Sächsische Separatisten: Umsturz auf Sächsisch
Junge Männer sollen eine rechtsextreme Terrorgruppe gebildet und den gewaltvollen Systemsturz geplant haben – mindestes drei von ihnen sind AfD-Politiker.
Der Hochnebel lichtet sich gerade, als Ermittler gegen 11.45 Uhr am Rande der sächsischen Stadt Grimma eine Drohne in den Himmel steigen lassen. Sie schwebt über einem alten Bauernhaus, umgeben von Baumreihen und weiten Feldern. Es handelt sich um das Haus von Kurt H., den der Generalbundesanwalt verdächtigt, Mitglied einer rechtsterroristischen Vereinigung zu sein.
In der kleinen Siedlung etwas außerhalb von Grimma sichern gegen Mittag noch zahlreiche Beamte des Landeskriminalamts Sachsen und des Bundeskriminalamts die Spuren. Sie schreiten umliegende Felder ab. Journalisten werden mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen sowie auf die Sicherheitslage gebeten, sich zu entfernen.
Die Razzia in Grimma ist Teil eines Schlags gegen eine mutmaßliche rechtsextreme Terrorgruppe: die Sächsischen Separatisten. Insgesamt fünfzehn bis zwanzig mutmaßliche Mitglieder haben die Ermittler im Blick. Sie sollen geplant haben, an einem „Tag X“ mit Waffengewalt ein am Nationalsozialismus orientiertes Gesellschaftssystem zu errichten. Dazu hätten sie unter anderem paramilitärische Übungen durchgeführt, den Häuserkampf und den Umgang mit Schusswaffen trainiert. Die Beamten fanden nach Informationen von ZEIT ONLINE nicht registrierte Waffen. Deshalb schätzen die Behörden die Gruppe als gefährlich ein, heißt es aus Sicherheitskreisen. Wie viele Waffen die Beschuldigten besaßen, war zunächst unklar.
Drei Festgenommene für AfD und Junge Alternative aktiv
Der Generalbundesanwalt ließ insgesamt acht Beschuldigte festnehmen – in Leipzig, Grimma, Brandis, Dresden, im sächsischen Landkreis Meißen sowie in einem Fall in der polnischen Stadt Zgorzelec, direkt hinter der sächsischen Grenze. Gegen weitere sieben Beschuldigte wird ermittelt. Die festgenommenen Männer sind deutsche Staatsbürger, sie sollen zwischen 21 und 25 Jahre alt sein – die weiteren Beschuldigten offenbar zum Teil noch deutlich jünger.
Das Verfahren ist auch deshalb politisch brisant, weil wenigstens drei der acht Festgenommenen als Lokalpolitiker oder Funktionäre für die sächsische AfD und deren Nachwuchsorganisation Junge Alternative aktiv waren. Der sächsische Landesverband ist seit Dezember als gesichert rechtsextrem eingestuft. Die Ermittlungen werfen die Frage auf, ob sich Teile der Partei nun noch weiter radikalisieren, als ohnehin bekannt war: Bereiteten sich junge Männer auf einen bewaffneten Umsturz vor, während sie sich zugleich für die AfD oder die Junge Alternative in politische Ämter wählen ließen?
Die Sicherheitsbehörden kannten einzelne Personen schon seit Jahren, teilweise bereits als die Beschuldigten noch minderjährig waren. Am Dienstag durchsuchten die Beamten insgesamt rund 20 Objekte, darunter auch Immobilien in Wien und in Langenlois im Bezirk Krems-Land in Österreich, wo die Familie des mutmaßlichen Rädelsführers Jörg Schimanek herkommt.
Jörg Schimanek und sein Bruder Jörn Schimanek sollen vor vier Jahren mit anderen die Sächsischen Separatisten gegründet haben. Jörg Schimanek, der ältere der beiden, hat eine Ausbildung zum Obstbauern absolviert und besitzt einen Faible für die Bundeswehr. In einem Interview sagte er vor einigen Jahren, dass er gern boxe und im Schwimmverein aktiv war. Sein jüngerer Bruder Jörn Schimanek soll in diesem Jahr an der Neonazidemonstration „Tag der Ehre“ in Budapest teilgenommen haben, bei der jährlich Tausende Rechtsextreme aus ganz Europa die Taten der Wehrmacht feiern und die Verbrechen des NS-Regimes relativieren. Aus dem Elternhaus von Jörg und Jörn Schimanek trugen Polizisten zahlreiche Flaggen heraus.
Spur führt auch nach Österreich
Die beiden Männer haben zwei weitere Brüder. Mindestens einer von ihnen soll nach Informationen von ZEIT ONLINE ebenfalls beschuldigt sein.
Die Brüder stammen aus einer Familie, die seit Generationen in der rechtsextremen Szene aktiv ist. Ihr Großvater ist FPÖ-Politiker, ihr Vater einer der bekanntesten österreichischen Neonazis. Zu einem militärischen „Ausbildungslager“ soll er Kameraden mit „Front Heil“ eingeladen haben. Nach einer Haftstrafe wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung und illegalen Waffenbesitzes war Hans-Jörg Schimanek in den Neunzigerjahren nach Sachsen gezogen.
Er arbeitete in einer Abbruchfirma in Leipzig, von der Kontakte zu Karl-Heinz Hoffmann bestanden haben sollen. Hoffmann war Gründer der Neonazi-Wehrsportgruppe-Hoffmann, deren Mitglieder sich bereits in den Siebziger- und Achtzigerjahren mit Märschen durch den Wald und Robben mit Gewehr im Unterholz paramilitärisch ausgebildet hatten.
Nun ist die nächste Generation in Deutschland beschuldigt, eine terroristische Vereinigung gegründet zu haben. Auch die Sächsischen Separatisten sollen Trainings in Kampfausrüstung und mit Schusswaffen organisiert haben. Mit Nacht- und Gewaltmärschen, Patrouillengängen und Häuserkampf hätten sie sich den Ermittlungen zufolge auf den bewaffneten Kampf vorbereitet. Dafür habe sich die Gruppierung militärische Tarnfleckanzüge, Gefechtshelme, Gasmasken und Schutzwesten besorgt.
Der Metallbauer Kurt Hättasch aus Grimma hatte ein zweites politisches Leben: Der 25-Jährige wurde erst vor wenigen Tagen zum Schatzmeister der Jungen Alternative Sachsen gewählt, dem als gesichert rechtsextrem geltenden Jugendverband der AfD. Auch im Kreisvorstand der AfD im Landkreis Leipzig hatte sich Kurt Hättasch seit vier Jahren engagiert, für die Partei sitzt er im Stadtrat von Grimma. Kurt Hättasch war innerhalb der AfD umstritten, einige Vorstände hatten kein gutes Gefühl bei seiner Wahl, „der wolle die Welt verändern“, sagt jemand aus der sächsischen AfD zu ZEIT ONLINE.
Bei der Festnahme wurde Kurt Hättasch verletzt und kam ins Krankenhaus. Ob ihn ein Schuss traf und aus wessen Waffe, war zunächst unklar.
Kurt Hättasch ist Jäger, schon länger war er in der rechtsextremen Szene unterwegs. Erst im Juni hatte er sich nach Recherchen der taz an einer Sonnenwendfeier in der Oberlausitz in Sachsen beteiligt. Dort sollen, dem Bericht zufolge, 150 AfD-Politiker, Neonazis, neurechte Aktivisten und Hooligans im Fackelschein und mit Trommeln Lieder der Hitlerjugend gesungen und eine SS-Größe geehrt haben. Fotos zeigen den jungen Mann aus dem Leipziger Umland zudem als Gast des rechtsextremen „Institut für Staatspolitik“ in Schnellroda.
Vor einigen Jahren war Kurt Hättasch außerdem mit der Gruppe Bund Deutscher Maler aufgefallen. Deren Aktivisten entfernten „Antifa“-Grafitti oder sanierten und reinigten Weltkriegsgedenksteine und Ehrenmale in Leipzig und Umgebung, um die soldatischen Kriegsopfer zu ehren. Der Name der Gruppe erinnert an die nationalsozialistische Jugendorganisation Bund Deutscher Mädel.
Ein anderer Mitstreiter war ebenfalls in AfD-Strukturen aktiv
Einer von Hättaschs Mitstreitern aus der Gruppe war Kevin R. Der junge Mann wurde am Dienstag ebenfalls festgenommen, weil er sich 2023 den Sächsischen Separatisten angeschlossen haben soll. Die Polizei öffnete seine Wohnungstür in Grimma mit einem großen Knall, noch Stunden später lagen Putzreste auf dem Abtreter.
Wie Kurt H. war auch Kevin R. in AfD-Strukturen aktiv: Er engagierte sich als Medienbeauftragter und Koordinator der Jungen Alternative im Kreisverband Leipziger Land. Außerdem vertritt Kevin R. die AfD in mehreren Beiräten der Stadt Grimma.
Ein dritter Festgenommener, Hans-Georg P., saß von September 2021 bis Oktober 2022 für die AfD im Stadtbezirksbeirat Ost von Leipzig.
Die AfD ging am Dienstag zu den Festgenommenen auf Distanz. Mit der Separatistengruppe verbinde die Partei „weder inhaltlich noch organisatorisch irgendetwas“, sagte der Parteivorsitzende Tino Chrupalla. Falls sich die Vorwürfe gegen Kurt H. bestätigten, werde man ihn aus der Partei ausschließen. Die Junge Alternative sei eine eigenständige Vereinigung, die organisatorisch „nicht mit der AfD verbunden ist“.
Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, teilte mit, seine Behörde kenne einige der Festgenommen aus dem „Spektrum der Neuen Rechten, aus rechtsextremistischen Parteien oder der Neonaziszene“. Es handele sich bei den teilweise sehr jungen Rechtsextremisten um „Anhänger der sogenannten ‚Siege-Szene‘.
Das Buch Siege gilt als Bibel junger, gewaltbereiter Neonazis. Darin veröffentlichte der US-Neonazi James Mason in den Achtzigerjahren eine Anleitung zum „führerlosen Widerstand“. Klassische faschistische Gruppen und Parteien des 20. Jahrhunderts waren hierarchisch aufgebaut, mit einem Anführer an der Spitze, mit Befehlsketten und militärischen Strukturen. In Siege vertritt Mason ein anderes Konzept: Am besten, man organisiere sich in kleinen Zellen. Oder man attackiere ganz allein, denn manchmal seien zwei schon einer zu viel. In einem Vermerk sprach das FBI vor Jahren von einem weltweiten „Siege-Netzwerk“, einem globalen Geflecht von Onlinekanälen und von Gruppen, die ganz real, in der analogen Wirklichkeit, miteinander kooperierten.
Die heute Festgenommenen würden dieses Konzept nicht direkt fortführen, sagte Haldenwang am Dienstag. Aber Siege sei ein Vorbild für diese Gruppe.
Mitarbeit: Tilman Steffen, Doreen Reinhard
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17. August 2016 ZEIT
Rechtsextreme bestimmen bei Unister mit
Ein Neonazi war Berater der Geschäftsführung, ein anderer zweitgrößter Aktionär einer Tochterfirma: Der ZEIT zufolge steht Unister unter dem Einfluss von Rechtsextremen.
Der Leipziger Internetkonzern Unister ist durch rechtsextreme Kreise unterwandert worden. Wie Recherchen der ZEIT und der Sächsischen Zeitung ergeben, haben zwei Männer mit Neonazi-Biografie seit 2013 an Einfluss in dem Konzern gewonnen.
Bei den Männern handelt es sich zum einen um den früheren Republikaner Reinhard Rade. Er schaffte es offenbar, sich das Vertrauen mehrerer Unister-Gesellschafter zu erwerben und zeitweise zum Besitzer einer Firma zu werden, die heute zweitgrößter Aktionär der Unister-Tochter Travel24 ist. Im Jahr 2013 verkaufte Rade seine Anteile an den Freund und Geschäftspartner Hans Jörg Schimanek weiter. Der war in den neunziger Jahren wegen „nationalsozialistischer Wiederbetätigung“ in Österreich zu acht Jahren Haft verurteilt worden.
Schimanek ist den Recherchen zufolge über seine Schweizer Firma Loet Holding AG zweitgrößter Aktionär der Unister-Tochter Travel24, mit der der Internetkonzern unter anderem seinen Einstieg in den deutschen Hotelmarkt geplant hatte und die zwischenzeitlich Reinhard Rade gehört hatte. Dieser gibt an, er sei darüber hinaus bei Unister als „Berater der Gesellschafter und Sonderbeauftragter der Geschäftsführung“ tätig gewesen.
Rade hatte auch die radikalen Leipziger Legida-Kundgebungen unterstützt und war in der Vergangenheit unter anderem „DDR-Koordinator“ der Republikaner. Am Sitz einer seiner Firmen in Leipzigs Virchowstraße residierte zeitweise zudem ein antisemitischer Verlag, ergaben die Recherchen.
Rade sieht sich selbst als enger Wegbegleiter des Unister-Gesellschafters Daniel Kirchhof. Diesem hatte er 2012 beim Aufbringen einer Kaution geholfen, als Kirchhof nach einer Razzia im Unister-Konzern in U-Haft saß. „Er ist eloquent und kann sehr überzeugend sein, aber ich teile seine Ansichten nicht“, sagt Kirchhof über Rades politische Gesinnung.
Auf Anfrage sagte ein Unister-Sprecher, von Akteuren mit rechtsextremer Vergangenheit im Konzern habe man bisher nichts gewusst. Das Unternehmen distanziere sich ausdrücklich von solchem Gedankengut.
Unister hatte Mitte Juli Insolvenz angemeldet, nachdem Gründer und Gesellschafter Thomas Wagner tödlich mit dem Flugzeug verunglückt war. Mehrere Tochterfirmen rutschten danach ebenfalls in die Insolvenz. Zu dem Internetkonzern gehören mehr als 40 Portale. Das Unternehmen beschäftigt rund 1.100 Mitarbeiter, davon knapp 900 bei insolventen Gesellschaften.
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Textes war von Reinhard Rade als Österreicher die Rede. Rade, 1964 in Innsbruck geboren, besitzt jedoch nach eigenen Angaben zeitlebens die deutsche Staatsangehörigkeit. Auch das Jahr, in dem er seine Anteile an der Firma Loet Holding AG verkauft hat, wurde korrigiert.
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Spiegel 05.11.2024, 17.05 Uhr
»Sächsische Separatisten« Schüsse bei Festnahme von terrorverdächtigem AfD-Politiker
Bei der Verhaftung des terrorverdächtigen AfD-Politikers Kurt H. in Sachsen fielen nach SPIEGEL-Informationen mehrere Schüsse. H. wurde offenbar getroffen. Er ist nicht der einzige Beschuldigte mit Verbindungen zur AfD.
Bei der Razzia gegen mutmaßliche Mitglieder der rechtsextremen Terrorgruppe »Sächsische Separatisten« (»SS«) wurde der verdächtige AfD-Politiker Kurt H. offenbar durch den Schuss aus einer Waffe verletzt. Das erfuhr der SPIEGEL aus Sicherheitskreisen. Nach übereinstimmenden Angaben mehrerer Quellen fielen bei H.s Verhaftung am Morgen im sächsischen Grimma Schüsse. Demnach habe der AfD-Politiker bei der Festnahme durch Spezialeinsatzkräfte einen Karabiner ergriffen, woraufhin Beamte der Bundespolizei zwei »Warnschüsse« abgegeben hätten.
Kugel verletzte Kurt H. am Kiefer
Im weiteren Verlauf sei H. mit einer Wunde im Kieferbereich zu Boden gegangen. Zunächst sei man von einer oberflächlichen Verletzung ausgegangen, habe dann aber festgestellt, dass der mutmaßliche Terrorist von einem Projektil getroffen worden war. Ob es sich um eine Polizeikugel oder ein Geschoss aus H.s eigener Waffe handelt, blieb laut Ermittlern zunächst unklar. Eine kriminaltechnische Untersuchung soll Klarheit schaffen.
H. wurde den Angaben zufolge in ein Krankenhaus gebracht und operiert. Lebensgefahr habe nicht bestanden, hieß es. H. fungiert seit Oktober als Schatzmeister des sächsischen AfD-Jugendverbands Junge Alternative (JA), gleichzeitig sitzt er im Stadtrat der Gemeinde Grimma. Laut Homepage des AfD-Kreisverbands Leipzig Land gehört Kurt H. zudem dem Vorstand der Parteigliederung an. Seine Verteidigung war für eine Stellungnahme zunächst nicht erreichbar.
»Wir werden erst einmal abwarten, was bei den Ermittlungen herauskommt«, sagte der JA-Landesvorsitzende Lennard Scharpe dem SPIEGEL. Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, »dann würden wir Maßnahmen ergreifen, damit Kurt H. seine Mitgliedsrechte verliert«. Der sächsische AfD-Landesverband wies jede inhaltliche oder organisatorische Verbindung zu der Gruppe zurück.
Zwei weitere Beschuldigte mit Verbindungen zur AfD
Nach SPIEGEL-Informationen haben zwei weitere Beschuldigte Verbindungen zur AfD. Kevin R. sitzt für die AfD in Grimma im Sozialausschuss und im Beirat für Kultur, Jugend und Sport. 2021 war er zudem Medienbeauftragter sowie Beauftragter für die JA im Kreisverband Leipziger Land der AfD. Hans-Georg P. wurde 2021 von der Leipziger AfD zeitweise in den Stadtbezirksbeirat Ost bestellt. Auch ihre Verteidiger waren zunächst nicht zu erreichen.
Seit Dienstagmorgen durchsuchen Einsatzkräfte rund 20 Wohnungen unter anderem im Raum Leipzig, in Dresden, Grimma und in Österreich und Polen. Im Zuge der Aktion wurden insgesamt acht Männer im Alter von 21 bis 25 Jahren verhaftet. In Deutschland waren mehr als 450 Polizisten an der Razzia beteiligt.
Gefechtshelme, Gasmasken und Training für den Häuserkampf
Die Terrorgruppe »Sächsische Separatisten« soll sich nach Ermittlungen des Generalbundesanwalts »kontinuierlich auf den aus ihrer Sicht unausweichlichen Systemsturz« vorbereitet haben. Dazu hätten die Mitglieder »wiederholt paramilitärische Trainings mit Kampfausrüstung« absolviert und den Häuserkampf, den Umgang mit Schusswaffen sowie Nacht- und Gewaltmärsche geübt. Überdies hätten sich die »SS«-Aktivisten militärische Ausrüstungsgegenstände beschafft, darunter Flecktarnanzüge, Gefechtshelme, Gasmasken und Schutzwesten. Laut Bundesanwaltschaft besteht die Gruppe aus 15 bis 20 Personen, deren Ideologie von rassistischen und antisemitischen Vorstellungen geprägt ist.
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Textes hieß es, Beamte der GSG 9 hätten zwei Warnschüsse abgegeben. Tatsächlich haben andere Beamte der Bundespolizei die Warnschüsse abgegeben. Wir haben die Stelle korrigiert.
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TAZ 5.11.2024 15:03 Uhr
Festnahmen von Neonazis in Sachsen: „Sächsische Separatisten“ mit Verbindungen zur AfD
Seit 2020 sollen sich Rechtsextreme in Sachsen auf einen Umsturz vorbereitet haben, darunter auch AfD-Leute. Nun wurden sie festgenommen. Es fielen Schüsse.
Es sind junge Rechtsextreme, die sich selbst als „Sächsische Separatisten“ („SS“) bezeichneten: Die Bundesanwaltschaft hat am Dienstagmorgen acht Neonazis in Sachsen festnehmen lassen und wirft ihnen rechtsterroristische Pläne vor. Die Festnahmen erfolgten im Raum Leipzig, in Dresden, im Landkreis Meißen und eine auch im polnischen Zgorzelec. Insgesamt wurden 20 Objekte durchsucht. Unter den Beschuldigten sind mehrere AfD-Lokalpolitiker. Bei einer der Festnahmen fielen Schüsse.
Neben den Festgenommenen hat die Bundesanwaltschaft auch sieben weitere Beschuldigte im Visier. Verbindungen der Gruppe gibt es dabei nach Österreich, konkret nach Wien und in den Bezirk Krems, wo ebenfalls Durchsuchungen stattfanden.
Die Gruppe soll sich bereits 2020 gegründet und bis zu 20 Mitglieder umfasst haben, aktuell 21 bis 25 Jahre alt. Laut Bundesanwaltschaft war sie „militant“ ausgerichtet, ihre Ideologie sei von „rassistischen, antisemitischen und in Teilen apokalyptischen Vorstellungen“ geprägt. Die Gruppe verbinde eine „tiefe Ablehnung“ der demokratischen Grundordnung in Deutschland.
Laut den Haftbefehlen vom Dienstag sollen die Rechtsextremen überzeugt gewesen sein, dass Deutschland vor dem „Kollaps“ stehe. An dem entsprechenden „Tag X“ soll die Gruppe geplant haben, mit Waffengewalt Gebiete in Sachsen und gegebenenfalls weiteren ostdeutschen Bundesländern zu erobern, um dort ein nationalsozialistisches Regime zu errichten. Unerwünschte Personengruppen sollten „durch ethnische Säuberungen entfernt“ werden.
Die Gruppe soll dafür auch wiederholt paramilitärische Trainings mit Kampfausrüstung durchgeführt haben. Geübt wurde dabei Häuserkampf, der Umgang mit Schusswaffen sowie Nacht- und Gewaltmärsche. Außerdem soll sich die Gruppe Tarnfleckanzüge, Gefechtshelme, Gasmasken und Schutzwesten besorgt haben.
Beschuldigte mit Verbindungen zu AfD
Rädelsführer der Gruppe soll Jörg S. gewesen sein, der im polnischen Zgorzelec festgenommen wurde, dem Nachbarort von Görlitz. Sein Großvater war Politiker der FPÖ in Österreich. Sein Vater, Hans Jörg S. jun., ist ein mehrfach verurteilter Rechtsextremist aus Österreich, der in den 80er Jahren dort in der militanten Neonazi-Szene aktiv war, später nach Sachsen zog und dort mit Baufirmen tätig war. Auch einer der Brüder von Jörg S., Jörn S., ist unter den Festgenommenen. Nach taz-Informationen gab es Durchsuchungen bei einem weiteren Bruder und beim Vater, aber ohne Festnahmen.
Zu den Beschuldigten gehören nach taz-Informationen auch die AfD-Lokalpolitiker Hans-Georg P., Kevin R. und Kurt Hättasch. Hans-Georg P. saß bis Ende 2022 für die AfD im Leipziger Stadtbezirksbeirat Ost. Kevin R. sitzt seit August 2024 für die AfD als stellvertretendes Mitglied sowohl im Sozialausschusses als auch im Beirat für Kultur, Jugend und Sport der Stadt Grimma. 2021 war R. „Medienbeauftragter“ und „Koordinator“ des Parteinachwuchs, der Jungen Alternative (JA), des AfD-Kreisverbands Landkreis Leipzig.
Hättasch sitzt aktuell im Vorstand des gleichen AfD-Kreisverbands im Landkreis Leipzig und wurde 2024 in den Stadtrat von Grimma gewählt. Erst Ende Oktober war er zum Schatzmeister der Jungen Alternative Sachsen gewählt worden. Ende Juni war Hättasch einer der Teilnehmer einer Sonnenwendfeier in Strahwalde, über die die taz berichtet hatte. Bei der Zusammenkunft hatten sich AfD-Politiker und Mitglieder der Jungen Alternative mit Neonazis, Hooligans und Völkischen getroffen und den Nationalsozialismus verherrlicht: Es wurden Lieder der Hitlerjugend gesungen und ein SS-Standartenführer geehrt.
Im Frühjahr 2022 zeigen Fotos Hättasch im sachsen-anhaltinischen Schnellroda bei der Anreise zur sogenannten „Frühjahrsakademie“ im damaligen „Institut für Staatspolitik“ des neurechten Ideologen Götz Kubitschek. Das Institut hat sich im Mai 2024 aufgelöst, um einem Verbot zu entgehen, macht aber unter anderem Namen weiter. Die Events in Schnellroda dienten zur übergreifenden Vernetzung der rechtsextremen Szene. Auf weiteren Fotos der Frühjahrsakademie 2022 ist unter anderem Martin Sellner zu erkennen, eine Führungsfiguren der Identitären Bewegung in Österreich und Deutschland.
Bei Festnahme von Hättasch fielen Schüsse
Aus Sicherheitskreise wurde der taz am frühen Nachmittag bestätigt, dass bei der Festnahme von Hättasch in Grimma auch Schüsse fielen. Dieser wurde dabei am Kiefer verletzt und musste im Krankenhaus behandelt werden. Hättasch habe selbst zu einer Waffe gegriffen. Ob das Projektil von dort oder aus einer Polizeiwaffe stammte, werde noch geklärt.
AfD-Bundeschef Tino Chrupalla nannte die Vorwürfe am Dienstag „schockierend“. Sollten sich diese bestätigten, hätten die betroffenen AfD-Politiker nichts in der Partei zu suchen. Auch Andreas Harlass, Sprecher der AfD Sachsen, erklärte gegenüber der taz: „Mit einer solchen mutmaßlich neonazistischen ‚Separatistengruppierung‘ verbindet uns weder inhaltlich noch organisatorisch irgendetwas. Sollten sich die Vorwürfe gegen Herrn Hättasch bestätigen, wird ein unverzüglicher Parteiausschluss vollzogen werden.“
Der Szeneanwalt Martin Kohlmann, auch Anführer der rechtsextremen Kleinpartei „Freie Sachsen“, gab in einem Video an, Jörg S. rechtlich zu vertreten. Er sprach nach eigenen Angaben vor dem Gebäude der Bezirksstaatsanwaltschaft von Jelenia Góra, wo das Gericht über die Auslieferung von S. nach Deutschland entscheide. Kohlmann benutzte in dem Videostatement konsequent die deutschen Städtenamen und erklärte: „Vorläufig sieht es für mich so aus, dass hier eine relative harmlose Wandergruppe zur nächsten Terrororagnisation hochgepuscht werden soll.“ Es sei auch ein Schlag gegen die AfD und patriotische Gruppe, überwiegend kämen die Festgenommenen aus dem Umfeld der Jungen Alternativen und der AfD, sagte Kohlmann.
Haldenwang zieht Verbindung zur rechten „Siege“-Szene
An den Ermittlungen waren das Bundeskriminalamt, das Bundesamt für Verfassungsschutz und das Landeskriminalamt Sachsen beteiligt. Mehr als 450 Polizist*innen waren bei den Festnahmen und Durchsuchungen im Einsatz, darunter auch Spezialkräfte. Österreichische und polnische Geheimdienste waren ebenfalls involviert.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sprach von einem „sehr wichtigen Ermittlungserfolg“. Die Sicherheitsbehörden hätten „frühzeitig militante Umsturzpläne von Rechtsterroristen vereitelt, die einen Tag X herbeisehnten, um mit Waffengewalt Menschen und unseren Staat anzugreifen“. Dass die Gruppe mit Waffen trainiert und sich bereits Ausrüstung beschafft habe, zeige, wie gefährlich sie gewesen sei. Auch Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) sprach von „ungeheuerlichen Plänen“ und einem „großen Erfolg“ der Behörden.
Thomas Haldenwang, Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, erklärte auf Anfrage der taz: „Die heutigen Exekutivmaßnahmen verdeutlichen die anhaltend hohe Gefahr für die innere Sicherheit Deutschlands, die vom Rechtsextremismus ausgeht.“ Protagonisten der Gruppierung seien teils sehr junge Rechtsextremisten, die Bezüge zu einer insbesondere im virtuellen Raum aktiven Szene aufweisen. Die Anhänger dieser sogenannten „Siege-Szene“ beziehungsweise des militanten Akzelerationismus glorifizieren Taten bekannter Rechtsterroristen wie Anders Breivik und Brenton Tarrant. Sie verfolgen das Ziel, an einem erwarteten gewaltsamen Umsturz – Tag X – des politischen Systems mitzuwirken.
„Siege“ ist ursprünglich ein Newsletter, den der US-Rechtsextremist James Mason in den 1980ern für die „National Socialist Liberation Front“ geschrieben hat und dessen Inhalte später in Buchform erschienen. Laut dem Rechtsextremismus-Experten Spencer Sunshine hat Mason in den vergangenen Jahren seine Anhänger auf Imageboards und in Telegramgruppen gefunden – und Neonazi-Netzwerke wie die rechtsterroristische „Atomwaffen Division“ inspiriert.
Futter für einen AfD-Verbotsantrag
Konstantin von Notz, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen im Bundestag und Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums, sagte der taz: „Erneut wird deutlich, dass die Gefahren, die von einer stetig wachsenden rechtsextremen Szene ausgehen, sehr real sind. Der hohe Organisationsgrad der Szene ist und bleibt in höchstem Maße besorgniserregend.“ Auch die transnationale Vernetzung schreite weiter voran und es würden weitreichende Finanzstrukturen aufgebaut. Verbindungen der „Sächsischen Separatisten“ in andere Länder, nicht nur nach Polen, müssten konsequent aufgeklärt werden. „Dort, wo sich Extremisten international vernetzen, muss dies auch für die Sicherheitsbehörden gelten. Gemeinsam müssen sie entschlossen gegen grenzüberschreitende Bedrohungen vorgehen“, sagte von Notz.
Sein Parteikollege Marcel Emmerich forderte eine genaue Informierung im Bundestag über die Gruppe. „Auch mit Blick auf ein mögliches AfD-Verbotsverfahren wird der Handlungsbedarf deutlich“, sagte Emmerich der taz. „Wir müssen den parlamentarischen Arm der extremen Rechten vor dem Bundesverfassungsgericht auf seine Verfassungsmäßigkeit hin überprüfen.“ Auch Martina Renner (Linke) erklärte: „Die AfD ist integraler Teil des Rechtsterror und eine akute Gefahr.“
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06.11.2024 Tagesspiegel
„Der Mann wurde von der AfD hier aufgebaut“: Wer sind die festgenommenen „Sächsischen Separatisten“?
Ethnische Säuberungen, Waffengewalt, Umsturzfantasien. Eine militante rechtsextreme Gruppierung hatte große, radikale Ziele. Einige festgenommene Mitglieder sind keine Unbekannten.
Als am frühen Dienstagmorgen die Polizei im dichten Herbstnebel im sächsischen Grimma anrückt, dürfte es nicht allzu lange gedauert haben, bis sich die Nachricht über die groß angelegte Razzia auch im Landesverband der AfD im Freistaat herumgesprochen hatte. Schließlich sind unter den acht festgenommenen Mitgliedern einer mutmaßlichen rechtsextremen Terror-Gruppierung mindestens drei Personen, die Verbindungen zur AfD aufweisen.
Die Vereinigung „Sächsische Separatisten“ sei eine aus 15 bis 20 Personen bestehende militante Gruppierung, deren Ideologie von rassistischen, antisemitischen und in Teilen apokalyptischen Vorstellungen geprägt sei, heißt es in einer Mitteilung der Bundesanwaltschaft aus Karlsruhe. Insgesamt acht sehr junge mutmaßliche Mitglieder der Neonazi-Gruppierung werden am Dienstag festgenommen, der Älteste ist gerade mal 25 Jahre alt.
Der Prominenteste unter ihnen ist der AfD-Kommunalpolitiker Kurt Hättasch, der seit kurzem die Position des Schatzmeisters bei der AfD-Jugend „Junge Alternative“ innehat. Zudem ist Hättasch Vorsitzender des AfD-Kreisverbandes Grimma. „Der Mann wurde von der AfD hier aufgebaut“, er ist nicht „irgendwer“, sagt Kerstin Köditz, die bis zu diesem Jahr für die Linke im sächsischen Landtag saß und aus Grimma kommt.
AfD-Politiker soll Polizisten mit Waffe bedroht haben
Das zeigt sich auch darin, dass Hättasch, obwohl jüngstes Mitglied im Stadtrat Grimmas, erst im August von seiner Fraktion für den Posten des stellvertretenden Oberbürgermeisters vorgeschlagen wurde.
Laut „Spiegel“ wurde der Kommunalpolitiker bei der Festnahme am Morgen durch ein Projektil am Kiefer verletzt. Offenbar hatte er die anrückende Polizei zuvor mit einer eigenen Waffe bedroht. Lebensgefahr bestand nicht, in einem Krankenhaus wurde er operiert.
Unter den Festgenommenen ist außerdem Kevin R. aus Grimma, der ebenfalls für die AfD Kommunalpolitik betreibt und in mehreren Ausschüssen sitzt. Sowohl Hättasch als auch R. haben sich in der Stadt an der Mulde als „Kümmerer“ inszeniert, berichtet Linken-Politikerin Köditz. Beide seien unter anderem im Jugendblasorchester aktiv gewesen, das in Grimma ein hohes Ansehen hat. Zudem setzten sich die jungen Kommunalpolitiker für die Pflege von Kriegerdenkmälern ein. Online findet sich ein positiver Bericht der Lokalzeitung zu dem Projekt.
Nach Informationen des „Spiegel“ habe zudem auch der Festgenommene Hans-Georg P. Verbindungen zur Alternative. So wurde P. 2021 von der Leipziger AfD in den Stadtbezirksbeirat Ost bestellt. Auch in Brandis, nicht weit entfernt von Grimma, rückte die Polizei am Morgen vor einem Einfamilienhaus an. Hier war nach Tagesspiegel-Informationen Jörn S. von den Durchsuchungen betroffen, während im polnischen Zgorzelec Ermittler gleichzeitig bei seinem Bruder Jörg auftauchten.
Die beiden wurden ebenfalls festgenommen. Besonders brisant: die beiden Brüder sind offenbar die Söhne von Hans-Jörg Schimanek junior, einem bekannten österreichischen Rechtsextremisten, der in den 90er Jahren in den Großraum Leipzig gezogen ist. Schimanek junior war über mehrere Jahre als führender Neonazi in Österreich im Umfeld von Gottfried Küssel aktiv, Holocaustleugner und Schlüsselperson der deutsch-österreichischen Neonazi-Szene.
In Österreich war Schimanek sowohl Kameradschaftsführer als auch Aktivist in einer neonazistischen und paramilitärischen Gruppe. Dort soll er unter anderem Wehrsportübungen organisiert haben, außerdem trat er als „Söldner“ in Erscheinung.
Für Kerstin Köditz ist die Gruppe ein weiteres Beispiel für zahlreiche, junge Neonazi-Gruppierungen, die sich aktuell im Land breit machen. „Dass Gefahr im Verzug war, sieht man daran, dass die Bundesbehörden die Ermittlungen geführt haben“, sagte Köditz dem Tagesspiegel. Erst vor zwei Wochen waren Berliner und Brandenburger Polizei mit einer Razzia gegen die junge rechtsextreme Gruppierung „Deutsche Jugend Voran“ vorgegangen.
Der sächsische AfD-Landesverband wies unterdessen jegliche Verbindung zu der betroffenen Gruppierung zurück. „Unsere Partei steht fest auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Mit einer solchen mutmaßlich neonazistischen „Separatistengruppierung“ verbindet uns weder inhaltlich noch organisatorisch irgendetwas“, sagte Parteisprecher Andreas Harlaß der Deutschen Presse-Agentur.
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Blog aus Grimma 05.11.2024
Grimma und seine Nachwuchsnazi’s
Irgendwo zwischen dem Gefühl als Sozialarbeiter versagt zu haben und der inneren Stimme die immer wieder sagt: “Ich habe es euch doch gesagt” geistern gerade meine Gedanken.
Heute gab es in Grimma und im benachbarten Brandis, sowie in zahlreichen anderen Städten Hausdurchsuchungen bei jungen Menschen die sich selbst als “Sächsische Seperatisten” bezeichnet haben. Weitere Info’s könnt ihr der Pressemeldung der Generalbundesanwaltschaft entnehmen.
Wer meinen Blog und die Arbeit hier in Grimma schon etwas länger verfolgt wird wissen das wir schon seit vielen Jahren versuchen auf sich verfestigende Strukturen aufmerksam zu machen und gleichzeitig versuchen mit unserer Arbeit diesen Strukturen präventiv entgegen zu wirken. Eigentlich schreibe ich diesen Beitrag auch nur weil sich die Stadt Grimma völlig überrascht zeigt (Quelle Stadt Grimma 05.11.2024).
Doch warum haben wir das seit vielen Jahren versucht und wie ist dies alles überhaupt sichtbar geworden:
Das Grimmaer St. Augustin war einmal Schule ohne Rassismus (kurz: SoR – vielleicht ist sie das auch noch – k.a.). Im Rahmen des Programms gibt es regelmäßige Projekttage und genau an einem solchen Tag ist auch der heute inhaftierte und vermutlich in einen Schußwechsel verwickelte Kommunalpolitiker aus Grimma auffällig geworden. Mit rassistischen und menschenfeindlichen Aussagen. Wir sprechen hier vom Jahr 2015. In den Jahren zuvor (2013/14) stand ich selbst sogar mit der Familie des inhaftierten in Kontakt weil sein Vater uns und das Projekt unterstützen wollte.
Kurze Zeit später spitzten sich die Konflikte an der Schule zu und das SoR Projekt an der Schule verlor seinen Paten, tatsächlich aber eher weil keine wirklich Gegenrede der Mitschüler*innen auf menschenverachtende Aussagen in der Schule kamen. In der weiteren Folge gab es immer wieder Aktionen der IB am Gymnasium und Konflikte auf dem Schulhof. Aus heutige Sicht kann man davon ausgehen das der inhaftierte beide den Aktionen eine wesentliche Rolle eingenommen hat, aber wie in einem Artikel der LVZ von damals zu lesen: “Identitären Plakat nicht von Schülern aufgehängt”
Immer wieder haben wir versucht dies gegenüber der Schule und auch der Stadt Grimma als Schulträger zu thematisieren, grundsätzlich wurden wir aber als Nestbeschmutzer beschimpft. Auch der Stadtrat sah in einer Sitzung kein Problem darin denn man müsse ja auch was gegen Linksextremismus machen – blablabla (finde leider das Protokoll der Stadtratssitzung nicht mehr). Ich plage mich immernoch mit Anzeigen des ehemaligen OBMs rum weil ich derartige Sachen öffentlich kommuniziert habe. Kurzum eine Thematisierung der Problematik an und in Schule und im Stadtrat hat eher dazu geführt das wir immer größere Probleme bekommen haben. Unternommen wurde nichts und ich bin mir sicher den heutigen Tag hätte es so nicht gegeben wenn man auf uns gehört hätte und wenn wir als Sozial und Jugendarbeiter*innen unsere Arbeit machen dürften ohne das uns Politiker*innen vorschreiben was wir tun und vor allem über unsere finanziellen Mittel bestimmen dürfen.
Es gibt im Grunde noch viel mehr Geschichten rund um die inhaftierten Jugendlichen, aber he sie waren die “Guten” und die Jugendlichen im Projekt Dorf der Jugend die Bösen. Danke ihr Faschos das ihr mir mal wieder einen Arbeitstag geraubt habt.
Bin nun doch mehr sauer als von mir selbst enttäuscht;-)
Das Beitragsbild zeigt einen Haufen von Stickern der IB die in Grimma verklebt wurden – hauptsächlich im Umfeld des Gymnsiums St. Augustin aus dem Jahr 2017.
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Eric Hofmann 05.11.2024
Sie planten einen gewaltsamen Umsturz: Nach Razzia bei Nazi-Bande auch AfD-Politiker in Haft
Dresden – Eigentlich schreien die neonazistischen „Freien Sachsen“ immer nach der Unabhängigkeit Sachsens, am heutigen Dienstag nun hat das Bundeskriminalamt mit den „Sächsische Separatisten“ eine mutmaßliche Terrorgruppe mit ähnlicher Zielrichtung hochgehen lassen. Nur stammte das Netzwerk zu nicht unwesenlichen Teilen aus der AfD. Nach Schüssen liegt nun ein Politiker der Partei im Krankenhaus.
Ein ehemaliger Bratwurst-Imbiss in Grimma soll das Domizil der Gruppe gewesen sein.
Ermittler gehen davon aus, dass die Gruppe mit ihren 15 bis 20 Mitgliedern seit 2020 finstere Pläne verfolgt haben soll: „Hierbei handelt es sich um eine militante Gruppierung, deren Ideologie von rassistischen, antisemitischen und in Teilen apokalyptischen Vorstellungen geprägt ist“, heißt es von der Bundesanwaltschaft.
„Ihre Mitglieder verbindet eine tiefe Ablehnung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland.“
Nach dem Zusammenbruch des Systems wolle man Gebiete in Sachsen mit Waffengewalt erobern und dort eine nationalsozialistische Ordnung einführen. Auch ethnische Säuberungen sollen dabei geplant gewesen sein.
Dafür soll es militärische Trainings, Gewaltmärsche, Schieß- und Häuserkampfübungen gegeben haben. Gasmasken, Helme und Schutzwesten habe man sich auch schon organisiert.
Für Kurt Hättasch endet Razzia im Krankenhaus
Mit dem Grimmaer AfD-Stadtrat und Kreisvorstand im Leipziger Land Kurt Hättasch und seinem Parteifreund Kevin R. verhafteten die Ermittler gleich zwei Politiker in der Muldestadt.
Hättasch soll sich der Gruppe im August 2022 zusammen mit Hans-Georg P. angeschlossen haben.
Hans-Georg P. war kurzzeitig für die AfD Mitglied im Leipziger Stadtbezirksbeirat Ost, zog dann nach Dresden und wurde dort Mitglied im Ortsverband West, hat mit einer AfD-Mandatsträgerin ein gemeinsames Kind und betreute Infostände im Landtagswahlkampf.
In sozialen Netzwerken benennt er sich nach einem fiktiven SS-Offizier. Kevin R. wiederum soll sich mit Kevin M. zusammen ein Jahr später angeschlossen haben.
Für Kreisvorstand Hättasch endete die Razzia im Krankenhaus: Laut „Spiegel“ soll er den Spezialkräften mit einem Karabiner begegnet sein, nach zwei Warnschüssen brachte ihn der Rettungsdienst mit gebrochenem Kiefer in die Klinik.
Insgesamt acht Männer Haftrichter vorgeführt
Anführer der Truppe soll Jörg S. gewesen sein, den die Ermittler in Zgorzelec schnappten.
Der Brandiser Obstbauer, der zuvor eine Karriere bei der Bundeswehr angestrebt hatte, ist zusammen mit seinem ebenfalls festgenommenen Bruder Jörn S. Sohn des österreichischen Neonazis Hans Jörg S. (61).
Dieser nahm Ende der 80er-Jahre und Anfang der 90er als Söldner an mehreren Bürgerkriegen teil, besuchte später Neonazi-Veranstaltungen im Raum Leipzig.
Neben den Brüdern sollen Karl K. und Norman T. zu den festgenommenen Gründungsmitgliedern gehört haben. So kamen mit Kevin M. am Dienstag insgesamt acht Männer vor den Haftrichter in Karlsruhe, die Vorführungen dauerten bis in den Abend.
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05.11.2024, 17:59 Uhr LVZ
Razzia gegen „Sächsische Separatisten“: Polizei durchsucht Grundstück in Wiedemar
Wegen der rechtsextremen Terrorgruppe „Sächsische Separatisten“ hat es am Dienstag auch in der Region Delitzsch eine Razzia gegeben. In Wiedemar durchsuchten vermummte Polizisten ein Grundstück.
Wiedemar. Die Durchsuchungen der Bundesanwaltschaft im Zusammenhang mit der rechtsextremen Terrorgruppe „Sächsische Separatisten“ haben ihre Kreise bis ins nordsächsische Wiedemar gezogen. Seit Dienstagmorgen waren Polizeibeamte auf einem Grundstück an der Wiedemarer Hauptstraße zu Gange. Auf LVZ-Anfrage bestätigte die Pressestelle des Generalbundesanwalts, dass im Landkreis Nordsachsen eine Durchsuchung angeordnet wurde.
Mittags standen noch zwei Transporter der Bundespolizei sowie zwei schwarze Mercedes von Zivilbeamten im Ort. Das Grundstück zwischen Hauptstraße und Großer Wallstraße machte, bis auf ein Dutzend vermummte Polizisten, einen verlassenen Eindruck. Wildes Grün wächst auf der Brache hinter einer alten Halle. Am Tor war weder ein Namensschild zu finden, noch eine Hausnummer.
Nachbarn: Grundstück steht schon länger leer
Zugang hatten sich die Polizisten offenbar über einen Bauzaun an der Rückseite des Grundstückes verschafft. Eine Mauer samt hölzernem Tor versperrt die Sicht von der Hauptstraße aus.
Wie genau die Durchsuchung in Wiedemar mit den Ermittlungen der Bundesanwaltschaft zusammenhängt oder wem das Grundstück gehört, wurde nicht bekanntgegeben. Eine Nachbarin erklärte, das Haus würde schon länger leer stehen, die Eigentümer kenne sie nicht.
Ex-Bürgermeisterin Bödemann: Eigentümer unbekannt
Auch zwei Anwohnerinnen von der gegenüberliegenden Straßenseite berichteten Ähnliches: „Das Grundstück ist leer. Man hat ab und zu mal Autos herausfahren sehen, jetzt aber schon länger nicht“, sagte eine der Frauen. Wem das Grundstück gehört, wisse man in der Nachbarschaft nicht, erklärten die Frauen. „Das ist schon lange ein Schandfleck für das Dorf.“ Die Anwohnerinnen hatten den Polizeieinsatz gegen sieben Uhr bemerkt.
Wiedemars frühere Bürgermeisterin Karin Bödemann erklärte auf Anfrage, dass das Grundstück schon seit über zehn Jahren verlassen sei, die Eigentümer sind ihr nicht bekannt. „Zuletzt habe ich dort im Sommer jemanden gesehen, da war das Tor mal offen oder ein Auto ist herausgefahren“, erinnert sich Bödemann. „Das waren eher junge Leute, denke ich.“
Am Dienstag wurden laut Generalbundesanwalt insgesamt acht Männer in Sachsen und Polen verhaftet, die dringend verdächtigt werden, Mitglieder einer terroristischen Vereinigung zu sein. Außer dem Grundstück in Wiedemar wurden rund 20 Objekte durchsucht.
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Haig Latchinian
05.11.2024, 18:17 Uhr
Maskierte Einsatzkräfte stürmen Eigenheim-Idylle: Anwohner über Nazi-Razzia erschüttert
Der Generalbundesanwalt hat durch Spezialeinsatzkräfte des BKA am Dienstag in Sachsen und Polen acht mutmaßliche Mitglieder einer rechtsextremistischen terroristischen Vereinigung festnehmen lassen. Stundenlange Durchsuchungen gab es dabei unter anderem in Brandis und Grimma. Im Planitz wurde der Wald durchkämmt.
Nachbarn waren noch Stunden nach dem Zugriff geschockt: Was am Dienstagmorgen in der Brandiser Siedlung West passiert ist, kannten die Anwohner bisher nur aus Kriminalfilmen. Sie hätten sich nicht vorstellen können, dass ein mutmaßliches Mitglied einer rechtsextremistischen terroristischen Vereinigung in ihrem Viertel wohnt.
Kurz vor sechs Uhr fand die Nachtruhe in der Eigenheimidylle ein jähes Ende. Es soll eine ohrenbetäubende Detonation gegeben haben. Anwohner, die in ihren Betten hochschreckten und zu den Fenstern eilten, sahen dunkle Autos mit Blaulicht, darunter auch gepanzerte Fahrzeuge. Dazu bewaffnete, maskierte Einsatzkräfte in Schutzwesten. Nach draußen wagte sich niemand.
„Das Sondereinsatzkommando hat die Eingangstür des Zielhauses gesprengt“, berichtete einer der Nachbarn. Ob es so war, ließ sich vorerst nicht bestätigen. Das Gebäude wurde abgeriegelt. Beamte vor Ort verwiesen auf den Generalbundesanwalt – machten keine Angaben zu dem Einsatz. Mehrere Anwohner hatten deutliche Lautsprecher-Durchsagen der Sicherheitskräfte wahrgenommenen.
„Kommen Sie mit erhobenen Händen, leicht bekleidet und unbewaffnet heraus.“ Ein Brandiser will gehört haben, wie die Polizisten hinzufügten: „Hören Sie auf, Steine zu werfen!“ Eine Hausbesitzerin in der Nähe habe von ihrem Fenster aus gesehen, wie schließlich ein Mann mit hinterm Kopf verschränkten Armen nach draußen trat.
Familien mit Kindern mussten alles mit ansehen
Es soll sich um den Sohn eines bekannten österreichischen Rechtsextremisten handeln. Wer ihr Nachbar ist, wissen die Brandiser in dem Wohngebiet bis dahin nicht. Als sie wenig später in den Nachrichten erfuhren, dass er zu den „Sächsischen Separatisten“ gehören und Umsturzpläne gehegt haben soll, reagierten sie sichtlich besorgt.
In dem Wohngebiet sind auch junge Familien mit Kindern zu Hause. Eine Mutter beschrieb die morgendliche Szenerie so: „Mein kleiner Sohn ist völlig aufgeregt. Der größere hat sich in sein Zimmer zurückgezogen und versucht, mit einem Hörspiel abzuschalten.“ Wenn auch etwas verspätet, traten sie dennoch den Schulweg an.
Auch in Grimma gingen die Schüler am Morgen wie gewohnt zur Schule. In unmittelbarer Nähe des dortigen St.-Augustin-Gymnasiums liefen ebenfalls polizeiliche Maßnahmen ab – in der Paul-Gerhardt-Straße und in der Lorenzstraße.
Zeitgleich patrouillierten bewaffnete, maskierte und schwer geschützte Einsatzkräfte auch in Bahnhofsnähe. Bundespolizisten durchkämmten den Planitzwald bei Bennewitz. Ein einsam gelegenes Grundstück zwischen Grimma und Beiersdorf wurde umstellt. Hier wurde der Mittzwanziger Kurt Hättasch festgenommen. Ein Schuss soll gefallen sein. Hättasch wurde bei seiner Festnahme verletzt.
Der junge Mann ist Mitglied des AfD-Kreisvorstandes und schaffte zuletzt den Einzug in den Grimmaer Stadtrat. Seine Fraktion schlug ihn als stellvertretenden OBM vor. Ute Kabitzsch, Beigeordnete der Stadt Grimma, auf LVZ-Nachfrage: „Die aktuellen Verdachtsfälle auf eine mögliche Beteiligung an einer rechtsextremistischen Vereinigung machen uns betroffen.“
Nach dem Ausscheiden von Ex-Oberbürgermeister Matthias Berger (parteilos), der auf der Liste der Freien Wähler den Einzug in den Landtag schaffte, leitet sie vorübergehend die Grimmaer Verwaltung. Angesichts der Schwere der Vorwürfe gegen Hättasch nehme das Rathaus die Vorwürfe sehr ernst und beobachte die weiteren Entwicklungen aufmerksam, versicherte Kabitzsch.
Jugendblasorchester Grimma positioniert sich
Laut Bundesanwaltschaft nannte sich die Gruppe der Verdächtigen „Sächsische Separatisten“, trainierte für den Häuserkampf und wollte Gebiete in Sachsen mit Waffengewalt erobern, so berichtete es die Karlsruher Ermittlungsbehörde. Insgesamt wurden am Dienstag acht Männer in Sachsen und Polen festgenommen. Grimmas Stadträtin Kerstin Köditz (Linke), die auf der Liste „Demokratie!“ kandidierte, forderte eine Distanzierung ihrer Stadtratskollegen.
Als neugewählte Landesvorsitzende der „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten“ nannte es Köditz beschämend, dass neben Hättasch noch ein weiteres Mitglied des AfD-Kreisvorstandes unter Terrorverdacht stehe: R. (Name ist der Redaktion bekannt) wurde am Dienstag ebenfalls festgenommen.
Hättasch und R. musizierten seit Jahren im örtlichen Jugendblasorchester. Der eine spielt Trompete, der andere Flügelhorn. Nach den Worten von Orchesterleiter André Rahmlow habe der Vorstand entschieden, dass deren Mitgliedschaft ab sofort auf Eis liege. Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, sei ein Ausschluss sehr wahrscheinlich.
Und die Anwohner in Grimma? Wie reagierten sie auf die stundenlangen Belagerungen? Eine Frau in der Paul-Gerhardt-Straße sprach aus, was viele dachten: „Wir waren natürlich sehr besorgt. Anfangs wusste niemand, was der Grund für die polizeilichen Aktionen ist. Und auf die Straße traute ich mich nicht.“
Anders als in Brandis gingen die Durchsuchungen im Grimmaer Stadtgebiet beinahe geräuschlos vonstatten, erzählten Nachbarn. „Und doch sehen wir natürlich die schwer bewaffneten Polizisten“, sagte eine Frau, die anonym bleiben möchte. Es wäre wichtig, ergänzte sie, dass die Beamten in solchen Ausnahmefällen künftig die Anwohner so schnell wie möglich informieren.
Landesamt für Schule sieht sich gut vorbereitet
Auf Nachfrage, ob Kinder aus dem Wohngebiet womöglich traumatisiert seien, will sich die Brandiser Grundschule nicht äußern. Eine Kollegin verweist auf das Landesamt für Schule und Bildung in Chemnitz. Dessen Sprecher, Clemens Arndt, versichert, dass seine Behörde für solche Extremfälle gut aufgestellt sei.
Bis Dienstagnachmittag habe es keine Anfrage gegeben, weiß Arndt. „Wir haben an jedem Standort unseres Amtes ausreichend Schulpsychologen. Wenn Lehrer oder Schüler entsprechend Bedarf für Gespräche anmelden, wären sie zeitnah vor Ort“, so Arndt. Kinder reagierten mitunter sehr verschieden auf Ausnahmesituationen wie die in Brandis: „Der eine findet es womöglich cool, der andere entwickelt Ängste.“
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Theresa Hellwig
05.11.2024, 13:38
„Polizei – auf den Boden!“ So lief die Neonazi-Razzia in Dresden ab
Am Dienstagmorgen wurden acht mutmaßliche Mitglieder einer rechtsextremistischen terroristischen Vereinigung in Sachsen festgenommen. Auch in einem Dresdner Mehrfamilienhaus gab es eine Razzia. Was die Bewohner in Löbtau berichten.
Punkt sechs Uhr am Dienstagmorgen war die Nacht für die Bewohner in einem Mehrfamilienhaus auf der Saxoniastraße in Dresden-Löbtau vorbei. Motorengeräusche und ein Aufgebot an Polizeifahrzeugen vor der Haustür sorgten für Unruhe. Einige Nachbarn standen verschlafen am Fenster und versuchten, einen Blick auf die Szenerie zu werfen, während andere bereits das ganze Ausmaß der Lage spürten.
„Ich bin um 6.45 Uhr aufgewacht, weil die Autos vor der Tür standen“, berichtet eine Bewohnerin. „Hier war lange nichts los“, fügt sie mit einem Lachen hinzu. Doch heute war es anders. Als sie die Motorengeräusche hörte und die Einsatzwagen sah, begann sie zu googeln, um herauszufinden, was passiert war. Von den eigentlichen Vorgängen hinter der Tür im obersten Stockwerk bekam sie jedoch nur wenig mit.
Eine andere Anwohnerin lag schon wach im Bett, als es losging. Um Punkt 6 Uhr, so schildert sie, habe sie plötzlich Gebrüll an der Wohnung in der vierten Etage mitbekommen. Dann kracht es laut. Polizisten müssen eine Tür eingetreten haben. Es folgte der laute Befehl: „Polizei – auf den Boden!“
Nachdem das Geschrei und der Lärm abgeklungen waren, wurde es still im Treppenhaus. Doch als die Anwohnerin um halb acht mit ihrem Kind die Wohnung verlassen wollte, wurde sie von einem Beamten des Bundeskriminalamts zurückgehalten. „Sie haben gesagt, ich solle noch fünf bis zehn Minuten in der Wohnung bleiben“, berichtet sie. Durch den Türspion sah sie schließlich, wie ein schwarz gekleideter, vermummter Mann in Handschellen abgeführt und wieder nach oben zurückgeführt wurde. „Vielleicht sollte er etwas aufschließen“, mutmaßt sie.
In dem Haus würden öfter mal die Mieter wechseln. Auch Studenten und WGs gibt es dort. Es gäbe ein ständiges Kommen und Gehen, man kenne sich dadurch als Nachbarn nicht so gut.
Gruppe nennt sich „Sächsische Separatisten“
Die Ereignisse des Morgens beschäftigen die junge Frau noch Stunden später. „Seitdem habe ich Kopfkino“, sagt sie sichtlich aufgewühlt. „Wer weiß, ob er da oben Waffen gelagert hat. Das fühlt sich an, wie in einer Netflixserie. Ich dachte erst, es geht vielleicht um Drogen, aber wenn hier tatsächlich ein Terrorist gewohnt hat – das ist schon sehr beunruhigend.“
Wie sich später herausstellt, handelt es sich bei dem festgenommenen Mann aus der vierten Etage um eines der acht mutmaßlichen Mitglieder einer rechtsterroristischen Vereinigung, die sich „Sächsische Separatisten“ nennt. Ein junger Mann aus der sächsischen Kleinstadt Brandis gilt als Rädelsführer. Er soll die Gruppe, auf die der Verfassungsschutz im November 2020 aufmerksam wurde, gegründet haben.
Die Vereinigung besteht laut Generalbundesanwalt aus 15 bis 20 Mitgliedern, die eine rassistische, antisemitische Ideologie verfolgen, die sich am Nationalsozialismus orientiert.
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05.11.2024, 17:51 Uhr
Sie spielten Trompete – und planten den Umsturz? Was über die „Sächsischen Separatisten“ bekannt ist
Die Terrorgruppe „Sächsische Separatisten“ soll in Kampfausrüstung für einen gewaltsamen Umsturz in Deutschland trainiert haben. Zur Gruppe sollen auch AfD-Politiker gehört haben, es gibt Verbindungen nach Österreich. Was bisher bekannt ist.
Ein lauter Knall schreckt die Menschen in der Eigenheimsiedlung am Rande von Brandis am Dienstagmorgen gegen 6 Uhr auf. Polizisten, so werden es Augenzeugen aus der Kleinstadt im Landkreis Leipzig später erzählen, haben eines der Häuser direkt am Feldrand umstellt. Per Lautsprecherdurchsage fordern sie die Bewohner auf, mit erhobenen Händen herauszukommen.
Noch Stunden später stehen maskierte Beamte mit schusssicheren Westen an dem Grundstück. Es ist eines von rund 20 Objekten, das an diesem Dienstag von Polizisten durchsucht wird. Die meisten davon liegen in Sachsen, eins in Polen. Der Grund für die Großrazzia: Eine mutmaßliche Terrorgruppe namens „Sächsische Separatisten“ soll sich auf einen gewaltsamen Umsturz in Deutschland vorbereitet, den Häuserkampf trainiert, sich Helme und Gasmasken besorgt haben. Von den 15 bis 20 Personen, die den Ermittlungen zufolge zu der Gruppe gehören, werden am Dienstag acht Männer im Alter zwischen 21 und 25 Jahren festgenommen.
Was wird den „Sächsischen Separatisten“ vorgeworfen?
Der Generalbundesanwalt wirft den Festgenommen und weiteren Beschuldigten auf freiem Fuß vor, Mitglieder einer terroristischen Vereinigung gewesen zu sein. Deutschland, davon sollen die „Sächsischen Separatisten“ überzeugt gewesen sein, stehe kurz vor dem Kollaps, ein Systemumsturz soll aus ihrer Sicht unvermeidlich gewesen sein.
Von diesem angeblichen bevorstehenden „Tag X“ wollte die Gruppe offenbar auf ihre Weise profitieren. Spätestens seit November 2020 soll sie sich darauf vorbereitet haben. Ihr Plan war demnach: Mit Waffengewalt wollten sie Gebiete in Sachsen und womöglich auch in anderen Teilen Ostdeutschlands erobern und dort einen eigenen, am Nationalsozialismus orientierten Staat errichten. Menschen, die aus ihrer Sicht nicht in diese Gesellschaft passen, sollten den Ermittlungen zufolge notfalls Opfer von ethnischen Säuberungen werden.
Wie weit waren die Umsturz-Pläne gediehen?
Das wird Teil der weiteren Ermittlungen sein. Fest steht aus Sicht der Behörden schon jetzt: Auf den Umsturz haben sich die „Sächsischen Separatisten“ sehr praktisch vorbereitet. Als paramilitärische Einheit sollen sie mehrmals trainiert haben – etwa den Häuserkampf, den Umgang mit Schusswaffen, Nacht- und Gewaltmärsche und Patrouillengänge. Außerdem besorgten sie sich den Ermittlungen zufolge militärische Ausrüstung wie Tarnfleckanzüge, Gefechtshelme, Gasmasken und Schutzwesten.
Welche Ideologie steckt hinter der Terrorgruppe?
Eine, die von Rassismus, Antisemitismus und apokalyptischen Vorstellungen geprägt ist. So sieht es jedenfalls der Generalbundesanwalt. Die „Sächsischen Separatisten“ verbindet demnach eine tiefe Ablehnung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung Deutschlands.
Für den Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, ist klar: „Bei zentralen Protagonisten dieser Gruppierung handelt es sich um teils sehr junge Rechtsextremisten, die Bezüge zu einer, insbesondere im virtuellen Raum aktiven Szene aufweisen.“ Es gehe dabei um die sogenannte „Siege-Szene“.
„Siege“ (Englisch für Belagerung) bezieht sich auf eine Sammlung von Schriften des Rechtsextremisten James Nolan Mason aus den 1980er-Jahren. Anhänger dieser Szene glorifizierten Taten bekannter Rechtsterroristen und verfolgten das Ziel, an einem von ihnen erwarteten gewaltsamen Umsturz mitzuwirken, sagt Verfassungsschutzchef Haldenwang.
Wer soll die „Sächsischen Separatisten“ angeführt haben?
In Brandis, wo die Anwohner am Dienstagmorgen die Lautsprecherdurchsagen der Polizei gehört hatten, lebt nach LVZ-Informationen der mutmaßliche Rädelsführer der „Sächsischen Separatisten“, Jörg. S. Festgenommen wurde er dem Generalbundesanwalt und dem polnischen Geheimdienst zufolge aber nicht dort, sondern in der polnischen Grenzstadt Zgorzelec.
Neben Jörg S. soll auch sein jüngerer Bruder Jörn Teil der „Sächsischen Separatisten“ gewesen sein, auch er ist unter den Festgenommenen. Die Brüder gehören nach Informationen von LVZ und Sächsischer Zeitung zur Familie eines bekannten Rechtsextremisten aus Österreich, der im Bezirk Krems aufgewachsen und in Leipzig an einer Baufirma beteiligt ist.
Welche Verbindungen gibt es zu Rechtsextremen aus Österreich?
Der Österreicher Hans-Jörg S., heute 61 Jahre alt, war in der militanten und paramilitärischen Neonazi-Gruppe „Volkstreue außerparlamentarische Opposition“ aktiv. Er war ihr „Kameradschaftsführer“ im Landkreis Krems und organisierte Wehrsportübungen. 1995 verurteilte ihn die österreichische Justiz zu einer hohen Haftstrafe, er kam jedoch 1999 vorzeitig frei.
In Leipzig tauchte Hans-Jörg S. dann im Zusammenhang mit der spektakulären Pleite des Reisekonzerns Unister auf. Die Wochenzeitung „Zeit“ und die Sächsische Zeitung berichteten 2016, wie er gemeinsam mit einem ebenfalls in Leipzig lebenden Ex-Republikaner zum zweitgrößten Aktionär der Unister-Tochterfirma Travel24 geworden war.
Die beiden Männer, die unter anderem als Söldner 1992 in Kroatien im Einsatz waren, sind zudem bis heute Gesellschafter bei der Immobilienfirma BBM Baubetreuung in Mitteldeutschland GmbH mit Sitz in Leipzig.
Auch in Österreich, genauer in Wien und im Bezirk Krems-Land, durchsuchte die Polizei im Zusammenhang mit den „Sächsischen Separatisten“ zwei Objekte. Festgenommen wurde dort aber niemand, die Objekte gehören dem Generalbundesanwalt zufolge auch keinem der Beschuldigten.
Was ist über den mutmaßlichen Rädelsführer weiter bekannt?
Dass der nun in der deutsch-polnischen Grenzstadt festgenommene Jörg S. zur Familie jenes Hans-Jörg S. gehört, bestätigen mehrere Quellen, darunter auch österreichische Ermittlerkreise. „Der Apfel fällt eben nicht weit vom Stamm“, hieß es unter anderem.
Jörg S. hatte 2020 eine Lehre bei der Obstland Dürrweitzschen AG begonnen. Nach Angaben des Unternehmens arbeitet er dort aber nicht mehr und hat die Lehre kein Jahr lang durchgehalten. Der LVZ hatte S. vor gut vier Jahren ein kurzes Interview gegeben, in dem er auch über seine Ausbildung sprach – und über eine Bewerbung bei der Bundeswehr. Der Prozess inklusive der Aufnahmetests habe sich aber zu lange gezogen, sagte S. damals, sodass eine Beschäftigung beim Militär nicht zustande gekommen sei.
Was haben AfD-Politiker mit der Sache zu tun?
Drei der acht Festgenommenen haben nach Informationen von LVZ und dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) Verbindungen zur AfD. So soll unter den Festgenommenen ein Mann sein, der in der Vergangenheit in einem Leipziger Stadtbezirksbeirat aktiv war.
Zwei weitere festgenommene AfD-Politiker kennen sich offenbar schon seit ihren Kindertagen. Kevin R., der sich kommunalpolitisch im AfD-Kreisverband Leipziger Land engagiert. Und Kurt Hättasch, der im Vorstand jenes Kreisverbandes sitzt, Stadtrat in Grimma ist und Schatzmeister des AfD-Nachwuchses Junge Alternative in Sachsen. R. und Hättasch musizierten als Kinder beide in einem Jugendblasorchester. Vor fünf Jahren, als junge Erwachsene, traten sie als Bläser-Duo bei einer AfD-Veranstaltung zum Volkstrauertag in Bad Lausick auf, spielten der Partei zufolge das Lied „Vom guten Kameraden“.
Der sächsische AfD-Landesverband wies jegliche Verbindung zu der mutmaßlichen Terrorgruppe zurück. „Das hat nichts mit der AfD zu tun“, sagte Parteisprecher Andreas Harlaß der LVZ.
Wie lief die Razzia am Dienstag?
An den Durchsuchungen waren nach LVZ-Informationen auch Beamte der Spezialeinheit GSG 9 beteiligt – die Bundespolizei ging also offenbar davon aus, es mit überaus gefährlichen Männern zu tun zu haben.
Die Festnahme des AfD-Politikers Kurt Hättasch eskalierte dann tatsächlich so sehr, dass die Polizisten nach LVZ-Informationen Warnschüsse abgaben. Die genauen Umstände sind noch unklar. Nach unbestätigten Angaben aus Sicherheitskreisen, über die der „Spiegel“ berichtete, soll Hättasch mit einer Langwaffe vor die Polizeibeamten getreten sein. Er sei dann bei seiner Festnahme am Kiefer verletzt worden und musste in der Leipziger Uniklinik operiert werden. Offen blieb, ob Hättasch, wie in Medienberichte behauptet wurde, durch ein Projektil verletzt wurde. Oder ob es im Zusammenhang seiner Festnahme zu einem Sturz kam und Hättasch dadurch am Kiefer verletzt wurde. Konkrete Angaben machten die Behörden am Dienstag nicht.
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05.11.2024, 16:02 Uhr
Als die Polizei kam, griff er zum Gewehr: AfD-Politiker bei Nazi-Razzia in Sachsen verhaftet
Sie nannten sich „Sächsische Separatisten“ und sollen mit Waffen einen „Systemsturz“ vorbereitet haben: Am Dienstag sind bei Leipzig und Dresden acht mutmaßliche Rechtsterroristen festgenommen worden. Ein AfD-Politiker trat bei seiner Festnahme mit einem Gewehr vor Polizisten – und wurde verletzt.
Die Bundesanwaltschaft hat am Dienstagmorgen acht mutmaßliche Mitglieder einer rechtsextremistischen terroristischen Vereinigung festnehmen lassen. Der Grimmaer AfD-Kommunalpolitiker Kurt Hättasch sowie Karl K., Kevin M., Hans-Georg P., Kevin R., Jörg S., Jörn S. und Norman T. sollen einer Gruppe namens „Sächsische Separatisten“ angehört haben, die sich auf einen Umsturz vorbereiteten und ein am
Nationalsozialismus ausgerichtetes Gemeinwesen etablieren wollten.
Die Beschuldigten im Alter zwischen 21 und 25 Jahren wurden laut Generalbundesanwalt (GBA) an verschiedenen Orten in und um Leipzig, in Dresden, an einem Ort im Landkreis Meißen sowie – im Falle des mutmaßlichen Rädelsführers Jörg S. – in Zgorzelec (Polen) festgesetzt. Gleichzeitig fanden richterlich angeordnete Durchsuchungen in rund 20 Objekten statt. Sie richteten sich auch gegen weitere sieben Beschuldigte. Zum Teil sollen die Tatverdächtigen noch als Minderjährige gehandelt haben.
AfD-Politiker bei Festnahme verletzt
Der Grimmaer AfD-Stadtrat Hättasch trat – nach offiziell noch unbestätigten Angaben aus Sicherheitskreisen – am Morgen mit einer Langwaffe vor die Polizeibeamten. Ein Polizist habe daraufhin Warnschüsse abgegeben, hieß es. Der Beschuldigte sei dann am Kiefer verletzt worden und musste operiert werden. Offen blieb, ob Hättasch, wie in Medienberichte behauptet wurde, durch ein Projektil getroffen wurde oder ob es im Zusammenhang seiner Festnahme zu einem Sturz kam und er dadurch am Kiefer verletzt wurde. Konkrete Angaben machten die Behörden am Dienstag nicht. Weitere Details zu dem Zwischenfall sollen nun Zeugenvernehmungen klären. Vor der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie der Leipziger Uniklinik, wo Hättasch behandelt wurde, standen am Dienstag schwer bewaffnete Polizisten.
Hättasch sitzt für die AfD im Stadtrat von Grimma und ist Kreisvorstandsmitglied im AfD-Kreisverband Landkreis Leipzig. Er ist zudem Schatzmeister des AfD-Nachwuchses Junge Alternative in Sachsen. Der festgenommene Kevin R. engagiert sich ebenfalls für die AfD in der Kommunalpolitik, vertritt Hättasch etwa bei Ausschuss-Sitzungen in Grimma.
„Sächsische Separatisten“ sollen sich 2020 gegründet haben
Die Beschuldigten sind nach Angaben des Generalbundesanwalts dringend verdächtig, sich in einer terroristischen Vereinigung betätigt zu haben. Am Vormittag wurden sie mit dem Hubschrauber nach Karlsruhe gebracht, wo sie dem Haftrichter vorgeführt werden sollten. Ihnen wird vorgeworfen, sich spätestens seit November 2020 der Vereinigung namens „Sächsische Separatisten“ angeschlossen zu haben.
Hierbei handle es sich um eine aus fünfzehn bis zwanzig Personen bestehende militante Gruppierung, deren Ideologie von rassistischen, antisemitischen und in Teilen apokalyptischen Vorstellungen geprägt sei. Ihre Mitglieder verbinde eine tiefe Ablehnung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland, so der Generalbundesanwalt.
Waffen-Trainings in Kampfausrüstung
Aus Sicht der „Sächsischen Separatisten“ steht den Ermittlungen zufolge außer Zweifel, dass Deutschland vor dem „Kollaps“ steht und an einem, wenngleich zeitlich noch unbestimmten „Tag X“ der staatliche und gesellschaftliche Zusammenbruch eintreten wird. Die Gruppe wolle mit Waffengewalt „Gebiete in Sachsen und gegebenenfalls auch in anderen ostdeutschen Ländern erobern, um dort ein am Nationalsozialismus ausgerichtetes Staats- und Gesellschaftswesen zu errichten. Unerwünschte Menschengruppen sollten notfalls durch ethnische Säuberungen aus der Gegend entfernt werden.
Die militante Gruppe soll zur Vorbereitung auf den „Systemsturz“ paramilitärische Trainings mit Kampfausrüstung durchgeführt haben. Dabei seien der Häuserkampf, der Umgang mit Schusswaffen, Nacht- und Gewaltmärsche sowie Patrouillengänge geübt worden, so der GBA. Tarnfleckanzüge, Gefechtshelme, Gasmasken und Schutzwesten wurden dafür als Ausrüstung beschafft.
Durchsuchungen auch in Brandis und Grimma
Nach Informationen der Leipziger Volkszeitung und der Sächsischen Zeitung fanden Durchsuchungen unter anderem in einer Einfamilienhaussiedlung in Brandis (Landkreis Leipzig) statt. Auch in Grimma lief seit dem Morgen ein größerer Polizeieinsatz. In Dresden-Löbtau und Wiedemar (Kreis Nordsachsen) fanden ebenfalls Razzien statt. Insgesamt waren nach GBA-Angaben mehr als 450 Sicherheitskräfte und Polizeibeamte des Landes- und Bundeskriminalamts im Einsatz. Die Bundespolizei unterstützte mit Kräften der Spezialeinheit GSG9, auch ein schwer gepanzerte „Survivor“-Spezialfahrzeug kam dabei zum Einsatz.
Zudem seien auch Räumlichkeiten von nicht tatverdächtigen Personen, darunter in Wien und im Bezirk Krems-Land (Österreich), durchsucht worden, hieß es von der Bundesanwaltschaft.
Junge Rechtsextremisten vernetzten sich im Internet
„Dass der Umgang mit Waffen trainiert und militärische Ausrüstung beschafft wurde, zeigt, wie gefährlich diese Rechtsextremisten sind“, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Sie verwies auf die frühzeitige Aufklärung der Gruppe durch das Bundesamt für Verfassungsschutz. Bei den Festnahmen wurden Beweismittel gesichert, die nun ausgewertet würden.
Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, erklärte: „Bei zentralen Protagonisten dieser Gruppierung handelt es sich um teils sehr junge Rechtsextremisten, die Bezüge zu einer insbesondere im virtuellen Raum aktiven Szene aufweisen.“
AfD weist jede Verbindung zurück
Der sächsische AfD-Landesverband wies jede inhaltliche oder organisatorische Verbindung zu der Gruppe zurück. „Wir kennen nur die bisherigen Presseberichte zu diesem Vorgang. Unsere Partei steht fest auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Mit einer solchen mutmaßlich neonazistischen „Separatistengruppierung“ verbindet uns weder inhaltlich noch organisatorisch irgendetwas“, sagte Parteisprecher Andreas Harlaß der Deutschen Presse-Agentur.
Sollten sich die Vorwürfe gegen den Kommunalpolitiker bestätigen, werde ein unverzüglicher Parteiausschluss vollzogen werden, teilte ein Sprecher der Bundespartei auf Nachfrage mit. Zu Berichten, wonach möglicherweise auch mindestens ein Mitglied der Nachwuchsorganisation Junge Alternative (JA) unter den Festgenommenen sein soll, sagte der Sprecher: „Was die Junge Alternative (JA) betrifft, ist das eine eigenständige Vereinigung, die organisatorisch nicht mit der AfD verbunden ist.“ Die AfD gehe aber davon aus, dass wenn sich auch Vorwürfe gegenüber JA-Mitgliedern bestätigen sollten, diese unverzüglich aus der Vereinigung ausgeschlossen würden.
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Robert Nößler
05.11.2024, 14:35 Uhr
„Harter Schlag gegen militante Rechtsextremisten“: Stimmen zur Razzia gegen „Sächsische Separatisten“
Eine militante Terrorgruppe soll in Sachsen für den „Tag X“ Umsturzpläne geschmiedet haben. 450 Einsatzkräfte gingen mit einer Razzia gegen die „Sächsischen Separatisten“ vor. Der Justizminister spricht von „ungeheuerlichen Plänen“.
Die Bundesanwaltschaft hat am Dienstag acht mutmaßliche Rechtsterroristen in Sachsen und Polen festnehmen lassen. Ihnen wird vorgeworfen, sich zu einer terroristischen Vereinigung zusammengeschlossen und unter dem Namen „Sächsische Separatisten“ Umsturzpläne geschmiedet zu haben.
Der Älteste der Verdächtigen ist nach dpa-Informationen 25 Jahre alt. Auch Minderjährige sollen der Gruppe angehört haben. „Es ist ein großer Erfolg, dass es dem Generalbundesanwalt und den Sicherheitsbehörden gelungen ist, diese ungeheuerlichen Pläne aufzudecken und die Verantwortlichen festzunehmen“, sagt Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP). Gleichzeitig mahne dieser Ermittlungserfolg abermals: „Unser Rechtsstaat und die freiheitlich-demokratische Grundordnung werden von vielen Seiten bedroht.“
„Dass der Umgang mit Waffen trainiert und militärische Ausrüstung beschafft wurde, zeigt, wie gefährlich diese Rechtsextremisten sind“, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Sie verwies auf die frühzeitige Aufklärung der Gruppe durch das Bundesamt für Verfassungsschutz.
Auch Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) verwies auf den Verfassungsschutz. „Dieser harte Schlag gegen militante Rechtsextremisten zeigt wieder einmal mehr als deutlich, wie wichtig starke Nachrichtendienste angesichts der aktuellen Bedrohungslage sind“, teilte er mit. „Den Radarschirmen unserer Verfassungsschutzämter ist es zu verdanken, dass sich diese militante rechtsextreme Gruppe nicht zu einer Terrorgruppe radikalisieren konnte, und diese Gefahr war nicht auszuschließen. Ich danke den Bundessicherheitsbehörden für einen hochprofessionellen Einsatz.“
Paramilitärische Trainings mit Kampfausrüstung
Die Mitglieder sollen wiederholt paramilitärische Trainings mit Kampfausrüstung absolviert haben. „Dabei wurden insbesondere der Häuserkampf, der Umgang mit Schusswaffen, Nacht- und Gewaltmärsche sowie Patrouillengänge eingeübt“, heißt es in der Mitteilung des Generalbundesanwalts. Zudem habe sich die Gruppierung militärische Ausrüstungsgegenstände wie Tarnfleckanzüge, Gefechtshelme, Gasmasken und Schutzwesten besorgt.
Die Festgenommenen sollen am Dienstag und Mittwoch dem Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof vorgeführt werden, der über die Untersuchungshaft entscheidet. Allein in Deutschland waren mehr als 450 Sicherheitskräfte und Polizeibeamte des Bundeskriminalamts, Spezialkräfte der Bundespolizei und des Landeskriminalamts Sachsen im Einsatz.
Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, erklärt: „Bei zentralen Protagonisten dieser Gruppierung handelt es sich um teils sehr junge Rechtsextremisten, die Bezüge zu einer insbesondere im virtuellen Raum aktiven Szene aufweisen.“ Es geht um die sogenannte „Siege-Szene“. Diese bezieht sich auf eine Sammlung von Schriften aus den 1980er Jahren des Rechtsextremisten James Nolan Mason. Darin finden sich unter anderem Gedankenspiele hinsichtlich eines rassistisch-terroristischen Guerillakrieges, der sich primär gegen Infrastruktur und politische Führungspersonen richten soll, um die Gesellschaft in einen Rassenkrieg zu stürzen. Anhänger dieser Szene glorifizierten Taten bekannter Rechtsterroristen und verfolgten das Ziel, an einem erwarteten gewaltsamen Umsturz – „Tag X“ – mitzuwirken, sagt Haldenwang.
Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) sieht in der Festnahme mutmaßlicher Rechtsterroristen einen Beleg, wie wichtig starke Nachrichtendienste in aktuellen Bedrohungslagen sind. „Den Radarschirmen der Verfassungsschutzämter sei es zu verdanken, dass sich diese militante rechtsextreme Gruppe nicht zu einer Terrorgruppe radikalisieren konnte, und diese Gefahr war nicht auszuschließen“, erklärte er. Er sprach von einem „harten Schlag gegen militante Rechtsextremisten“ und dankte den Behörden.
Sächsische Linke fordert Ermittlungen zum Umfeld der Gruppe
Die Linke fordert im sächsischen Landtag derweil präzise Ermittlungen zum Umfeld der Gruppierung. „Sie müssen sich unbedingt auch darauf fokussieren, in welchen politischen Gruppierungen die Beschuldigten aktiv waren, wo sie radikalisiert und durch wen sie unterstützt wurden. Erst dann ist die Gefahr gebannt“, erklärte die Abgeordnete Juliane Nagel. Es gehe darum, die Netzwerke und Verbindungen zur AfD auszuleuchten.
„Wenn sich die Ermittlungen bestätigen, dann hat sich über längere Zeit wieder einmal eine konspirative Zelle von Rechtsterroristen gebildet, die sich länderübergreifend im militärischen Stil auf die systematische Anwendung von Waffengewalt vorbereitete. Härter könnte ein Verdacht kaum wiegen“, betonte Nagel. Schon jetzt sei absehbar, dass es sich nicht um Einzeltäter handele, sondern um eine Vernetzung – offenbar mit weiteren Beteiligten, die sich noch auf freiem Fuß befänden.
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06.11.2024, 09:11 Uhr
Als die Polizei kam, griff er zum Gewehr: AfD-Politiker bei Nazi-Razzia in Sachsen verhaftet
Sie nannten sich „Sächsische Separatisten“ und sollen mit Waffen einen „Systemsturz“ vorbereitet haben: Am Dienstag sind bei Leipzig und Dresden acht mutmaßliche Rechtsterroristen festgenommen worden. Sechs von ihnen sitzen inzwischen in Untersuchungshaft.
Die Bundesanwaltschaft hat am Dienstagmorgen acht mutmaßliche Mitglieder einer rechtsextremistischen terroristischen Vereinigung festnehmen lassen. Der Grimmaer AfD-Kommunalpolitiker Kurt Hättasch sowie Karl K., Kevin M., Hans-Georg P., Kevin R., Jörg S., Jörn S. und Norman T. sollen einer Gruppe namens „Sächsische Separatisten“ angehört haben, die sich auf einen Umsturz vorbereiteten und ein am Nationalsozialismus ausgerichtetes Gemeinwesen etablieren wollten.
Die Beschuldigten im Alter zwischen 21 und 25 Jahren wurden laut Generalbundesanwalt (GBA) an verschiedenen Orten in und um Leipzig, in Dresden, an einem Ort im Landkreis Meißen sowie – im Falle des mutmaßlichen Rädelsführers Jörg S. – in Zgorzelec (Polen) festgesetzt. Gleichzeitig fanden richterlich angeordnete Durchsuchungen in rund 20 Objekten statt. Sie richteten sich auch gegen weitere sieben Beschuldigte. Zum Teil sollen die Tatverdächtigen noch als Minderjährige gehandelt haben.
AfD-Politiker bei Festnahme verletzt
Der Grimmaer AfD-Stadtrat Hättasch trat – nach offiziell noch unbestätigten Angaben aus Sicherheitskreisen – am Morgen mit einer Langwaffe vor die Polizeibeamten. Ein Polizist habe daraufhin Warnschüsse abgegeben, hieß es. Der Beschuldigte sei dann am Kiefer verletzt worden und musste operiert werden. Offen blieb, ob Hättasch, wie in Medienberichte behauptet wurde, durch ein Projektil getroffen wurde oder ob es im Zusammenhang seiner Festnahme zu einem Sturz kam und er dadurch am Kiefer verletzt wurde. Konkrete Angaben machten die Behörden am Dienstag nicht. Weitere Details zu dem Zwischenfall sollen nun Zeugenvernehmungen klären. Vor der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie der Leipziger Uniklinik, wo Hättasch behandelt wurde, standen am Dienstag schwer bewaffnete Polizisten.
Hättasch sitzt für die AfD im Stadtrat von Grimma und ist Kreisvorstandsmitglied im AfD-Kreisverband Landkreis Leipzig. Er ist zudem Schatzmeister des AfD-Nachwuchses Junge Alternative in Sachsen. Der festgenommene Kevin R. engagiert sich ebenfalls für die AfD in der Kommunalpolitik, vertritt Hättasch etwa bei Ausschuss-Sitzungen in Grimma.
„Sächsische Separatisten“ sollen sich 2020 gegründet haben
Die Beschuldigten sind nach Angaben des Generalbundesanwalts dringend verdächtig, sich in einer terroristischen Vereinigung betätigt zu haben. Am Vormittag wurden sie mit dem Hubschrauber nach Karlsruhe gebracht, wo sie dem Haftrichter vorgeführt werden sollten. Ihnen wird vorgeworfen, sich spätestens seit November 2020 der Vereinigung namens „Sächsische Separatisten“ angeschlossen zu haben.
Hierbei handle es sich um eine aus fünfzehn bis zwanzig Personen bestehende militante Gruppierung, deren Ideologie von rassistischen, antisemitischen und in Teilen apokalyptischen Vorstellungen geprägt sei. Ihre Mitglieder verbinde eine tiefe Ablehnung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland, so der Generalbundesanwalt.
Sechs der Männer wurden noch am Dienstag in Untersuchungshaft genommen. Wie eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft mitteilte, setzte der Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof in Karlsruhe die Haftbefehle in Vollzug. Dorthin waren die Männer mit dem Hubschrauber gebracht worden. Wann die übrigen beiden Männer dem Ermittlungsrichter vorgeführt werden, ist unklar. Hättasch konnte aufgrund seiner Verletzung nicht nach Karlsruhe gebracht werden, Jörg S. befinde sich noch in Polen.
Waffen-Trainings in Kampfausrüstung
Aus Sicht der „Sächsischen Separatisten“ steht den Ermittlungen zufolge außer Zweifel, dass Deutschland vor dem „Kollaps“ steht und an einem, wenngleich zeitlich noch unbestimmten „Tag X“ der staatliche und gesellschaftliche Zusammenbruch eintreten wird. Die Gruppe wolle mit Waffengewalt „Gebiete in Sachsen und gegebenenfalls auch in anderen ostdeutschen Ländern erobern, um dort ein am Nationalsozialismus ausgerichtetes Staats- und Gesellschaftswesen zu errichten. Unerwünschte Menschengruppen sollten notfalls durch ethnische Säuberungen aus der Gegend entfernt werden.
Die militante Gruppe soll zur Vorbereitung auf den „Systemsturz“ paramilitärische Trainings mit Kampfausrüstung durchgeführt haben. Dabei seien der Häuserkampf, der Umgang mit Schusswaffen, Nacht- und Gewaltmärsche sowie Patrouillengänge geübt worden, so der GBA. Tarnfleckanzüge, Gefechtshelme, Gasmasken und Schutzwesten wurden dafür als Ausrüstung beschafft.
Durchsuchungen auch in Brandis und Grimma
Nach Informationen der Leipziger Volkszeitung und der Sächsischen Zeitung fanden Durchsuchungen unter anderem in einer Einfamilienhaussiedlung in Brandis (Landkreis Leipzig) statt. Auch in Grimma lief seit dem Morgen ein größerer Polizeieinsatz. In Dresden-Löbtau und Wiedemar (Kreis Nordsachsen) fanden ebenfalls Razzien statt. Insgesamt waren nach GBA-Angaben mehr als 450 Sicherheitskräfte und Polizeibeamte des Landes- und Bundeskriminalamts im Einsatz. Die Bundespolizei unterstützte mit Kräften der Spezialeinheit GSG9, auch ein schwer gepanzerte „Survivor“-Spezialfahrzeug kam dabei zum Einsatz.
Zudem seien auch Räumlichkeiten von nicht tatverdächtigen Personen, darunter in Wien und im Bezirk Krems-Land (Österreich), durchsucht worden, hieß es von der Bundesanwaltschaft.
Junge Rechtsextremisten vernetzten sich im Internet
„Dass der Umgang mit Waffen trainiert und militärische Ausrüstung beschafft wurde, zeigt, wie gefährlich diese Rechtsextremisten sind“, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Sie verwies auf die frühzeitige Aufklärung der Gruppe durch das Bundesamt für Verfassungsschutz. Bei den Festnahmen wurden Beweismittel gesichert, die nun ausgewertet würden.
Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, erklärte: „Bei zentralen Protagonisten dieser Gruppierung handelt es sich um teils sehr junge Rechtsextremisten, die Bezüge zu einer insbesondere im virtuellen Raum aktiven Szene aufweisen.“
AfD weist Verbindung von sich
Der sächsische AfD-Landesverband wies jede inhaltliche oder organisatorische Verbindung zu der Gruppe zurück. „Wir kennen nur die bisherigen Presseberichte zu diesem Vorgang. Unsere Partei steht fest auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Mit einer solchen mutmaßlich neonazistischen „Separatistengruppierung“ verbindet uns weder inhaltlich noch organisatorisch irgendetwas“, sagte Parteisprecher Andreas Harlaß der Deutschen Presse-Agentur.
Tino Chrupalla, Vorsitzender der AfD-Fraktion im Bundestag, äußerte sich auf Nachfrage auf einer Pressekonferenz am Dienstag zu den Vorfällen: „Ich hab das auch aus den Medien erfahren. Es ist vollkommen schockierend, auch für uns.“ Wir werden das genauestens prüfen. Sollten sich diese Vorwürfe bestätigen, dann ist klar, dass diese Personen weder in der AfD noch in der JA etwas zu suchen haben.“
Für den Mittwoch haben die Bundessprecher der Alternative für Deutschland, Tino Chrupalla und Alice Weidel, eine Sondertelefonkonferenz des AfD-Bundesvorstandes einberufen. Einziger Tagesordnungspunkt ist laut einer Presseerklärung der AfD ein Beschlussantrag, mit dem gegen die festgenommenen Mitglieder der „Sächsischen Separatisten“ ein Parteiausschluss beim zuständigen Landesschiedsgericht beantragt wird. Sie sollen außerdem von der Ausübung ihrer Mitgliedsrechte ausgeschlossen werden.
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Eric Hofmann 06.11.2024
Nach Festnahmen bei Razzia: Sachsens AfD will drei Mitglieder loswerden!
Dresden – Schadensbegrenzung bei der AfD: Nachdem mit dem Grimmaer Stadtrat Kurt H., seinem Parteifreund Kevin R. und dem Dresdner Wahlkampfhelfer Hans-Georg P. drei Mitglieder wegen Terrorverdachts verhaftet wurden, will die Sächsische AfD nun das Trio loswerden.
Krisensitzung im Vorstand: Nachdem das Bundeskriminalamt (BKA) acht Männer festnahm, die mit der Vereinigung „Sächsische Separatisten“ (SS) einen gewaltsamen Umsturz und die Errichtung eines nationalsozialistischen Regimes geplant haben sollen, kam schnell heraus, wie eng die Gruppierung mit der rechtsextremen Partei verbandelt war.
Mindestens drei der Beschuldigten waren Mitglieder der sächsischen AfD. Das soll sich jetzt ändern.
Der Landesvorstand habe den sofortigen Entzug der Mitgliedsrechte und Parteiausschluss für Kurt H., Hans-Georg P. und Kevin R. einstimmig beschlossen, heißt es in einer Mitteilung.
„Die AfD lehnt jegliche Form von Gewalt in der politischen Auseinandersetzung ab“, sagt Sachsens AfD-Chef Jörg Urban (60). „Auch Vorbereitungen auf mögliche Gewalttaten oder Umstürze sind inakzeptabel. Der Landesvorstand musste deshalb schnell handeln und er hat schnell gehandelt.“
Urban weiter: „Wer sich bewaffnet, die Nähe zu tatsächlichen Neonazis sucht und separatistische Fantasien befürwortet, hat in der AfD nichts zu suchen. Denn wir sind eine freiheitliche, friedliebende und demokratische Partei.“
So schnell wird das mit dem Rauswurf allerdings nichts: Laut Bundessatzung der Partei kann der Landesvorstand den Ausschluss lediglich beim Landesschiedsgericht beantragen.
Es gilt demnach eine Ausschlussfrist von sechs Monaten ab dem Tag, an dem der Vorstand vom Treiben der Mitglieder erfahren hat.
Unterdessen setzte der Bundesgerichtshof die Haftbefehle gegen sechs Beschuldigte in Vollzug: Kevin R., Hans-Georg P. sowie Karl K., Kevin M., Jörn S. und Norman T. sitzen nun in Untersuchungshaft.
Kurt H. liegt derweil nach Schüssen eines Spezialkommandos im Krankenhaus, Jörg S. muss noch aus Polen überführt werden
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06.11.2024, 13.03 Uhr Spiegel
Ermittler finden Waffen und Munition bei mutmaßlichen Rechtsterroristen
Bei Hausdurchsuchungen gegen eine rechtsextreme Gruppe wurden scharfe Schusswaffen sichergestellt. Die Terrorermittlungen richten sich auch gegen drei AfD-Mitglieder. Die Partei will sie ausschließen.
Nach der Razzia gegen mutmaßliche Mitglieder der rechtsextremen Terrorgruppe »Sächsische Separatisten« (»SS«) werten Ermittler sichergestellte Beweismittel aus. Nach SPIEGEL-Informationen stießen die Fahnder unter anderem auf nicht registrierte, scharfe Schusswaffen, dazugehörige Munition und Schalldämpfer. Das Arsenal umfasste zudem Patronen für Kalaschnikow-Sturmgewehre, Einzelteile mutmaßlicher Kriegswaffen sowie die Hülse einer Mörsergranate.
Am Dienstagmorgen hatte ein Großaufgebot der Polizei rund 20 Gebäude in Sachsen sowie im polnischen Zgorzelec und im Bezirk Krems-Land (Österreich) durchsucht. Dabei wurden acht Beschuldigte festgenommen. Sie sollen geplant haben, in Teilen Ostdeutschlands ein am Nationalsozialismus orientiertes Gesellschaftssystem zu errichten.
Als Rädelsführer gilt der 24-jährige Jörg S., der familiäre Beziehungen nach Österreich
hat und enge Kontakte mit der dortigen rechtsextremen Szene pflegen soll. Sein Vater zählte in den Neunzigerjahren zu den bekanntesten Neonazis Österreichs. S.’ Verteidigung war für eine Stellungnahme zunächst nicht erreichbar.
AfD-Politiker hatte geladene Waffe in der Hand
Ein weiterer Terrorverdächtiger ist der Lokalpolitiker Kurt H., der für die AfD im Stadtrat der sächsischen Gemeinde Grimma sitzt und seit Oktober als Schatzmeister der AfD-Jugendorganisation JA in Sachsen fungiert. Laut Bundesanwaltschaft soll er ebenfalls Mitglied der militanten Gruppe »Sächsische Separatisten« gewesen sein.
Als Einsatzkräfte der Bundespolizei am frühen Dienstagmorgen an H.s Wohnhaus in Grimma erschienen, soll der AfD-Politiker nach Angaben aus Sicherheitskreisen zunächst aus dem Haus getreten sein. Nach ersten, vorläufigen Erkenntnissen hatte er das Anrücken der Polizei offenbar bemerkt. Daraufhin hin sei er zunächst in das Gebäude zurückgekehrt und durch einen anderen Ausgang geflüchtet.
Nach SPIEGEL-Informationen sollen zwei Bundespolizisten, die offenbar zur Sicherung des Geländes eingesetzt waren, gesehen haben, wie Kurt H. mit einem Karabiner in den Händen in ihre Richtung lief. Daraufhin soll die Polizei zwei Warnschüsse abgeben haben. Im weiteren Verlauf sei H. mit einer Wunde im Kieferbereich zu Boden gegangen.
Zunächst sei man von einer oberflächlichen Verletzung ausgegangen, habe dann aber festgestellt, dass H. offenbar von einem Projektil getroffen worden war. Ob es sich um eine Polizeikugel oder ein Geschoss aus H.s eigener Waffe handelt, ist noch unklar. Die bislang durchgeführten Ermittlungen legen jedoch nahe, dass das Projektil aus einer Polizeiwaffe abgefeuert worden sein könnte. H.s Karabiner war den Angaben zufolge scharf und geladen gewesen.
Inzwischen hat die zuständige Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren zu dem Vorfall eingeleitet. Der mutmaßliche Terrorist wurde am Dienstag operiert und befindet sich, bewacht von Polizisten, in einem Krankenhaus. Auch seine Verteidigung war für eine Stellungnahme zunächst nicht erreichbar.
Kurt H. soll nach SPIEGEL-Informationen zumindest bis Sommer für den sächsischen AfD-Landtagsabgeordneten Alexander Wiesner gearbeitet haben. Auf Anfrage erklärte Wiesner lediglich, H. arbeite aktuell nicht im Landtag. Konkrete Nachfragen beantwortete Wiesner nicht. Gleichzeitig legte er Wert auf die Feststellung, dass die AfD »mit einer solchen mutmaßlichen ›Separatistengruppierung‹ weder inhaltlich noch organisatorisch etwas« verbinde. Der Sprecher der sächsischen AfD-Landtagsfraktion ließ eine Anfrage zu H. unbeantwortet.
AfD will terrorverdächtige Mitglieder ausschließen
Die AfD-Bundeschefs Tino Chrupalla und Alice Weidel kündigten am Mittwoch an, einen Parteiausschluss gegen AfD-Mitglieder anzustrengen, die von den Terrorermittlungen des Generalbundesanwalts betroffen sind. Ein »Engagement in der Vereinigung Sächsische Separatisten« verstoße gegen »die Grundsätze und Ordnung unserer Partei«. Der Vorstand der sächsischen AfD beschloss den sofortigen Entzug der Mitgliedsrechte und will ebenfalls einen Rauswurf erwirken. »Wer sich bewaffnet, die Nähe zu tatsächlichen Neonazis sucht und separatistische Phantasien befürwortet, hat in der AfD nichts zu suchen«, teilte AfD-Landeschef Jörg Urban mit. Entscheiden muss über den Ausschluss ein Schiedsgericht.
Die Parteimaßnahmen richten sich neben Kurt H. auch gegen zwei weitere AfD-Mitglieder: Kevin R. saß zuletzt für die AfD in Grimma im Sozialausschuss und im Beirat für Kultur, Jugend und Sport. Hans-Georg P. wurde 2021 von der Leipziger AfD zeitweise in einen Stadtbezirksbeirat bestellt. Auch sie waren am Dienstag festgenommen worden, ihre Verteidiger waren zunächst nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.
Die Terrorgruppe »Sächsische Separatisten« soll sich nach Ermittlungen des Generalbundesanwalts »kontinuierlich auf den aus ihrer Sicht unausweichlichen Systemsturz« vorbereitet haben. Dazu hätten die Mitglieder »wiederholt paramilitärische Trainings mit Kampfausrüstung« absolviert und den Häuserkampf, den Umgang mit Schusswaffen sowie Nacht- und Gewaltmärsche geübt.
Überdies hätten sich die »SS«-Aktivisten militärische Ausrüstungsgegenstände beschafft, darunter Flecktarnanzüge, Gefechtshelme, Gasmasken und Schutzwesten. Laut Bundesanwaltschaft besteht die Gruppe aus 15 bis 20 Personen. Ihre Ideologie sei von rassistischen und antisemitischen Vorstellungen geprägt.
Sechs Haftbefehle in Vollzug gesetzt
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6. November 2024, 11:21 Uhr ZEIT
AfD will festgenommene Sächsische Separatisten aus Partei ausschließen
Mindestens drei mutmaßliche Mitglieder der rechtsextremen Gruppe Sächsische Separatisten sollen der AfD angehören. Die Partei leitet ein Verfahren gegen sie ein.
Den drei AfD-Mitgliedern, die mutmaßlich der militant rechten Terrorgruppe Sächsische Separatisten angehören, droht ein Parteiausschlussverfahren. Die Bundessprecher der AfD, Tino Chrupalla und Alice Weidel, haben dazu für den heutigen Mittwoch eine Sondertelefonkonferenz des AfD-Bundesvorstandes einberufen.
Der sächsische AfD-Landesverband teilte mit, er habe „den sofortigen Entzug der Mitgliedsrechte und Parteiausschluss für Kurt H., Hans-Georg P. und Kevin R. einstimmig beschlossen“. Landeschef Jörg Urban sagte, die AfD lehne jegliche Form von Gewalt in der politischen Auseinandersetzung ab. Auch die Vorbereitungen auf mögliche Gewalttaten oder Umstürze seien inakzeptabel. „Der Landesvorstand musste deshalb schnell handeln, und er hat schnell gehandelt“, sagte Urban.
Untersuchungshaft angeordnet
Am Dienstag wurden bei einer Razzia in Sachsen, Polen und Österreich acht mutmaßliche Terroristen der Gruppe festgenommen. Der Verdächtige Kurt H. fungierte im sächsischen AfD-Jugendverband Junge Alternative als Schatzmeister und sitzt im Stadtrat der Gemeinde Grimma. Außerdem gehört er im AfD-Kreisverband Leipzig Land dem Vorstand der Parteigliederung an.
Auch Kevin R. und Hans-Georg P. waren beziehungsweise sind in der AfD aktiv. Kevin R. engagierte sich demnach als Medienbeauftragter und Koordinator der Jungen Alternative im Kreisverband Leipziger Land. Außerdem vertritt R. die AfD in mehreren Beiräten der Stadt Grimma. Ein dritter Festgenommener, Hans-Georg P., saß nach Recherchen von ZEIT ONLINE von 2021 bis Oktober dieses Jahres für die AfD im Stadtbezirksbeirat Ost von Leipzig.
Sechs der mutmaßlichen Terroristen befinden sich inzwischen in Untersuchungshaft. Laut einer Sprecherin der Bundesanwaltschaft setzte der Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof in Karlsruhe die Haftbefehle in Vollzug. Wann die übrigen beiden Männer dem Ermittlungsrichter vorgeführt werden, ist noch unklar. Einer konnte nach Angaben des Bundesgerichtshofs aufgrund einer Verletzung nicht nach Karlsruhe gebracht werden, der andere befinde sich noch in Polen, wo er festgenommen worden war.
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MDR 06. November 2024, 13:28 Uhr
Sächsische Separatisten: AfD-Landesverband schließt drei Mitglieder aus
Nach der Zerschlagung der mutmaßlich rechtsextremistischen Gruppe „Sächsische Separatisten“ will die AfD jene Mitglieder ausschließen, die sich dort engagiert haben sollen. Der Landesverband Sachsen hat schon reagiert, der Bundesverband hat eine Sondersitzung einberufen. Unterdessen wurden die Haftbefehle gegen vier Beschuldigte in Vollzug gesetzt.
Die sächsische AfD hat drei Parteimitglieder wegen ihrer möglichen Verbindung zur mutmaßlichen Terrorgruppe „Sächsische Separatisten“ ausgeschlossen. Wie der Landesverband am Mittwoch mitteilte, wurde der Parteiausschluss vom Landesvorstand einstimmig beschlossen. Den Beschuldigten Kurt H., Hans-Georg P. und Kevin R. sollen sofort alle Mitgliedsrechte entzogen werden. AfD-Landesvorsitzender Jörg Urban erklärte: „Die AfD lehnt jegliche Form von Gewalt in der politischen Auseinandersetzung ab. Auch Vorbereitungen auf mögliche Gewalttaten oder Umstürze sind inakzeptabel.“
Sonderkonferenz des AfD-Bundesvorstand
Auch die AfD-Bundesspitze drängt auf einen Parteiausschluss der „von den Maßnahmen des Generalbundesanwalts betroffenen Mitglieder“. Einer Mitteilung der Partei zufolge haben die Parteichefs Alice Weidel und Tino Chrupalla eine Sondertelefonkonferenz des Bundesvorstands für Mittwoch einberufen. Einziges Thema soll der Ausschluss möglicher Mitglieder der „Sächsischen Separatisten“ wegen „erheblichen Verstoßes gegen die Grundsätze und Ordnung unserer Partei“ sein. Es soll ein Beschlussantrag zum Parteiausschluss beim zuständigen Landesschiedsgericht gestellt werden. Weiterhin heißt es von der Bundespartei, dass die Beschuldigten „bis zur Entscheidung des Schiedsgerichts mit sofortiger Wirkung von der Ausübung ihrer gesamten Mitgliedsrechte ausgeschlossen werden.“
Sächsische Separatisten planten Umsturz
Am Dienstag haben Ermittler eine mutmaßlich rechtsextremistische Gruppierung in Sachsen zerschlagen und acht junge Männer festgenommen. Sie sollen für den Häuserkampf trainiert und Pläne geschmiedet haben, nach einem Umsturz aus ihrer Sicht unerwünschte Menschen „zu entfernen“. Neben Durchsuchungen in Deutschland gab es auch Einsätze in Polen und Österreich. Unter den Festgenommenen befindet sich auch der AfD-Stadtrat Kurt Hättasch aus Grimma. Gegen sieben weitere Personen laufen Ermittlungen.
Haftbefehle gegen sechs mutmaßliche Mitglieder
Wie die Bundesanwaltschaft am Mittwoch mitteilte, wurden die Haftbefehle gegen die Beschuldigten Karl K., Kevin M., Hans-Georg P., Kevin R., Jörn S. und Norman T. in Vollzug gesetzt. Sie waren am Dienstag dem Ermittlungsrichter in Karlsruhe vorgeführt worden.
Der in Polen festgenommenen Jörg S. soll nach seiner Überstellung nach Deutschland dem Ermittlungsrichter vorgeführt werden. Kurt Hättasch soll sich wegen seiner bei der Festnahme zugezogenen Verletzungen am Kiefer im Krankenhaus befinden. Der Festgenommene ist nach Kenntnis der Deutschen Presse-Agentur Jäger und besitzt, ebenso wie ein zweiter in diesem Ermittlungsverfahren Beschuldigter, eine waffenrechtliche Erlaubnis. Laut dpa-Informationen wurden bei den Durchsuchungen am Dienstag auch nicht registrierte Waffen und Munition gefunden.