Leipziger Uni-Professor Drygala legt bei X gegen Reichinnek nach

Nach einer Anzeige Heidi Reichinneks will Uni-Rektorin Eva Inés Obergfell jetzt mit Tim Drygala über seine Verbalattacken gegen die Politikerin sprechen. Auf der Plattform „X“ setzt sich die Auseinandersetzung derweil vehement fort.

Nach der Anzeige der Linken-Politikerin Heidi Reichinnek gegen den Leipziger Jura-Professor Tim Drygala schaltet sich jetzt Uni-Rektorin Eva Inés Obergfell ein. Sie hat Drygala „zu einem Gespräch in der kommenden Woche eingeladen“, so ein Uni-Sprecher. Bisher hatte die Uni lediglich versucht, auf Fakultätsebene bei Drygala „das Bewusstsein für Mäßigung, Amtsangemessenheit und Diskriminierungsfreiheit zu stärken“. Zudem will man nun doch rechtlich bewerten, ob Drygala eventuell Dienstpflichten verletzt oder gegen das Beamtenrecht verstoßen hat.

Stein des Anstoßes ist ein Post auf der Plattform „X“ von Ende September. Wie berichtet, hatte Drygala ein Foto seines Kühlschranks veröffentlicht, auf dessen Tür er ein Bild Reichinneks angebracht habe. „Unsere Kühlschranktür schließt schlecht“, lautete die Erklärung des 62-Jährigen. „Man muss immer mit der Faust dagegen schlagen, damit sie richtig zu ist.“ Das Foto solle ihn daran erinnern.

Drygala löschte den Eintrag zwar zwischenzeitlich, stimmte aber nach eigener Aussage dann einer Wiederveröffentlichung durch die frühere AfD-Chefin Frauke Petry zu. Drygala gehört Petrys neuer Partei „Team Freiheit“ an.

Zum Zeitpunkt der erneuten Veröffentlichung hatte ein anonymes Flugblatt, das an der Uni kursierte, den Post bereits als „eine erschreckend offene Verherrlichung von Gewalt gegenüber Frauen in der Politik“ kritisiert. Auf ähnliche Weise begründete Reichinnek vergangene Woche gegenüber der LVZ, warum sie Anzeige erstattete: „Jeden Tag werden 700 Frauen Opfer von körperlicher Gewalt. Wer wirklich denkt, Gewalt gegen Frauen sei ein Witz, legt genau dafür die Basis.“

Vor allem auf „X“ setzt sich die Auseinandersetzung seither fort. So forderte der CDU-Politiker Ruprecht Polenz die Uni Leipzig in einem „X“-Post auf, ein Disziplinarverfahren zu prüfen. Der frühere Generalsekretär zählt dafür drei mögliche Rechtsgrundlagen auf: „Verletzung der politischen Mäßigungspflicht“, „Verstoß gegen die Pflicht zu achtungswürdigem Verhalten“ sowie „Rufschädigung der Hochschule und Beeinträchtigung der dienstlichen Integrität“.

Auf „X“ legte aber auch Drygala seither fast täglich nach. Am Freitag schrieb er mit Bezug auf Reichinnek: „Laut dem bei mir eingetrudelten polizeilichem Anhörungsbogen ist sie ne Geschädigte. Hmm, könnte sogar stimmen.“ Darauf reagierte die Linken-Vorsitzende Ines Schwerdtner: „Das ist ekelhaft und das wissen Sie.“

Vergleich mit Nazi-Verfolgung

Drygala erwiderte, die Behauptung „nur aus dem amtlichen Schreiben“ zu zitieren und sich „über die Formulierung“ zu wundern. „Weil ob die wirklich geschädigt wurde oder ob sie sich das als Spitzenpolitikerin als Kritik aus dem Volk gefallen lassen muss, steht noch gar nicht fest. Ist unsere Polizei am Ende parteiisch?“ Der Kommentar eines Nutzers zeigte indes, dass sich Drygalas ursprüngliche Bemerkung auch anders interpretieren lässt: „Der Mann hat Recht! Die hat einen Schaden!“

Am Sonntag deutete Drygala eine angebliche Parallele zur Verfolgung Andersdenkender durch das Nazi-Regime an: „1934 wurde ein Mann verurteilt, weil er ein Hitlerbild fallen ließ, es nicht aufhob, sondern mit dem Fuß darauf trat“, hieß es in einem „X“-Post. „Und heute gibt es Leute, die sich exakt diese Rechtslage zurückwünschen. Und nicht mal merken, in welche Fußstapfen sie da treten. So sad.“

Wissenschaftsminister Gemkow sieht keine Handhabe

Aus dem Herbst der Reformen sei „der Herbst des Kühlschranks“ geworden, kommentierte Drygala am Montag. „Witzig, aber gleichzeitig schrecklich.“ Mit dem Hashtag „Strafanziege” veröffentlichte er am Dienstag die KI-generierte Animation einer jungen Frau, die an Reichinnek erinnert – mit den Hörnern und Ohren einer Ziege.

Parallel teilte er in einem zweiten Post erneut gegen Reichinnek aus: „In diesem Land werden Häuser, Autos und Geschäftsstellen von liberalen und rechten Politikern inzwischen im Wochentakt angezündet oder vandalisiert. Heidi klatscht und singt derweilen. Aber ein Symbolbild auf einem Kühlschrank ist ,Gewaltverherrlichung‘. Alles irre oder was?“ Eine LVZ-Anfrage ließ Drygala am Dienstag unbeantwortet.

Sachsens Wissenschaftsminister Sebastian Gemkow (CDU) hatte Ende Oktober eine kleine Anfrage der Linken-Abgeordneten Luise Neuhaus-Wartenberg zum ursprünglichen Post beantwortet. Der Post sei gelöscht, stellte der Politiker fest. Solange keine Dienstpflichten verletzt würden, könne die Universität „private Äußerungen, die auf privaten Social-Media-Accounts getätigt werden“, nicht verhindern. „Das gilt unabhängig davon, ob Mitgliedern von Hochschul- und Fakultätsleitung Äußerungen einzelner Hochschulangehöriger missfallen.“

Neuhaus-Wartenberg ärgert sich über die Reaktion: „Diese Gleichgültigkeit ermutigt die Falschen.“ Sie verurteile „verbale Gewalt gegen Frauen“, sagt sie. „Frauen sollen sich überall sicher fühlen, auch im universitären Umfeld.“

Drygala forscht und lehrt seit 2002 als Professor für Bürgerliches Recht, Handels-, Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht an der Universität Leipzig. Von 2016 bis 2022 war er Dekan der Juristenfakultät. In seine Amtszeit fiel 2017 auch eine öffentliche Debatte über Tweets des Juristen Thomas Rauscher, der damals Professor an der Uni Leipzig war. Rauscher hatte unter anderem getwittert, dass „ein weißes Europa brüderlicher Nationen“ für ihn „ein wunderbares Ziel“ sei.

Drygala positionierte sich damals deutlich gegen Rauscher. „Privat ist zu Hause am Kaffeetisch“, zitierte ihn das Handelsblatt. „Aber nicht auf Twitter mit 1300 Followern.“ Das Wissenschaftsministerium prüfte den Fall zwar, leitete aber kein Disziplinarverfahren gegen Rauscher ein.

Bei der Polizei war seinerzeit keine Anzeige eingegangen. Dies ist nun anders. Nach Auskunft der Polizeidirektion Leipzig haben die Ermittlungen begonnen. Nach Abschluss der polizeilichen Recherche wird die Staatsanwaltschaft Leipzig das Verfahren übernehmen.