Gesichert rechtsextrem? Wer für die AfD im Landtag sitzt

Ein verurteilter Polizist, ein Neonazi, ein Mann mit Nähe zur Reichsbürger-Ideologie: In der neuen AfD-Fraktion im Sächsischen Landtag tummeln sich Abgeordnete mit radikalen Ansichten und verheimlichten Geschäftsbeziehungen. Die LVZ hat sich alle Mandatsträger angesehen.

Wenn sich am 1. Oktober der neue sächsische Landtag konstituiert, wird die AfD mit 40 Abgeordneten vertreten sein. Damit stellt eine Partei, die der Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem einstuft, die zweitgrößte Fraktion.

Die AfD wehrt sich gegen das Label rechtsextrem.Viele ihrer Politiker treten bürgerlich auf. Was heißt das also: gesichert rechtsextrem?

Die LVZ hat sich alle Abgeordneten der neuen AfD-Fraktion angesehen: ihre Kanäle in sozialen Medien, ihre Reden, ihre Anfragen, ihre Auftritte bei Demonstrationen und Veranstaltungen.

Das Ergebnis: In der Fraktion gibt es Politiker, die völkische und nationalistische Überzeugungen teilen, die Verschwörungsideologien verbreiten und keine Scheu haben, sich mit Rechtsextremen zu zeigen. Und manche fallen mit dubiosen Geschäften und fragwürdigem Verhalten auf.

Arthur Österle

Arthur Österle ist einer der Neuen im Landtag – aber kein Unbekannter. In der Vergangenheit fiel er immer wieder bei rechtsextremen Aufmärschen auf: als Mitläufer bei der Neonazi-Partei „Dritter Weg“, 2018 als Chefordner bei „Pro Chemnitz“. Bei einer Kundgebung der rechtsextremen Gruppierung drohte er Pressevertretern, rief Demonstranten zu: „Meinetwegen bindet Euch den rechten Arm an, wir sind heute hier als Volk und nicht als politische Gesinnung.“

Österle war im Verein „Heimattreue Niederdorf“ aktiv, dessen Vorsitzender vom Verfassungsschutz als Rechtsextremist eingestuft wurde. Als 2020 eine wütende Menge den Bundestag erstürmen wollte, war Österle vor Ort. Der Wochenzeitung „Die Zeit“ erklärte er, er sei als Personenschützer für einen AfD-Abgeordneten im Einsatz gewesen. Gegenüber der LVZ will sich Österle nicht äußern.

Thomas Thumm

Als sich Thomas Thumm beim Parteitag der AfD im März 2024 um einen der vorderen Listenplätze bewarb, sprach er in seiner Rede von „globalen Eliten“, die nicht nur „die wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit des Landes, den deutschen Mittelstand“ ruinierten. „Es geht ihnen darum, die Staatsgrenzen und das Staatsvolk aufzulösen.“

Thumm bediente sich hier einer rechtsextremen Verschwörungsideologie, wonach ein „Bevölkerungsaustausch“ im Gange sei. Der Politiker sitzt seit 2019 im Landtag, gehört zum Fraktionsvorstand. Er kommt aus Annaberg-Buchholz im Erzgebirge. Dort hat Thumm immer wieder an Demonstrationen teilgenommen, auch am 26. Juni 2023.

Auf Facebook schrieb er dazu: „700 Grünhainer gingen heute zum Protest gegen das geplante Asylheim (…) auf die Straße.“ Tatsächlich hatten Rechtsextreme die Demonstration angemeldet, so vermerkte es der Verfassungsschutz. Der ehemalige NPD-Politiker Stefan Hartung trat als Organisator und Redner auf.

Lars Kuppi

Lars Kuppi sitzt seit 2019 im Landtag, wurde im August zum stellvertretenden Oberbürgermeister gewählt und ist Polizist. 2020 lud Kuppi den Rechtsextremen Andreas Kalbitz zu einer Demonstration nach Mittelsachsen ein und lobte dessen Rede als „sehr gut“. Für die Deutsche Polizeigewerkschaft war die Demonstration Anlass genug, Kuppi rauszuwerfen. Vor der Landtagswahl 2024 teilte er das Musikvideo der Jungen Alternative Brandenburg mit der Zeile: „Hey, jetzt geht‘s ab, wir schieben sie alle ab, sie alle ab“.

2018 war Kuppi wegen Beleidigung verurteilt worden. Er hatte im Treppenhaus des Polizeireviers Döbeln in Richtung des Büros eines Kollegen gezeigt und gerufen: „Das wird das Schwein nicht überleben.“ Der Kollege hatte eine Beziehung mit Kuppis damaliger Lebensgefährtin begonnen.

Weil es dann auf dem Revier immer wieder Streit gegeben hatte, nach Aussage des Revierleiters auch körperlich, sollte Kuppi versetzt werden. Der stritt vor Gericht eine Bedrohung ab, gab aber zu, dass ihm „Schwein“ rausgerutscht sei.

Jörg Urban

Im Wahlkampf trat AfD-Landesparteichef und -Spitzenkandidat Jörg Urban gemäßigt auf, empörte sich in der „Wahlarena“ des MDR sogar über Abschiebungen. Aber vor allem frühere Äußerungen von ihm lassen auf ein völkisch-nationales Weltbild schließen.

2018 hatte er auf Facebook geschrieben, dass Völker „homogen“ sein müssten und dass das gute Bildungssystem in Deutschland „sehr viel mit einer weißen europäischen Kultur zu tun (hat)“. Im selben Jahr sprach er im Zusammenhang mit der Friedlichen Revolution davon, dass Geschichte wiederholbar sein könnte – eine starke AfD wieder „ein verrottetes Regime zum Einsturz“ bringen könne.

Urban verteidigte seine früheren Äußerungen auf LVZ-Anfrage, sagte etwa zu einem „homogenen“ Volk: „Grenzenlose Masseneinwanderung zerstört jeden Sozialstaat, jede Gesellschaft und jedes Volk.“ Wie wenig Berührungsängste er nach ganz rechts außen hat, zeigte er im Sommer. Sein Wahlprogramm stellte Urban bei einem Fest des rechtsextremen Verlegers Götz Kubitschek vor.

Ferdinand Wiedeburg

Ferdinand Wiedeburg zieht erstmals für die AfD in den Landtag ein. Im Stadtrat von Eilenburg (Nordsachsen) führt er die AfD-Fraktion, in die er ein für die rechtsextremen „Freien Sachsen“ gewähltes Ratsmitglied aufgenommen hat. Die „Freien Sachsen“ stehen auf der Unvereinbarkeitsliste der Bundes-AfD, Sachsens Parteichef Jörg Urban hat das Eilenburger Konstrukt aber verteidigt.

Auch sonst hat Wiedeburg keine Berührungsängste mit der Kleinpartei. Auf mindestens einer von ihm organisierten Demonstration lief er zusammen mit deren Vertretern.

Das Recherchenetzwerk Correctiv berichtete kürzlich über eine gedankliche Nähe Wiedeburgs zu Reichsbürgern. Es legte dafür die Tonaufnahme vom Rande einer Demonstration in Eilenburg vor. Wiedeburg bejaht darin die Frage, ob Deutschland eine GmbH sei und bezeichnet die Bundesrepublik als „besetzt“. Er hat auf eine LVZ-Anfrage dazu nicht reagiert.

Mike Moncsek

Der selbst ernannte „Volkspolitiker“ wechselt vom Bundes- in den Landtag. Am 8. Januar 2024 nahm er am „Tag des Widerstands“ teil, organisiert von den rechtsextremen „Freien Sachsen“. Es war der Versuch, die Bauernproteste zu kapern. „Wir unterstützen diejenigen, die heute friedlich auf die Straße gehen“, sagte Moncsek dazu in einem Video auf seinem Youtube-Kanal.

Mehrere Tausend Menschen hatten sich zum „Tag des Widerstands“ in Dresden versammelt. Bei der Eröffnungskundgebung vor dem Dresdner Schloss ging es um Impfpflicht, Asyl, die Mär von einem angeblich besetzten Deutschland, der Möglichkeit eines Widerstandsrechts. Es wehten Fahnen der „Freien Sachsen“, der „Heimat“ (ehemals NPD). Neonazis vom „Dritten Weg“ verteilten Aufkleber. Später versuchten gewaltbereite Demonstranten Polizeiketten zu durchbrechen.

Jörg Dornau

Jörg Dornau behauptete im April 2024 in seiner „Wahlkreispost“, es gebe „eine antideutsche Geschichtsrevision, die am Beispiel der 1945 Dresdener Bombennächte jährlich weniger Opfer zählt.“

Unterschwellig warb Dornau schon oft für eine Zusammenarbeit zwischen AfD und den rechtsextremen „Freien Sachsen“. Auf Telegram teilte er einen Beitrag der Kleinpartei, in dem es hieß, „AfD und Freie Sachsen können beidseitig voneinander partizipieren“. Dornau mobiliserte auch für die Demonstrationen der „Freien Sachsen“. Er selbst versuchte, vor dem Wohnhaus von Sozialministerin Petra Köpping (SPD) gegen die Corona-Maßnahmen zu protestieren.

In Belarus ist Dornau an einem Agrarunternehmen beteiligt. Weil er das als Landtagsabgeordneter nicht transparent gemacht hat, muss er ein Ordnungsgeld von mehr als 20.000 Euro zahlen. Die AfD verteidigte ihren Abgeordneten, Dornau äußerte sich nicht dazu. Auf Telegram verbreitet er oft Gerüchte. Zur Landtagswahl schrieb er, dass die Polizei wegen „großer Ungereimtheiten“ in ein Wahllokal in Rötha gerufen worden sei. Die Polizei Leipzig bestätigte einen Einsatz, einen Wahlbetrug habe es aber nicht gegeben. Dornau hat eine Anfrage dazu unbeantwortet gelassen.

Alexander Wiesner

Der Leipziger Alexander Wiesner ist Vorsitzender der Jungen Alternative (JA) in Sachsen. Im Messenger-Dienst Telegram teilte Wiesner im Frühjahr 2023 einen Artikel zur Migration.

Er schrieb dazu: „Der Bevölkerungsaustausch wird offen thematisiert. Wovor wir seit Jahren warnen, wird nun von der Presse hämisch bejubelt. Die Deutschen werden zur Minderheit im eigenen Land.“ Wiesner bedient damit eine rechtsextreme Verschwörungsideologie, wonach Eliten das eigene Volk gezielt auslöschen.

Zur Landtagswahl verbreitete die JA ein Online-Spiel. Es heißt: „Deutschlandretter“. Ähnlich wie bei Candy-Crush muss man innerhalb einer bestimmten Zeit verschiedene Symbole anordnen, um sie verschwinden zu lassen. Dazu gehören neben der Regenbogenflagge ein blutiges Messer sowie die rassistische Darstellung eines Schwarzen mit Kapuze und gelben Zähnen. Die Seite ist mittlerweile offline.

Martin Braukman

Rechtsanwalt Martin Braukmann teilt bei Facebook Verschwörungsideologen und russische Propaganda. Neben Videos von angeblichen Chemtrails finden sich zahlreiche Links zum deutschen Ableger des Kreml-Senders „Russia Today“.

In den dazugehörigen Artikeln wird ein von den USA initiierter Handelskrieg heraufbeschworen, Behauptungen aufgestellt wie diese: Die Bundesregierung soll über die Zerstörung von Nord Stream vorab informiert gewesen sein. RT ist innerhalb der Europäischen Union verboten – doch der Sender macht einfach weiter.

Braukmann teilt auch immer wieder den Podcast „Das offene Sachsen-Mikrofon“. In einer Folge heißt es: Der „Great Reset“ habe begonnen. Dahinter steckt die Verschwörungsideologie, wonach globale Eliten gesellschaftliche Strukturen zerschlagen wollen, um eine Weltregierung zu errichten.

Tobias Heller

Tobias Heller ist neu im Landtag. Im Juni bezeichnete er die Vertreibung von Millionen Menschen aus den deutschen Ostgebieten nach dem Zweiten Weltkrieg als „größte ethnische Säuberung der neueren Geschichte“. Auf Nachfrage sagt Heller, er beziehe sich – anders, als der Begriff „neuere Geschichte“ eigentlich meint – auf die Zeit nach 1945.

Er verweist zudem auf Historiker. Die Geschichtswissenschaft diskutiert die Vertreibung differenziert, Formulierungen wie die von Heller werden regelmäßig kritisiert.

Im Januar hatte Heller das Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus zum Anlass genommen, die Correctiv-Recherche zum Potsdamer Treffen zu kritisieren. „Statt an dunkle Jahre der deutschen Geschichte in würdevollem Rahmen zu gedenken, wittern unsere Vollblut-Demokraten in der Hasswoche des Regimes ihre Zeit konzentrierter Staats- und Kartellhetze“, schrieb er auf seiner Webseite. Man werde „dieses Schmierentheater“ nicht vergessen.

Jonas Dünzel

Jonas Dünzel gewann ein Direktmandat. Sein Erfolg lässt sich wahrscheinlich auch mit seiner Präsenz in den sozialen Medien erklären. Bei Tiktok hat Dünzel 52.000 Follower. Und er ist bestens vernetzt. Während der Corona-Pandemie und nach Ausbruch des Ukraine-Kriegs organisierte er Proteste in Zwickau, war aber auch anderswo präsent. Etwa am 6. November 2021 in Leipzig, als es zu Ausschreitungen mit der Polizei kam.

Dünzel wurde zum beliebten Gesprächspartner für verschwörungsideologische und rechtsextreme Podcaster. Ende 2022 gab Dünzel den Machern von „Lagebesprechung“ ein Interview. Produziert wird das Format von „Ein Prozent“, einem Ableger der rechtsextremen „Identitären Bewegung“. Im Mai 2023 empfahl er einen Podcast mit dem Rechtsextremen Philipp Stein.