsamt seinen Küchenbereich sogar als besonders positiv hervorgehoben. Er freue sich auf die rege Kundschaft gerade in der Mittagszeit und in den Abendstunden. Er hoffe, dass das so bleibt.
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Mathias Wöbking LVZ
15.12.2024
Demo durch Leipzig-Connewitz wirft Ordnungsamt Schikane von Spätis vor
Rund 100 Menschen haben am Sonntag in Connewitz für den Erhalt von Spätverkäufen protestiert. Sie fordern, Spätis eigenständig im Ladenöffnungsgesetz zu berücksichtigen.
Die Frau, die ins Mikrofon spricht, hat sich als Anwohnerin vorgestellt. „Der Schock hallt nach“, sagt sie. „Wir fühlen seit fast einem halben Jahr, wie es ist, wenn der Späti deines Vertrauens verschwindet.“
Rund 100 Menschen haben sich vor dem vergitterten eingeschossigen Haus versammelt, in dem bis zum Sommer die „Connserve“ zu Hause war, eine Institution unter den Spätverkäufen im Leipziger Süden. Doch nach Jahren der Auseinandersetzung mit dem Ordnungsamt gepaart mit personellen Engpässen hatte Betreiber Tom Rieger aufgegeben. Jetzt ist er ebenfalls da und steht im einsetzenden Regen.
Betreiber fühlen sich vom Ordnungsamt schikaniert
„Aber wir lassen uns unsere Spätis nicht nehmen“, ruft die Anwohnerin trotzig. Es ist der passende Ausgangsort für eine Demonstration, die am Sonntagnachmittag durch Connewitz bis zum Kreuz ziehen sollte. Überschrift: „Advent, Advent, mein (Späti-)Bier brennt!“
Rund drei Dutzend Spätverkäufe, meist liebevoll „Späti“ genannt, existieren im Leipziger Stadtgebiet – noch, muss man sagen. Denn es werden weniger. Zu DDR-Zeiten für Schichtarbeiter gedacht, haben sie sich längst auch in westdeutschen Großstädten ausgebreitet. Doch in Leipzig fühlen sich die Betreiber vom Ordnungsamt schikaniert.
123 Kontrollen bislang dieses Jahr
Linken-Stadträtin Juliane Nagel, die die Demo angemeldet hat, hatte in einer Ratsversammlung kürzlich in Erfahrung gebracht, dass die Behörde allein im laufenden Jahr 123 Mal kontrolliert hatte, ob die Öffnungszeiten eingehalten werden. Dabei hatte die Stadtverwaltung 2023 noch ihr Wohlwollen gegenüber der Späti-Kultur zum Ausdruck gebracht: Sie gehöre zum städtischen Nachtleben und steigere die Aufenthaltsqualität in den Vierteln.
Stippvisite am Abend vorher in „Ronis Späti“, an dem der Protestzug tags darauf vorbeiführen wird. Sechs Kunden stehen in dem kleinen Raum und sprechen über die bevorstehende Demo. „Hier kostet das Bier ein bisschen mehr“, sagt Alex. „Dafür habe ich einen Verkäufer, mit dem ich auch ein paar Worte wechseln kann. Ich liebe das!“ Micha erzählt von den Radtouren, die er im Sommer gern unternimmt. „Von unterwegs schreibe ich dem Roni, dass ich gleich das kälteste Getränk Europas brauche. Und er wartet mit einem kalten Radler auf mich – wunderbar.“
Inhaber Roni Kezi ist seit 15 Jahren vor Ort. Seit längerer Zeit hat er keinen Besuch mehr vom Ordnungsamt erhalten: „Den Stress und das Risiko, bestraft zu werden, tue ich mir nicht mehr an“, sagt er. Lieber schließt er um 22 Uhr und nimmt sich sonntags frei. Das freue zwar die Familie, wenn der Papa mehr Zeit habe. „Aber seither habe ich knapp 50 Prozent meines Gesamtumsatzes verloren.“
In keinem neuen Bundesland sind die Schließzeiten so restriktiv wie in Sachsen: In Thüringen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin dürfen die Geschäfte montags bis samstags von 0 bis 24 Uhr öffnen, in Sachsen hingegen nur von 6 bis 22 Uhr. Davon sind zwar Tankstellen, Bahnhofsläden und Automaten-Shops ausgenommen – aber eben nicht die Spätis.
Grauzone zwischen Kneipe und Supermarkt
Manche Betreiber versuchen, ihren Spätis mit Tischen und Stühlen einen „gastronomischen Charakter“ zu verleihen. Nach 22 Uhr verdecken Vorhänge oder Rollläden jene Regale, deren Ware jetzt nicht verkauft werden darf. Aber wird das den Mitarbeitern des Ordnungsamts genügen, wenn sie kontrollieren? Manchmal ja, aber sie können sich nicht darauf verlassen.
Im Späti am Südplatz sortiert ein Kunde gewissenhaft Leergut in die verschiedenen Kästen. Inhaber Che Jallow guckt nicht hin: Er vertraut ihm. „Wir feiern Geburtstag“, sagt der Kunde und stellt sich als Oliver vor. „Der Späti ist unser verlängerter Kühlschrank.“ Er lacht. Dann wird er ernst: „Aber das ist längst nicht alles, was den Späti ausmacht: Hier treffen sich vom Studenten bis zum Rentner die Menschen, die im Viertel leben.“
Der 46-Jährige misst dem Südplatz-Späti eine enorme gesellschaftliche Bedeutung bei. „Die paar Cents, die ich mehr bezahle, sind ein Witz, wenn man die soziale Arbeit dagegen rechnet, die hier geleistet wird.“ Gespräche gegen die Einsamkeit, Hilfe im Alltag: „Ob ich einen Transporter für einen Umzug oder einen guten Rechtsanwalt suche, der sich mit Mietrecht auskennt: Hier hat immer jemand einen Tipp.“
Zurück zur Demo, die mittlerweile am Connewitzer Kreuz angekommen ist. Zeit für Tom Rieger, eine Rede zu halten. „Jeder Mensch in Sachsen weiß, was ein Späti ist“, sagt er. „Nur die sächsische Gewerbeordnung nicht – willkommen in einer lustigen Grauzone.“ Nach dem Schluss der „Connserve“ betreibt Rieger immerhin noch „Onkel Toms Hütte“ in der Südvorstadt.
Gewerkschafterin Jessica Herrmann betont, dass die behördlichen Kontrollen aus ihrer Sicht nichts mit dem Schutz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu tun haben: „Wer in einem Späti anheuert, weiß, dass es spät werden kann. Spätis sind keine Gastronomiebetriebe, aber auch keine Supermärkte. Hier muss endlich die Gesetzgebung ran.“ Eine Forderung, die zu Jahresbeginn bereits die Linksfraktion im Sächsischen Landtag eingebracht hatte – ohne dafür eine Mehrheit zu erhalten.
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LIZ Von Thomas Köhler 16. Dezember 2024
Advent, Advent: Eine Demo für die Leipziger Spätis
„Advent, Advent – nicht nur das Späti-Bier brennt!“ Auch wenn im Aufruf zur Demo am Sonntag, dem 15. Dezember, nur das Bier benannt wird, bei den Spätverkaufsstellen, liebevoll Spätis genannt, geht es um mehr als Bier. Spätis sind auch soziale Räume im Kiez. Das machte bei der Demo auch eine Anwohnerin über den Lautsprecher deutlich: „Bereits zu DDR-Zeiten dienten diese Spätkauf-Vorläufer als Begegnungsstätte, soziale Knotenpunkte und Einkaufsmöglichkeiten.“
Für sie steht fest: „Heute gibt es in nahezu jeder Großstadt eine Späti-Kultur, welche sich mehr oder weniger ungehindert etablieren, entwickeln und kultivieren konnte. Noch immer sind Spätis untrennbar mit dem Bild des Nachtlebens verbunden und sind abendliche Begegnungsstätten, Einkaufsmöglichkeiten und Räume der sozialen Interaktion. Wir als treue Späti-Kund/-innen nutzen sowohl das Einkaufsangebot als auch den sozialen Gesichtspunkt sehr gern und können gar nicht überbetonen, wie viel es den Anwohner/-innen bedeutet, einen Späti an der Ecke zu haben.“
Während man in Köln mitten in der Nacht im Büdchen sein Päckchen Kaffee oder ähnliches kaufen kann, werden in Sachsen, somit auch in Leipzig, die Spätis massiv kontrolliert und sanktioniert.
Juliane Nagel, Landtagsabgeordnete für Die Linke, sagte dazu: „Wir haben in Leipzig das Problem, dass es gerade wieder eine massive Welle der Kontrollen von Spätis gibt. Bis zum November waren es 132 Kontrollen, und zwar nicht aufgrund von Beschwerden, sondern einfach weil Ordnungsamtsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter im Außendienst Lust darauf haben, die Spätis zu kontrollieren.
Das empfinden wir als ganz schöne Schikane und fordern von der Stadt Leipzig mit dieser Demonstration, dass sie diese Kontrollpraxis unterlässt. Wir fordern natürlich auch, dass das Land endlich eine Rechtsgrundlage schafft, damit Spätis auch länger als 22 Uhr aufmachen können.“
Tom Rieger, der ehemalige Betreiber des Spätis Connserve, vor dem auch die Demonstration startete, stellte das so dar: „Ich habe jahrelang hier mit meiner Frau zusammen diesen Laden betrieben. Aus gesundheitlichen und privaten Gründen haben wir uns entschlossen, den Laden zuzumachen. Nichtsdestotrotz waren wir, als wir den Späti betrieben haben, immer in der Gefahr, mit dem Ordnungsamt Probleme zu haben, weil wir gegen das Sächsische Ladenschlussgesetz verstoßen würden.
Wir haben das vor Gericht geklärt. Beide Seiten haben mehr oder weniger Recht bekommen, weil es eben nicht nur ein Einzelhandel, sondern auch ein gastronomischer Betrieb ist und dafür eben andere Regeln gelten. Das ist alles Schwachsinn, mit dieser Bürokratie und einer Kontrolle des Spätverkaufs, wenn wegen einer Rolle Klopapier oder einem Stück Butter, welches verkauft wurde, Sanktionsgelder erhoben werden, die jenseits von Gut und Böse sind. Das ist verschwendetes Steuergeld.“
Ein Gesetz für die Supermarktketten?
Menschen sollen scheinbar nach 22 Uhr in Leipzig ihre Waren nur noch in Tankstellen kaufen können. Da gibt es zwei Probleme: Erstens kommt man zu diesen am besten mit dem Auto und zweitens ist man dort an das gelistete Angebot bei Aral & Co., mit überhöhten Preisen verbunden.
Nach Auskunft der Stadtverwaltung an den Veranstalter erfolgen die Kontrollen nicht aufgrund von Anwohnerbeschwerden, sondern im Ermessen der Mitarbeiter der Polizeibehörde. Die Veranstalter haben eine andere Vermutung, wie in der Eröffnungsrede deutlich wurde.
„Sie haben den Verdacht, dass Supermarktketten wie Rewe, Konsum, Kaufland und weitere Spätverkäufe bei den Behörden anzeigen. Hierzu passt, dass die eingangs geschilderte Situation (es wurde eine Kontrolle geschildert, Anm. d. Red.) nicht ausgedacht, sondern sich wirklich so zugetragen hat und die Männer an diesem Sonntag selbst von Rewe und Kaufland gesprochen haben, zu denen die Produkte im Spätverkauf in Konkurrenz stünden.
Eine Konkurrenz für Supermärkte, die für Lieferdienste wie Flink oder Tankstellen nicht gilt. Ebenfalls nicht für Automaten-Spätis, von denen Einkauf24 gerne 50 Standorte in Leipzig eröffnen möchte.“
Man soll also an Automaten ein Sortiment, welches im Späti verboten ist, rund um die Uhr kaufen können. Warum dann nicht gleich im Späti? Die Kontrollen auf Verstöße gegen das Ladenschlussgesetz werden mit dem Schutz der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen begründet. Die Spätis sind meist inhabergeführt, das ist etwas anderes.
Dies betonte auch Juliane Nagel explizit: „Wir wollen auch nach 22 Uhr einkaufen gehen. Allerdings beschränken wir unsere Perspektive auf kleine inhabergeführte Spätis, nicht auf die großen Ketten. Die sollen ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Ruhe lassen, zu den Ruhezeiten und an den Wochenenden. Aber für die kleinen inhabergeführten Spätis macht es keinen Sinn, dass die so reglementiert werden.
Es gehört einfach zum Lebensalltag von Menschen, auch nach 22 Uhr mal was Kleines einzukaufen. Spätis sind auch soziale Treffpunkte in den Vierteln und die dürfen nicht weiter so schikaniert werden, wie wir es gerade erleben.“
Für viele Menschen eine Notwendigkeit
Besonders für Menschen, die zum Beispiel im Schichtdienst bis in die Nacht hinein arbeiten, aber auch wenn unverhofft Besuch kommt, sind die Spätis oft die bessere Alternative. Das machte auch die oben genannte Anwohnerin deutlich.
„Spätis dienen aber nicht nur dazu, den Wohlfühlfaktor in den Kiezen zu erhalten, sondern haben auch ganz praktisch absolute Notwendigkeit. So stellen sie zum Beispiel für Schichtarbeiter nach wie vor eine wichtige Möglichkeit dar, am späten Abend nach dem Dienst ein paar Kleinigkeiten einzukaufen. Auch viele Mütter und oder Väter sind sehr dankbar für das Angebot eines Spätis, denn Care-Arbeit hat keine Schichtzeiten, sodass es vorkommt, dass Menschen auch nach 22 Uhr oder an einem Sonntag mal eine Milch, Brötchen, Seife etc. brauchen.“
Der aus etwa 100 Menschen bestehende Demonstrationszug lief, begleitet von einem großen Polizeiaufgebot, von der Probstheidaer Straße zum Connewitzer Kreuz, wo die Abschlusskundgebung stattfand.
Fazit: Zum dauerhaften Erhalt der Späti-Kultur braucht es eine Änderung des sächsischen Ladenschlussgesetzes. Der letzte Antrag dazu kam von der Fraktion Die Linke und wurde vor der Neuwahl des Landtages abgelehnt. Bis zu einer dauerhaften Lösung würde es ausreichen, wenn das Ordnungsamt die Kontrollen nur nach wirklichen Anwohnerbeschwerden, wegen Lärm, Vermüllung oder ähnlichem, durchführt.
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Von linXXnet 14. Dezember 2024
Demonstration für den Erhalt von Spätis in Leipzig
Am Sonntag, 15. Dezember findet ab 14:00 in Leipzig eine Demonstration für den Erhalt von Spätis statt. Unter dem Motto „Advent, Advent, mein Späti (Bier) brennt“ wird der Protest an der ehemaligen Connserve in der Probstheidaer Straße in Connewitz starten und zum Neuen Rathaus führen.
Seit Jahren gibt es Unmut aufgrund der Kontrollen, denen Spätis in Leipzig unterzogen werden. Die lokalen Spätverkäufe unterliegen, wenn sie nicht explizit als Gastronomie fungieren, dem Sächsischen Ladenöffnungsgesetz, das Öffnungszeiten bis maximal 22:00 vorsieht und den Sonntag ausschließt. Anders als bei Tankstellen und Reiseshops gibt für Spätverkäufe keine Ausnahmeregelung. Eine entsprechende Initiative der Linken im Landtag scheiterte in diesem Jahr.
Trotzdem die Stadt Leipzig auf Stadtratsanfragen immer wieder bekundet, dass sie die Rolle von Spätis für die Versorgungs- und Aufenthaltsqualität in den Stadtteilen, für die Nachtkultur und die Teilhabe von Menschen mit geringem Einkommen anerkennt, überzieht sie die Läden mit Kontrollen.
123 Kontrollen bis November diesen Jahres erfolgte nicht aufgrund von Beschwerden sondern im Rahmen von regulären Außendiensteinsätzen des Ordnungsamtes. (vgl. Anfrage Stadträtin Juliane Nagel von November 2024)
Dagegen wendet sich die Demonstration.
„Wir wollen unsere Spätis in Leipzig erhalten. Sie sind soziale Trefforte in unseren Stadtteilen; sie kümmern sich um Konflikte in den Kiezen; haben ein offenes Ohr für die Bewohner*innen in der Umgebung; sind Anlaufpunkte in der Nacht, wenn Menschen Hilfe brauchen; sie retten Arbeiter*innen und Familien regelmäßig den Arsch, wenn in der regulären Arbeitszeit einfach keine Möglichkeit für den Einkauf bestand oder die Care-Arbeit länger dauerte als 22 Uhr.“ so Mario Kessler von der Demo-Initiative.
Dabei geht es dezidiert nicht um die Missachtung der Rechte von Beschäftigten. „Aus gewerkschaftlicher Perspektive ist das Ladenöffnungsgesetz eine wichtige Rechtsnorm, denn sie soll im Einzelhandel tätige Beschäftigte vor unwürdigen Nacht- und Wochenendarbeitszeiten schützen. Dazu stehen auch wir: große Ketten und Unternehmen sollen ihre Mitarbeitenden zu diesen Zeiten in Ruhe lassen. Anders ist die Lage bei den kleinen, inhabergeführten Spätis, die mit einer Mischung aus Gastro und Waren des täglichen Bedarfs dort anknüpfen, wo sich die Lebensrealität vieler Menschen verändert hat. Mitarbeitende haben hier zumeist kurze Wochenarbeitszeiten.“
Mit der Demo wird von der Stadt gefordert, die schikanösen Kontrollen zu unterlassen, die den Spätis die Existenz massiv erschweren und vom Land endlich eine praktikable Ausnahmeregelung zu finden.
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13.12.2024 Marco Brás Dos Santos – kreuzer
»Spätis sind mehr als reine Verkaufsstellen«
Eine Initiative fordert den Schutz von Spätis in Leipzig
Es gibt mal wieder Aufregung um das Bier aus Leipzigs Spätis. Schon in der Vergangenheit wurde die verstärkte Kontrollpraxis durch die Behörden thematisiert. Mitarbeitende des Ordnungsamtes können Bußgelder verhängen oder Späti-Betreibende auffordern, Regale mit Lebensmitteln abzuhängen, wenn diese nach 22 Uhr oder sonntags angeboten werden. Eine Demonstration, um die Spätis zu »verteidigen«, soll es am kommenden Sonntag in Connewitz geben. Wir sprachen mit Mario aus dem Kreis der Organisatorinnen und Organisatoren über die Hintergründe.
Warum soll es jetzt eine Demonstration für Spätis geben?
Konkreter Auslöser war, dass an einem Sonntag eine Kontrolle von Mitarbeiter:innen des Ordnungsamts in einem Späti von Gästen miterlebt wurde. Klar, die Polizeibehörde wird immer mal in der Stadt gesehen, und Freund:innen berichten hin und wieder von ihren schlechten Erfahrungen mit Kontrollen. Aber bei so einer Maßnahme im Späti dabei zu sein, war eine Erfahrung, die Unmut in Connewitz hervorgerufen hat. Mit dieser Erfahrung kamen Menschen ins linXXnet (Projekt- und Abgeordnetenbüro der Linken-Landtagsabgeordneten Juliane Nagel, Anm. d. Red.) und fragten, was das soll. Die Linksfraktion schrieb daraufhin eine Anfrage, deren Antwort uns überraschte.
Inwiefern hat Sie die Antwort der Stadt Leipzig überrascht?
Wir sind davon ausgegangen, dass die Stadt sich auf das Sächsische Ladenöffnungsgesetz berufen und somit die Verantwortung, wie so oft, einfach von sich weisen würde. Dass sie dann aber freimütig von bisher 123 Kontrollen in diesem Jahr berichtete, die auf »Eigeninitiative der Bediensteten« des Ordnungsamts erfolgten, hat uns überrascht. Es zeigte sich in weiteren Gesprächen, dass es sich hier um ein Vorgehen der Leipziger Behörde handelt, das in anderen sächsischen Städten in dieser Intensität nicht praktiziert wird. Das hat natürlich die Wut auf diese Kontrollpraxis gegenüber unseren Spätis noch einmal gesteigert und uns zu dem Entschluss geführt, dagegen auf die Straße zu gehen.
Jenseits der Kontrollen: Das Ladenöffnungsgesetz, das die Öffnungszeiten von Verkaufsstellen auf 6 bis 22 Uhr beschränkt, dient ja auch dem Schutz der Beschäftigten. Wie gehen Sie damit um?
Wir fordern keine schrankenlose Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten, wie es vielleicht marktradikale Akteure wie die FDP tun würden. Wir stehen dazu, dass Chefs ihre Angestellten zu bestimmten Zeiten, insbesondere am Abend und am Wochenende, in Ruhe lassen sollen und dass Arbeitszeiten eher verkürzt als verlängert werden müssen. Darum fordern wir eine Öffnung nur für kleine, inhabergeführte Läden, auf keinen Fall für große Ketten. Betreiber:innen von Spätis vermuten, dass Supermarktketten diese anschwärzen, um missliebige Konkurrenz loszuwerden. Die Situation bei der Kontrolle in dem Späti ließ diese Vermutung auch zu, weil die Mitarbeiter:innen des Ordnungsamts bei der Kontrolle selbst Supermarktketten ins Gespräch brachten, deren Angebot angeblich in Konkurrenz zum Späti stünde. Wir fordern somit eine kleine Ausnahmeregelung für einen kleinen Bereich: die Spätis, die mehr sind als reine Verkaufsstellen – nämlich auch soziale und nachbarschaftliche Anlaufstellen in den Vierteln. Das sieht die Stadt ja selbst auch so, tut aber das Gegenteil, indem sie diesen das Existieren erschwert.
Was erhoffen Sie sich von der Demonstration?
Erst einmal wünschen wir uns Aufmerksamkeit für das Thema, damit alle Betreiber:innen von Spätis die Möglichkeit nutzen können, die Probleme, die die städtischen Behörden ihnen bereiten, mit uns auf der Demo zu teilen. Wir wissen aus Gesprächen mit Spätis, dass diese angebliche Konkurrenz zu Supermärkten nicht stimmt – niemand macht einen Wocheneinkauf im Späti. Wir sind offen für Wortbeiträge und Grußworte von Spätis, damit dies endlich bei den Behörden ankommt. Dann wollen wir natürlich sichtbar machen, wie sehr wir unsere Spätis schätzen und erhalten wollen. Wir rufen daher alle auf, denen ihr Späti um die Ecke am Herzen liegt, mit uns auf die Straße zu gehen. Unsere wichtigste Forderung ist, dass die Stadt Leipzig der »Eigeninitiative« der Mitarbeiter:innen der Polizeibehörde einen Riegel vorschiebt. Wenn von Leipzig schon keine Initiative ausgeht, das Sächsische Ladenöffnungsgesetz zu reformieren, dann soll die Behörde vor Ort wenigstens die Spätis in Ruhe lassen. In anderen Städten in Sachsen geht das schließlich auch.
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LVZ Matthias Puppe
12.12.2024
Leipziger Späti-Betreiber wollen gegen Benachteiligung demonstrieren
Während Tankstellen und Reiseshops in Leipzig auch nach 22 Uhr öffnen können, müssen die beliebten Spätis da schon schließen. Jetzt wollen die Betreiber dagegen demonstrieren.
In Leipzig gehören Spätverkäufe – sogenannte „Spätis“ – zur Lebenskultur. Das unterstreicht auch die Kommune immer wieder. Die mehr als drei Dutzend Läden im Stadtgebiet sind oftmals nicht nur Einkaufsoptionen, sondern auch soziale Treffpunkte für Bewohnerinnen und Bewohner in den Quartieren. Strikte Bestimmungen im Sächsischen Ladenöffnungsgesetzes sowie eine wachsende Konkurrenz durch automatisierte Supermärkte machen den Betreiberinnen und Betreibern allerdings zu schaffen.
Für einen Betrieb außerhalb der Öffnungszeiten von regulären Supermärkten, der für „Spätis“ häufig essenziell ist, braucht es mehr als nur Verkaufswaren und einen Ladentresen. Ein gastronomisches Angebot ist zwingend erforderlich, um als entsprechende Einrichtung mit längerer Öffnungszeit gelten zu können. Das stellt die Betreiberinnen und Betreiber vor Herausforderungen – im Gegensatz zu Tankstellen und Reiseshops, die angesichts einer sächsischen Ausnahmeregel auch ohne Speisen nach 22 Uhr noch öffnen können. Am Sonntag wendet sich eine Demonstration in Leipzig gegen die Benachteiligungen in der Gesetzgebung.
„Wir wollen unsere Spätis in Leipzig erhalten. Sie sind soziale Trefforte in unseren Stadtteilen, sie kümmern sich um Konflikte in den Kiezen; haben ein offenes Ohr für die Bewohnerinnen und Bewohner und sind Anlaufpunkte in der Nacht, wenn Menschen Hilfe brauchen“, sagt Mitorganisator Mario Kessler. Aus seiner Sicht sind Spätis gerade für die Arbeitnehmer und Familien unverzichtbar, wenn in der regulären Arbeitszeit keine Möglichkeit zum Einkauf bestand oder die Care-Arbeit länger als bis zur Schließzeit der Supermärkte dauere.
123 Kontrollen innerhalb eines Jahres – häufig fehle Gastronomie
Wie die Stadtverwaltung auf Anfrage der Stadträtin Juliane Nagel (Die Linke) erklärte, wurden in diesem Jahr bereits 123 Kontrollen in den Leipziger Spätverkäufen durchgeführt. Dabei ging es weniger um Beschweren als um die Einhaltung der Öffnungszeiten, heißt es. Nur mit „gastronomischem Charakter“ sei dies auch nach 22 Uhr möglich. In einem Großteil der Leipziger Spätis stehe jedoch weiterhin der Verkauf von Getränken und Einzelhandelswaren im Vordergrund, so die Einschätzung der Kommune.
Die Linksfraktion im Sächsischen Landtag hatte Anfang des Jahres noch versucht, für Spätverkäufe generell längere Öffnungszeiten zu ermöglichen – scheiterte damit aber an fehlenden Mehrheiten im Parlament. Zusätzlicher Druck in der Gemengelage entsteht nun durch den Trend zu automatischen Verkaufsstellen – die gänzlichen ohne Personal betrieben werden und deshalb nicht unter das Ladenschlussgesetz fallen. Vielmehr gelte hier die Gewerbeordnung und so reiche für den Betrieb ohne jegliche Öffnungsbeschränkung auch eine Anzeige bei den Behörden, so Leipzigs Stadtverwaltung.
Am Sonntag wollen Betreiberinnen und Betreiber für den Erhalt ihrer Spätverkaufsstellen protestieren. Die Demo trägt demnach den saisonal abgestimmten Titel „Advent, Advent, mein Späti-(Bier) brennt“. Ab 14 Uhr soll es dabei von der Probstheidaer Straße (Connewitz) bis zum Neuen Rathaus gehen, so die Ankündigung.
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LVZ Frank Döring
11.08.2023
Wegen Drogendeals: Stadt geht gegen vier Leipziger Späti-Betreiber vor
Wenn Ermittler auf die Spur illegaler Drogen kommen in Leipziger Spätverkaufsstellen, ist auch das Ordnungsamt nicht weit. Allein dieses Jahr untersagte die Stadt in einem halben Dutzend Fällen die weitere Ausübung des Gewerbes.
Razzien, Ermittlungen, Drogenfunde: Immer mal wieder geraten Spätverkaufsstellen in Leipzig ins Visier der Ermittler. Auf Anfrage der LVZ hatte Behördensprecher Olaf Hoppe bestätigt: Im zuständigen Fachkommissariat ist das Problem bekannt. Von den 40 bis 50 solcher kleiner Läden im Stadtgebiet sei eine einstellige Zahl bisher im Zusammenhang mit Betäubungsmittelkriminalität polizeilich aufgefallen.
Doch wie reagiert die Stadt, wenn Gewerbetreibende zu Kriminellen werden? Haben die Deals in den Spätis Konsequenzen für die Betreiber? Offenbar schon: Wie das städtische Ordnungsamt gegenüber der LVZ mitteilte, sind bereits etwa ein halbes Dutzend Fälle aus diesem Jahr bekannt.
Der Hebel für die Kommune ist die sogenannte Gewerbeuntersagung. Diese könne allerdings nur verfügt werden, „wenn sich der Gewerbetreibende als unzuverlässig erweist, sein Gewerbe zu betreiben oder fortzuführen“, heißt es aus dem Rathaus. Die Definition für Unzuverlässigkeit: Als unzuverlässig anzusehen ist demnach derjenige, der nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß ausübt. „Die Gewähr bietet der Gewerbetreibende dann nicht, wenn in der Vergangenheit Tatsachen eingetreten sind, die Maßnahmen zum Schutz gefährdeter Rechtsgüter erforderlich machen, weil künftige weitere Verstöße wahrscheinlich sind“, beschreibt es die Stadt.
Die meisten betroffenen Spätis im Osten von Leipzig
Konkrete Gründe dafür können etwa Straftaten und Ordnungswidrigkeiten mit Gewerbebezug sein, Steuerrückstände an gewerbebezogenen Steuern, beharrliche Verstöße gegen die Erfüllung steuerliche Erklärungspflichten, Verstöße gegen sozialversicherungsrechtliche Pflichten sowie persönliche Mängel des Gewerbetreibenden.
Allein im laufenden Jahr 2023 wurden laut Angaben des Ordnungsamtes vier bestandskräftige Gewerbeuntersagungen gegen Betreiber von Spätverkaufsläden ausgesprochen, bei dem sich der Bescheid auf die Erfüllung eines Straftatbestandes stützt. Eine weitere Gewerbeuntersagung betraf der Stadt zufolge den Inhaber einer Bar. Von den insgesamt fünf Objekten befanden sich vier im Leipziger Osten – konkret in den Stadtteilen Neustadt-Neuschönefeld und Reudnitz – sowie eine Adresse in Neulindenau im Westen von Leipzig.
Gewerbeuntersagung richtet sich nur gegen Person
Allerdings steche bei Gewerbeuntersagungen keine Branche besonders heraus, betonte die Stadt. Neben dem Einzelhandel und gastronomischen Einrichtungen seien beispielsweise auch Handwerksbetriebe und der Dienstleistungssektor betroffen. Das Aus am jeweiligen Standort muss dies aber nicht zwingend bedeuten. Denn diese Gewerbeuntersagungen richten sich nie gegen Objekte oder Adressen, erläuterte das Ordnungsamt, sondern immer im konkreten Einzelfall gegen den jeweiligen Betreiber oder Gewerbetreibenden.
Bei mehreren Razzien in Spätverkaufsstellen in den Stadtteilen Neustadt-Neuschönefeld und Schönefeld-Abtnaundorf hatten Zoll und Polizei größere Mengen Cannabis, Methamphetamine, Heroin und Kokain sichergestellt. Ein Späti-Betreiber war auch wegen Falschgelds ins Visier der Behörden geraten. Gemessen an der gesamten Betäubungsmittelkriminalität in Leipzig stellten die kleinen Läden jedoch keinen Schwerpunkt für die Arbeit der Ermittler dar, so Behördensprecher Hoppe.
Frank Döring
10.08.2023
Verdächtige Spätis in Leipzig: Neue Betreiber, doch die alten Probleme bleiben
Mit Gewerbeuntersagungen kann die Stadt Leipzig gegen Späti-Betreiber vorgehen, die in kriminelle Geschäfte verwickelt sind. Allerdings kann der betreffende Laden mit neuem Betreiber weiterlaufen. Ob man auf diese Weise Drogengeschäfte dauerhaft unterbindet, darf bezweifelt werden, meint Redakteur Frank Döring
Es ist kein beispielloser Drogensumpf trockenzulegen, aber es reichen einige schwarze Schafe, um eine Branche in Verruf zu bringen: Von 50 Spätverkaufsstellen in Leipzig haben weniger als zehn mit Drogenkriminalität zu tun – so die Erkenntnisse der Polizei. Gemessen an den 2500 bis 3000 Drogendelikten jedes Jahr in der Stadt sehen die Ermittler da keinen absoluten Schwerpunkt.
Dennoch gab es allein in diesem Jahr schon mehrere Razzien in verdächtigen Läden, bei denen die Behörden Cannabis, Methamphetamine, Heroin und Kokain in teilweise größeren Mengen sicherstellten. Mithin ist zu befürchten, dass zumindest in einigen der unter Verdacht geratenen Spätis nicht nur kleine Fische agierten, die neben ihrem legalen Einzelhandel auch im illegalen Betäubungsmittelhandel nicht unwesentlich mitgemischt haben.
Doch Ermittlungsverfahren und Gerichtsurteile sind nur ein Teil der Lösung. Gewerbeuntersagungen können ein Mittel sein, um Betreiber von Spätshops, aber auch gastronomischen Einrichtungen und Dienstleistungsbetrieben zu sanktionieren. Aber auch genau da liegt ein Teil des Problems: Weil sich das Einschreiten der Behörden immer nur gegen bestimmte Gewerbetreibende richtet, kann der Laden im Grunde ganz normal weiterlaufen, nur eben mit anderem Betreiber wenn nicht gar einem Strohmann. Ob das im Einzelfall den Drogenhandel unterbindet, darf bezweifelt werden.
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Die Leipziger Späti-Kultur droht auszusterben. Warum ist das so?
25.10.2019 Til Schäbitz kreuzer
Spätabends oder am Sonntag mal eben ein kühles Bier holen – Was eigentlich so einfach sein könnte, wird in Leipzig immer schwieriger. Nur noch wenige Spätis haben länger geöffnet als reguläre Supermärkte. Schuld daran ist ein Landesgesetz. Doch es lässt einen gewissen Spielraum offen.
Zwei Männer stehen vor einem verschlossenen Laden irgendwo im Leipziger Stadtgebiet. Der Jüngere der beiden, ein schlaksiger Typ in seinen späten Zwanzigern, lehnt im Türrahmen, die gefalteten Hände hinter dem Rücken versteckt. Der Ältere, ein rundlicher Mann mit starker Gestik, steht in der Mitte des Gehwegs. Er dreht seinen Kopf von links nach rechts und wieder zurück, hält Ausschau.
Es ist Sonntag, später Nachmittag. Dass die beiden Männer hier stehen, ist kein Zufall. Vielmehr ist es eine Verkaufsstrategie. Sobald potentielle Kunden den Gehweg entlang schlendern, lächelt sie der Jüngere freundlich an. Einige der Vorbeilaufenden kennen das System schon. Sie nicken dann zurück. Der Jüngere schaut sich kurz um, vergewissert sich nochmal bei seinem Kollegen und wenn auch dieser nickt, schließt er die Tür auf. Schnell rein und dann noch schneller die Tür von innen wieder zumachen. Drinnen bleibt das Licht aus, nur die drei Kühlschränke leuchten ein wenig.
Keine Drogen, sondern ne Limo
Wer jetzt denkt, hier ginge es um zwielichtige Drogen- oder Waffengeschäfte, irrt gewaltig. Die beiden Männer betreiben einen Späti, der Sonntagnachmittag ein paar Getränke verkauft. Doch auch das ist in Leipzig nicht ganz legal.
Grund dafür ist das Sächsische Ladenöffnungsgesetz von 2010. Darin steht, wann Verkaufsstellen in Sachsen öffnen dürfen: von Montag bis Samstag, jeweils von 6 bis 22 Uhr. Davon ausgenommen sind lediglich Verkaufsstellen, für die es eine explizit im Gesetz verankerte Sonderregelung gibt; wie etwa Tankstellen, Bistros oder Bahnhofsläden. Spätverkäufe kennt das Sächsische Ladenöffnungsgesetz nicht, somit gibt es für diese auch keine Sonderregelungen.
Im Vergleich zu Berlin oder Köln ist die Leipziger Spätilandschaft zwar karg, trotzdem gibt es einige Läden, die außerhalb der gesetzlich geregelten Öffnungszeiten verkaufen. Wie das sein kann? Die Gründe dafür sind vielfältig.
Gesetze lassen sich teilweise umgehen
Eine bedeutende Rolle spielt das Ordnungsamt. Es hat die Aufgabe, zu kontrollieren, ob sich die verschiedenen Verkaufsstellen (in diesem Fall Spätis) an die gesetzlich vorgeschriebenen Öffnungszeiten halten. Vor ein paar Jahren hieß es aus den Reihen des Ordnungsamtes noch, dass die Beamten erst aktiv werden, wenn es Beschwerden, etwa von Anwohnern oder konkurrierenden Supermärkten, gibt. Anlasslose Kontrollen gebe es nicht. Mittlerweile scheint das Ordnungsamt diesen Kurs verlassen zu haben. In einigen Vierteln von Leipzig kam es in letzter Zeit zu einer Flut an Klagedrohungen und daraus resultierenden Anpassungen der Öffnungszeiten der Spätis, wie Recherchen des kreuzer ergeben haben.
Ein weiterer Grund aus dem es in Leipzig immer noch Läden gibt, die auch außerhalb der vorgeschriebenen Zeiten öffnen, sind Grauzonen, die es erlauben, die gesetzlichen Regelungen zu umgehen. Etwa, indem man den Späti zu einer Verkaufsstelle mit Sonderregelung umwidmen lässt.So ist es beispielsweise relativ einfach, aus einem Späti eine so genannte E-Tankstelle zu machen. Alles, was es dafür braucht, sind ein paar Außensteckdosen und etwas bürokratisches Geschick der Besitzenden. Da Tankstellen laut Ladenöffnungsgesetz rund um die Uhr geöffnet haben dürfen, können Spätis, die als E-Tankstelle eingetragen sind, frei über ihre Öffnungszeiten entscheiden. Diesen Weg haben unter anderem die »Ahoi«-Spätis gewählt.
Mehrheit der Stadtratsfraktionen fordert kommunale Handhabe
Weitere Möglichkeiten sind die Umwidmung zu einem Imbiss wie etwa beim »Kiezkontor« in der Zweinaundorfer Straße, zu einer Videothek, oder zu einer Gastronomie mit Einzelhandel wie beim »Schwarzmarkt« in der Georg-Schwarz-Straße. Für jede dieser Formen muss eine Vielzahl an gesetzlichen Auflagen erfüllt werden. Einige davon sind ziemlich kurios, so müssen einige Produkte am Abend durch eine Jalousie versteckt werden. Diese Umwidmungen bringen erheblichen bürokratischen Aufwand mit sich, der für viele Läden kaum, oder gar nicht umsetzbar ist.
Nun ist es so, dass Spätverkäufe ihr Hauptgeschäft am späten Abend oder an Feiertagen machen – genau dann, wenn sie eigentlich geschlossen bleiben müssten. Solange das Gesetz darauf nicht reagiert, wird sich neben einer erbitterten Suche nach immer neuen Grauzonen auch das Spätisterben nicht verhindern lassen. Eine Anpassung des Sächsischen Ladenöffnungsgesetzes scheint dringend notwendig, um dem großstädtischen Lebensstil gerecht zu werden. Das sehen nicht nur Spätibesitzer so, sondern mit Ausnahme der AfD auch alle Leipziger Stadtratsfraktionen. Auf Nachfrage des kreuzer fordern vor allem Linke, Grüne und SPD Möglichkeiten des kommunalen Eingriffs in das angestaubte Landesgesetz.
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Neue Hütte für den faulen Hund | Das »Lazy Dog« musste wegen Anwohnerbeschwerden umziehen
05.04.2013 Marc Bohländer kreuzer
Der Späti »Lazy Dog« in Connewitz ist eine Institution. Schon seit Frühjahr 2004 versorgt man den Kiez mit Bier, Hot Dogs und vielen anderen lebensnotwendigen Dingen. Mit dem Standort haben die Betreiber aber irgendwie kein Glück: Im März bezog man den nunmehr dritten Laden. Nach insgesamt fünf Jahren verlängerten die Vermieter am alten Platz in der Wolfgang-Heinze-Straße den Vertrag nicht.
Einst musste der Späti dem neuen Netto-Supermarkt am Wiedebachplatz weichen. »Wegen sechs Parkplätzen«, sagt Thomas, einer der Betreiber. Im neuen Laden an der Ecke Hermannstraße/Wolfgang-Heinze-Straße lässt er den Blick durch das neue »Lazy Dog« wandern und erzählt, warum der Laden schon wieder mal umziehen musste: »Wir haben damals den Vertrag mit jemandem geschlossen, der mittlerweile verstorben ist. Die Erbengemeinschaft hatte dann nicht wirklich Lust auf uns.«
Die Vermieter wohnten direkt über dem Späti und beklagten sich wie auch andere Anwohner über andauernde Ruhestörung, die von Kunden vor dem Laden ausgehen würde. »Dass die ganze Straße in den letzen Jahren eine Belebung erfahren hat, wird dabei oft ausgeblendet«, sagt Thomas. Trotzdem appellierten er und sein Teilhaber per Aushang an die Kunden: »Das Hauptproblem für unsere Vermieter stellt die allabendliche und nächtliche Ansammlung unserer Kundschaft vor dem Haus dar.« Sachbeschädigungen und der anfallende Müll beeinträchtigten die Wohnqualität, so Vermieter und Anwohner. Vielleicht war deshalb bisher nicht jedem Mitarbeiter im »Lazy Dog« das Service-Lächeln ins Gesicht gemeißelt.
Nachdem also im Juni vergangenen Jahres klar war, dass man im Dezember rausmusste, ging es auf die Suche nach einer neuen Hundehütte. »Die gestaltete sich gar nicht so einfach, eigentlich war das hier die einzige Option«, sagt Thomas. Fündig wurde man an der Ecke Hermannstraße/Wolfgang-Heinze-Straße, etwa auf halbem Weg zwischen Connewitzer Kreuz und Conne Island. Der neue Laden ist größer und heller. Der Mietvertrag laufe jetzt erst mal drei Jahre, berichtet Thomas.
Auch beim Sortiment hat sich etwas getan. Das Angebot an Bieren, Limos und Wodka wurde aufgestockt. Außerdem kann man mehr vegane Lebensmittel und Backwerk sowie frische Produkte kaufen. Den legendären Hot Dog gibt es jetzt in einer neuen Variante mit mehr Zutaten und Soßen. Ob der szeneverbundene Späti am neuen Standort auf lange Sicht heimisch wird, hängt vor allem davon ab, ob man sich das Abhängen davor verkneift. Das neue »Lazy Dog« liegt nämlich wieder in einem Wohnhaus – und neben einem Pflegedienst.