Der letzten Reihe auf der Spur – 10 Jahre nach dem Neonaziüberfall in Connewitz

Als am 11. Januar 2016 Legida, der Pegida-Ableger, im Stadtzentrum seinen ersten Jahrestag feierte, unter anderem mit einem Auftritt von „Kategorie C“-Sänger Hannes Ostendorf, verübten Neonazis und rechte Schläger im Stadtteil Connewitz einen der größten Übergriffe der vergangenen Jahre in Leipzig. 250 bis 300 Neonazis aus der Region, Sachsen und teilweise anderen Bundesländern griffen im Leipziger Süden Menschen und Geschäfte an.

Neben Pyrotechnik mit erheblicher Sprengwirkung wurden bei der Verhaftung der Neonazis Messer, Totschläger, Holzlatten mit Nägeln, Äxte und Quarzhandschuhe gefunden. Es entstand ein Sachschaden von über 100.000 Euro und unzählige psychische Folgen für Menschen, die dort lebten, sich zu diesem Zeitpunkt in Kneipen und Läden auf der Wolfgang-Heinze-Straße aufhielten und zum Ziel des Neonazi-Angriffs wurden. 215 Neonazis wurden noch am Abend von der Polizei festgesetzt, ein nicht unbedeutender Teil entkam.

“Das Einzige, was ich bedauere ist, heute keine 9 mm dabei zu haben.”

Mit diesem Satz kommentierte ein NPD-Jurist das Verfahren gegen seinen Mandanten, der sich für den Neonazi-Angriff auf Connewitz vor Gericht verantworten musste.
Erst 2 ½ Jahre später werden die ersten Neonazis überhaupt vor Gericht stehen und es wird bis ins Jahr 2025 dauern, bis die letzten Verfahren abgeschlossen sind. Bereits in einem der ersten Prozesse gegen die Täter gibt ein rechter Szeneanwalt die Richtung für alle weiteren Connewitz-Prozesse vor. In Verständigungsgesprächen vor den Verhandlungen einigen sich die (rechte) Verteidigung, Richter*in und Staatsanwaltschaft fortan darauf, dass die Angeklagten mit Bewährungsstrafen davonkommen, sofern sie “aussagen”. Dies heißt, dass kein Neonazi wesentlich mehr erzählt, als dass er an dem Abend vor Ort war und festgenommen wurde. Auf die Ladung von Zeug*innen wird in der Regel verzichtet, die “Beweisaufnahme” dauert meist keine Stunde.

Wurde in einem der ersten Prozesse noch kurz erwähnt, dass sich der rechte Angriff am 11. Januar 2016 „auch gegen Menschen richtete“, verschwindet diese Tatsache aus fast allen folgenden Verfahren. Auch in den wenigen öffentlichen medialen Darstellungen des Neonazi-Angriffs der letzten Jahre, findet diese Gewalt keine Erwähnung mehr.

Antifas für den Neonazi-Angriff in Connewitz vor Gericht?

Von einer Aufklärung des geplanten Angriffs von bis zu 300 Neonazis, konnte nie die Rede sein. Es gab keinerlei “Strukturermittlungen” zu den Organisatoren des Angriffs, geschweige denn Hausdurchsuchungen durch die Polizei im Nachgang, anders als bei Linken in Leipzig (1). Auch hat die Generalbundesanwaltschaft darauf verzichtet, die Ermittlungen an sich zu ziehen, obwohl eine Planung und eine bundesweite Neonazi-Vernetzung über mehrere Bundesländer ersichtlich war und es für den Angriff in Leipzig “Probeläufe” gab.

Viele der beteiligten Neonazis sind keine Unbekannten, im Gegenteil, seit vielen Jahren sind sie für ihre rechten Aktivitäten bekannt. Einige haben eine lange Strafakte, standen am 11. Januar 2016 zum Teil sogar unter “Bewährung”. Viele der Neonazis und ihrer Netzwerke machten danach weiter (2), sie kamen 2018 in Chemnitz (3) zusammen, wie auch 2020 wieder in Leipzig (4).

Alles was 2016 von behördlicher Seite gegen die Neonazis ausgeblieben ist, wurde gegen Antifaschist*innen in die Wege geleitet. Aktuell stehen 7 Antifaschist*innen, angeklagt von der Generalbundesanwaltschaft, in Dresden vor Gericht (5), ihnen wird vorgeworfen eine “kriminelle Vereinigung” gegründet zu haben und Angriffe auf Neonazis geplant und verübt zu haben. Zum Prozessauftakt behaupteten von der SokoLinX vorab gebriefte Medien (6), dass Motiv der Antifaschist*innen sei der Neonazi-Angriff 2016 in Connewitz gewesen und es ginge darum sich an den 215 Neonazis zu “rächen”. Bereits 2023 wurden 4 Antifaschist*innen im so genannten ersten Antifa Ost – Verfahren zu mindestens zwei und bis zu fünf Jahren wegen der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung und diversen Körperverletzungsdelikten verurteilt (7).
Welche politischen Auswirkungen es auf den am 13. Januar beginnenden Prozess in Düsseldorf haben wird (8), wird sich noch zeigen.

Vor dem erneuten Verfahren in Dresden gegen die 7 Antifas schrieb der EA Dresden:

„Organisiert den Antifaschistischen Selbstschutz

Nazis morden, brandschatzen, vergewaltigen, demütigen und verletzen. Das ist nicht optionaler Bestandteil, das ist die DNA ihrer Ideologie. Doch das was wir heute als Rechtsruck bezeichnen, geht weit über organisierte Neonazis hinaus. Vom rassistischen Pöbler in der Straßenbahn, über die mysogyne Incelwelt bis hin zum parlamentarischen Engagement gegen Transrechte: einig sind sich alle in ihrer menschenfeindlichen Ideologie.

Diese Ideologie schreitet vom Wort zur Tat. Unser Ziel und unsere Aufgabe als Antifaschist*innen ist es, uns zusammenzuschließen um dieser Gewalt entgegentreten zu können. Wir müssen die Drahtzieher*innen denunzieren und ihre Aktivitäten ans Licht bringen. Dabei sind wir nicht allein.“

Antifa heißt: do it yourself

Dem geschriebenen vom EA Dresden wollen wir uns anschließen. Uns eint die gemeinsame antifaschistische Überzeugung und der Kampf gegen Neonazis und rechte Strukturen, egal wo sie sich befinden, hierfür benötigt es vielfältige Aktionsformen.

Deshalb möchten wir zehn Jahre nach dem Neonazi-Angriff auf die Strukturen dahinter aufmerksam machen und der behördlich betriebenen Entpolitisierung entgegenwirken. Wohl wissend, dass sich auch in einer medialen Berichterstattung, wenn es diese überhaupt gab, ebenfalls nicht für die rechten Netzwerke hinter dem koordinierten Angriff in Connewitz interessiert wird.

Am 12. Januar 2026 wollen wir uns auf die Fersen der längsten letzen Reihe der Welt begeben und aus Connewitz heraus einmal mehr nach den Rechten sehen.

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Demonstration am 12. Januar 2026 um 19 Uhr Wolfgang-Heinze-Str. in Leipzig-Connewitz.

– https://www.rassismus-toetet-leipzig.org
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1 https://www.rassismus-toetet-leipzig.org/index.php/broschuere-hausdurchsuchungen-in-klein-paris/

2 https://www.inventati.org/leipzig/?p=4452

3 https://ladenschluss.noblogs.org/2018/10/01/recherche-imperium-fight-team-bei-ausschreitungen-in-chemnitz-dabei/

4 https://www.inventati.org/leipzig/?p=4997

5 https://www.antifaostkomplex.org/

6 https://www.nd-aktuell.de/artikel/1195615.repression-antifa-ost-bis-vor-gericht.html

7 https://www.soli-antifa-ost.org/

8 https://www.basc.news/
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Demo-Einmaleins

– Sexistisches Gehabe und Macker-Verhalten haben auf der Demo nichts zu suchen. Wenn ihr so etwas beobachtet und/oder euch belästigt fühlt, helfen euch die Ordner*innen oder eure Bezugsgruppe.

– Mit Rücksicht auf die in Sachsen leider übliche Überwachung raten wir euch, überflüssige Mobiltelefone daheim zu lassen oder auszuschalten, solange ihr sie nicht dringend benötigt.

– Die Demo wird von den Veranstalter*innen dokumentiert, ihr könnt eure Kameras also zuhause lassen. Innerhalb der Demo wird nicht gefilmt und fotografiert, denn solche Aufnahmen dienen ausschließlich den Ermittlungsbehörden. Falls ihr euch von euren Kameras nicht trennen könnt, dann dokumentiert einfach die Polizeiarbeit.

– Provokateure (wie z.B. rechte Streamer) und Beamte, egal ob in Uniform oder zivil, haben in der Demo nichts zu suchen. Bitte bleibt immer besonnen und achtet darauf, was direkt neben euch geschieht.

– Mit Fahrrädern bitte am Ende der Demo laufen, damit niemand darüber stolpert.

– Kein Alkohol oder andere Drogen, laut Auflagen auch keine Glasflaschen, Hunde und (Passiv-) Bewaffnung.

– Nicht willkommen auf der Demo sind national und territorial Fahnen und dergleichen Symbole jedweder coleur, sowie Fahnen von Parteien und anderen politischen Organisationen. Es sollte nicht um die jeweilige (pol.) Identität gehen, sondern den Anlass. Wir wollen nicht als politische Plattform von Gruppen und deren Themen instrumentalisiert werden. Die antifaschistische Aktion sollte uns als Ausdruck genügen.

Nicht vergessen: Bei Problemen aller Art helfen euch die Ordner*innen.

Hinweise für und vom Ermittlungsausschuss Leipzig

– Verhalten bei Demos, Tipps für den Anruf beim EA, Gewahrsamnahmen, Kessel, Spontandemos, Demo anmelden, Auflösung der Demo, Taschenmesser, Protektoren, Vermummung usw., Personalienfeststellung verweigern?! -> Rund um die Demo https://antirepression.noblogs.org/rund-um-die-demo/