Zahl rechtsextremistischer Straftaten in Sachsen erreicht neuen Höhepunkt

Fremdenfeindliche Übergriffe liegen in Sachsen wieder auf dem hohen Niveau von 2015. Bedrohungen für die Innere Sicherheit kommen auch aus dem Ausland.

Die Anzahl der Straftaten mit rechtsextremistischem Hintergrund ist im vorigen Jahr sprunghaft auf einen neuen Höchstwert angestiegen. Insbesondere die Zahl der Straftaten gegen den politischen Gegner stieg nach dem Absinken im Jahr 2022 wieder in etwa auf das Niveau des Jahres 2021 an. Das geht aus dem Jahresbericht des Verfassungsschutzes hervor, der am Dienstag vorgestellt worden ist.

Die Anzahl der fremdenfeindlichen Straftaten erreichte den höchsten Stand seit dem Jahr 2015. Damals wurden 784 solcher Straftaten verzeichnet. Der überproportionale Anstieg der Straftaten in dieser Kategorie machte mehr als ein Drittel des Zuwachses aller rechtsextremistischen Straftaten aus.

Die Zahl der rechtsextremistischen Gewalttaten ist im Vergleich zum Vorjahr um etwa 19 Prozent gestiegen. Allerdings gab es verglichen mit früheren Jahren sehr viel weniger Gewalttaten von Rechtsextremisten. Als besonders schwerwiegend stufte der Nachrichtendienst zwei mutmaßlich rechtsextremistisch motivierte Brandanschläge auf eine geplante Asylbewerberunterkunft in Dresden ein. Die strafrechtlichen Ermittlungsverfahren dazu seie noch nicht abgeschlossen.

Das rechtsextremistische Personenpotenzial in Sachsen belief sich im Jahr 2023 auf insgesamt 5.750 Personen. Der deutliche Anstieg gegenüber dem Vorjahr resultiere im Wesentlichen aus der Einstufung des Landesverbandes der AfD sowie ihrer Jugendorganisation als gesichert rechtsextremistische Bestrebungen.

Behörden erfolgreich gegen Neonazi-Konzerte

Die rechtsextremistische Musikszene im Freistaat sei 2023 bestrebt gewesen, die Anzahl der Veranstaltungen auf das Niveau der Zeit vor der Corona-Pandemie anzuheben. Allerdings konnten wegen behördlichen Eingreifens Konzerte verhindert werden, so dass die Szene ihr Ziel nicht erreichte, heißt es im Bericht. Nachdem Veranstaltungen im Szeneobjekt in Torgau (Ortsteil Staupitz) wegen eines Gewerbeverbots vorübergehend nicht mehr stattfinden konnten und auch an anderen Orten Konzerte aufgelöst beziehungsweise verhindert worden seien, habe die Szene versucht, in umliegende Bundesländer oder ins Ausland auszuweichen.

Im wohl bisher wichtigsten Konzertobjekt der sächsischen rechtsextremistischen Szene, dem ehemaligen Gasthof in Staupitz (Landkreis Nordsachsen), konnten Rechtsextremisten im Berichtsjahr nur noch eine Veranstaltung durchführen. Im Februar sei dem Inhaber das Gewerbe der Durchführung von Konzertveranstaltungen verboten worden. Zwischenzeitlich habe zudem ein Eigentümer- und Betreiberwechsel im Gasthof stattgefunden. Rechtsextremistische Konzerte hätten in Staupitz nicht mehr festgestellt werden können.

3.000 Personen gelten laut Verfassungsschutz als Reichsbürger und Selbstverwalter. Das sind 500 Personen mehr als im Berichtsjahr 2022. In 68 Fällen übermittelte das Landesamt Erkenntnisse an Waffenbehörden. Sie erkennen Staat und Behörden nicht an und gelten als sehr waffenaffin. Die Besonderheit in Sachsen sei der vergleichsweise hohe Frauenanteil von circa 27 Prozent. Wegen des deutlich höheren Altersdurchschnitts von rund 50 Jahren wird bei Reichsbürgern und Selbstverwaltern auch von einer „Radikalisierung in der zweiten Lebenshälfte“ gesprochen, heißt es im Verfassungsschutzbericht.

Linksextremistischen Gruppen gehörten im vorigen Jahr etwa 450 Personen an. Regional und bundesweit bleibt die Szene Leipzig neben Berlin und Hamburg ein Schwerpunkt autonomer Aktivitäten. Wesentlich stärker als in der Vergangenheit beruft sich die Szene auf anarchistische Wurzeln, ohne dabei grundlegende autonome Aktionsfelder aufzugeben.

Leipzig Schwerpunkt linksextremistischer Taten

So seien 91 Prozent aller Gewalttaten mit linksextremistischem Hintergrund in Leipzig, Dresden und Chemnitz begangen worden. Das Gewalttatenaufkommen habe sich in den Großstädten dabei unterschiedlich entwickelt. Während in Leipzig ein Anstieg um etwa 17 Prozent registriert worden sei, blieben die Gewalttaten in Dresden und Chemnitz hingegen auf dem niedrigen Niveau des Vorjahres. Zahlreiche Brandstiftungen gingen auf das Konto der linken Szene. Sie steckten unter anderem in Leipzig mehrere Fahrzeuge einer Autovermietung, der Deutschen Post sowie der Stadtverwaltung in Brand, zerschnitten Reifen und richteten hohen Sachschaden an.

Eine weitere Bedrohung der inneren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und damit auch des Freistaates Sachsen geht dem Bericht zufolge auf die vielfältigen Spionageaktivitäten und Cyberangriffe fremder Nachrichtendienste zurück. Einhergehend mit der Entwicklung neuer Technologien und der fortschreitenden Digitalisierung habe sich der Aktionsradius fremder Nachrichtendienste deutlich erweitert. Inzwischen gehörten Cyberangriffe zum nachrichtendienstlichen Standard-Repertoire, um Spionage, Sabotage oder politische Einflussnahme zu betreiben. Hauptakteure seien russische und chinesische Nachrichtendienste.

Eine abstrakte hohe Gefahr gehe unverändert von den gewaltbereiten Strömungen des Islamismus aus, sagte Christian. Großereignisse wie die Fußball-EM oder die Olympischen Spiele in Paris machten das abstrakte Risiko eines Anschlags noch einmal bewusst. Es sei hohe Sensibilität der Sicherheitsbehörden und der Gesellschaft gefordert. Besonders beunruhigend sei, dass sich immer Jugendliche an Gewalttaten beteiligen würden.


Karin Schlottmann 28.05.2024

Verfassungsschutz: AfD macht die Demokratie verächtlich

Erstmals befasst sich das Landesamt für Verfassungsschutz in seinem Jahresbericht intensiv mit der sächsischen AfD. Demnach strebe die Partei einen „Systemwechsel“ an.

Der Verfassungsschutz berichtet in diesem Jahr erstmals über den sächsischen Landesverband der AfD. Fast ein halbes Jahr nach der Einstufung der Partei als „gesichert rechtsextrem“ befasst sich der Nachrichtendienst mit der Partei, die nach Angaben der Behörde etwa 2.800 Mitglieder hat, von denen eigenen Schätzungen zufolge das rechtsextreme Personenpotenzial 1.300 Personen umfasse. Nicht jedes AfD-Mitglied könne als rechtsextrem angesehen werden, sagte Verfassungsschutz-Präsident Dirk-Martin Christian am Dienstag bei der Vorstellung des Jahresberichts.

Laut der Einschätzung seiner Behörde strebt die sächsische AfD einen grundlegenden politischen Richtungswechsel an, den die Partei auch selbst als „Systemwechsel“ bezeichne. Darüber hinaus agitiere sie gegen die politische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland. Dabei würden sowohl die staatlichen Institutionen als auch deren Repräsentanten immer wieder öffentlich diffamiert und verächtlich gemacht.

Es gehe dem AfD-Landesverband gerade nicht um eine sachliche Auseinandersetzung mit den politischen Verhältnissen, wozu auch Kritik gehören würde, sondern um die generelle Herabwürdigung der Demokratie, heißt es im Bericht. Hochrangige Vertreter der Landespartei bedienten in aller Öffentlichkeit Narrative wie „Diktatur“, „Unrechtsregime“, „postdemokratischer Totalitarismus“, „Parteienkartell“ sowie „Staats- und Propaganda-Medien“.

In der Gesamtschau gehe es der AfD darum, mit diesem Vokabular das Vertrauen der Bevölkerung in die verfassungsmäßige Ordnung und in die Demokratie von Grund auf zu erschüttern sowie Proteste und Widerstand aus der gesellschaftlichen Mitte heraus zu forcieren. Zwar sei die AfD personell heterogen zusammengesetzt. Inhaltlich-programmatisch überwiege jedoch das aus dem früheren „Flügel“ hervorgegangene Lager, dessen geistiger Vater und Anführer der Rechtsextremist Björn Höcke sei und das inzwischen den Charakter des gesamten Landesverbandes präge und dominiere, konstatiert die Behörde.

Christian sagte, es gebe zahlreiche Belege für strukturelle und strategische Verbindungen der sächsischen AfD zu anderen gesichert extremistischen Akteuren. Hierzu gehörten zumindest punktuell auf lokaler Ebene die Freien Sachsen, die Identitäte Bewegung, Pegida, das Institut für Staatspolitik und das Compact-Magazin. Der AfD-Landesvorsitzende Jörg Urban habe im März an der Jubiläumsfeier des erwiesen rechtsextremistischen Instituts für Staatspoltik in Schnellroda in Sachsen-Anhalt teilgenommen. Urban sei zwei Mal bei Pegida in Dresden mit islam- und migrationsfeindlichen Reden aufgetreten.

Aufklärung über Geldströme gefordert

Nach Auffassung des Verfassungsschutzes belegten Wählerumfragen, dass die AfD längst keine Protestpartei mehr sei, sondern hierzulande inzwischen aus Überzeugung gewählt werde. Obwohl sie sich für rechtsextreme Strömungen geöffnet habe, sei sie in der Bevölkerung populärer als je zuvor. Die AfD, die dem Verfassungsschutz vorwirft, bestimmte Begriffe verbieten zu wollen, hat gegen ihre Einstufung als rechtsextremistische Partei Klage eingereicht.

Die Landtagsfraktionen von Grünen und SPD forderten am Dienstag eine Aufklärung über die Finanzquellen rechtsextremistischer Gruppierungen. Eine Novelle des Verfassungsschutzgesetzes solle erreichen, dass sich das Landesamt künftig mehr mit der Finanzierung und den Immobilien dieser Szene befassen könne. Die Grünen sprachen sich für ein konzertiertes Vorgehen aller Institutionen gegen Auslandsspionage und Desinformation aus. Die Spionageabwehr müsse die Finanzströme der AfD aus dem Ausland bis auf den letzten Cent ermitteln.


Tobias Winzer 28.05.2024

So reagiert Sachsens Politik auf den Verfassungsschutzbericht

Laut Verfassungsschutzbericht erreicht die Zahl der rechtsextremistischen Straftaten einen neuen Höchststand. Einige Politiker fordern nun ein härteres Vorgehen gegen die AfD. Diese sieht sich zu unrecht in der Kritik.

Die Anzahl der Straftaten mit rechtsextremistischem Hintergrund ist im vorigen Jahr sprunghaft auf einen neuen Höchstwert angestiegen. Das geht aus dem Jahresbericht des Verfassungsschutzes hervor, der am Dienstag vorgestellt worden ist. So reagiert Sachsens Politik auf den Bericht.

Der Landtagsabgeordnete der SPD, Albrecht Pallas, folgert aus dem Verfassungsschutzbericht 2023, „dass die rechtsextremistischen Strukturen im Freistaat auf sehr stabile Ressourcen zurückgreifen können“. Die AfD habe sich zum parlamentarischen Arm der extremen Rechten entwickelt. „Mit 4.350 Personen hat sich das rechtsextreme Personenpotenzial seit 2015 fast verdoppelt. Diesem müssen wir das Wasser abgraben.“

Laut Pallas will die SPD mit einer Neufassung des Sächsischen Verfassungsschutzgesetzes erreichen, dass künftig mehr über die finanziellen und immobilen Quellen des Rechtsextremismus durch das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) in Erfahrung gebracht werden kann. Vom LfV erwarte man aber auch, dass es die Mittel zur Informationsbeschaffung nutze und im rechtlichen Rahmen teile.

Grüne fordern ein härteres Vorgehen gegen die AfD

Valentin Lippmann, Landtagsabgeordneter der Grünen, sieht im Rechtsextremismus „die größte Bedrohung für unsere freiheitliche Demokratie“. Das zeige der diesjährige Verfassungsschutzbericht erneut in erschreckender Deutlichkeit. „Der Verfassungsschutzbericht 2023 konstatiert, dass vor allem die Freien Sachsen gezielt an Bedrohungsszenarien gegen politische Verantwortungsträgerinnen und -träger arbeiten und die Sitzungen kommunaler Räte stören“, so Lippmann. „Es ist eine staatliche Aufgabe, diesen Aktionen konsequent entgegenzutreten. Hier müssen die Sicherheitsbehörden endlich mehr Zähne zeigen.“

Zudem fordert Lippmann ein härteres Vorgehen gegen die AfD. Vor den anstehenden Wahlen brauche es ein konzertiertes Vorgehen aller Institutionen gegen Auslandsspionage und Desinformation. „Die AfD muss endlich auf den Schirm der Spionageabwehr und die Finanzströme aus dem Ausland bis auf den letzten Cent ermittelt werden.“

Linke: „Kaum Worte zum grassierenden Antisemitismus“

Kerstin Köditz, Landtagsabgeordnete der Linken, konstatiert: „Der Bericht fällt in vielen Teilen erwartungsgemäß aus und spart mit Überraschungen – was aber nicht zur Beruhigung beiträgt.“ Überraschend hingegen seien die Ausführungen des Geheimdienstes zum sogenannten Linksextremismus und zum bald ein Jahr zurückliegenden „Tag X“ in Leipzig. „Dem Bericht zufolge sollen am 3. Juni 2023 an einer angemeldeten Versammlung in der Südvorstadt ‚ca. 1.000 Personen‘ teilgenommen haben. Das ist allerdings neu, denn bisher hatte dieselbe Behörde von 1.500 Teilnehmenden gesprochen. Anscheinend hat hier mindestens eine Behörde den Überblick verloren.“

Köditz findet es „am befremdlichsten“, dass der neue Bericht „kaum Worte zum grassierenden Antisemitismus verliert“. Dabei zeigten Polizeidaten, dass die Zahl judenfeindlicher Taten in Sachsen im vergangenen Jahr eine Rekordmarke gerissen habe.

Kritik am Verfassungsschutzbericht kommt von der AfD. „Der Verfassungsschutz schützt keineswegs die Verfassung. Im Gegenteil: Er bekämpft die Meinungsfreiheit, indem er bestimmte Begriffe verbieten will“, teilt Sachsens Parteichef Jörg Urban mit. „Aus meiner Sicht ist es deshalb zutreffender von einem Regierungsschutz oder einer Gesinnungspolizei zu sprechen.“

Als Beispiel führt Urban auf, dass der AfD im Verfassungsschutzbericht die „Stärkung der traditionellen Familien“ vorgehalten werde. Ebenso sei es bereits rechtsextrem, wenn man die „Kündigung des Rundfunkstaatsvertrages“ anstrebe. Allerdings tauchen die beiden Begriffe auf Seite 44 des Berichts lediglich im Zusammenhang mit einem Kurzporträt bzw. mit einer allgemeinen Beschreibung der Ziele der AfD auf.


Gunnar Saft 28.05.2024

Kommentar: Die Extremismuszahlen steigen, der Gegendruck aber auch

Bei Übergriffen wird in Sachsen genauer hingeschaut. Das Extremismusproblem wird damit noch nicht gelöst, jedoch werden die Dunkelräume für Straftäter kleiner. Ein Kommentar von Gunnar Saft.

Erst einmal nichts Neues aus Sachsen. Der Verfassungsschutz vermeldet erneut steigende Zahlen bei rechtsextremistischen und fremdenfeindlichen Straftaten sowie eine Zunahme der Fälle von politischer Gewalt. Die Statistik liefert damit das, was man außerhalb unseres Bundeslandes erwartet, nachdem Sachsen viele Jahre regelmäßig für Negativschlagzeilen in diesem Bereich gesorgt hat.

Die neuen Zahlen sind deshalb überhaupt keine gute Nachricht, allerdings sind sie auch keine Hiobsbotschaft. Der unerfreuliche Anstieg fällt nämlich mittlerweile in eine Phase, wo nicht nur die Sicherheitsbehörden genauer hinschauen, wer in unserem Land versucht, seine rechts- oder linksextremistische Meinung außerhalb der Gesetze und auf Kosten Andersdenkender notfalls mit Gewalt durchzusetzen. Auch in der Öffentlichkeit – von den Medien, über Verbände und Vereine bis hin zu jedem Bürger in den Kommunen – wird längst genauer hingeschaut und Straftaten zu Recht häufiger registriert und zur Anzeige gebracht. So lange es sich dabei um keinen politisch instrumentalisierten Alarmismus, sondern um die verantwortungsvolle Sorge um unseren Rechtsstaat handelt, ist dies auch zu begrüßen und zu unterstützen.

In der Summe sorgt die gewachsene Sensibilität aber nicht nur dafür, dass mehr Verstöße bekanntwerden als bisher. Gleichzeitig passiert etwas, was man durchaus als Erfolg ansehen kann: Der Staat weiß dadurch viel häufiger, wo und wer gegen unsere Grundrechte vorgeht, die verbleibenden Dunkelräume für solche Straftäter werden also kleiner. Damit ist das Extremismusproblem zwar lange noch nicht gelöst. Allerdings kann der Kampf dagegen nur erfolgreich sein, wenn man auch genau weiß, wo er überall auftritt. Das ist der positive Aspekt in der ansonsten negativen neuen Statistik.


LVZ Kai Kollenberg 28.05.2024

Verfassungsschutz: Fast ein Drittel mehr Rechtsextremisten in Sachsen

Das Landesamt für Verfassungsschutz legt seinen neuesten Bericht über die Situation in Sachsen vor. Der deutliche Anstieg im Bereich Rechtsextremismus hat vor allem einen Grund: die AfD.

Der neue Verfassungsschutzbericht in Sachsen rechnet deutlich mehr Personen dem Rechtextremismus zu als noch in den vergangenen Jahren: Demnach belief sich das rechtsextremistische Personenpotenzial insgesamt auf 5750 Personen im Freistaat, 2022 hatte die Anzahl noch 4350 Personen umfasst. Das bedeutet eine Steigerung um knapp ein Drittel.

Der deutliche Anstieg resultiert nach Angaben des Verfassungsschutzes aus der Einstufung des sächsischen AfD-Landesverbandes, deren Jugendorganisation Junge Alternative und des Vereins Ein Prozent als erwiesen rechtsextremistische Bestrebungen. Allein in der AfD rechnet der Verfassungsschutz 1300 Personen dem rechtsextremistischen Personenpotenzial zu, beispielsweise Personen aus der ehemaligen Parteiströmung „Der Flügel“.

Auch Anzahl rechtsextremistischer Straftaten steigt

Insgesamt hat die AfD in Sachsen nach eigenen Angaben rund 2800 Mitglieder. Aber nicht jedes Mitglied wird vom Verfassungsschutz pauschal als Rechtsextremer oder Rechtsextreme eingestuft.

Neben der Gesamtzahl ist auch die Anzahl der Straftaten mit rechtsextremistischen Hintergrund im Jahr 2023 sprunghaft angestiegen. Der Verfassungsschutz zählte 2566 derartige Delikte, 2022 lag die Zahl noch bei 1709 Straftaten. Auffällig ist auch, dass die Anzahl der fremdenfeindlichen Straftaten, die in der Gesamtzahl enthalten ist, mit 712 Vorfällen deutlich zunahm. Sie erreichte damit laut Verfassungsschutz den höchsten Stand seit dem Jahr 2015. Damals wurden 784 solcher Straftaten verzeichnet.

Beim Linksextremismus blieb das Personenpotenzial nahezu konstant. Im Vergleich zu 2022 wurden 15 Personen – insgesamt 905 Personen – diesem Bereich zugeordnet. Neben Anarchist Black Cross Dresden wurde mit Rotes Dresden eine zweite Gruppe im vergangenen Jahr als extremistische Bestrebung eingestuft.

„Tag X“ hat Effekt auf linksextreme Szene

Die Anzahl der linksextremistischen Straftaten stieg 2023 ebenfalls an: von 742 Taten (2022) auf 804 Taten (2023). Dabei wurden in den drei Großstädten Leipzig, Dresden und Chemnitz circa 77 Prozent aller linksextremistischen Straftaten begangen. Auch bei den linksextremistischen Gewalttaten stehen die drei Städte im Fokus: 91 Prozent der 191 Taten wurden hier verübt. Vor allem in Leipzig wurden mehr solcher Taten beobachtet, der Verfassungsschutz spricht von einem Plus von 17 Prozent im Jahr 2023. In Dresden und Chemnitz seien die Anzahl der Gewalttaten auf dem niedrigen Niveau des Vorjahres geblieben.

Der Verfassungsschutz führt den Anstieg der linksextremistischen Straftaten auch auf den sogenannten „Tag X“ in Leipzig zurück. Am 3. Juni 2003 hatte es verschiedenen Proteste gegen die Verurteilung von Lina E. gegeben. Die Polizei kesselte schließlich mehrere Demonstranten an der Karl-Liebknecht-Straße ein.

Der „Tag X“ habe Linksextremisten „den Anlass für die Begehung schwerer Straf- und Gewalttaten“ gegeben, heißt es im Verfassungsschutzbericht: „Andererseits agierten Teile der linksextremistischen Szene aufgrund der Ermittlungstätigkeiten und Exekutivmaßnahmen der Sicherheitsbehörden zurückhaltender. Dies dürfte ein Grund dafür sein, dass das Niveau der Gewalttaten nicht noch stärker anstieg. Allerdings traf diese Zurückhaltung nur bedingt auf die Szene in Leipzig zu.“


LVZ Andreas Debski 28.05.2024

AfD-Extremisten, Linksautonome, Spione: Das steht im Verfassungsschutzbericht für Sachsen

Die Demokratie ist in Sachsen noch nie so bedroht gewesen wie heute, so das Fazit des Verfassungsschutzes. Einen großen Anteil hat die AfD, auch wenn nicht jedes Mitglied als Rechtsextremist gilt.

Rechtsextremisten beschäftigen die Sicherheitsbehörden in Sachsen nach wie vor am meisten. Das geht aus dem Verfassungsschutzbericht für 2023 hervor, den Innenminister Armin Schuster (CDU) und der Präsident des Landesamts für Verfassungsschutz (LfV), Dirk-Martin Christian, am Dienstag in Dresden vorgestellt haben. Die LVZ fasst die wichtigsten Erkenntnisse zusammen.

Der Rechtsextremismus

In Sachsen werden insgesamt 5750 Personen als potenziell rechtsextremistisch eingestuft. Das ist ein deutlicher Anstieg (2022: 4350), der im Wesentlichen aus der Einstufung der AfD und von deren Jugendorganisation Junge Alternative (JA) als gesichert rechtsextremistisch resultiert. Daneben werden etwa den Freien Sachsen rund 1200 Personen zugeordnet (2022: 1000) und dem Dritten Weg weiterhin 140.

Als besonders gefährlich wird das „Implementieren einer national-patriotischen Gegenkultur“ auch durch kleinere rechtsextremistische Organisationen angesehen, die allerdings eine große Reichweite – insbesondere über Social-Media-Kanäle – haben. Dazu zählt Verfassungsschutzchef Christian etwa das Magazin „Compact“, die Identitäre Bewegung („Sachsengarde“) und das sogenannte Institut für Staatspolitik. Der Nachrichtendienstler warnte zudem: „Die Fremdenfeindlichkeit ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen.“

Insgesamt haben die rechtsextremistischen Straftaten im vergangenen Jahr erheblich zugenommen. Laut Innenminister Schuster liege das auch daran, „dass wir ein starkes Hellfeld haben“. Konkret wurden 2566 Straftaten in diesem Bereich registriert (2022: 1709), wovon der überwiegende Teil Propaganda, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus betrifft. Die meisten Fälle gab es in Dresden (378) und Leipzig (347), wobei der Anstieg gut 50 Prozent beträgt. In Mittelsachsen haben die rechtsextremistischen Straftaten um rund 80 Prozent zugenommen, im Landkreis Leipzig um 60 Prozent und in Nordsachsen um 70 Prozent.

Die AfD-Einstufung

Der sächsische Verfassungsschutz stuft etwa jedes zweite AfD-Mitglied als potenziell rechtsextremistisch ein: Das sind rund 1300 Personen. Verfassungsschutzchef Christian wollte – unter Verweis auf ein laufendes Gerichtsverfahren – „im Moment keine Einzelpersonen in der Öffentlichkeit nennen“. Er stellte am Dienstag aber klar, dass nicht jedes AfD-Mitglied in Sachsen „automatisch“ ein Rechtsextremist sei. Allerdings stehe die erste und zweite Reihe, also die Funktions- und Mandatsträger wie etwa die Parteiführung oder Abgeordnete, im Fokus. Genauso werde hingeschaut, wer Parteiveranstaltungen organisiere und an diesen Treffen aktiv teilnehme.

Der AfD-Landesverband war vor einem halben Jahr als gesichert rechtsextremistisch eingestuft worden. Als Gründe wurden am Dienstag unter anderem der propagierte Ethnopluralismus genannt: „Das ist ein Verstoß gegen die Verfassung.“ Dafür stehen etwa der Bio-Volksbegriff und Schlagworte wie Remigration oder „großer Austausch“. Zuvor war der – inzwischen als aufgelöst geltende – „Flügel“ als rechtsextremistisch klassifiziert worden. Christian erklärte, dass mit der Einstufung weitreichende nachrichtendienstliche Möglichkeiten verbunden sind. Zugleich stellte er klar: „Extremismus ist nicht die Gesinnung, sondern das aktive Agieren gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung.“

Der Linksextremismus

Innenminister Schuster bezeichnete Leipzig als einen von drei „Hotspots des Linksextremismus“ in Deutschland, neben Berlin und Hamburg. Das Personenpotenzial ist laut LfV-Bericht mit 905 (2022: 890) zwar etwa konstant geblieben – „die Lage ist aber abgespannt“, sagte Schuster. Als Beispiele nannte er Überfälle auf Menschen sowie Brandanschläge insbesondere auf Fahrzeuge.

Demnach haben linksextremistische Gewalttaten erneut zugenommen, von 174 im Jahr 2022 auf zuletzt 191. Das sind fast drei Mal so viele wie im Bereich des Rechtsextremismus. Verfassungsschutzchef Christian sprach von einer „hemmungslosen Anwendung von Gewalt gegen Personen“ und warnte: „Die Entwicklung zu terroristischen Strukturen kann nicht gänzlich ausgeschlossen werden.“ Konkret sei der „Tag X“ in Leipzig (3. Juni 2023) auch als „Anlass für die Begehung schwerer Straf- und Gewalttaten“ genutzt worden.

Regional betrachtet, werden in Leipzig mit 437 Fällen mehr als die Hälfte der linksextremistischen Straftaten im Freistaat registriert (2022: 445). Dahinter folgen mit weitem Abstand Dresden (148) und Chemnitz (35), wo es leichte Anstiege gibt. Eher ländlich geprägte Regionen wie Nordsachsen (9), Mittelsachsen (24) oder der Landkreis Leipzig (12) sind dagegen kaum betroffen. Laut Verfassungsschutzbericht „dominiert“ die Autonome Szene den Linksextremismus in Sachsen deutlich: Ihr werden vom Nachrichtendienst rund 450 Personen zugerechnet (2022: 520). Daneben werden unter anderem auch 150 Anarchisten genannt.

Die Reichsbürger

Die Zahl der Personen, die in Sachsen als Reichsbürger oder Selbstverwalter gelten, ist erneut stark gewachsen: von 2500 auf 3000. Üblicherweise wird die Existenz der Bundesrepublik nicht anerkannt, genauso wenig das Rechtssystem und die politischen Institutionen. Vielfach werden auch Ausweisdokumente als unwirksam abgelehnt. Etwa drei Prozent von ihnen (rund 90 Personen) werden in Sachsen als rechtsextremistisch eingestuft. Für insgesamt 68 Reichsbürger lagen laut Verfassungsschutz „Erkenntnisse“ vor, um einen Waffenschein zu entziehen.

Exemplarisch steht das „Königreich Deutschland“ für diese Szene. Darüber hinaus wird beobachtet, dass vor allem in ländlichen Gebieten sogenannte Gemeinwohlstätten oder ähnliches errichtet werden sollen. Regional betrachtet, sind Reichsbürger besonders häufig in Ostsachsen mit den Landkreisen Bautzen und Görlitz sowie im Erzgebirge, in der Sächsischen Schweiz und in Mittelsachsen zu finden. Oftmals werde auch Gewalt propagiert: So werden etwa Mitarbeitende von Kommunalverwaltungen verbal und auch tätlich angegriffen. „Es handelt sich nicht um harmlose Spinner“, machte der Verfassungsschutzchef klar.

Die Spionage

Laut Innenminister Schuster wird das Agieren von ausländischen Nachrichtendiensten in Sachsen „immer stärker wahrgenommen“. Der Druck sei im vergangenen Jahr „sehr hoch geworden“. Mit Blick auf das sogenannte Silicon Saxony – also den Sitz von mehreren Hochtechnologiefirmen im Freistaat – sagte Schuster: „Wir sind etwa für chinesische Dienste ein sehr interessantes Zielgebiet.“ Diese „Angriffsstärke“ sei von einem Bundesland allein nicht zu bewältigen, mahnte der Minister in Richtung Bund. Derzeit wird gegen einen Mitarbeiter des AfD-Spitzenkandidaten für die Europawahl, Maximilian Krah, wegen des Spionageverdachts ermittelt.

Neben China zählt Russland zu den ausländischen Hauptakteuren in Sachsen, heißt es im Verfassungsschutzbericht – allerdings werde hierbei weniger auf wirtschaftliches Know-how, sondern vielmehr auf Desinformation gezielt. Die russische Einflussnahme sei – auch angesichts des Angriffskrieges in der Ukraine – insbesondere auf Zersetzung ausgerichtet, so Schuster – das sei „an der Tagesordnung“. Man könne „nur hoffen, dass wir es alle merken“. Auf diese Weise könne möglicherweise auch versucht werden, Wahlen zu beeinflussen. Konkrete Zahlen zu Spionagefällen oder Ähnlichem wurden bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts nicht genannt.