Erfahrungsbericht vom 22.5. auf der Eisenbahnstraße

Wir folgten dem Aufruf, uns unangemeldet im rabet zu versammeln, um gegen den geplanten Schweinestall an der Ecke Herrmann-Liebmann/Eisi zu demonstrieren. Es sollte ein kollektiver Ausdruck der von uns und unseren Nachbar*innen geteilten Wut auf die Polizei sein.

Vom Aldi-Parkplatz ging es relativ schnell mit knapp 50 vermummten Anwohner*innen zur anvisierten Immobilie der Leipziger Polizei. Ein paar Rauchtöpfe und jede Menge Steine und Farbe später herrschte auf der Kreuzung und vor allem an der Glasfassade absolutes Chaos. Gaffende, teils jubelnde Passant*innen, brennende Mülleimer und mindestens zwei Mobs, die sich in unterschiedliche Richtungen weiter bewegten. Einige zurück ins Rabet und einer noch um die Ecke in die Hildegardstraße bzw. Konradstraße. Auf dem Weg werden weitere, teilweise brennende Barrikaden errichtet und ein Vonovia-Auto hat den Frust von ein paar seiner Mieter*innen abbekommen. Ab dem Eingang zum Rabet oder schon kurz davor tauchte dann die erste Wanne auf. Diese hatte direkt das Ziel alle Vermummten über den Haufen zu fahren und hat es auch fast geschafft. Die vereinzelten Würfe und Barrikaden waren an der Stelle zu schwach um die Wanne zu vertreiben und stattdessen haben wir uns in den Park jagen lassen, wo dann auch eine Person festgenommen wurde.

Erfahrung mit dem Chaos

Für einige von uns und vor allem für viele Anwohner waren diese 10 Minuten eine selten erlebte Erfahrung von unkontrolliertem Raum. Der Mob eroberte selbstbewusst die Straße und entwickelte eine Eigendynamik, als es darum ging, wohin wir gehen wollten und was zu tun war. Hier gab es Räume für Menschen, um ein wenig Aufstand zu üben.
Die Scheiben der geplanten Wache sind völlig zerstört und ein großes „No Cops“ ziert eine der Seiten. Seit Montag steht das Haus wie ein Schandmal unübersehbar an der zentralen Kreuzung unseres Viertels.

Auf der Eisi gibt es zwar regelmäßig Demonstrationen, aber selten wilde Spontis. Dementsprechend gemischt waren auch die Reaktionen der Unbeteiligten. Spätestens als klar war, dass sich unsere wütende Intervention gegen die Polizei richtete, freuten sich die meisten aber sichtlich. Teilweise gab es Streit, wenn jemand die Barrikaden löschen wollte, und nachdem wir schon wieder weg waren, wurden immer noch Sachen gegen die Glasscheiben geworfen. Was wir immer wieder merken ist, dass wir mit vielen eine gewisse Freude am Aufstand und einen gemeinsamen Hass auf die Polizeibelagerung unseres Viertels teilen. Das zeigt sich immer wieder spontan, ob nach Hausbesetzungen, der Abschiebung 2019, Fußballspielen von Marroko oder jedes Jahr zu Silvester. Diese Verbindungen gilt es zu stärken.

Erfahrungen mit Unkontrollierbarkeit

Die Schweine haben in den vergangenen Wochen ihre Präsenz noch einmal verstärkt. Statt gelegentlicher Patrouillen und einiger groß angelegter Präsenzaktionen sind sie jetzt jeden Tag ununterbrochen mit mehreren Karren unterwegs. Tagsüber noch im „Freund und Helfer“-Kostüm oder als Fahrradbullen, aber je später es wird, desto mehr sind sie auf der Suche nach Opfern, um ihren rassistischen und sozialchauvinistischen Hass auszuleben. Auch wenn sie grade niemanden kontrollieren, ist ihre völlig übertriebene Streiferei die Quelle eines ständigen Überwachungsgefühls. Wir haben uns an den Anblick der Bullenschweine und das damit verbundene Gefühl der Ohnmacht gewöhnt.

Doch am Montagabend konnten wir dieses Gefühl für einen kurzen Moment ablegen und ihre Übermacht zumindest für einen Moment brechen. Wir haben ihr geplantes Prestigeprojekt sabotiert, trotz der auch an diesem Abend um die Ecke stationierten Wannen, und ein deutliches, öffentliches Zeichen gesetzt, dass sie eben nicht die totale Kontrolle haben.

Und das hat sie sichtlich geärgert. Bis spät in die Nacht waren der Park und die Kreuzung gesperrt. Die Spusi und ein Haufen Zivilfahrzeuge waren lange im Einsatz. Am nächsten Tag hatte man das Gefühl, die wollen jetzt beweisen, dass sie noch da sind und dass wir als Viertel nicht ungestraft davon kommen. Leider haben sie auch durch das wenig entschlossene Ende der Demo unsererseits eine Person erwischt und direkt eine Hausdurchsuchung angeordnet. Es tut uns leid, dass Du allein die Rache der Staatsmacht zu spüren bekommen hast. Das Ganze stellt schon eine neue Eskalationsstufe dar, indem sie versuchen, Menschen direkt einzuschüchtern, wenn sie es wagen, unangemeldet zu demonstrieren. Sie wollen den Preis für unkontrollierbares Verhalten erhöhen. Lassen wir das nicht zu. Räumt vor Spontis eure Bude auf (die sollte sowieso immer sauber sein) und lasst euch nicht vom Staat davon abhalten, das zu tun, was ihr wollt.

An den*die betroffene*n:
Du bist nicht allein, und sobald du unsere Solidarität benötigst, sei es vor Gericht oder finanzielle Unterstützung, werden wir dich nicht im Stich lassen.

An die Bullenschweine:
Ihr braucht in der Presse nicht so zu tun, als ob die Steine nicht ins Schwarze getroffen hätten. Ihr wisst genau – egal wo ihr am Ende eure Wache aufstellt, egal wie oft ihr durch den Kiez patrouilliert, wir werden immer wieder da sein, um euch die Scheiben einzuschmeißen.

An alle anderen:
Kommt am Samstag zur angemeldeten, friedlichen, bunten Nachbarschaftsdemo. Start ist um 15:00 im Rabet.
Haltet die Augen offen im Viertel und wehrt euch gegen die Schweine. Es gibt viele Patrouillen und stationäre Ziele. Es gibt viel zu tun, um zu vernetzen und zu informieren.

Verbinden wir uns!
Ob friedlich oder militant – wichtig ist der Widerstand!