Spendendinner von Michael Kretschmer – Teures Tafeln mit dem Ministerpräsidenten

Leipzig: Nicht nur Jens Spahn, auch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer ließ sich auf ein ominöses Spendenessen für die CDU ein. Darüber reden will seine Partei so wenig wie möglich.
Als Jens Spahn, damals Bundesgesundheitsminister, im Oktober 2020 nach Leipzig reiste, um bei einem Spendendinner Geld für seine CDU einzusammeln, war die Empörung groß: Morgens hatte er noch im ZDF alle dazu aufgerufen, sich beim Feiern zurückzuhalten, um sich nicht mit Corona anzustecken. Abends traf er sich dann selbst mit einem guten Dutzend Leuten – ohne Schutzmaske, wie der SPIEGEL kürzlich mit einem Foto der Veranstaltung zeigte
.
Dagegen ging die eigentliche Affäre ein wenig unter: dass sich einige sächsische Geschäftsleute offenbar die Nähe zum CDU-Präsidiumsmitglied Spahn erkauften, mit einer Spende an seinen Kreisverband – noch dazu in Höhe von jeweils 9900 Euro, also knapp unter der Grenze, ab der Spendernamen öffentlich gemacht werden müssen. Die liegt bei 10.001 Euro im Jahr.
Geld für Nähe – dass das in der Politik einen Beigeschmack hat, gilt spätestens seit der »Rent-a-Rüttgers«-Affäre als ausgemacht. Die nordrhein-westfälische CDU hatte 2010 mit sogenannten Partner-Paketen um Sponsoren für ihren Parteitag geworben. Gegen Aufpreis sollte auch ein »Einzelgespräch« mit CDU-Landeschef und Ministerpräsident Jürgen Rüttgers möglich sein. Hendrik Wüst, damals NRW-Generalsekretär, inzwischen selbst Ministerpräsident, trat deshalb zurück.
Nun kommt heraus, dass sich ein weiterer Regierungschef in jene Grauzone begeben hat, in der Geld in Zugänge umgemünzt wird, von Menschen, die es sich leisten können. Auch Ministerpräsident Michael Kretschmer hat im Dezember 2018 an einem exklusiven Spendenessen teilgenommen.
Veranstalter wie bei Spahn: der Chef einer Leipziger PR-Agentur. Die Gäste waren nach SPIEGEL-Informationen sächsische Unternehmer, auch das wie bei Spahn. Illegal war das nicht, aber wie die Landes-CDU auf mehrere Anfragen dazu reagiert, zeigt schon, dass man die Sache offenbar lieber geheim gehalten hätte.
Dem Geld nachgelaufen?
Der Agenturchef, der die Spender für Kretschmer heranschaffte, ist der ehemalige sächsische und thüringische Regierungssprecher Peter Zimmermann. Er war 2013 in die Privatwirtschaft gewechselt und 2016 in die PR-Firma, die damals Westend Communication hieß und sich später in Wolffberg Management Communication umbenannte.
Für Kunden, aber auch für Journalisten und Lokal-Promis veranstaltet Zimmermann regelmäßig unter dem Namen »Brückenkopf-Salon« einen privaten Talk mit einem Stargast des Abends. Manchmal allerdings wird der Kreis kleiner, exklusiver, diskreter, so wie bei Spahn, und »gelegentlich«, so bestätigt Zimmermanns Anwalt, schlage Zimmermann vor, für den Gast des Abends zu spenden, was aber keine Bedingung sei.
So hatte es Zimmermann zum Spendendinner mit Spahn wissen lassen. Neu ist allerdings, dass auch Kretschmer zu denen gehörte, die dem Geld nachliefen, und sich offenbar für Spenden mit Zimmermanns Buddys an einen Tisch setzte.
Der SPIEGEL hatte die Sachsen-CDU erstmals vor zweieinhalb Wochen danach gefragt. Auslöser war ein Hinweis auf ein vorweihnachtliches Menü mit Kretschmer, angeblich dasselbe »Format« wie bei Spahn, zehn bis zwölf Personen, auch hier hätten die Spenden alle knapp unter der Meldegrenze gelegen, bei 9900 Euro.
Allerdings ging der SPIEGEL von einem Termin kurz vor Weihnachten 2019 aus und fragte deshalb nur den Zeitraum ab Sommer 2019 ab. Der Sprecher der CDU zeigte sich ahnungslos, verwies auf ein Fest der PR-Agentur im Mai 2019, mit dem sie ihre Umbenennung gefeiert habe. Auch das war zwar noch vor statt im Sommer 2019 oder später, aber aus CDU-Sicht unbedenklich: Damals waren mehr als 100 Gäste des öffentlichen Lebens dabei, und um eine Spendenveranstaltung handelte es sich ganz offensichtlich nicht.
Ende der Durchsage
Auf Nachfrage, ob nicht zusätzlich noch ein Spendenessen in diesem Zeitraum stattgefunden habe, antwortete Kretschmers CDU dann: »Nein, es hat keine solche Veranstaltung gegeben.« Erst als der SPIEGEL daraufhin nach einem möglichen Spendenessen mit Kretschmer im Jahr 2018 fragte, kam stumpf die Bestätigung aus der Parteizentrale: »Im Dezember 2018 gab es eine Spendenveranstaltung für die CDU Sachsen, deren organisatorische Durchführung durch die Agentur Wolffberg erfolgte. Angaben zu einzelnen Spendern oder zur exakten Spendensumme können aus Gründen des Datenschutzes nicht gemacht werden. Veröffentlichungspflichtige Spenden sind im Rechenschaftsbericht der CDU Deutschlands einsehbar.« Und damit Ende der Durchsage.
Die CDU konnte vor der Landtagswahl im September 2019 Geld gut gebrauchen, und Kretschmer machte dafür Zimmermanns Kunden und Freunden seine Aufwartung. Die dankten offenbar mit Spenden unter der Meldegrenze, daher tauchten sie im CDU-Rechenschaftsbericht nicht auf.
Ob auch in diesem Fall Agenturchef Zimmermann den Einladungen Einzugsermächtigungen über 9900 Euro für die sächsische CDU beigelegt hatte wie bei Spahn, lässt die CDU ebenso unbeantwortet wie die Frage, von wem der Anstoß zu dem Spendenessen kam, ob das Geld vorher oder nachher einging und wie viel insgesamt zusammenkam.
Auch Zimmermann will dazu diesmal nichts sagen. Er verweist darauf, dass es »nicht anrüchig oder gar illegal« sei, wenn solche Veranstaltungen »im Einzelfall auch für die Akquise von Spenden für das Anliegen des jeweiligen Gastes mitgenutzt werden«. Es sei auch das gute Recht eines Spenders, unter der Grenze zu bleiben, ab der die Namen veröffentlicht werden müssten. Schließlich sei das gesetzlich so vorgesehen, und Parteispenden seien ein »wichtiger Beitrag für den demokratischen Prozess«.
Dass nichts Anrüchiges dabei sein soll, es vielmehr ein wichtiger Beitrag für den demokratischen Prozess sein soll, wenn unbekannte Spender das Ohr des Regierungschefs gewinnen und die Meldepflicht offenbar systematisch vermieden wird, sehen die Grünen im Landtag offenbar anders. Sie haben eine Kleine Anfrage gestellt, welche Mitglieder der Landesregierung seit 2017 in exklusiven Zirkeln bei Agenturchef Zimmermann aufgetaucht sind und unter welchen Umständen. Die Antwort steht noch aus.
——————————————————————————
Jürgen Dahlkamp 26.09.2025
Affäre in Sachsen – Spendendinner als Dankeschön für Regierungsaufträge?
Eine PR-Firma erhielt lukrative Aufträge der sächsischen Landesregierung. Dann organisierte sie das umstrittene CDU-Spendendinner mit Ministerpräsident Kretschmer. Nun drängen sich Fragen auf.
Ein Abendessen mit Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) in diskreter Runde bekommt zusätzliche Brisanz. Das Treffen, mit dem Kretschmer Spenden von Unternehmern für die Landes-CDU einsammelte, fand im Dezember 2018 statt.
In den Monaten zuvor hatte eine PR-Agentur, die das Essen organisierte und die Spender heranschaffte, zwei Aufträge der Landesregierung erhalten, Gesamtsumme: 73.875 Euro.
Der zweite Teilauftrag, 47.600 Euro, stammte dabei aus dem November 2018, nur einen Monat vor dem Spendenessen. Hinzu kam ein dritter Auftrag 2020, nach dem Dinner.
Alle drei Aufträge hat der Landesrechnungshof in seinem Jahresbericht 2023 gerügt, mal weil gegen Vergaberichtlinien verstoßen worden sei, mal weil das Land die Rechnung bezahlt habe, ohne dass klar gewesen sei, was dafür geleistet worden war.
Besonderes Vertrauensverhältnis
Die Aufträge kamen aus dem CDU-geführten Innenministerium unter dem damaligen Minister Roland Wöller. Ende August 2018 schloss sein Haus laut Rechnungshof einen Beratervertrag mit der Leipziger PR-Agentur Westend Communication ab, die sich später in Wolffberg Management Communication umbenannte. Geleitet wird sie bis heute von Peter Zimmermann, einst Regierungssprecher sowohl in Sachsen wie auch in Thüringen. Zimmermann richtete das Spendendinner mit Kretschmer aus.
Beim ersten Auftrag aus dem Innenministerium ging es um eine Beratung zur Medienkommunikation. Minister Wöller stand wegen diverser Vorgänge öffentlich unter Druck. Der Job der PR-Agentur war auf vier Wochen beschränkt und sollte mit 26.275 Euro dotiert sein. Eine Ausschreibung gab es nicht, der damalige Innenstaatssekretär vermerkte zur Begründung, dass es zwischen Zimmermann und Wöller nun mal ein besonderes Vertrauensverhältnis gebe und die Sache dringend sei.
Laut Rechnungshof verstieß das Ministerium damit gegen den Grundsatz, dass das Land bei freihändiger Vergabe mindestens drei Bewerber auffordern solle, ein Angebot abzugeben. Auch die Pflicht zur Dokumentation, wie es zu der Vergabe kam, habe das Ministerium verletzt.
Gezahlt ohne Leistungsnachweis?
Im November 2018, kurz vor Kretschmers Spendendinner, kam die PR-Agentur erneut mit dem Innenministerium ins Geschäft. Diesmal sollte sie unter anderem ein Konzept für die externe Kommunikation schreiben. Zwar gab es nun immerhin eine »Beschränkte Ausschreibung« mit einem Teilnehmerwettbewerb.
Als sich daraufhin aber laut Ministerium nur Westend/Wolffberg meldete, hätte das Ministerium nach Ansicht des Rechnungshofs prüfen müssen, ob es das Vergabeverfahren weiterführt. Was den Kontrolleuren bei ihrer Prüfung aufstieß:
»Insbesondere der Nachweis, dass das Beratungsunternehmen die vertraglich geschuldete Leistung erbracht hat, war nicht beigefügt.« Die Auszahlung habe deshalb »den haushaltsrechtlichen Vorgaben« widersprochen. Auch der dritte Auftrag eineinhalb Jahre nach dem Spendendinner, der direkt vergeben wurde, habe gegen das Recht verstoßen.
Damit drängt sich der Verdacht auf, dass es einen Zusammenhang gegeben haben könnte zwischen den offenbar hemdsärmeligen Regierungsaufträgen an die PR-Agentur und dem Abendessen mit Kretschmer, für das Agenturchef Zimmermann die Spender akquirierte und das privat bei ihm zu Hause stattfand. Bedankte sich Zimmermann für Aufträge aus dem CDU-geführten Innenministerium mit einem Spendenessen für die sächsische Union?
Die Landesregierung weist den Vorwurf zurück: Ohne konkret auf das Spendendinner einzugehen, heißt es grundsätzlich, staatliches Verwaltungshandeln – wie die Vergabe öffentlicher Aufträge – richte sich »nach rechtlichen Vorgaben, auf der Grundlage fachlicher Einschätzungen«.
Das sei strikt getrennt von politischen oder gesellschaftlichen Terminen – »ob Spendenveranstaltungen oder andere Formate«. Und weiter: »Die zeitliche Nähe zweier Vorgänge bedeutet nicht, dass es inhaltlich eine Verbindung gibt.«
Auch der Anwalt von Agenturchef Zimmermann sprach von »unzutreffenden Vermutungen«. Von möglichen Fehler der Landesregierung bei der Vergabe der Aufträge an Westend/Wolffberg habe man keine Kenntnis. Die Aufträge seien jedenfalls zur »Zufriedenheit des Auftraggebers« erfüllt worden.
Schließlich bestritt auch Ex-Innenminister Wöller, den Kretschmer 2022 entließ, jeden Zusammenhang zwischen Spendenaktion und Auftragsvergabe an die PR-Agentur:
»Von dem genannten Spendendinner hatte ich keine Kenntnis und war in keiner Weise an dessen Zustandekommen beteiligt«, teilte er mit.
Er habe keine Spenden veranlasst. Die Aufträge seien allein aus fachlichen Gründen an die PR-Agentur gegangen.