„ANTIFA FOREVER“ – na hoffentlich nicht! Zwei Lesarten der „Antifa ist notwenig“-Kampagne

Am 14. Juni 2025 demonstrierten über 6000 Menschen in Jena unter dem Motto „Antifa ist notwendig“. Die Botschaft: Liebe und Kraft– in Untergrund und Haft. Während die Polizei auf Deeskalation setzte und die Sonne unerbittlich brannte, bemühten sich die Veranstalter*innen darum, auch autoritäre Gruppen in die Demonstration zu integrieren.
Das Bündnis zog ein durchweg positives Fazit: „Trotz der Hitze gab es eine mega Stimmung, sehr viele schöne Bilder, Erinnerungen und hoffentlich für viele von euch auch kraftgebende Momente.“
Wir hingegen blicken mit deutlich ambivalenteren Gedanken auf die Kampagne wie auch auf die Demonstration selbst – und fragen, was diese Veranstaltung über den Zustand antifaschistischer Theorie & Praxis im Jahr 2025 aussagt. Zwei Lesarten zur (nicht abgeschlossenen) Kritik „der Antifa“.
Über 6000 Menschen zogen durch Jena und sendeten „Liebe und Kraft in Untergrund und Haft!” Mehr als mit den Bullen, welche eine auffallend deeskalierende Strategie verfolgten, kämpften die Teilnehmenden mit den Temperaturen von über 30 Grad und der Vermittlung des Demokonsenses gegenüber Gruppen, wie Young Struggle oder Zora. Da diese sich stur stellten und wussten, dass ihnen der zunehmende zeitliche Druck Rückenwind verschafft, konnte ohne großen Erfolg im Sinne des Demokonsenses nach ordentlich Verspätung losgelaufen werden.
Durchweg positiv fällt das Fazit der beteiligten Gruppen aus. Das UmsGanze-Bündnis berichtet im Anschluss an die Demo auf Social-Media:
„Wir bewerten die Demonstration als Erfolg: Bundesweite Mobilisierung, keine uns bekannten Festnahmen, stabiler Ausdruck. Daran lässt sich anknüpfen.”
Die Migrantifa-Berlin resümiert: „Kämpferische Demo mit viel Pyro und Feuerwerk, solidarische und rührende Reden von Inhaftierten und Angehörigen, danke an alle Organisierenden! Auch stark: trotz Paliflaggenverbot war Palästina in Reden und Parolen präsent und in der Demo sichtbar.“
In ihrem Telegram-Verteiler verlautet die Thüringer Arbeiter- und Bauernfront:
„Erfolgreicher Protest in Jena heute. VORAN MIT DER TABF! VOLKSVERRÄTERN AUFS MAUL HAUEN!”. Und wem spätestens hier auffällt, dass da etwas nicht zusammenpassen kann, dem verdeutlichen vielleicht die folgenden Lesarten, unsere ambivalenten Gedanken zur Demo sowie der im Vorfeld stattgefundenen Kampagne und was das über den Zustand der Antifa-„Bewegung“ in Deutschland im Jahr 2025 aussagt.
Lesart 1 – Solidarität als Legitimation
Fast ein Jahr ist es nun her, dass Maja nach Ungarn ausgeliefert wurde. Schon während Maja’s Haft in Deutschland war Majas Vater unermüdlich für sein Kind im Einsatz. Auch auf der Demonstration hielt er einen emotionalen Redebeitrag. Ebenso Linas Mutter, Betroffene, Unterstützerinnen und Beteiligte.
Neben einem Grußwort von Maja selbst sprach auch Zaid, der ebenfalls als Beschuldigter gilt. Er kritisierte die – selbst „nach bürgerlichem Recht“ – illegale Ausweisung nach Ungarn und forderte eine Rücküberstellung, damit Majas Verfahren in Deutschland verhandelt werden kann. Für die Beschuldigten, ihre Angehörigen und ihr Umfeld dürfte dieser Tag von großer Bedeutung gewesen sein.
Solidarität wird zur Waffe, wenn sie Kraft spendet, der Repression zu begegnen und durchzuhalten – im Wissen darum, nicht allein zu sein. Allein diesen Menschen beizustehen, macht es aus Solidarität und Mitgefühl legitim, über vermeintliche „rote Linien“ hinweg zu sehen und sich strömungsübergreifend der Demo anzuschließen.
Die benötigte Kraft für das Kommende ist allen Beteiligten zu wünschen.
Dass die Betroffenen – ob als Beschuldigte oder Angehörige – aus taktischen Erwägungen Forderungen an eben jenen Rechtsstaat stellen, anders als radikale Gesellschaftskritiker:innen, die diesen sonst grundsätzlich infrage stellen sollten, ist nicht nur nachvollziehbar, sondern angesichts der ungarischen Haftbedingungen notwendig. Auf diesen Umstand wies schon Zaids Formulierung „nach bürgerlichem Recht“ hin.
Lesart 2 – Widersprüche
Gewalt und „Gerechtigkeit“
Doch was taktisch legitim sein mag, kippt ohne Reflexion schnell ins Regressive. Auf der Demo, im Umfeld und in der Kampagne vorab, war oft ein metaphysisches Rechtsverständnis zu erahnen – wenn nicht direkt „die Gerechtigkeit“ beschworen wurde.
Ein paar Tage zuvor hatte bei einer Soli-Demo in Jena eine Redner:in am Open Mic „Gerechtigkeit für Maja!“ gefordert. Im Demo-Aufruf hieß es: „Mit der Verfolgung von Antifas wird nicht der Rechtsstaat verteidigt“ und der Rapper TrueLu forderte zum Abschluss im Paradies:
„Wir kämpfen gegen Rechts, aber wo bleibt die Gerechtigkeit für all unsere Friends?“
Eine Forderung nach Gerechtigkeit – nach etwas also, das das bürgerliche Recht transzendiert – an den Rechtsstaat zu adressieren, ist jedoch Unsinn. Bürgerliches Recht ist geknüpft an ein staatliches Gewaltmonopol – jenseits der Gewaltordnung gibt es also kein Recht.
Walter Benjamin schreibt in „Zur Kritik der Gewalt“, dass Gewalt eben das Mittel des Rechts ist und stellt fest, “dass das Recht die Gewalt in den Händen der einzelnen Person als eine Gefahr ansieht, die Rechtsordnung zu untergraben“ und folgert anschließend:
„diese Rechtsordnung drängt darauf, in allen Gebieten, in denen Zwecke von Einzelpersonen zweckmäßigerweise mit Gewalt erstrebt werden könnten, Rechtszwecke aufzurichten, welche eben nur die Rechtsgewalt auf diese Weise zu verwirklichen vermag.“
Das Recht fußt auf dem Gewaltmonopol des Staates. Wer es in Frage stellt – nicht nur rhetorisch, sondern durch Handlung – gerät mit diesem Gewaltmonopol in Konflikt. Definitiv anders, als es der Aufruf zur Demo und diverse Erklärungen nahelegen, sitzen „unsere Leute“ nicht „im Knast, weil sie Antifaschist:innen sind“, und es werden keine „politischen Perspektiven geahndet.“
Sie sitzen im Knast, weil Ihnen vorgeworfen wird, dieses Gewaltmonopol und die dazugehörige Rechtsordnung missachtet und individuell Gewalt angewendet zu haben. Die Bundesrepublik antwortet – wie jeder andere Staat – auf Angriffe gegen das Gewaltverhältnis mit Repression.
Diese Tatsache soll nicht vergessen machen, dass er gleichsam gegen eine ideologische Unterminierung dieses Gewaltverhältnisses reagiert. Berufsverbote, Überwachung und Repression haben auch immer die getroffen, die das Gewaltverhältnis vor allem verbal in Frage gestellt haben.
In Zeiten, in denen es keine tragfähige linksradikale Bewegung mehr gibt, wirkt eine solche Repression wie das Nachtreten auf eine am Boden liegende Person.
Da die Rechtsordnung die Gewaltordnung nicht per Handschlag beschlossen hat, sondern ihr erst als historisch gewordene, durch Gewalt Geltung verschafft wurde, ist sie auch von Nation zu Nation eine unterschiedliche. Die deutsche wird hier der ungarischen Gewaltordnung (verständlicherweise) vorgezogen.
Nichts gelernt und nichts vergessen: Deutschland deine Antifa
Dass der formulierte Demokonsens samt der Weigerung, innerlinke Grabenkämpfe auf offener Bühne auszutragen sowie das damit verbundene „Partei-, National- und Territorialflaggenverbot“ eine klare Schlagseite gegen bestimmte Gruppen hatte, lässt sich unschwer erkennen – schon allein, weil es absurd wäre, sich vorzustellen, israelsolidarische Linke würden zu einer Antirepressionsdemo in Blockgröße mit Israel- und IDF-Fahnen erscheinen.
Absurd – aber eben Realität – war hingegen die Reaktion der Migrantifa Berlin. In einem Mobi-Text, rund eine Woche vor der Demo, fabulierte man dort allen Ernstes von der „palästinensischen Nationalflagge“ als einem „zentralen Symbol antifaschistischen Widerstands“.
Diese Beleidigung des Denkens jedoch, erklärt vermutlich die hohe Dichte an Kufiyas auf der Demo, jenem angeblichen „Symbol des Widerstands“, das der Hitlerverehrer und notorische Judenfeind Amin al-Husseini einst im britischen Mandatsgebiet Palästina mit Gewalt gegen vermeintliche Kollaborateure und pro-zionistische arabische Bevölkerungsteile (https://kritischebildung.de/afkg/Palaestinensische-Kooperation-mit-dem-Zionismus-vor-1948-haGalil.pdf) als National aufgeladenes Symbol durchsetzte (https://democ.de/zsg_blogindex/kufiya/).
Zahlreiche der Kufiya tragenden Teilnehmer:innen diskutierten dann auch mit den Ordner:innen, als sie sich mit ihren Organisationsfahnen – Young Struggle und Zora – zum Block formierten.
Die Vorstellung solcher Vorgänge sorgte im November 2023 bereits zur Absage einer bundesweiten Demonstration in Eisenach (keine 48 Stunden vor Demobeginn). Anders als das Antifa ist notwendig – Bündnis verkündeten die Organisator:innen in Eisenach damals:
„Wir laufen nicht mit Antisemit:innen!“
Sich der Teilnahme von Antisemit:innen in Jena jedoch bewusst, drückte die Orga sich entsprechend im Demokonsens aus, immerhin gehört Sichtbarkeit und Vereinnahmung zur politischen Strategie von Gruppen, wie Young Struggle, die sich seit dem 07. Oktober 2023 als besonders antisemitische Gruppe hervorgetan haben (https://kreuzer-leipzig.de/2024/10/06/israel-palaestina-leipzig-veranstaltung-antisemitismus-handala-young-struggle-zora).
„Die Veranstaltung ist kein Raum für Ableismus, Antisemitismus, Queerfeindlichkeit, Rassismus, Islamophobie, Sexismus und andere Diskriminierungsformen.“ Antisemitismus als eine Diskriminierungsform unter vielen, nicht als pathische Projektion verstanden, welche die gesellschaftlichen Widersprüche im Juden und in Israel personalisiert – da konnte auch der Kufiya-Block bei der Verlesung applaudieren.
Ist es ja gerade ihr Ziel, Antisemitismus einzuebnen und seine aktuell am stärksten formulierte Form, die sogenannte Israelkritik, politisch zu legitimieren. Dem entgegen gilt nach wie vor Jean Amérys Diktum, dass der Antisemitismus im Antizionismus enthalten sei „wie das Gewitter in der Wolke“.
Eine absolut unhintergehbare Erkenntnis, die vor diesem Hintergrund ausgeblendet werden muss, um das große Wir in „WIR sind nicht alle,…“ glauben zu können, ist der Gegenstand des Faschismus im „Anti-Faschimus“ und die Reflexion auf seine Historie selbst. Dass einen Tag, nachdem Israel – der Staat der Überlebenden und ihrer Nachfahren des von Nazideutschland industriell betriebenen Massenmordes – erneut gezwungen ist, militärisch gegen antisemitische Vernichtungsbestrebungen vorzugehen, ausgerechnet eine Demonstration, die eine antifaschistische Bewegung in Deutschland repräsentieren will, kein einziges Wort über diesen Umstand verliert, ist nichts weniger, als eine theoretische wie praktische Bankrotterklärung.
Im Land der Täter:innen sich als Antifaschist:innen zu inszenieren, ohne die zentrale Ideologie des Nationalsozialismus – den eliminatorischen Antisemitismus – überhaupt zu thematisieren, geschweige denn daraus Konsequenzen für das eigene Handeln im Hier und Jetzt abzuleiten zeigt, wie es um den hiesigen „Antifaschismus“ tatsächlich bestellt ist. Erneut bleibt Israel nichts anderes übrig, als das „Nie wieder!“ (https://www.juedische-allgemeine.de/israel/nie-wieder-opfer-3/) mit militärischer Gewalt durchzusetzen.
Dass viele der angereisten „Antifaschist:innen“ dieses konsequent vollzogene „Nie wieder!“ gerade ablehnen und darauf auch noch Rücksicht genommen wird, sagt mehr über das Verständnis von Antifaschismus, als über Israels notwendige Militäroperation.
„Israel ist der Staat, dessen Personal sich die Verdrängung der Gewalt zu keiner Sekunde leisten kann, sich der permanenten existenziellen Bedrohung, wie seiner notwendig gewaltförmig gesicherten Souveränität permanent bewusst bleiben muss. Kein Bündnis, kein internationaler Vertrag wird dem jüdischen Staat je eine Garantie liefern, auf die er sich verlassen kann.“ (Fuchshuber)
“WIR” – deutsche Parallelen
Dass sich neben dem Thema Repression viele der Demoteilnehmenden bei kaum einem anderen politischen oder historischen Thema auf eine gemeinsame Position einigen könnten – wenn Sie denn überhaupt Positionen entwickelt haben – entlarvt den optischen Eindruck von Einigkeit als das, was er ist: rein äußerlicher Schein.
Für diese falsche Einheit von Aktivist:innen, die sich sonst auf Demos gegenüber stehen (die Cops zwischen ihnen), ist schon eine gehörige Verdrängungsleistung von den Beteiligten gefordert. Dafür bietet die Gewalt als der „Gerechtigkeit“ dienende, ein perfektes Identifikationspotenzial.
Benjamin zufolge sollte “… nahegelegt werden, wie oft schon die Gestalt des »großen« Verbrechers, … die heimliche Bewunderung des Volkes erregt hat. Das kann nicht um seiner Tat, sondern nur um der Gewalt willen, von der sie zeugt, möglich sein. In diesem Fall tritt also wirklich die Gewalt, welche das heutige Recht in allen Bezirken des Handelns dem einzelnen zu nehmen sucht, bedrohlich auf und erregt noch im Unterliegen die Sympathie der Menge gegen das Recht“.
Mangels gesellschaftlicher Potenziale gibt es ganz allgemein, zwei Möglichkeiten, auf die Ohnmacht gegenüber dem Gewaltmonopol zu reagieren: Verdrängung der Gewalt oder die Identifikation mit ihr.
Diese Identifikation mit der Gewalt – und wie sie in dem thematisierten Gerechtigkeitsbegriff mitschwingt – erinnert in ihrem Impuls sehr an die konformistische Affektdynamik reaktionärer Protestmilieus.
Der gemeinsame Nenner: Die Imagination eines höheren, wahren Rechts jenseits der herrschenden Rechtsordnung – und der Schulterschluss mit der Gewalt – ‘nazis boxen’ -, die ihm angeblich Ausdruck verleiht.
Dieses „WIR“, das dabei konstruiert wird – blind für den präsenten Antisemitismus und getragen vom Gefühl moralischer Überlegenheit –, wirkt eher wie ein Reflex des deutschen Geistes als dessen Überwindung. Die Sehnsucht nach Identität, die dabei vollzogene Verdrängung des Nicht-Identischen, hat entgegen aller Bekundungen nichts emanzipatorisches und fällt hinter bereits gewonnene Erkenntnis zurück.
Vielmehr scheint es so, wie es Gerhard Scheit mit Rekurs auf Jean Améry konstatierte, dass es nach wie vor kaum Versuche gab, “den der postnazistischen Konstellation entspringenden Selbsthass – Reaktion auf das untrügliche Gefühl und schlechte Gewissen, als Wohlstandsbürger die Früchte der Vernichtung zu genießen – in eine Form zu bringen, die Reflexion ermöglicht; die Schuldgefühle nicht abzuwehren, sondern in Selbstmißtrauen zu verwandeln”.
Antifa forever?
Die Parole „Antifa forever“, wie sie auf einem Mobi-flyer prangt, klingt deshalb weniger wie ein kämpferisches Versprechen, sondern vielmehr wie eine Absage an jede Möglichkeit von Emanzipation: Antifa als Identitätsarbeit.
Dem entgegen steht die Hoffnung, dass die Verhältnisse eines Tages so eingerichtet sind, dass wir nicht mehr in Selbstschutzstrukturen und Recherchekollektiven organisiert sein müssen, sondern „auf dem Wasser liegen und friedlich in den Himmel schauen“ [Adorno] können. Wenn aber Emanzipation das Ziel sein soll, so müssen wir die Mittel reflektieren. Das unverzichtbare Mittel bleibt Kritik. Und zwar Kritik in der Marxschen Tradition, verstanden nicht als sezierendes Instrument, sondern als Waffe – eine Waffe, die ihren Feind nicht widerlegt, sondern vernichtet.
Und bis der Gegenstand der Kritik, die gesellschaftlichen Verhältnisse – von der bürgerlichen Gesellschaft bis zu reaktionären Formen wie Islamismus und Faschismus, die hinter das Bürgerliche zurückfallen – überwunden ist, bleibt die bedingungslose Solidarität mit Israel, mit dem einzigen jüdischen Staat, der sich als partikular organisierte Notwehr gegen den aus der warenproduzierenden Ordnung entspringenden Antisemitismus materialisiert hat, Grundvoraussetzung jeder antifaschistischen Theorie- und Praxisüberlegung.
“Der Zionismus ist die falsche Antwort auf den Antisemitismus, die sich, grauenhafterweise erst im nachhinein, als die einzige nach dem Zustand der Geschichte vorläufig angemessene erwiesen hat. Dagegen ist die immer noch richtige Antwort – Revolution für die staaten- und klassenlose Gesellschaft – vom Stalinismus zur weltfremden Utopie abseitiger Spinner erniedrigt worden.”
(Bruhn – https://jungle.world/artikel/1997/32/vom-antizionismus-zum-antisemitismus)
Der durch den Zionismus realisierte Staat Israel als notwendig-bürgerliche Emanzipationsgewalt von Jüdinnen und Juden bewahrt indessen, inmitten der permanenten Katastrophe, überhaupt erst die Möglichkeit zur Kritik des Antisemitismus – und damit die Voraussetzung zu dessen Überwindung.
Die bedingungslose Solidarität mit dieser Emanzipationsgewalt steht also in einem, mit dem Interesse für die staaten- und klassenlose Weltgesellschaft. Dabei ersetzt die Solidarität mit diesem Gewaltpotenzial nicht die Kritik von Gewalt. Einer antifaschistischen Bewegung muss bewusst sein, dass Gewaltanwendung – aus Mangel an gesellschaftlichen Potenzialen – nur eine defensive Gegengewalt, keine revolutionäre sein kann.
Walter Benjamins negativer Geschichtsphilosophie folgend, muss sie sich der permanenten Katostrophen bewusst sein. Das bedeutet nicht, die Hoffnung aufzugeben, dass es eines Tages anders sein könnte. Oder ebenfalls mit Benjamin: „Nur um der Hoffnungslosen willen ist uns die Hoffnung gegeben.“
Was in Lesart 1 noch wie ein kraftvolles Lebenszeichen Antifaschistischer Bewegung erscheint, zeigt sich nach Lesart 2 gleichwohl als ihr Begräbnis.
Leerstelle
Zu guter Letzt sind in diesem Beitrag einige Punkte unangesprochen geblieben. Die Leerstelle, dass es auch nach jahrelanger Repression kaum eine szeneinterne oder öffentliche Militanzdebatte gibt, ist nicht nur eine Leerstelle dieses Textes, sondern eine generelle.
Wir halten es angesichts der Entwicklungen einerseits für einen Fehler, andererseits auch für symptomatisch, an der Simulation festzuhalten, noch eine Bewegung zu sein. (Falls wir irgendetwas in den Szenehochburgen nicht mitbekommen haben sollten, seht es uns nach, bis irgendwas nach Erfurt durchkommt, dauert es mitunter ein paar Jahre.)
Wir möchten an dieser Stelle noch einen Vortrag von Thomas Ebermann “Über Gewalt & Militanz” aus dem Jahr 2016 empfehlen, den es bei Youtube nachzuhören gibt und in dem zumindest einige Punkte angesprochen werden, die zumindest eine Grundlage für eine mögliche Debatte legen: https://www.youtube.com/watch?v=eYKMEbwr2IM
Quelle: https://dissens.noblogs.org/post/2025/08/08/antifa-forever-na-hoffentlich-nicht-zwei-lesarten-der-antifa-ist-notwenig-kampagne/