Queer im Visier

Die extreme Rechte agitiert weiterhin gegen CSDs. Der Bautzen-Moment fiel aus. Ein erstes Resümee über die Lage im Osten

»Keine Zustände wie in Bautzen«, war das übergreifende Motto der Christopher Street Days (CSD) in diesem Jahr. Die ostsächsische Stadt wurde 2024 zum Symbol, als eine Parade mit 1.200 Beteiligten von 700 extrem Rechten massiv gestört wurde. Bundesweit zählte die Amadeu Antonio Stiftung 55 Angriffe auf und rund um CSDs. Entsprechend düster waren die Erwartungen für 2025. Dass es nicht einmal in Bautzen selbst zu Bautzener Zuständen kam, ist kein Grund zur Entwarnung.

Die Saison endete im Oktober, wie sie begann: Wenige Tage vorm Cottbusser CSD wurde dort mutmaßlich ein Brandanschlag auf ein queeres Zentrum verübt. Das Feuer konnte schnell gelöscht werden. Anschlagspläne gab es schon Anfang Juni in Wernigerode, Nazis pöbelnden in Riesa und in Stollberg. Absagen wie in Gelsenkirchen, Körperverletzungen in Saarbrücken zeigen, dass CSD-Angriffe kein Ost-Phänomen sind, zu denen man sie teilweise erklärte.

»Insgesamt haben wir den Eindruck, dass es keine Maximierung der Teilnehmerzahlen bei ›Gegenprotesten‹ gab, aber eine weitere Normalisierung der ohnehin seit Jahren anwachsenden Bedrohung.« So resümiert die Pride Soli Ride, eine Initiative zur queeren und antifaschistischen Vernetzung.

Homo-Feindlichkeit ist als Brückenideologie für weitere Kreise anschlussfähig. Dezidierte Anti-CSD-Demos sind ein neueres Phänomen. Neben etablierten Neonazi-Parteien treten vor allem junge, online-affine und gewalttätige Gruppen in Erscheinung.

»Bilder wie in Bautzen wollen wir nicht«, sagt Falko Jentsch für den Verein Christopher-Street-Day Sachsen-Anhalt. Das habe auch die Polizei geäußert. »Die Bedrohungslage war vergleichbar zu 2024, aber wir haben gelernt und waren vorbereitet.« Jentsch lobt die Unterstützung durch nicht-queere Gruppen. Man organisierte zusammen Zubringeraktionen und Gelegenheiten zum Umziehen. Im Vergleich zum Vorjahr misslang die extrem rechte Mobilisierung, wie nicht nur Jentsch beobachtete.

Die 300 Neonazis in Magdeburg nahmen die 3.000 Demonstrierenden aufgrund räumlicher Trennung nicht wahr. In Halle, wo im vergangenen Jahr Antifaschisten den Gegenprotest am Bahnhof in Schach hielten, blieb dieser ganz aus. Nach Leipzig wurde nicht mehr mobilisiert: Dort setzte 2024 die von antifaschistischem Protest alarmierte Polizei 400 Neonazis nach der Anreise am Hauptbahnhof fest.

In anderen sächsischen Städten traten sie auf den Plan. Der Demo der rechtsextremen Elblandrevolte aus dem Umfeld der Jungen Nationaldemokraten, der Jugendorganisation der Partei Die Heimat (früher NPD), mit 150 Teilnehmern gelang es in Dresden auch durch antifaschistischen Protest nicht, den CSD mit 10.000 Menschen zu stören. In Pirna wirkten 150 Neonazis gegenüber einem 600 Menschen zählenden starken CSD bedrohlicher.

Die Unterstützung der CSDs fiel breit aus. Oft waren die Omas gegen Rechts (OgR) beteiligt. »Wir haben die Veranstalter unterstützt, ohne ihnen das Signal zu geben, jetzt kommen die Großstädter und zeigen es euch«, sagt Meta Mukasa von der Leipziger OgR-Gruppe. Es hätten sich viele Menschen beteiligt. »Da waren stabile Leute darunter, die als Puffer fungierten.« Bei den CSDs, die sie besuchte, etwa in Döbeln und Halle, funktionierte der Schutz. »Die Angsträume aber bleiben«, sagt Mukasa.

Der CSD Bautzen sei ein Erfolg gewesen, erklärt Organisator Jonas Löschau. »Wir waren in der Spitze bei 5.000 Teilnehmenden, die Nazis 400. Das war eine ganz andere Dimension als früher.« Die Polizei habe ihre Fehler nicht wiederholt. Wie hier schrumpften in ganz Sachsen die Nazidemos zahlenmäßig.

»Aber wir müssen uns vor Augen führen, dass diese noch immer die größten Deutschlands sind«, sagt Löschau. Dass die Nazis weniger waren, haben daran gelegen, dass führende Köpfe der Elblandrevolte nicht präsent gewesen seien. Einer sei zwischenzeitlich in U-Haft gewesen, andere verbüßten Sozialstunden, andere hätten sich überworfen. »Das Aktivismusformat, hinterherzulaufen und zu schreien, ist nicht mehr attraktiv«, sagt Löschau.

»Die zweite Demo agierte wie ein Puffer zwischen den Nazis und dem CSD, das hat enorm geholfen. Die Nazis hatten keinen Kontakt zum CSD, da bin ich den organisierten Aktivist*Innen dankbar.«

Von Solidarisierung und dem Knüpfen breiterer Netzwerke berichten viele. »Die Einschüchterung hatte keinen Erfolg«, sagt Kai Bölle vom Vorstand des Vereins CSD Deutschland. Über 200 CSDs hätten stattgefunden – mehr als je zuvor. Die Bedrohung nur auf Ostdeutschland zu reduzieren, seit laut Bölle zu kurz gedacht. »Das ist kein ostdeutsches, sondern ein lokales Problem.

Die Mobilisierung ist besonders dort stark, wo bereits rechte Akteure vor Ort vorhanden sind. Sie misslang insgesamt. Allerdings nahm die Vorfeldverunsicherung massiv zu, also Bedrohung, Hassmails bis hin zu Anschlagsdrohungen. Das muss man für ganz Deutschland flächendeckend sagen«, sagt Bölle. Besonders gefährlich bleibe die An- und Abreise. »Aber es gab nicht diesen einen Bautzen-Moment.«

Damit der Psychoterror im Vorfeld und die physische Bedrohung vor Ort ihre Ziele weiterhin nicht erreichen, bleibt Solidarität wichtig, sagt das Bündnis Pride Soli Ride. »Wir sind so oft beeindruckt, wie solidarisch und stark sich lokale Akteur*innen auch verbünden und gegenseitig stärken und rechter Raumnahme den Kampf ansagen. Genau da sollten wir aus den großen Städten und Ballungszentren nicht nur verbal und auf Insta-Storys den Hut ziehen, sondern anschließen.«