Freiheitsstrafe auf Bewährung – Mit Farbe und Fäusten: Rechtsextremist gibt in Grimma vor Gericht alles zu

Volksverhetzung, Nazischmierereien und Körperverletzung: Das sind nur einige der Straftaten, für die ein Wurzener am Amtsgericht in Grimma verurteilt worden ist. Der Mann hat keinen Schulabschluss und steht unter Betreuung.

Im Mai 2020 hinterließ der damals 26 Jahre alte Lucas Z. in seiner Heimatstadt Wurzen eine Spur rechter Schmierereien. Hakenkreuze, das Wort „Nazikiez“ sowie in der rechtsextremen Szene verbreitete Buchstaben- und Zahlencodes sprühte er auf Hausfassaden, an einen Supermarkt und an die Geschäftsstelle des Kreisverbandes der Partei Die Linke.

Sieben derartige Vorfälle listet die Staatsanwaltschaft auf. Nur zwei davon spielen während des Prozesses gegen den 30-Jährigen am Amtsgericht in Grimma eine Rolle. Die anderen Vorwürfe werden fallen gelassen. Nicht, weil sie nicht zu beweisen sind, sondern weil die dafür zu erwartende Strafe nicht ins Gewicht fallen würde.
Bierflasche an den Kopf geworfen

Denn Z., der nur Förderschulen besuchte und weder Schulabschluss noch Ausbildung besitzt und dem seit über einem Jahrzehnt ein gerichtlich angeordneter Betreuer zur Seite steht, sitzt in Grimma nicht nur wegen rechtsextremer Schmierereien vor Gericht. Sondern auch wegen Volksverhetzung, Gewaltverherrlichung, Sachbeschädigung, Störung des öffentlichen Friedens, Bedrohung, Beleidigung sowie versuchter und vollendeter gefährlicher Körperverletzung.

Die gewaltsamste Tat ereignete sich in einer Kleingartenanlage in Lobstädt (Gemeinde Neukieritzsch). Dort warf er Ende April 2023 einer Frau eine Bierflasche an den Kopf. Vorausgegangen waren reichlicher Alkoholgenuss, eine verbale Auseinandersetzung und nach der Schilderung des Angeklagten ein Missverständnis. Die Frau trug eine schwere Kopfverletzung davon.

Whatsapp-Post verunglimpft Anne Frank

Die abscheulichste Tat war ein Post innerhalb einer Whatsapp-Gruppe. Die trug den bezeichnenden Namen „Geburtstagssuff“. Dass unter den 30 Mitgliedern auch Minderjährige waren, will Lucas Z. nicht gewusst haben.

Für die könnte sein Post besonders verstörend gewesen sein: Er verschickte ein Porträt des von den Nazis getöteten und wegen ihres Tagebuchs bekannten jüdischen Mädchens Anne Frank, das auf eine Pizzaschachtel mit der Aufschrift „Ofenfrische“ montiert war.

Ähnlich schlimm ein zweiter Post: ein Bild verstümmelter menschlicher Körper, auf dem der markante Schriftzug einer Spielzeugmarke geschrieben stand.

Attacke mit altem Öl

Der Angeklagte gibt alle Taten zu, die nach Streichung mehrerer Anklagepunkte Gegenstand des Prozesses bleiben. Seine Beweggründe für die Nazischmierereien will er nicht verraten. „Das war dumm“, murmelt er lediglich. Im Zusammenhang mit einem anderen Vorwurf gibt er wenig später jedoch einen deutlichen Hinweis auf seine Gesinnung.

Gleich dreimal soll er das Mitmachcafé des in Wurzen ansässigen Netzwerkes für Demokratische Kultur (NDK) beschmiert haben. Zwei Attacken werden nicht weiter verfolgt. Den dritten Anschlag gibt er zu: Es sei altes Öl gewesen, das er auf Fenster und Tür verteilt habe. Warum, will die Richterin wissen.

„Um zu zeigen, dass wir da sind und die hier nicht wollen. Weil es Zecken sind“, lautet die unmissverständliche Antwort.

Angriff auf Medienvertreter

Seinem Hass gegen Linke war auch eine versuchte Körperverletzung am Rande einer sogenannten Montagsdemonstration zuzuschreiben. Er versuchte, auf den Begleiter einer Pressevertreterin einzuschlagen. Polizisten stießen ihn weg. Er unternahm einen zweiten Versuch, diesmal brachten die Polizeibeamten ihn zu Boden, bevor sein Schlag treffen konnte.

„Leute von der Antifa“ seien das gewesen, begründet Lucas Z. seinen Angriff. Die seien schon wochenlang „zu unseren Demos gekommen“.

Nicht nur Linke gehören offenbar zu den Feindbildern des 30-jährigen Wurzeners. Auch Polizisten sind ihm zuwider. Auf einer Himmelfahrtsfeier in einem Dorf nordwestlich von Wurzen rief Z. durchs Megafon Bedrohungen und Beleidigungen aus dem Fenster:

„Bullenschweine, ich brenne euer Haus nieder“, lautete eine davon. Dass im Haus gegenüber tatsächlich ein Polizist wohnte, „der sich angesprochen fühlte“, will der Angeklagte nicht gewusst haben.

Dafür weiß er offenbar, dass er unter Alkohol zu gewaltsamen Ausbrüchen neigt. In derartigem Zustand hat er vor zwei Jahren eine Frau heftig beleidigt, sie mit einer geworfenen Bierflasche knapp verfehlt und dann getreten. Am selben Abend trat er eine Tür ein und drohte einem anderen, ihn krankenhausreif zu schlagen. Er trinke jetzt weniger, behauptet Lucas Z.

Angeklagter bekommt Bewährung

Glaubt man der Anklage, währte die rechtsextremistische, kriminelle Phase des Angeklagten nur bis zu den Attacken auf das NDK im August 2023. Seitdem liege bis jetzt nichts mehr gegen ihn vor.

Staatsanwaltschaft und Richterin werten das als Zeichen einer positiven Entwicklung zu seinen Gunsten, ebenso wie sein Geständnis. Womöglich deswegen muss er nicht gleich ins Gefängnis, bekommt drei Jahre Bewährung.

Für die schwereren Straftaten verhängt das Gericht eine Freiheitsstrafe von zwölf Monaten, ausgesetzt auf drei Jahre zur Bewährung. Lucas Z. muss außerdem 150 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten und dem Gericht jeden Wohnungswechsel melden.

Den Rest ahndet das Gericht mit Geldstrafen. Insgesamt muss Z. 280 Tagessätze zahlen. Weil er nur von Sozialleistungen lebt, beträgt der Tagessatz lediglich acht Euro.