Namen und Gesichter der sogenannten „Sächsischen Separatisten“
Bilder: https://periskop.noblogs.org/post/2024/11/07/namen-und-gesichter-der-sogenannten-saechsischen-separatisten/
Am Dienstag, den 05.11.2024 kam es an verschiedenen Orten in Sachsen – mit einem Schwerpunkt in der Region Leipzig – zu Durchsuchungen und Festnahmen, die sich gegen eine neonazistische Gruppierung richteten. Der Generalbundesanwalt (GBA) benannte in der begleitenden Pressemitteilung acht Personen, die im Zuge der Maßnahmen festgenommen wurden. Einige der acht jungen Männer traten bereits in der Vergangenheit bei Events der organisierten Neonaziszene in Erscheinung, verdingten sich für die „Alternative für Deutschland“ (AfD) oder waren Teil der „Identitären Bewegung“ (IB). Über familiäre Bande entspinnen sich zudem Verbindungen in den Rechtsterrorismus nach Österreich und Deutschland. Um wen handelt es sich bei den Protagonisten der sogenannten „Sächsischen Separatisten“ konkret?
Jörg Schimanek
Als Rädelsführer der Gruppe sieht der GBA den am 27.03.2001 geborenen Jörg Schimanek. Festgenommen wurde Jörg Schimanek zwar im polnischen Zgorzelec, seine Heimatstadt Brandis liegt jedoch im Landkreis Leipzig. 2020 plauderte Schimanek mit der Leipziger Volkszeitung über seine gerade begonnene Ausbildung bei der Firma „Sachsen-Obst“ und berichtete, dass er eigentlich beabsichtigt hatte, sich nach seinem Abitur der Bundeswehr anzuschließen. Anschluss hatte Schimanek spätestens 2022 auch bei der „Jungen Alternative“ (JA) gefunden und posierte mit weiteren mutmaßlichen Mitgliedern der jetzt zerschlagenen Gruppierung beim Höcke-Besuch am 21.05. des Jahres in Grimma. Rechtlichen Beistand in seiner jetzigen Situation erhält Jörg Schimanek vom Chemnitzer Neonazi-Anwalt und „Freie Sachsen“-Chef Martin Kohlmann. Dieser ließ auf seinem Telegram-Channel am Tag der Festnahme verlauten, dass er einem Mandanten zur Hilfe eilen würde, der aus dem „Görlitzer Teil östlich der Neise“ „verschleppt“ worden sei.
Jörn Schimanek
Mit Jörn Schimanek wurde außerdem einer der Brüder von Rädelsführer Jörg Schimanek festgenommen. Noch zu Beginn diesen Jahres reiste Jörn Schimanek zum international bedeutenden neonazistischen „Tag der Ehre“ nach Budapest und nahm an dem dortigen geschichtsrevisionistischen „Ausbruch-Marsch“ in Andenken an NS-Soldaten teil. Gemeinsam mit Schimanek reiste seine langjährige Partnerin, Colleen Drews, nach Budapest. Schimanek selbst lies bei Instagram wissen, wo er sich gerade befand.
Mit dem Neonazismus vertraut ist der am 09.01.2004 geborene Jörn Schimanek bereits seit jungen Jahren. Schon im September 2019, im Alter von 16 Jahren, posierte Jörn Schimanek mit einem T-Shirt, auf dem eine Schwarze Sonne prangt. Auch ein Teil der feiernden Gruppe: der ebenfalls am Dienstag festgenommene Karl Jonas Kaden.
Eine frühe ideologische Festigung dürften die beiden Brüder durch das Elternhaus und die Familie erlebt haben. So sind Jörg und Jörn Schimanek die Enkel des österreichischen FPÖ-Politikers Hans Jörg Schimanek und Kinder des mittlerweile in Sachsen lebenden Hans Jörg Schimanek junior. Hans Jörg Schimanek junior war in den 1980er und 1990er Jahren einer der führenden Nazis der VAPO in Österreich, einer durch den Holocaustleugner Gottfried Küssel gegründeten militanten Kameradschaft, die vor allem durch Wehrsportübungen auf sich aufmerksam machte. Hans Jörg Schimanek junior wurde 1995 zu einer Haftstrafe in Österreich wegen NS-Wiederbetätigung verurteilt, nach seiner Haftentlassung zog er nach Sachsen, wo er jedoch weiter den Kontakt zur örtlichen Naziszene suchte. Beispielsweise reiste er mit dem Leipziger Nazi und Hooligan Riccardo Sturm 2009 zum geschichtsrevisionistischen Ulrichsberg-Treffen und hielt im Juni 2009 zusammen mit Küssel einen Vortrag in Leipzig vor sächsichen Neonazis.
Enge Beziehung unterhielt Hans Jörg Schimanek junior auch zu dem in Innsbruck geborenen und in Leipzig aktiven Neonazi Reinhard Rade, der in den vergangenen Jahrzehnten in diverse Unternehmen involviert war. So etwa bei der „Condor Projektentwicklung GmbH“, deren Gesellschafter Reinhard Rade und Hans Jörg Schimanek junior waren. Teil dieses Netzwerks ist auch der rechte Szeneanwalt Arndt Hohnstädter, dessen Kanzlei über Jahre hinweg in einer Immobilie von Reinhard Rade in der Leipziger Stephanstraße 8 residierte. Auch mit Hans Jörg Schimanek junior pflegt Hohnstädter einen vertrauten Umgang.
Kurt Hättasch
Im Fokus der öffentlichen Berichterstattung am Tag der Festnahme stand vor allem der in Grimma wohnhafte Kurt Hättasch. Hättasch hatte sich, so ist es der Presse zu entnehmen, bei seiner Verhaftung mit einer Langwaffe gezeigt und liegt in Folge der Festnahme mit einer Gesichtsverletzung in einem Leipziger Krankenhaus. Neben Langwaffen und Blasinstrumenten – Hättasch war Langhornbläser beim Jugendblasorchester Grimma e.V – gilt sein Interesse in erster Linie der Parteiarbeit.
Er ist Fraktionsvorsitzender der Stadtratsfraktion der AfD in Grimma und wurde von der Partei 2024 für die Wahl als stellvertretender Bürgermeister nominiert. Er trat außerdem für den Kreistag des Landkreis Leipzig an und ist dort einer der Nachrücker. In der Jungen Alternative fungiert Hättasch seit Oktober 2024 zudem als Schatzmeister des Landesvorstands. Auch finanziell profitierte Hättasch von seiner Anbindung an die AfD. So berichtet die Leipziger Volkszeitung, dass Hättasch bis zu seiner Verhaftung eine Anstellung beim sächsischen AfD-Landtagsabgeordneten Alexander Wiesner besaß.
Neben der parteipolitischen Arbeit besuchte Hättasch die Frühjahrsakademie des „Instituts für Staatspolitik“ (IfS) im Jahr 2022 und nahm an einer Sonnenwendfeier 2024 in Strahwalde im Landkreis Görlitz teil. Bei dieser wurden Lieder der Hitlerjugend gesungen und es kam zur Huldigung eines SS-Standartenführers. Begleitet wurde Hättasch in beiden Fällen von seiner Partnerin, die sich in sozialen Netzwerken „Hella Hättasch“ nennt und sich neben ihren neonazistischen Aktivitäten als Hebamme in den Dienst der „Volksgemeinschaft“ stellt.
Neben dem parteipolitischen Tätigkeiten im Stadtrat von Grimma versuchte Hättasch gemeinsam mit dem ebenfalls verhafteten Kevin Richter im Sommer 2020 kurzzeitig die Gruppierung „Bund Deutscher Maler“ (BDM) zu etablieren. Die geschichtsrevisionistische Denkmalpflege, die sich der BDM zur Aufgabe gemacht hatte, wurde in der Leipziger Volkszeitung in einem eigenen Artikel als „Sanierung“ gefeiert.
Kevin Richter
Ein Partner von Kurt Hättasch beim „Bund Deutscher Maler“ war der ebenfalls aus Grimma stammende Kevin Richter. Genau wie Hättasch ist auch Richter Mitglied in der AfD und kandidierte 2024 sowohl für den Stadtrat in Grimma als auch für den Kreistag im Landkreis Leipzig. Als sogenannter „berufener Bürger“ vertrat Richter die AfD-Mandatsträger Kurt Hättasch und den Reichsbürger und AfD-Abgeordneten Uwe Krah im Sozialausschuss sowie dem Beirat für Kultur, Jugend und Sport der Stadt Grimma. Im Duo mit statt als Stellvertreter von Kurt Hättasch, spielte Richter bei dem Jugendblasorchester Grimma e.V. auf. Ihr musikalisches Können stellten die beiden unter anderem 2019 im Rahmen einer Volkstrauertagsveranstaltung in den Dienst der Partei.
Hans-Georg Pförtsch
Der in der Vergangenheit in Leipzig lebende und nun in Dresden festgenommene Hans-Georg Pförtsch war ebenfalls für die AfD aktiv. So war er 2021 Mitglied im Leipziger Stadtbezirksbeirat Ost, aus dem er im Oktober 2022 abberufen wurde. Im Mai des Jahres 2022 gehörte Pförtsch, gemeinsam mit Hättasch, Kaden, und den Schimanek-Brüdern zum Publikum Björn Höckes auf dem Marktplatz von Grimma. Außerdem war Pförtsch auf dem sächsischen AfD-Landesparteitag im Jahr 2023 in Glauchau zu Gast.
Pförtsch‘ Aktivitäten beschränken sich jedoch nicht auf die AfD. Bereits seit mindestens 2016 trat er bei verschiedenen neonazistischen Demonstrationen und Szene-Events in Erscheinung. So besuchte er 2018 einen vom III. Weg organisierten Gedenkmarsch für Rudolf Hess im bayerischen Wunsiedel. Im Jahr darauf besuchte er eine 1. Mai-Demonstration im sächsischen Plauen und trat dabei in einem T-Shirt der Partei auf.
Auch für neonazistischen Kampfsport interessierte sich Pförtsch und war beim Event „Tiwaz – Kampf der freien Männer“ am 08.06.2019 anwesend. In den vergangenen Jahren wandte sich Pförtsch dann der AfD und der „Identitären Bewegung“ (IB) zu. Im Jahr 2023 reiste er zu einer Demonstration der IB nach Wien und im Juni 2024 nahm er an einer Feier anlässlich des zehnjährigen Bestehens der IB im sächsischen Bernsdorf teil.
Die jetzige Festnahme von Pförtsch stellt dabei nicht den ersten Kontakt mit Justizbehörden dar. Bereits 2020 musste er sich mit zwei weiteren jungen Neonazis wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen vor dem Amtsgericht Leipzig verantworten. Bei dem im November 2020 angesetzten Termin war der oben genannte Szeneanwalt und Bekannte von Hans Jörg Schimanek junior, RA Arndt Hohnstädter, als anwaltliche Vertretung von Pförtsch ausgewiesen.
Karl Kaden
Der aus Machern stammende Karl Kaden war laut eigener Aussage das erste Mal im Jahr 2020 bei einer Nazi-Demonstration. Er besuchte am 15. Februar 2020 den jährlich stattfindenen neonazistischen Trauermarsch zur Bombadierung Dresdens. Begleitet wurde Kaden von Wurzener Neonazis der „Jungen Nationalisten“, wie etwa Ben Hannes Heller, Benjamin Schwelnus und Lucas Zahner. Auf der Rückreise wurde die Gruppe bei ihrer Ankunft in Wurzen angegriffen. Im anschließenden Antifa-Ost-Prozess wurde Kaden als Zeuge gehört.
Zwei Jahre nach dem Naziaufmarsch in Dresden gehörte auch Karl Kaden zur Gruppe um Björn Höcke bei dessen Besuch in Grimma am 21.05.2022.
Norman Thieme
Auch Norman Thieme kann neonazistische Demonstrationserfahrung vorweisen. So trat er beispielswiese gemeinsam mit Hans-Georg Pförtsch am 01.05.2019 bei einer Demo des III. Wegs in Plauen in Erscheinung.
Neben der Affinität zur neonazistischen Ideologie scheint viele der Festgenommenen außerdem die Liebe zu Blechblasinstrumenten zu einen. So widmet sich auch Norman Thieme der Musik und spielte in der Vergangenheit Trompete im „Gesangsverein Gerichshain“.
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