„Tag X”-Krawalle in Leipzig: Ex-Grünen-Stadtrat Kasek wegen Verleumdung angeklagt

Nach Ausschreitungen beim linksradikalen „Tag X“ in Leipzig sorgte der damalige Grünen-Stadtrat Jürgen Kasek mit ein paar Tweets für Aufsehen. Im Zentrum seiner Vorwürfe: ein Leipziger Staatsanwalt. Nun landete der Politiker auf der Anklagebank.
Exakt 17 Tage nach den linksradikalen Krawallen beim „Tag X“ in Leipzig postete Jürgen Kasek (44) etwas, das ihn wieder einmal auf die Anklagebank brachte. Dem früheren Leipziger Grünen-Stadtrat wird Verleumdung zur Last gelegt. Der ebenso umstrittene wie reichweitenstarke Kommunalpolitiker habe einen Staatsanwalt, so der Vorwurf der Anklagebehörde, als „Agent Provocateur“ dargestellt – jemand, der Straftaten provoziert habe. Zum ersten Verhandlungstermin am Mittwoch vor dem Amtsgericht legte der Beschuldigte wortreich dar, wie es dazu kam.
Kasek war an jenem 3. Juni 2023 Leiter einer Versammlung im Süden der Stadt. Als Reaktion auf die Verurteilung von Mitgliedern der linksextremistischen „Hammerbande“ um die Leipziger Studentin Lina E. war in der linken Szene bundesweit für einen „Tag X“ geworben worden. Weil die Stadt Leipzig eine „unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit“ befürchtete, untersagte sie eine große Antifa-Demo.
Daher sei ein Aufzug für Versammlungsfreiheit angemeldet worden, so Kasek. Die Teilnehmer seien bunt gemischt gewesen – Personen im Outfit des Schwarzen Blocks, aber auch Familien und, so der Angeklagte, „Gruppen mit positiver Grundeinstellung zu Sozialismus und Kommunismus“. Er schilderte, dass die Polizei die Versammlung umschlossen und es Ausbruchsversuche aus dem Kessel gegeben habe. Bei den Ausschreitungen wurden Polizisten mit Steinen und Böllern beworfen, 18 Beamte erlitten Verletzungen.
„Was in der Nacht passiert ist, lässt mich nicht los“
„Ich habe die Versammlung aufgelöst, wollte als Vermittler mit der Polizei agieren“, so der Jurist. Bis in die Nacht hätten ihn Eltern von festgesetzten Demo-Teilnehmern angerufen, „die nicht wussten, wo ihre Kinder sind“. Es habe Vorwürfe von Stadt und Polizei gegen ihn gegeben. Aus der linken Szene seien Anschuldigungen erhoben worden, die Versammlung sei eine Falle gewesen.
Später tauchten auch noch Medienberichte auf, wonach die Polizei verdeckte Ermittler in die Versammlung eingeschleust habe. „Was in der Nacht passiert ist, lässt mich nicht los“, erklärte Kasek zum Prozessauftakt.
Erklärt all das, was der stadtbekannte Grüne dann gut zwei Wochen später, am Abend des 20. Juni twitterte? Ausgangspunkt war die Aufnahme von zwei Vermummten, die sich rasend schnell auf Twitter (heute X) verbreitete.
Nach Angaben der Polizei handele es sich um eine Kriminalbeamtin und einen Staatsanwalt, teilte ein Journalist dort mit. Doch während der Reporter die maskierten Behördenmitarbeiter „am Rande des Kessels“ verortete, versah Kasek deren Einsatzort mit etwas mehr Brisanz: „Mitten im schwarzen Block dabei, der für die Eskalation sorgte ein Staatsanwalt“ (Interpunktion im Original).
Überliefert sind weitere Twitternachrichten des Juristen, etwa: „Der ermittelnde Staatsanwalt, der mutmaßlich die Reihe von rechtswidrigen Maßnahmen zum Leipziger Kessel festlegte, begab sich vorher vermummt im Schwarzen Block Outfit in die Versammlung, die wegen Vermummung aufgelöst wurde…“
Staatsanwaltschaft: Bewusst wahrheitswidrige Aussagen
Kasek bezeichnete seine Tweets als „Meinung in pointiert zugespitzter Art und Weise“. Er habe sich „verarscht gefühlt“. Alles spreche dafür, „dass sich der Staat die Eingriffsgrundlage selbst geschaffen hat“.
Die ermittelnde Staatsanwaltschaft Chemnitz sprach von bewusst wahrheitswidrigen Aussagen. Es sei dem Angeklagten darauf angekommen, das Handeln des Anklagevertreters als falsch darzustellen. Kasek sei es bekannt gewesen, dass die Versammlung beendet war, als sich der Staatsanwalt zu seinem Schutz maskiert habe, um sich in die Nähe der polizeilichen Einschließung begeben zu können. Das Justizministerium hatte die Maskierung damit erklärt, dass bei Ermittlungen zu politisch motivierter Kriminalität eine steigende Aggressivität und Gewaltbereitschaft gegenüber Mitarbeitern der Justiz festzustellen sei.
Kaseks Tweets hatten teilweise mehr als 180.000 Aufrufe. Bald tauchten der Name, der Wohnort und familiäre Verhältnisse des Staatsanwalts im Netz auf. Ein Grimmaer Sozialarbeiter retweetete ein Foto des Staatsanwaltes mit dem Hinweis: „Hier auch mal ohne Maske – falls er euch in den leeren Gassen Grimmas über den Weg läuft.“ Er wurde inzwischen zu einer Geldstrafe verurteilt.
Der Fall Kasek wird Anfang Juni fortgesetzt.