Das steht über vier Oberlausitzer AfD-Politiker im Gutachten des Verfassungsschutzes

Laut dem Gutachten des Bundesamtes für Verfassungsschutz ist die gesamte AfD gesichert rechtsextremistisch. Trotz der Klage der AfD bleibt das Amt inhaltlich bei seiner Einschätzung. Diese vier AfD-Politiker mit Mandat in der Oberlausitz tauchen in dem Gutachten auf.
Anfang Mai 2025 hatte das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) die gesamte AfD als gesichert rechtsextremistisch eingestuft. Dafür hatte das BfV unzählige Aussagen von AfD-Politikern und ihren Mitarbeitern aus Parteiprogrammen, öffentlichen Reden, Beiträgen in sozialen Netzwerken oder Medien zusammengetragen und ausgewertet.
Nachdem die AfD juristisch dagegen vorgegangen war, hat das BfV eine Stillhaltezusage abgegeben und wird die Partei nicht mehr öffentlich als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ bezeichnen, bis eine Gerichtsentscheidung dazu vorliegt. Inhaltlich bleibt das Amt aber bei seiner Einschätzung.
Sächsische.de erklärt, was in dem Gutachten steht und welche AfD-Politiker mit Mandat in der Oberlausitz wie darin auftauchen. Da es zu den betreffenden Personen innerhalb des Gutachtens insgesamt rund 40 Seiten Material gibt, beschränkt sich die Darstellung in diesem Bericht auf die wesentlichen Punkte.
BfV-Gutachten sieht AfD-Bestrebungen gegen die Menschenwürde
In dem rund 1100 Seiten langen Gutachten, das öffentlich zugänglich ist, erklärt das BfV wie er die Belege für den Zeitraum von März 2021 bis hinein in den jüngsten Bundestagswahlkampf gesammelt und ausgewertet habe. Es geht darin um die Struktur und Entwicklung der AfD, Belege für Bestrebungen gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung etwa hinsichtlich der Menschenwürde, des Demokratieprinzips, der Positionierung zum Nationalsozialismus, Distanzierungen, dem Umgang mit der Jungen Alternative (JA), die zuvor bundesweit als gesichert rechtsextremistisch eingestuft wurde, oder andere Verbindungen zum rechtsextremistischen Spektrum.
Laut dem BfV hätten sich vor allem die Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die Menschenwürde aufgrund eines „ethnisch-abstammungsmäßigen Volksbegriffs, ergänzt durch fremden- und minderheitenfeindliche, inklusive spezifisch muslimfeindliche Äußerungen, zur Gewissheit verdichtet“. Das Gutachten belege laut dem BfV, dass parteiinterne Abgrenzungen oder Gegenpositionen gegenüber den beschriebenen, menschenwürdewidrigen Positionen fehlen.
Tino Chrupalla im AfD-Gutachten des Verfassungsschutzes
Tino Chrupalla aus Gablenz im Landkreis Görlitz ist hier Kreisrat sowie Bundestagsabgeordneter. Als Co-Bundessprecher der AfD verantwortet er neben Alice Weidel die Gesamtausrichtung der Partei hautsächlich mit. Die Wahl der beiden zur Doppelspitze der AfD beim Bundesparteitag in Riesa im Juni 2022 könne laut BfV als wichtige Wegmarke in der Parteigeschichte gesehen werden, „an der das liberal-konseryative Lager mit seinem Bestreben um eine Neuausrichtung der AfD letztlich klar scheiterte.“
Bezogen auf die Menschenwürde taucht Chrupalla im BfV-Gutachten etwa mit fremden- und minderheitenfeindlichen Aussagen und Positionen hinsichtlich der Forderung kollektiver Rückführungsmaßnahmen auf. Demnach lief auf der Wahlparty der AfD Brandenburg zur Landtagswahl am 22. September das Lied „Wir schieben sie alle ab!“ aus der JA-Wahlkampagne.
In einem Interview bei Phoenix einen Tag darauf erklärte der AfD-Bundessprecher Chrupalla, dass es sich um eine Überspitzung des Textes handele. „Wir haben ja nicht gesagt, dass wir alle abschieben wollen.“ Man wolle die abschieben, die in Deutschland nichts zu suchen hätten und nicht bleibeberechtigt seien. Es handele sich um mindestens 250.000 Menschen.
Das BfV kommt zu dem Schluss, dass Tino Chrupalla sich nicht distanziere und das Verhalten der JA gutheiße. Er gehe nicht auf das bei der Wahlparty gezeigte Schild „Millionenfach abschieben!“ ein. „Stattdessen behauptet er, es sollten ,nur‘ 250.000 Menschen mindestens abgeschoben werden. Zum Stichtag 30. Juni 2024 waren in Deutschland insgesamt 226.882 Personen ausreisepflichtig, davon waren 44.155 Personen ohne Duldung“, heißt es im Gutachten.
Die Forderungen auf der Wahlparty oder von Chrupalla selbst gingen also weit über den Kreis der tatsächlich ausreisepflichtigen Personen hinaus und weisen darauf hin, „dass der Aufenthaltsstatus nicht als Grundlage für die Forderung nach Abschiebungen herangezogen wird.“ Der AfD-Bundesvorsitzende akzeptiere somit fremdenfeindliches Verhalten der JA und der AfD.
Ebenso habe Tino Chrupalla Aussagen gegen das Demokratieprinzip getroffen, der Bundesrepublik Deutschland ihre Volkssouveränität abgesprochen und etwa im April 2023 Politiker anderer Parteien als „Vasallen Amerikas“ bezeichnet. In anderen Äußerungen setzte der AfD-Bundesvorsitzende die Bundesrepublik mit dem Nationalsozialismus sowie der DDR-Diktatur gleich.
Karsten Hilse im AfD-Gutachten des Verfassungsschutzes
Seit 2017 ist Karsten Hilse aus Lohsa Bundestagsabgeordneter für den Großteil des Landkreises Bautzen. Dreimal in Folge gewann er das Direktmandat und ist seit August 2024 auch Kreisrat im Kreistag Bautzen.
Im BfV-Gutachten taucht Hilse vor allem mit Äußerungen auf, die sich gegen die Menschenwürde und das Demokratieprinzip richten. Im August 2024 etwa habe er in einem Interview mit dem Deutschland-Kurier davon gesprochen, dass eine nicht näher beschriebene einflussreiche Gruppe „alle Rassen irgendwie durchmischen“ zu wollen.
Laut dem BfV offenbare der AfD-Politiker „hier die biologistisch-rassistische Grundannahme von der Existenz verschiedener Menschenrassen, welche in einem bestimmten Lebensraum heimisch seien und deren ,Durchmischung‘ zu verhindern sei.“
Zudem äußerte er fremden- und minderheitenfeindliche Aussagen und Positionen gegen Migranten, etwa indem er sie alle laut BfV „in verunglimpfender Weise als passive, integrationsunwillige und kriminelle Subjekte“ darstellt, weshalb er deren Aufenthalt in Deutschland mittels einer ,Abschiebeinitiative‘ beenden möchte.
Wie bei Chrupalla sieht das BfV bei Hilse Bestrebungen gegen das Demokratieprinzip durch dessen Gleichsetzung der Bundesrepublik etwa mit dem Nationalsozialismus und der DDR oder allgemein mit einer Diktatur. In einer Rede im Juni 2021 sagte Hilse, dass die Gesellschaft auf dem Weg zur dritten sozialistischen Diktatur auf deutschem Boden sei, mit Freiheitsberaubung, Einschränkung der Meinungsfreiheit, Ausgrenzung Andersdenkender. Er erkenne teils linksfaschistische Methoden und eindeutige Züge eines totalitären Regimes. Laut dem BfV „diffamiert Hilse die Repräsentantinnen und Repräsentanten der verfassungsmäßigen Ordnung in demokratiefeindlicher Weise.“
Jörg Urban im AfD-Gutachten des Verfassungsschutzes
Der AfD-Landesvorsitzende in Sachsen, Jörg Urban, kommt zwar nicht aus der Oberlausitz, hat hier aber ein Mandat inne. Bei den Landtagswahlen 2024 gewann er das Direktmandat im Wahlkreis mit der Stadt Bautzen und tritt hier sowie in anderen Orten des Landkreises regelmäßig bei Demos auf.
Im BfV-Gutachten finden sich zahlreiche Äußerungen Urbans, die als Bestrebungen gegen die Menschenwürde zu verstehen sind. Dabei vertritt er einen ethnisch-abstammungsmäßigen Volksbegriff, bedient die These des Großen Austauschs und alternative Begriffe, stellt einen Zusammenhang zwischen Herkunft und Gewaltneigung her oder fordert kollektive Rückführungsmaßnahmen. Dazu kommen unter anderen Aussagen gegen das Demokratieprinzip.
Demnach habe er im Mai der Position der JA zugestimmt, dass „ein deutsches Volk unabhängig vom Pass“ existiere. „Urban schloss sich dem ethnischen Volksverständnis der AfD-Jugendorganisation an und suggerierte, der deutsche Pass bilde nicht das entscheidende Kriterium für tatsächliches Deutschsein“, schätzt das BfV ein.
Im Februar 2023 habe Urban laut BfV in einem Facebook-Beitrag den Zusammenhang konstruiert, dass es einen unabänderlichen Zusammenhang zwischen Zuwanderung aus arabischen Ländern und Zunahme von Gewaltkriminalität gebe. Er fordere „kulturfremde Menschen“ von der Migration nach Deutschland auszuschließen und verweise so „auf ein ethnisch-statisches, raumgebunden-geschlossenes Kulturkonzept, das mit einem völkischen Staatsvolksverständnis korrespondiert.“
Dies führe zu einem systematischen Ausschluss von Migranten auf Grundlage einer behaupteten kulturellen Inkompatibilität, ohne individuelle Erwägungen vorzunehmen oder etwaige Schutzgründe zu berücksichtigen.
Im Januar 2024 haben die AfD-Fraktionsvorsitzenden der „Ost-Bundesländer“ eine gemeinsame Stellungnahme zum Thema „Remigration“ veröffentlicht. Dazu gehört auch Jörg Urban. In dem Papier heißt es am Ende: „Deutschland muss wieder deutscher werden.“ Vor allem mit dieser Forderung komme laut dem BfV „gerade keine Distanzierung, sondern vielmehr der völkische Hintergrund der Remigrationsforderungen zum Ausdruck.“
Sebastian Wippel im AfD-Gutachten des Verfassungsschutzes
Am überschaubarsten sind die Einträge zum Görlitzer Landtagsabgeordneten und Kreisrat Sebastian Wippel. Alle Belege im BfV-Gutachten beziehen sich bei ihm auf das Thema Menschenwürde. Darunter das Vertreten eines ethnisch-abstammungsmäßigen Volksbegriffs, die These des Großen Austauschs und alternative Begriffe oder der Zusammenhang zwischen Herkunft und Gewaltneigung mit der negativen Zuschreibung einer Neigung zu Sexualverbrechen.
So schrieb Wippel etwa laut dem BfV im Juni 2023, „dass die Väter unseres Grundgesetzes bei der Verschriftlichung des Asylrechts für politisch Verfolgte vor mehr als 70 Jahren wohl kaum den demografischen Austausch des eigenen Volkes durch beruflich unqualifizierte und kulturfremde Migranten im Hinterkopf hatten.“ Bereits 2021 hatte er versucht, den Begriff „Umvolkung“ zu legitimieren.
In einem Facebook-Eintrag vom Dezember 2022 habe Wippel die Opfer einer Messerattacke im baden-württembergischen Illerkirchberg der „Massenmigration und Asylindustrie“ zugeschrieben. Es sei „der nächste ‚Einzelfall‘, der auf das Konto derjenigen geht, die seit dem Jahre 2015 die ungehemmte Massenmigration in unser Land vorantreiben und gutheißen.“
Wie das BfV einschätzt, stelle der Görlitzer Politiker den Zuzug von Schutzsuchenden ab 2015 als Ausgangspunkt für eine lineare und unausweichliche Entwicklung dar, „in der Tötungsdelikte, in Verbindung mit dem in Anführungszeichen gesetzten Wort ,Einzelfall‘ Teil der neuen Normalität würden.“