Eingekesselt nach Termin im Gericht: Leipziger Anwältin verklagt Polizei wegen „Tag X“

Nach einem Termin im Amtsgericht geriet die Leipziger Rechtsanwältin Rita Belter beim linksradikalen „Tag X“ in einen Polizeikessel. Sie klagte vor dem Verwaltungsgericht. Doch der Fall geht in die nächste Instanz.

Sie kam von einem Gerichtstermin und landete in den Fängen der Polizei: Vor zwei Jahren geriet die Leipziger Rechtsanwältin Rita Belter im Zusammenhang mit dem linksradikalen „Tag X“ in einen Polizeikessel. Sie klagte gegen die Polizeidirektion vor dem Verwaltungsgericht. Das entschied nun: Der gegen sie verhängte Platzverweis war rechtswidrig, die sogenannte Ingewahrsamnahme der Juristin hingegen nicht.

Es war am 3. Juni 2023 gegen 22 Uhr, als Belter das Amtsgericht verließ und zu ihrem Fahrrad gehen wollte. Ein Mandant von ihr gehörte zu jenen Tatverdächtigen, die nach Ausschreitungen in Connewitz am Tag zuvor verhaftet worden waren. Mit ihm hatte sie einen Termin zur Haftvorführung beim Ermittlungsrichter.

Was danach passierte, fasste das Gericht so zusammen: „Als sie das Amtsgericht verließ, wurde sie beim Überqueren der Alfred-Kästner-Straße von Polizeibeamten mit weiteren Personen auf der gegenüberliegenden Parkplatzfläche zusammengedrängt und umstellt. Die Polizeibeamten teilten der Klägerin mit, dass sie sich innerhalb eines Kontrollbereichs befinde und eine anlasslose Identitätsfeststellung erfolgen solle.“

„Für mich ist es nicht hinnehmbar, aus dem Gericht direkt in eine Ingewahrsamnahme zu kommen“, sagte die Anwältin gegenüber der LVZ. „Obwohl ich meinen Personalausweis in der Hand gehalten und gesagt habe, aus welchem Grund ich am Amtsgericht war.“

„Tag X“: Personalien 23.45 Uhr aufgenommen

Wenige Minuten zuvor hatte eine Einheit der Polizei den Auftrag für einen Einsatz in der Alfred-Kästner-Straße erhalten, wo sich etwa 40 Personen aufhielten. Es war allenfalls eine Art Nebenschauplatz. Am 3. Juni 2023 versammelte sich die linke Szene zum „Tag X“ in der Messestadt – als Reaktion auf die Verurteilung von Mitgliedern der linksextremistischen „Hammerbande“ um die Leipziger Studentin Lina E. (30). Am Alexis-Schumann-Platz eskalierte die Lage.

Polizisten wurden durch Steine und Böller verletzt. Schließlich kesselten Einsatzkräfte die Menschenmenge ein. Die Gruppe in der Leipziger Alfred-Kästner-Straße sei in den Fokus gerückt, weil eine genaue Abgrenzung zum Geschehen am Alexis-Schumann-Platz nicht möglich gewesen sei.

Fast zwei Stunden harrte Rita Belter dort aus. Die Polizei musste erst ihre Bearbeitungsstationen zur Identitätsfeststellung aufbauen. 23.21 Uhr wurde nach Gerichtsangaben die Identität der ersten Person festgestellt, 0.03 Uhr die letzte Person aus der Bearbeitungsstation entlassen. Belters Personalien wurden 23.45 Uhr aufgenommen. Anschließend wurde der Anwältin ein Platzverweis bis zum 4. Juni 2023, 6 Uhr, erteilt.

Platzverweiszone auf Handy war rechtswidrig

Zumindest diese zweite Maßnahme stufte das Verwaltungsgericht als rechtswidrig ein. Der Grund: Ein Polizist hatte der Juristin den Geltungsbereich der riesigen Platzverweiszone nur auf einem kleinen Smartphone-Display gezeigt. Weil damit eine genaue Grenzziehung nicht erkennbar sei, so das Gericht, fehle es an der gesetzlich vorgeschriebenen hinreichenden Bestimmtheit des Platzverweises. Daher kam es im Prozess auch nicht auf die ebenfalls wichtige Frage an, ob von Rechtsanwältin Belter an jenem Abend überhaupt eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausging.

Mit der Ingewahrsamnahme durch Einkesselung hatten die Verwaltungsrichter hingegen kein Problem. Die Voraussetzungen dafür hätten vorgelegen, da die Anwältin sich innerhalb eines rechtmäßig eingerichteten Kontrollbereichs aufgehalten habe.

Für eine planvolle und koordinierte Identitätsfeststellung sowie die elektronische Datenerfassung sei es nicht möglich gewesen, „quasi auf Zuruf bei der ihren Personalausweis vorzeigenden Klägerin die Identitätsfeststellung vorzunehmen“.

Rita Belter kündigte auf LVZ-Anfrage an, gegen diese Entscheidung Berufung beim Sächsischen Oberverwaltungsgericht einzulegen.

„Ich bin bei Demonstrationslagen immer wieder unterwegs und in diesem Zusammenhang auch beim Ermittlungsrichter des Amtsgerichts“, begründete sie ihren Schritt.

„Wenn ich jedes Mal von der Polizei zwei Stunden am Arbeiten gehindert werde, muss man das grundsätzlich klären.“