Der rechtsextreme Ex-Söldner, eine Insel vor Kroatien und Trips mutmaßlicher Neonazis
(Mehr bei Antifa Leipzig: Reinhard Rade ♥ Legida – https://www.inventati.org/leipzig/?p=3821)
Der gebürtige Innsbrucker Reinhard Rade kauft sich auf der Insel Šipan ein. Dort empfängt er andere Rechtsextreme. Die Insulaner sind beunruhigt
Die Rede ist von jungen, in Schwarz gekleideten Männern, die in Wäldern und einer leer stehenden Kaserne trainieren. Von einem Mann, der in einem Militärjeep mit Leipziger Kennzeichen herumfährt. Und einem zerstörten Denkmal für Partisaninnen und Partisanen.
Es sind merkwürdige Gerüchte und Geschichten, die auf der kroatischen Insel Šipan nordwestlich von Dubrovnik erzählt werden. Sie zählt rund 500 Einwohner, Touristen verirren sich nur selten hierher. Dafür kauft das Umfeld eines berüchtigten Millionärs viel Grund auf der Insel. Sein Name wird seit Jahrzehnten rund um den organisierten Rechtsextremismus genannt: Reinhard Rade.
Vom Söldner zum Millionär
Der gebürtige Innsbrucker hat eine bemerkenswerte Biographie. Er war bei den rechtsextremen Republikanern aktiv, deren „DDR-Koordinator“ er wurde. Zudem verdingte sich Rade als Söldner, bereiste Syrien und den Libanon und nahm wie hunderte andere Rechtsextreme aus ganz Europa nach dem Zerfall Jugoslawiens am Kroatienkrieg teil. Berlin ging 2001 davon aus, dass etwa 100 Deutsche insbesondere auf den Seiten einer kroatischen Miliz gekämpft haben.
Rade soll laut einem Bericht des deutschen Militärgeheimdiensts (MAD) andere für den Kriegseinsatz angeworben haben. Viele Söldner kehrten vermögend zurück. „Beute als Sold“, titelte die Zeitschrift des österreichischen Innenministeriums im Jahr 1994.
Rade kaufte nach seiner Rückkehr aus Kroatien in Leipzig Immobilien, sein Umfeld stieg ins Geschäft mit ausgedienten Rüstungsgütern der Bundeswehr ein und expandierte auch ins Ausland. An seiner Seite steht bis heute eine weitere Figur des Rechtsextremismus in Österreich: Hans Jörg Schimanek junior. Dessen Familie ist tief in der FPÖ verankert. Der gleichnamige, 2024 verstorbene Vater war einst Landeschef der FPÖ Niederösterreich; Bruder René bis vor einigen Monaten Büroleiter von Nationalratspräsident Walter Rosenkranz.
An Schimaneks Seite
Hans Jörg Schimanek junior war in den 1990ern Führungskader in Gottfried Küssels Volkstreuer außerparlamentarischer Opposition (Vapo). Man übte Wehrsport: Ein Video zeigt, wie Schimanek das lautlose Töten von Gegnern demonstrierte. Küssel und Schimanek mussten in Haft, nach seiner Entlassung ging Schimanek zu Rade nach Ostdeutschland.
Dort schlossen offenbar Schimaneks Söhne an das Werk ihres Vaters an. Im November 2024 wurden sie als Mitglieder der „Sächsischen Separatisten“ verhaftet. Die deutsche Bundesanwaltschaft hat Ende August wegen Rechtsterrorismus Anklage eingebracht.
Einige ihrer Spuren führen wiederum: nach Šipan. Im Sommer 2021 waren die nun angeklagten Jörg und Jörn Schimanek, dessen Freundin sowie zwei Freunde unterwegs zur Insel. Zur Vorbereitung des Trips teilte Jörn Schimanek eine Packliste. Auf ihr: Tarnkleidung, „basic tools“, Stiefel, Isomatte, Schlafsack, Tarp (Plane) und Paracord (Seil). Die Einwohner der Insel wollen auch französisch sprechende Männer beobachtet haben, die bei Rade zu Gast waren.
Doch was plant Rade auf Šipan?
Fakt ist, dass das Umfeld von Rade Immobilien und Grund auf der Insel kauft. Zunächst ein Haus, dann 2018 das wichtigste Hotel der Insel. Als Käufer scheint die Hotel Šipan GmbH auf. Als deren Gesellschafter eingetragen sind Rades Ehefrau – eine Juristin – sowie ein weiterer Deutscher. Später übernimmt die „Getränkefirma“ Ombla-Ragusa das Hotel, auch dieses Unternehmen ist auf Rades Ehefrau eingetragen. Direktor des Hotels mit über 75 Zimmern und 132 Betten ist Julius F. aus Bad Tölz, der sich in Rades Umfeld bewegt.
Zwist mit den Inselbewohnern
Das Hotel verschwand von Buchungsplattformen. „Ein geschlossenes Hotel bedeutet das ‚Sterben‘ unseres schönen Ortes, und dasselbe gilt für den Kauf von Inselimmobilien“, sagt die Stadträtin Olga Muratti aus Dubrovnik dem STANDARD. Das Hotel mache das wirtschaftliche Leben des Ortes aus.
Den Inselbewohnern erklärte Rade, er wolle sanieren und hierfür würden notwendige Genehmigungen noch nicht vorliegen. Deshalb sei er gezwungen gewesen, das Hotel zu schließen.
Marin Murati, der Präsident des Gemeinderats von Šipanska Luka meint zum STANDARD, dass es sich dabei um Ausreden handle. „Das Hotel war nach dem Kauf nur eine Saison lang in Betrieb, danach wurde es systematisch verwüstet. Es gab Versprechungen, die Anlage zu eröffnen, aber nichts passiert“, so Murati.
Das Hotel werde nun als „Privatvilla“ genutzt. „Die Hotelgäste sprechen Deutsch, aber keiner von ihnen hat Kontakt zur lokalen Bevölkerung.“
Doch beim Kauf des Hotels blieb es nicht, Rade und sein Umfeld erwarben Land, Wald und auch das historische Herrenhaus Knežev dvor. Laut Murati ist Rade zumindest Mitbesitzer von dutzenden Grundstücken auf der Insel. „Wir haben auch von Militärübungen gehört, können aber nicht mit Sicherheit sagen, dass diese auf der Insel stattgefunden haben“, sagt Murati.
Im Kleinen erzählt diese Geschichte davon, wie ein Millionär lokale Strukturen aufkauft und die Bevölkerung gegen sich aufbringt – etwa, als er 2023 per Aushang eine Art „Kopfgeld“ von 5000 Euro auf jene Person aussetzt, die einen alten Baum auf seinem Grund gefällt haben soll.
Im Großen geht es darum, wie sich Rechtsextremismus und Finanzkraft verbinden. Inselbewohner brachten ihr Unbehagen darüber im Fasching 2023 so zum Ausdruck: Eine Strohpuppe mit einem Militärhelm wurde in einem Traktorzug herumgefahren und schließlich verbrannt. Womöglich ein krasses Signal an Rade.
Einkehr der „Heimwehr“
Bei anderen Kroaten dürfte er beliebter sein. So bestehen Kontakte zu rechten Verbänden. Auf der unbewohnten Nachbarinsel Jakljan wurden im Sommer 2019 Kränze für 214 Wehrmachtangehörige und Ustascha-Angehörige niedergelegt, die dort erschossen worden waren. Organisiert hatte dieses Gedenken die Kroatische Heimwehr Dubrovnik. Laut einem Bericht des Lokalmediums Dubrovački Dnevnik vom August 2019 kehrte die Heimwehr anschließend in Rades Hotel Šipan ein. Im zeitlichen Zusammenhang mit diesem offenen NS-Gedenken war auch das Denkmal für Partisaninnen und Partisanen auf Šipan zerstört worden.
Die Wahl der Insel erscheint nicht zufällig. Schon unter Napoleon war Šipan militarisiert worden. Die Insel wurde im Zweiten Weltkrieg von den Nazis genutzt, später von Jugoslawien und Kroatien. Diese Verteidigungsanlagen, insbesondere Tunnel und Kasernen, sind erhalten – sie wären eine ideale Kulisse für das Training einer Bürgerkriegsarmee, die am „Tag X“ die Macht übernehmen soll. Derartige Fantasien hegten offenbar die „Sächsischen Separatisten“.
Als Rückzugsort für die mutmaßlichen Terroristen gilt die Burg Kronsegg unweit von Langenlois, wo René Schimanek als Stadtrat tätig ist. Ermittler fanden bei einer Hausdurchsuchung in einem Forsthaus und Tunnel nahe der Burg NS-Devotionalien und Sprengstoff sowie Munition. Auf dem Rückweg von Šipan machten die Schimaneks auch in Kronsegg Halt. Ein Treffen mit Küssel ist ebenfalls dokumentiert.
Šipan taucht auch im Kontext der Söldnerfirma Asgaard auf, die von Rade beraten worden sein soll. Auf Šipan seien Trainings und ein Schießstand vorgesehen gewesen. Dies sei jedoch verworfen worden. Das Asgaard-Netzwerk geriet immer wieder in den Fokus von Ermittlern, zwei Personen mit Asgaard-Bezügen wurden wegen der versuchten Gründung einer terroristischen Vereinigung verurteilt.
Für Šipan scheinen sich die Behörden jedoch nicht zu interessieren. Bislang zumindest. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.
(Martina Renner, Fabian Schmid, Adelheid Wölfl, Colette M. Schmidt, 17.10.2025)
Quelle: https://www.derstandard.de/story/3100000292090/der-rechtsextreme-ex-soeldner-eine-insel-vor-kroatien-und-trips-mutmasslicher-neonazis