Ehemaliges Konzentrationslager in Leipzig nach Gutachten doch ein Ort von historischer Bedeutung?

Das zivilgesellschaftliche „Ladenschluss – Aktionsbündnis gegen Neonazis“ aus Leipzig, welches sich seit über 15 Jahren in Leipzig gegen Aktivitäten von Neonazis und der extrem Rechten in der Region engagiert, zuletzt in Form eines offenen Briefes an die Stadt Leipzig mit 34 Initiativen, Vereinen und Organisationen gegen ein extrem rechtes Zentrum in der Kamenzer Straße, einem ehemaligen KZ-Außenlager (1), fragt sich wann das Denkmalschutzgutachten (2) der Öffentlichkeit präsentiert wird.

Das von der Stadt Leipzig beauftrage Denkmalschutzgutachten ist nach Erkenntnis des „Ladenschluss – Aktionsbündnis gegen Neonazis“ durchgeführt und abgeschlossen, bisher jedoch nicht der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt worden.

Dazu erklärt Theresa Grün für das „Ladenschluss – Aktionsbündnis gegen Neonazis“:
„Uns ist zu Ohren gekommen, dass das Denkmalschutzgutachten abgeschlossen ist und sich bestätigt hat, was die „Gedenkstätte für Zwangsarbeit“ und die 34 Initiativen, die unseren offenen Brief an die Stadt Leipzig unterschrieben haben, schon immer gesagt haben: die Kamenzer Straße ist das einzige heute noch erhaltene bauliche Relikt eines KZ-Außenlagers im Stadtraum Leipzig und gehört nicht in die Hände von Neonazis. Wann wird dieses Ergebnis veröffentlicht?
Wir sind schockiert darüber, dass der ehemalige CDU-Fraktionschef im Leipziger Stadtrat sich mit Neonazis ablichten lässt (3) und in seinen Firmenräumlichkeiten ein rechtes Kampfsportevent mit jenem Gym veranstaltet, welches tief in die extrem rechte Szene verstrickt ist und ebenfalls eine zeitlang in der Kamenzer Str. seinen Sitz hatte. Wann ist es normal geworden, dass CDU-Politiker und Vereine wie der 1. FC Lokomotive Leipzig (4) so eng mit der militanten Neonaziszene der Stadt verbandelt sind und dies keinerlei öffentlichen Aufschrei mehr hervorruft? Rechter Terror hat in Leipzig bereits mehrere Menschen das Leben gekostet (5) und viele schwerverletzt. „Nie wieder“ heißt keine Kooperation mit Neonazis und der extremen Rechten, nicht im Stadtrat, nicht im Stadion und schon gar nicht geschäftlich.“

(1) https://ladenschluss.noblogs.org/2019/12/09/stadt-leipzig-wird-zum-handeln-aufgefordert/
(2) https://ladenschluss.noblogs.org/2025/04/13/gedenken-an-die-kapitulation-der-nazis-vor-80-jahren-in-leipzig/ / https://kreuzer-leipzig.de/2021/05/22/kein-interesse-an-erinnerung/
(3) https://periskop.noblogs.org/post/2025/10/04/neonazi-stelldichein-bei-fightnight-in-raeumlichkeiten-von-ehemaligem-leipziger-cdu-stadtrat/
(4) https://periskop.noblogs.org/post/2025/10/30/keen-bock-auf-augenwischerei-neonazis-beim-1-fc-lokomotive-leipzig/
(5) https://www.niemals-vergessen.org/

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Kreuzer 27.11.2025 Britt Schlehahn

Nachweislich nationalsozialistisch

Endlich werden die historischen Reste des Frauenaußenlagers vom KZ Buchenwald unter Denkmalschutz gestellt.

Jetzt steht es fest: die Baumasse in der Kamenzer Straße 12 wird unter Denkmalschutz gestellt. Hier befand sich das größte Frauenaußenlager vom KZ Buchenwald, in dem von 1944 bis 1945 Zwangsarbeiterinnen eines der größten deutschen Rüstungskonzerne – der nahe gelegenen Hugo Schneider AG (HASAG) – untergebracht waren. Nach 1945 sollte dieser Teil der Geschichte aus der Öffentlichkeit verschwinden. Gebäudeteile wurden erst gesprengt, dann mit Gewerbebauten versehen, wie in der Informationsbroschüre der Gedenkstätte für Zwangsarbeit detailliert nachzulesen ist.

Seit 2007 nutzen Rechte das Areal, organisieren Konzerte und Veranstaltungen. Die 2010 von der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund deutscher Antifaschistinnen und Antifaschisten aufgestellte Gedenktafel wurde wiederholt geschändet. 2017 bezog zudem das Imperium Fight Team um Lok-Leipzig-Fan Benjamin Brinsa hier zwischenzeitlich seine Übungsstätte. Im Dezember 2019 kritisierten das Bündnis Ladenschluss und zivilgesellschaftliche Initiativen in einem offenen Brief an die Stadtverwaltung, dass sie den Nazitreff stillschweigend duldete. Daraufhin fasste der Stadtrat im Mai 2020 den Beschluss:

»Die Stadt anerkennt, dass der Gebäudekomplex in der Kamenzer Straße 10/12 als ehemaliges Zwangsarbeiter*innenlager der HASAG und größtes Frauenaußenlager des KZ Buchenwald von besonderer Bedeutung ist, und verurteilt die aktuelle Nutzung durch Neonazis.«

Nach der ersten oberflächliche Untersuchung zum Denkmalschutz wurde dieser 2021 zunächst verweigert, unter anderem, weil es angeblich keine »unverfälschten Reste der historischen Gebäudesubstanz« mehr gäbe. Seit Sommer 2022 erinnert zumindest eine Gedenktafel der Stadt an die historischen Ereignisse.

2024 beschäftigte sich der Stadtrat erneut mit dem Grundstück. Auf kreuzer-Anfrage erklärt das Dezernat Stadtentwicklung und Bau, dass basierend auf den Ratsbeschluss Gedenkstätte für Zwangsarbeit Leipzig von 2024 »eine erneute bauhistorische Prüfung des Objektes Kamenzer Straße 12 beauftragt« wurde. Das neue Gutachten »wurde im Oktober dem Fachausschuss Kultur sowie dem Fachausschuss Stadtentwicklung vorgestellt«, so das Dezernat.

Im Gegensatz zur ersten Untersuchung analysierte das Expertenteam nun in fünf Tagen rund 5000 Quadratmeter Fläche und etwa 100 Räume. »Die Gutachterinnen und Gutachter kommen zu dem Ergebnis, dass der bauzeitliche Bestand außerordentlich hoch ist. Das Erdgeschoss, das Kellergeschoss sowie die Außenwände des Obergeschosses sind als Bestand aus der NS-Zeit nachweisbar«, erklärt das Dezernat. Das bedeutet konkret auch, dass das Gebäude Kamenzer Straße 12 laut Gutachterinnen und Gutachter »ein Zeugnis von nationalem und internationalem Rang mit hoher Bedeutung für Sachsen und Leipzig« darstellt. Weiter ist im Schreiben nachzulesen: »Es handle sich um ein Kulturdenkmal mit großem Seltenheitswert und um das einzige erhaltene Massivgebäude der HASAG neben dem ehemaligen Verwaltungsgebäude. Aufgrund der Ergebnisse des bauhistorischen Gutachtens hat das Landesdenkmalamt Sachsen entschieden, das Gebäude gemäß Sächsischem Denkmalschutzgesetz unter Denkmalschutz zu stellen.«

Ein wichtiger und längst überfälliger Schritt. Der Eigentümer ist darüber in Kenntnis gesetzt worden. Gleichzeitig hält das Dezernat fest, dass dieser »nicht verpflichtet werden kann, weitere Forschungen oder Erhaltungsmaßnahmen durchzuführen.«

Die Stadt weiß nun allerdings, wie sie im Schreiben ausführt, dass im April 2025 der Eigentümer bekannt gab, »dass er das Gebäude für erinnerungskulturelle Zwecke öffnen möchte und sich hierzu im Austausch mit der Gedenkstätte für Zwangsarbeit Leipzig über eine mögliche Einmietung befindet.«

Ein Anruf bei der Gedenkstätte hätte den Verantwortlichen der Stadt allerdings gezeigt, dass dies keinesfalls der Wahrheit entspricht. Die Gedenkstätte erfuhr erst durch die kreuzer-Anfrage von diesem angeblichen Austausch.

Letztlich bleibt die Stadt bei dem Entschluss, dass sie das Gebäude nicht kaufen möchte – auch nicht nach dem neuen Gutachten. So erfreulich der Denkmalschutz für das ehemalige Konzentrationslager auch ist: für die Erinnerungsarbeit bleibt noch viel zu tun.

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LVZ Lucas Grothe 28.11.2025

Nutzung von Rechtsradikalen – Ehemaliges KZ-Außenlager in Leipzig wird unter Denkmalschutz gestellt

Im Nationalsozialismus mussten im Leipziger KZ-Außenlager Zwangsarbeiter Kriegsprodukte herstellen. In den vergangenen Jahren fiel die Immobilie mit Veranstaltungen für Rechtsradikale auf – nun wird sie unter Denkmalschutz gestellt.

Nach jahrelangem Tauziehen wird das ehemalige KZ-Außenlager in der Kamenzer Straße im Leipziger Nordosten unter Denkmalschutz gestellt. Das erklärten übereinstimmend das Baudezernat der Stadtverwaltung und das Landesdenkmalamt.

Grundlage dafür ist ein von der Stadtverwaltung in Auftrag gegebenes Gutachten. Laut Baudezernat habe es ergeben, dass das Gebäude als ein Zeugnis von nationalem und internationalem Rang mit hoher Bedeutung für Sachsen und Leipzig habe. Es handle sich um ein Kulturdenkmal mit großem Seltenheitswert und um das einzige erhaltene Massivgebäude der Hasag neben dem ehemaligen Verwaltungsgebäude. Insbesondere in den Kellern fanden die Gutachter nach LVZ-Informationen „diverse bauzeitliche Ausstattungen“ wie technische Infrastruktur und Luftschutzanlagen.

In der Kamenzer Straße war während des Nationalsozialismus der Leipziger Standort der Hugo Schneider AG (HASAG), des damals größten sächsischen Rüstungsbetriebs, untergebracht. Zudem entstand dort ab Mitte 1944 das größte Frauen-Außenlager des KZ Buchenwald. Im letzten Jahr des Zweiten Weltkrieges mussten 5.000 inhaftierte Frauen und Mädchen sowie 700 Männer Munition und Granaten für die Kriegsmaschinerie der Nazis herstellen.

Rechtsrockkonzerte im ehemaligen KZ-Außenlager

Der Ort, an dem seit 2022 eine Stele auf die Zwangsarbeit hinweist, war in den vergangenen Jahren wegen mutmaßlicher Rechtsrock und Kampfsportveranstaltungen unter Beteiligung von Rechtsradikalen in die Schlagzeilen gekommen. Eine Anfrage der Linken-Landtagsabgeordneten Juliane Nagel hatte im Mai 2024 ergeben, dass die Behörde den Ort weiter als „rechtsextremistisch genutzte Immobile“ führte.

Teile des Stadtrates unter anderem von CDU und Linken sowie das zivilgesellschaftliche „Ladenschluss – Aktionsbündnis gegen Neonazis“ hatten heftig kritisiert, dass ein ehemaliges KZ-Außenlager für Veranstaltungen von Rechtsradikalen genutzt wurde. Schließlich hatte der Stadtrat im vergangenen Jahr die Verwaltung beauftragt, ein Gutachten zu erstellen. Einen Antrag, die Immobilie als Kulturdenkmal einzustufen, hatte das Landesamt für Denkmalpflege zuvor abgelehnt.

Nun, mit dem erstellten Gutachten, ist die Lage eine andere. Das Landesamt sieht die Voraussetzungen für die „Denkmalwürdigkeit“ erfüllt. Laut Gesetz hat der Eigentümer „die Pflicht, diese pfleglich zu behandeln, im Rahmen des Zumutbaren denkmalgerecht zu erhalten und vor Gefährdung zu schützen“. Auf den Eigentümer könnten also erhebliche Kosten zukommen.

Juliane Nagel, die auch Linken-Stadträtin ist, sieht es als echten Erfolg, dass über den Druck des Stadtrats die Einstufung als Kulturdenkmal erwirkt werden konnte.
„Nun bietet sich die Chance, dass das historisch bedeutsame Zeugnis der Zwangsarbeit in Leipzig erhalten wird, der Öffentlichkeit zugänglich wird und vielleicht sogar in die Hände der Kommune übergeht. Damit hätte die unsägliche Phase der Nutzung durch Neonazis ein Ende.“ Das Baudezernat stellte allerdings klar, dass ein Ankauf des Gebäudes derzeit nicht geplant ist. Vor Jahren hatte es bereits solche Versuche gegeben, letztlich waren diese aber an überzogenen Preisvorstellungen des Eigentümers gescheitert.

Verpflichtungen für Eigentümer

2024 hatte der Antrag des Stadtrats auch das Ziel, rechtsradikale Veranstaltungen zu erschweren. Laut Stadt äußerte der Eigentümer Anfang des Jahres, „dass er das Gebäude für erinnerungskulturelle Zwecke öffnen möchte und sich hierzu im Austausch mit der Gedenkstätte für Zwangsarbeit Leipzig über eine mögliche Einmietung befindet“.

Allerdings: Beim angesprochenen Gedenkstätten-Verein begrüßt man zwar die Einstufung des Objekts als Denkmal, Gespräche mit dem Eigentümer habe es aber nicht gegeben.
In letzter Zeit war es in der Kamenzer Straße offenbar ruhiger zugegangen. Konzerte oder Kampfsportveranstaltungen sind nicht bekannt, ein Veranstaltungsverbot gibt es dort sowieso. Auch ein Boxgym, das Rechtsradikalen nahestehen soll, zog an eine andere Adresse.

Eigentümer des Geländes ist Ludwig v. P. Über ihn ist wenig bekannt – lediglich, dass er seit ein paar Jahren einen anderen Nachnamen hat und lange Zeit in der rechtsradikalen Szene gut vernetzt war. Sein Name prangt noch immer am Briefkasten an der Kamenzer Straße 12. Dort, wo früher ein Teil des KZ-Außenlagers stand.