DHL-Blockade in Leipzig: Gerichte erwarten Urteil mit Signalwirkung

Nach der Blockade einer wichtigen Zufahrt auf dem Flughafen Leipzig/Halle liegen die meisten Verfahren an Amts- und Landgericht auf Eis. Alles wartet auf ein Urteil des Oberlandesgerichts.

War die Blockade einer Zufahrt zum DHL-Areal auf dem Flughafen Leipzig/Halle strafbar? Diese Frage hat nach LVZ-Informationen mittlerweile das Oberlandesgericht (OLG) in Dresden erreicht. Dort soll nun eine grundsätzliche Entscheidung getroffen werden, die Signalwirkung für mehr als 50 angeklagte Klima-Protestierer haben dürfte.

Vor mittlerweile vier Jahren, am späten Abend des 9. Juli 2021, hatten sich 54 Personen unweit der Bundesstraße B6 zu einer Sitzblockade niedergelassen. Die betroffene Ausfahrt aus einem Kreisverkehr führte zum Haupttor des Logistikunternehmens DHL. Eine Folge der mehrstündigen Aktion: Einige Lkw konnten ihre Fahrt dorthin nicht fortsetzen.

Die Aktivisten führten in jener Nacht, zumindest nach eigener Aussage vor Gericht, einen Kampf „gegen die Zerstörung unseres Planeten“. Laut Anklage der Staatsanwaltschaft ging es konkret um den Widerstand gegen eine geplante Erweiterung des Flughafens und die damit verbundene Ausdehnung der Nachtflugerlaubnis.

Verfahren am Landgericht liegen auf Eis

Unter den Blockierern waren auch zwei 24-jährige Frauen, die in dieser Sache am Mittwoch vor dem Landgericht Leipzig stehen sollten. In erster Instanz hatte das zuständige Amtsgericht Eilenburg beide Anfang Januar 2024 vom Anklagevorwurf der Nötigung freigesprochen. Ein Argument der Amtsrichter war, dass die Lastwagen im Kreisverkehr hätten weiterfahren können. Tatsächlich wurden sie später zu einem anderen Tor geleitet.

Gegen diesen und einen weiteren Freispruch des Amtsgerichts legte die Staatsanwaltschaft Berufung ein. Ursprünglich hatte die Anklagebehörde gleichlautende Strafbefehle gegen alle Beteiligten der Blockade mit Geldstrafen von 50 Tagessätzen wegen Nötigung ausgestellt. Weil die Beschuldigten das nicht akzeptierten, muss nun in mehreren Hauptverhandlungen entschieden werden.

Nachdem bereits die weiteren Prozesse in Eilenburg auf Eis gelegt wurden, hob jetzt auch das Landgericht Leipzig die Termine für Berufungsverhandlungen auf.

Der Grund: In einem Parallelverfahren mit identischem Sachverhalt hat die Staatsanwaltschaft auf eine Berufung verzichtet und gegen ein Urteil des Eilenburger Amtsgerichts vom März dieses Jahres eine sogenannte Sprungrevision zum OLG eingelegt. Entschieden wird damit gleich von der in diesem Falle letzten Instanz.

Wegen der zu erwartenden Strahlkraft dieses Urteils schaut nun alles nach Dresden, bevor in Eilenburg und Leipzig weiterverhandelt wird.

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Andreas Debski 22.06.2025

DHL-Blockade in Leipzig: Linke-Chef Böhme muss nicht vor Gericht

Die Staatsanwaltschaft hat das Verfahren gegen den Politiker nach knapp vier Jahren eingestellt. Klimaaktivisten hatten am Flughafen Leipzig/Halle protestiert.

Dem Leipziger Linke-Politiker Marco Böhme konnte im Zusammenhang mit der DHL-Blockade von „CancelLEJ“ kein Gesetzesverstoß nachgewiesen werden. Die Staatsanwaltschaft Leipzig hat deshalb das Ermittlungsverfahren gegen den 35-Jährigen eingestellt. Böhme war Beihilfe zur Nötigung und ein Verstoß gegen das Versammlungsgesetz vorgeworfen worden.

Am 9. Juli 2021 hatten Klimaaktivisten am späten Abend eine Zufahrt am Flughafen Leipzig/Halle blockiert, die unter anderem zum Frachtdrehkreuz von DHL führt. Die Beteiligten wollten seinerzeit gegen den Ausbau des Flughafens protestieren und auf den Kohlendioxid-Ausstoß aufmerksam machen. Auf Nachfrage der Polizei hatte der damalige Linke-Landtagsabgeordnete Böhme eine Kundgebung angemeldet.

„Kleiner Freispruch“ für Leipziger Linke-Politiker

„Im Ergebnis der durchgeführten Ermittlungen kann dem Beschuldigten gegenüber der für eine Anklageerhebung erforderliche Tatnachweis nicht geführt werden“, begründet die Staatsanwaltschaft die Verfahrenseinstellung. Die Akte wurde demnach bereits Mitte Mai geschlossen.

In der rechtlichen Praxis wird eine solche Verfahrenseinstellung häufig als „kleiner Freispruch“ bezeichnet. Eine direkte Beteiligung an der Blockade selbst habe nicht vorgelegen, wird zudem auf Nachfrage von Leipziger Volkszeitung und Sächsischer Zeitung erklärt.

„Ich habe weder gegen Gesetze verstoßen, noch den Protest mitorganisiert. Ich war vor Ort und habe als Landtagsabgeordneter das Geschehen beobachtet“, stellt Böhme klar. Dennoch habe die Staatsanwaltschaft gegen ihn „ermittelt und ausgewertet, wie ich – in Ausübung meiner Abgeordnetentätigkeit – zum Protestort angereist und von dort wieder abgereist bin“. Erst auf Bitte der Polizei habe er eine Kundgebung angemeldet, damit es für sie einen Ansprechpartner gab.

Höhere Instanzen müssen noch über Aktivisten entscheiden

Laut Böhme, der in der vergangenen Woche zum neuen Co-Landesvorsitzenden der sächsischen Linken gewählt wurde, erfolgte die Verfahrenseinstellung erst auf Nachfragen seines Rechtsanwaltes. „Die Staatsanwaltschaft hat auch nie beantragt, meine Immunität als Abgeordneter aufzuheben“, erklärt Böhme. Der Leipziger war von 2014 bis 2024 Landtagsabgeordneter.

Die Staatsanwaltschaft Leipzig hat im Zusammenhang mit der DHL-Blockade 27 Verfahren mit insgesamt 54 Beschuldigten vor Gericht gebracht. Bislang gibt es noch keine rechtskräftige Verurteilung. Das Amtsgericht Eilenburg hat mittlerweile neun Angeklagte freigesprochen. Darüber hinaus hat das Gericht auch einen Erlass für einen Strafbefehl abgelehnt. Die Staatsanwaltschaft wirft den Beschuldigten Nötigung vor und will Geldstrafen erreichen.

Logistikriese hatte zunächst von Millionenschaden gesprochen

Ob die Freisprüche aus Eilenburg Bestand haben werden, steht noch nicht fest. Die Staatsanwaltschaft ist jeweils in Berufung beziehungsweise in eine sogenannte Springrevision gegangen.

Deshalb liegen die Verfahren nun beim Landgericht Leipzig und beim Oberlandesgericht Dresden. Im Fall des nicht erlassenen Strafbefehls wurde der staatsanwaltlichen Beschwerde stattgegeben und die Entscheidung an das Amtsgericht Eilenburg zurückverwiesen.

Der Logistikkonzern hatte damals von einem Millionenschaden an dem Frachtdrehkreuz gesprochen, sich später aber korrigiert und „lokal überschaubare Auswirkungen“ angegeben.

Mehrere Teilnehmende des Protestes waren zunächst auf Schadensersatz in Höhe von 84.000 Euro verklagt worden. Vor knapp zwei Jahren hatte das Unternehmen dann einen Vergleich angeboten, beispielsweise durch Naturschutz- und Aufforstungsarbeiten.

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Steffen Brost 18.03.2025

Amtsgericht Eilenburg: Dritter Freispruch für Klimaprotestler

Im Sommer 2021 blockierten 54 Mitglieder der Gruppe „Cancel Ausbau LEJ“ für mehrere Stunden die Zufahrt zum DHL-Frachtdrehkreuz am Flughafen Leipzig/Halle. Es kam zu Staus und Verspätungen. Wie im Vorjahr wurden weitere vier Klimaschützer nun vom Vorwurf der Nötigung freigesprochen. Was bedeutet das Urteil für die weiteren Verhandlungen?

Fast vier Jahre nach einer Blockade-Aktion am DHL-Frachtkreuz am Flughafen Leipzig/Halle ringt die Justiz noch immer um die strafrechtliche Bewertung. Nach den ersten zwei Verhandlungen und Freisprüchen im vergangenen Jahr kam es jetzt am Amtsgericht Eilenburg zur Verhandlung Nummer drei. Und auch diesmal sprach Richterin Carmen Grell alle vier Angeklagten der Gruppe, die sich „Cancel Ausbau LEJ“ nennen, vom Tatvorwurf der Nötigung frei.

Worum ging es?

Angeklagt waren vier Personen im Alter von 25 bis 30 Jahren. Sie hatten mit 50 weiteren Personen am späten Abend des 9. Juli 2021 eine Ausfahrt aus einem Kreisverkehr blockiert, die zum Terminal des Logistikkonzerns DHL am Flughafen führte. Dadurch konnten mehrere Lastwagen nicht pünktlich ihre geladene Fracht entladen. Erst später wurde ein zweites Tor geöffnet, wodurch die wartenden Lkw dann fahren und ihre Fracht abladen konnten.

Es kam laut DHL zu Verspätungen und einem Schaden in Millionenhöhe. Die Staatsanwaltschaft hatte allen Beteiligten in gleichlautenden Strafbefehlen Nötigung vorgeworfen, weil sie die Lkw an der Einfahrt gehindert hätten. Alle Beschuldigten legten Einspruch ein. Die Verfahren landeten vor Gericht.

Das sagt der Staatsanwalt

Der Staatsanwalt warf den vier Angeklagten vor, am besagten Abend die Zufahrt zum DHL-Frachtkreuz um 22.15 Uhr blockiert zu haben. Die Folge war, dass sich der gesamte Lkw-Verkehr über die Zufahrt und die nahe Bundesstraße 6 in Richtung Schkeuditz anstaute, weil ein Wenden der Fahrzeuge im Kreisverkehr aus Sicht der Staatsanwaltschaft nicht möglich war.

Gegen Mitternacht stauten sich die rund 70 wartenden Fahrzeuge bis zum Bahnhof Schkeuditz. Dadurch gab es erheblichen Verzug bei der Lkw- und Flugabfertigung. Der Staatsanwalt ordnete den entstandenen Schaden der Betriebsablaufstörung bei rund 400.000 Euro ein.

Die Angeklagte schwiegen

Die zwei angeklagten Frauen und zwei Männer hatten sich entschieden, sich schweigend zu verteidigen. Eine Teilnahme an der Demonstration stellten sie jedoch nicht infrage. Lediglich die Verteidiger der Angeklagten machten Aussagen zum Verlauf. Sie gaben an, dass das Logistikunternehmen DHL im Nachhinein einen Vorschlag zur Wiedergutmachung des Schadens machte.

Das sollte über Arbeitsstunden geschehen. Im Gegenzug wolle das Unternehmen auf Geldforderungen verzichten, wenn man sich für den außergerichtlichen Vergleich entscheidet. „Fest steht, dass DHL nicht ohne weiteres auf einen Schaden, der von ihnen in Millionenhöhe angegeben wurde, einfach so verzichtet. Der Schaden war definitiv deutlich geringer als angegeben“, stellte eine Verteidigerin fest.

Zeugen bestätigten Vorgänge

Ein als Zeuge geladener Lkw-Fahrer bestätigte die Vorgänge an der Zufahrt zu DHL. „Ich hatte Fracht auf dem Hänger. Als ich am Kreisverkehr bei DHL auf das Gelände fahren wollte, sprangen plötzlich die Klimaaktivisten in weißen Anzügen und Warnwesten vor mein Fahrzeug und hinderten mich an der Weiterfahrt. Irgendwann kam jemand von DHL und erklärte, dass man ein Nottor öffnen wolle, wodurch wir dann später auf das Gelände gelangen können“, sagte der Lkw-Fahrer aus.

Das dauerte bis gegen Mitternacht. Den Ablauf bestätigten auch die beiden Polizisten, die im weiteren Verlauf der Nacht die Demonstranten zur Identitätsfeststellung mit auf das Revier nehmen mussten, weil sie sich vor Ort weigerten, ihre Personalien anzugeben.

Rechtsanwälte forderten Freispruch

Alle vier Rechtsanwälte sahen den Tatvorwurf der Nötigung als nicht gegeben an und beantragten Freispruch ihrer Mandanten. Nach kurzer Beratung sprach Richterin Carmen Grell alle vier Angeklagten vom Vorwurf der Nötigung frei. „Die Verhandlung hat gezeigt, dass die Lkw-Fahrer durchaus hätten weiterfahren können. Das erfüllt aus meiner Sicht nicht den Tatbestand einer Nötigung. Die Dauer des Protestes waren anderthalb Stunden. Eine strafrechtliche Verfolgung ist aus meiner Sicht nicht notwendig“, so die Richterin.

Wie geht es jetzt weiter?

Ruben Franzen, Pressesprecher des Amtsgerichtes Eilenburg, ordnete das Urteil wie folgt ein. „Es bleibt erstmal abzuwarten, ob die Staatsanwaltschaft auch nach dem dritten Freispruch Berufung oder Revision einlegt. Dann ist das Landgericht aufgerufen, Stellung zu beziehen und die anhängigen Verfahren zügig zu behandeln, um früher oder später eine Entscheidung einer höheren Instanz zu erlangen. Wie und wann es dann mit den Verhandlungen beim Amtsgericht weitergeht, bleibt abzuwarten“, sagte Franzen.