Warum Antifa und linksautoritäre Gruppen nicht zusammenpassen (2): Queer

Eine neuere Entwicklung innerhalb der autoritären Linken ist, dass diese sich als Speerspitze der queeren und CSD-Bewegung inszeniert. Im Jahr 2025 wurde aus diesen Gruppen heraus etwa die Kampagne „CSD verteidigen“ entwickelt, die bundesweit zur Teilnahme an den Demonstrationen der queeren Community mobilisiert.
Artikelserie: Warum Antifa und linksautoritäre Gruppen nicht zusammenpassen
Teil 2: Queer
Von der Kriminalisierung der Homosexualität
zur Speerspitze der queeren Bewegung?
Eine neuere Entwicklung innerhalb der autoritären Linken ist, dass diese sich als Speerspitze der queeren und CSD-Bewegung inszeniert. Im Jahr 2025 wurde aus diesen Gruppen heraus etwa die Kampagne „CSD verteidigen“ entwickelt, die bundesweit zur Teilnahme an den Demonstrationen der queeren Community mobilisiert.
In Sachsen-Anhalt haben autonome Antifa-Gruppen das bereits in den vergangenen Jahren getan – oft in enger Absprache mit den Organisator*innen der CSDs und vorher angekündigt. Der Grund: Die CSD-Bewegung macht immer wieder Erfahrungen damit, wie (autoritäre) Linke nicht nur Auseinandersetzungen innerhalb der Community sichtbar machen, sondern instrumentalisierend auf Pride-Paraden auftreten oder sich vor Ort Auseinandersetzungen mit der Polizei suchen. Nun muss man nicht alles nachplappern, was die oft bürgerlichen, liberalen CSD-Orga-Gruppen von sich geben, damit das Ganze eine Kooperation ist.
Gemeint sind hier die Anbindung an Konzerne und deren Queerwashing-Spendengelder und. Dafür hat die CSD-Bewegung auch innerhalb der queeren Community immer wieder massiv Kritik erhalten. Und das Kuscheln mit den Bullen der weiß-schwul dominierten Bewegung war immer schon bedrohlich für Queers of Color oder transgeschlechtliche Menschen.
Und trotzdem: Wer CSDs verteidigen will, muss das auf Augenhöhe, in Absprache mit den Menschen und innerhalb der Grenzen derer tun, die einen CSD organisieren. Nicht wie die linksautoritäre Kampagne „CSD verteidigen“, die etwa im Nachgang des CSD Flensburg breitbeinig verkündete: „CSD verteidigt“ – ganz so, wie sich patriarchale Männer den „Schutz“ von Frauen auf die Fahne schreiben.
Dass die so „Beschützten“ nicht als ebenbürtige Subjekte, sondern vorrangig als politische Beute betrachtet werden, zeigt ein Vorfall vom in diesem Jahr erstmalig organisierten CSD Merseburg (Sachsen-Anhalt) vom 14. Juni. Er soll hier als Beispiel für ein weiteres Phänomen dienen.
In diesem Fall hatte die zur Föderation Klassenkämpferischer Organisationen (FKO) gehörende Internationale Jugend Halle (Saale) eigenständig nach Merseburg mobilisiert. Hinter einem Banner „Von Stonewall bis zum Sozialismus“ und mit Fahnen ihrer eigenen Organisation statt mit Regenbogenfahnen nahmen die so Mobilisierten dann am CSD teil. Vor Ort ging es dann aber weniger um queere Rechte und nicht einmal – was ebenso deplatziert wäre – um Sozialismus. Sondern um: Palästina.
Das ließen sich die Merseburger CSD-Organisator*innen nicht gefallen – schließlich hatten sie die autoritäre Gruppe schon im Vorfeld explizit darum gebeten, den CSD nicht zur Thematisierung der Situation in Palästina zu benutzen. Entsprechend konfrontierten sie die „CSD-Verteidiger*innen“ vor Ort. Die Internationale Jugend Halle (Saale) beschwerte sich im Nachgang öffentlich. Man habe unter diesen – in Wahrheit vorher bekannten – Bedingungen schließlich die Teilnahme am CSD abgebrochen, der doch von Nazis bedroht worden sei.
Dass aber queere Menschen selbst entscheiden, ob und wie sie sich gegen Nazis von Linken „verteidigen“ lassen wollen, passt schlicht nicht ins leninistisch-stalinistische Konzept. Wer nicht zustimmt, auf diese Weise „beschützt“ zu werden, ist Verräter*in: „Anscheinend ist den Zionist:innen ihre Liebe zu Israel wichtiger als der Support eines CSDs in einer kleinen ostdeutschen Stadt, gegen den faschistisch mobilisiert wurde“, so die Internationale Jugend.
Dabei sind es umgekehrt autoritäre Linke, die in CSDs nur eine weitere Gelegenheit erblicken, einen der vielen derzeit tobenden, gewaltsamen internationalen Konflikte zu thematisieren.
Das zeigt deutlich: Hier geht es gar nicht um den Schutz von CSDs. Es geht darum, die Verletzlichkeit der queeren Bewegung gegenüber Nazigewalt auszunutzen, um die eigenen Macht- und Deutungsansprüche auch in der LGBTIQ-Bewegung durchzusetzen. Kein Wunder, dass darauf viele der Organisator*innen keine Lust haben.
In Berlin, wo dieses Vorgehen schon seit Jahren zu beobachten war, konnten autoritäre Linke einige „Pride“-Veranstaltungen thematisch umdrehen und zu Demonstrationen gegen Israel machen. Die Young Struggle nahestehende Kampagne „Pride Rebellion“ wirbt zusammen mit „CSD verteidigen“ für einen „Antifa Block“ auf der Internationalist Queer Pride in Berlin und benutzt dazu ein Symbol der Hamas. Young Struggle ist die europaweite Jugendorganisation der türkischen Marksist Leninist Komünist Parti.
Vergleichbar mit der Taktik, die autoritäre Gruppen gegenüber dem Feminismus und der Frauenbewegung fahren, sprechen sie auch junge LGBTIQ auf eine unaufrichtige Art und Weise an. Ihnen wird suggeriert, dass ihre am vermeintlich orthodoxen, vermeintlich „unverfälschten“ Marxismus ausgerichtete Bewegung schon immer auch vorderste Kämpferin queerer Befreiung gewesen sei. Queere Menschen hätten einen besonderen Platz in den Gruppen und seien so sicher vor homo- und transphober Ausgrenzung und Gewalt.
In den letzten Jahren entwickelten sie dazu neue Parolen, in denen LGBTIQ aufgerufen werden, in den „Widerstand“ einzutreten. Auf dem Mobilisierungs-Sharepic des Soli-Netzes Halle (Saale) sowie der Internationalen Jugend Halle (Saale) ist ein Transparent zu sehen, auf dem es heißt: „LGBTI in die Offensive“, wobei nicht nur hinter „LGBTI“ ein roter Stern zu sehen ist. Das ganze Transparent zeigt eine große rote Fahne, die hinter einer in der Mitte nach unten gebeugten Regenbogenfahne hervorbricht – ganz so, als habe hinter der queeren Emanzipationsbewegung immer schon der Sozialismus, eigentlich aber die autoritäre Linke gestanden.
Offensichtliches Ziel auch hier: Queere Menschen davon überzeugen, dass nur die Teilnahme am „revolutionären Kampf“, wie ihn die leninistisch-stalinistischen Gruppen propagieren, eine queere Befreiung ermöglichen – nach der Errichtung der Diktatur des Proletariats.
Doch geschieht das dann auch wirklich? Als 1917 schließlich die Bolschewiki in Russland an die Macht kamen, strichen sie die ganze Strafgesetzgebung des Zarenregimes. Unter den so entfernten Gesetzen war auch der Paragraph 995, der männliche Homosexualität unter Strafe gestellt hatte. Dadurch wurden Schwule in den folgenden Jahren in Russland oder der Ukraine tatsächlich nicht strafrechtlich verfolgt.
In einigen Teilrepubliken galten jedoch weiterhin lokale Gesetze, die Homosexualität kriminalisierten. Im Jahr 1933 machte Stalin die Teillegalisierung schließlich mit einem eigenen Gesetz rückgängig. Auf männliche Homosexualität standen nun fünf Jahre Zwangsarbeitslager.
Und auch die Vermengung mit Pädosexualität fand sich im Gesetz. Wer nämlich Minderjährige „verführte“, musste mit acht Jahren Lager rechnen. Homosexualität war nun das Ergebnis westlicher Dekadenz und der zersetzenden Tätigkeiten imperialistischer Agent*innen, von „Feinden“ des Sozialismus.
Der berühmte Schriftsteller Maxim Gorki schrieb 1934 in der Prawda: „Vernichten wir die Homosexualität, und der Faschismus wird verschwinden!“ Und so wurden unzählige vermeintliche und tatsächliche Schwule in den Gulags inhaftiert und gemartert. Das Verbot blieb bis zum Ende der Sowjetunion – und damit ein halbes Menschenleben lang über die angebliche Entstalinisierung hinaus – in Kraft.
Zu Stalin aber herrscht in autoritären linken Gruppen nach wie vor ein unterschiedlich stark ausgeprägtes Loyalitätsverhältnis, das mit dem Loyalitätsverhältnis zur gesamten Sowjetunion verbunden ist.
Wie kann das sein? Wie kann sich eine Bewegung, die so viel queeres Blut an ihren Händen hat, einfach als Avantgarde der LGBTIQ-Bewegung inszenieren? Das Vorgehen hängt eng mit einer in autoritär-linken Kreisen praktizierten und in den 20er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts unter dem Schlagwort „Entrismus“ propagierten Taktik zusammen.
Die besagt, dass autoritäre Linke reformistischen Parteien und Bewegungen beitreten sollen, um die eigenen Ziele unter fremden Namen und Labels zu verfolgen. Ursprünglich als Mittel gegen Repressionen sowie Vereins- und Parteiverbote etabliert, hat sich der Entrismus zu einem generellen Habitus gegenüber nicht-autoritären Gruppierungen verallgemeinert.
Statt offen adressierbar aufzutreten, bildet die Autoritäre Linke ein von außen oft schwer zu durchschauendes Geflecht aus unzähligen Organisationen, Kampagnen und Labels, aus denen heraus Mitglieder wiederum andere Organisationen unterwandern.
Durch berichtspflichtige und geschulte Personen, die man „Kader“ nennt, versucht die Autoritäre Linke, Unterwanderungen möglichst zentral zu steuern und zu nutzen. Diese sich als Elite in der Elite verstehenden Anführer*innen wandeln so andere Organisationen und Bewegungen zu „Proxys“ um.
Damit ist gemeint, dass eine Organisation zwar einen unverfänglichen Namen trägt, dabei aber die Ideologie einer Gruppierung der autoritären Linken verbreitet, wiederholt und normalisiert. Die Wünsche, Anliegen und all die Arbeit der Menschen, die solche von Autoritären unterwanderten Organisationen und Bewegungen aufgebaut haben? Die sind scheißegal.
Dann das „höhere“ Ziel des Sozialismus rechtfertigt es, maximal kapitalistisch und patriarchal mit diesen Menschen umzugehen und sie eiskalt zu benutzen. Es sind ja schließlich „Feinde“ des Sozialismus. Dass dieser Umgang mit Anderen – nicht zuletzt mit der Antifa-Bewegung – auf Zwang, Gewalt und die Zerstörung von basisdemokratischer Selbstorganisierung hinausläuft, wird im nächsten Artikel näher beleuchtet.
Vernunft und Liebe, 31. Juli 2025
Quelle: https://de.indymedia.org/node/529168