Großspende aus Leipzig: Wie sich die „Freien Sachsen“ finanzieren
Plakate, Fahnen, Wahlkampf: Die rechtsextremen „Freien Sachsen“ leben bislang vor allem von Spenden. Einer ihrer größten Gönner während der Corona-Pandemie war ein Leipziger Immobilienunternehmer.
Anmerkung:
die LVZ möchte den Namen des Spenders verheimlichen, es ist Andreas Köngeter:
https://www.northdata.de/K%C3%B6ngeter,+Andreas,+Markkleeberg/1950
Laut dem Rechenschaftsbericht der Freien Sachsen für 2022 (Bundestag-Drs. 20/11910) nahm die Partei 2022 insgesamt 303.656,97€ ein (2021: 108.143,24€) und gab 2022 insgesamt 293.280,86€ (2021: 61.729,65€) aus.
LVZ: Als kleine Partei operierten die „Freien Sachsen“ lange mit kleinen Zahlen. 2021, im Jahr ihrer Gründung, nahmen sie vergleichsweise wenig Geld ein, rund 108.000 Euro. Der allergrößte Teil davon, mehr als 97.000 Euro, kam über Spenden. Kleinere Beträge waren das. Einzelspenden von mehr als 10.000 Euro, wie sie große Parteien zigfach in ihren Rechenschaftsberichten auflisten, gab es nicht.
Ein Jahr später änderte sich das. Die „Freien Sachsen“ waren zwar immer noch stark auf Spenden angewiesen, bestritten daraus weiter fast die Hälfte ihrer Jahreseinnahmen. Aber 2022 war auch das Jahr, in dem die Partei ihre bislang einzige bekannte Großspende erhielt: 14.000 Euro, so steht es im vom Bundestag veröffentlichten Rechenschaftsbericht der Partei. 14.000 Euro – das waren auf einen Schlag knapp zehn Prozent aller Spenden, die die „Freien Sachsen“ im ganzen Jahr 2022 einsammelten.
Orchestrierter Protest gegen Corona-Maßnahmen
Woher kam das Geld? Wer gab es einer Partei, die die Unabhängigkeit Sachsens von der Bundesrepublik fordert und die vom Verfassungsschutz des Freistaats wenige Monate nach ihrer Gründung als erwiesen rechtsextrem eingestuft wurde?
Rückblick ins Jahr 2022, in die Zeit der Corona-Pandemie: Anfang des Jahres gilt in Sachsen ein Lockdown. Unter anderem sind Restaurants und Freizeiteinrichtungen geschlossen, später greifen Regeln, wonach vor allem geimpfte Menschen Zugang bekommen. Die Partei „Freie Sachsen“ mit dem bekannten Rechtsextremisten Martin Kohlmann an der Spitze ist damals vor allem für die von ihr orchestrierten Proteste gegen die Corona-Maßnahmen bekannt. In manchen Orten Sachsens folgen ihr dabei Anfang 2022 regelmäßig einige Hundert Menschen.
Großspender nennt Zuwendung „einmaligen Vorgang“
Es ist eine Zeit, die ein Leipziger Immobilienunternehmer heute als „außergewöhnlich belastende Situation“ beschreibt. Belastet durch „erhebliche persönliche und wirtschaftliche Unsicherheit“, so schildert er es. Und es ist eine Zeit, in der der Mann etwas tut, das er heute einen „einmaligen Vorgang“ nennt: Er spendet insgesamt 14.000 Euro an die „Freien Sachsen“.
Diese Zeitung hat den Unternehmer mit seiner Spende konfrontiert. Er bestätigt sie zunächst schriftlich. „Gleichzeitig darf ich mich ausdrücklich von der Partei ‚Freie Sachsen‘ und deren Inhalten distanzieren“, schreibt er. Erst weit nach seiner Spende habe er sich mit den „allgemeinen politischen Ansichten“ der Partei auseinandergesetzt. Die Zuwendung würde er „aus heutiger Sicht natürlich nicht wiederholen“ und zutiefst bereuen.
Aber 2022 sei die Situation so gewesen: Er habe, schreibt der Unternehmer, die „einschränkenden Maßnahmen, insbesondere die 2G- und 3G-Regeln, als beängstigend“ empfunden und sich deshalb „von der kritischen Haltung der ‚Freien Sachsen‘ während der Corona-Pandemie angesprochen“ gefühlt.
Fürsprecher aus dem anerkannten Bürgertum gibt es kaum
Lockdowns und Maskenpflicht beschäftigten während der Pandemie alle. Manche politisierten die Maßnahmen auch – und einige schlugen sich auf die Seite von Extremisten. Sie demonstrieren mit Menschen, die sie vorher nicht von der Seite angeschaut hätten, eben etwa mit den „Freien Sachsen“. Öffentlich bekannte Fürsprecher aus dem anerkannten Bürgertum hatte und hat die Partei aber kaum.
Der Leipziger Immobilienunternehmer, dessen Vermögen sich Wirtschaftsdatenbanken zufolge auf mindestens 2,7 Millionen Euro belaufen soll, ist eine Ausnahme – und er bereut die Spende eigenen Worten nach inzwischen. Wie genau also blickt er heute darauf?
Mitte November 2024. Der Immobilienunternehmer ist zu einem persönlichen Gespräch in ein Café nahe dem Leipziger Zentrum gekommen. Mit dem, was er sagt, will er nicht direkt oder gar namentlich zitiert werden. Aber er will sich erklären, und was er erklärt, lässt sich so zusammenfassen: Er wolle nicht, dass hängen bleibe, er unterstütze Rechtsextreme oder sei gar selbst radikal. Nicht, wegen einer einmaligen Sache, die allein der Corona-Pandemie geschuldet gewesen sei.
Radikalität der „Freien Sachsen“ schon 2022 offenbar
Dazu muss man wissen: Auch 2022, als die „Freien Sachsen“ die Großspende aus Leipzig erhielten, war offenbar, wie radikal die Partei ist. Am Rande von Protesten der „Freien Sachsen“ wurden schon im Mai 2021 im erzgebirgischen Zwönitz Polizisten angegriffen. Anfang 2022 stürmten Menschen bei einer Demonstration das Gelände einer Psychiatrie in Leipzig. Die Polizisten im Freistaat nannte die Partei „Kretschmer-Milizen“ und sprach davon, man müsse im Land ganz unabhängig von Corona eine politische Wende herbeiführen. Im Januar 2022 stufte auch der Verfassungsschutz des Bundes die „Freien Sachsen“ als rechtsextremen Verdachtsfall ein.
Kann jemand, der in dieser Zeit einer solchen Partei 14.000 Euro spendet, all das übersehen haben?
Ablehnung der Pandemie-Maßnahmen als Hintergrund
Zeit, sich mit den „Freien Sachsen“ genauer zu beschäftigen, hatte der Spender aus Leipzig 2022 seinen Schilderungen nach nicht. Es sei ihm ausschließlich um Ablehnung der Pandemie-Maßnahmen gegangen. Wenn er übers Impfen und Schulschließungen spricht, regt er sich noch heute sichtlich auf. Wirtschaftliche Sorgen als Motiv seiner Spende, erwähnt er anders als in seinen schriftlichen Antworten auf die Fragen dieser Zeitung im Gespräch nicht.
Geschäftsdaten belegen, dass es dem Unternehmer zum Zeitpunkt seiner Spende wirtschaftlich gut gegangen sein dürfte. So hatte er in den Jahren zuvor etwa eine Gesellschaft zur Erschließung von Grundstücken im Leipziger Westen gegründet, die kurz darauf schon mehr als vier Millionen Euro Umsatz machte und die er bald verkaufte. In Finanzkreisen heißt es, eine seiner mittelständischen Makler-Firmen habe in guten Zeiten rund drei Millionen Euro pro Jahr umgesetzt.
Nach der Spende: Keine Hinweise auf weitere Kontakte
Zuletzt ist das Geschäft deutlich zurückgegangen. 2022 aber, im Jahr der Zuwendung an die „Freien Sachsen“, hat der Unternehmer – soweit das rekonstruierbar ist – Geld für alle möglichen Zwecke gespendet: an Sportvereine, Kunsthäuser, soziale Organisationen. Die „Freien Sachsen“ sind als Partei ganz offenbar eine Ausnahme. Zu der Partei selbst und zu den Akteuren hatte und hat der Unternehmer laut eigenen Angaben keinen persönlichen Kontakt. Die „Freien Sachsen“ äußern sich auf Anfrage nicht dazu. Hinweise auf Verbindungen zwischen dem Immobilienunternehmer und der Partei, die über die Spende aus 2022 hinaus gehen, haben die Recherchen dieser Zeitung nicht ergeben.
Dennoch ist die Spende des Mannes bis heute wichtig. Sie erreichte die „Freien Sachsen“ in einer Zeit, als ihre Strukturen im Aufbau waren. Es ist zwar nicht unüblich, dass Parteien sich über Spenden finanzieren und dass dabei auch Großspenden eine Rolle spielen. Erst vor wenigen Monaten gab ein Ehepaar aus Mecklenburg dem Bündnis Sahra Wagenknecht insgesamt fünf Millionen Euro. Und Spenden in sechsstelliger Höhe sind für schon länger etablierte Parteien üblich.
Spende erreichte rechtsextreme Partei in wichtiger Phase
Aber für neue Parteien, wie die „Freien Sachsen“ 2022 eine war, sind Spenden besonders wichtig. Denn: Parteien, die bei Wahlen noch keine Stimmen gesammelt haben, bekommen kein Geld aus der staatlichen Parteienfinanzierung. Immer wieder werben deshalb die „Freien Sachsen“ um Spenden, teilen vor allem im sozialen Netzwerk Telegram ihre Kontonummer.
Mit Blick auf die anderen bisherigen Einnahmequellen der Partei ist das nur logisch: Der Gewinn aus dem ebenfalls stark beworbenen Onlineshop der Partei hielt sich 2022 in Grenzen: Die „Freien Sachsen“ nahmen zwar rund 96.000 Euro über den Shop ein, gaben aber auch mehr als 80.000 Euro aus.
Die Fahnen, T-Shirts und Tassen, die man im Shop kaufen kann, dürften also bislang vor allem ein Marketinginstrument sein. Die Mitgliedsbeiträge der Partei sind zwar von 2021 auf 2022 erheblich gewachsen, brachten den „Freien Sachsen“ damit aber immer noch nicht einmal halb so viel Geld ein wie Spenden.
Inzwischen haben die „Freien Sachsen“ eigenen Angaben nach mehr Geld zur Verfügung. 2024, so sagte es Martin Kohlmann gegenüber der ARD-„Tagesschau“, liege das Gesamtbudget seiner Partei etwa bei einer Viertelmillion Euro. Aber erst jetzt, nach der sächsischen Landtagswahl im Herbst, wird sich an der vergleichsweise hohen Spendenabhängigkeit der Partei grundsätzlich etwas ändern. Einen Stimmenanteil von 2,2 Prozent erzielte die Partei bei der Wahl und hat damit nun Anspruch auf Gelder aus der Parteienfinanzierung. Sie dürfte eine beachtliche sechsstellige Summe bekommen.
Spenden bleiben für die „Freien Sachsen“ aber auch weiterhin relevant. Denn neben Wahlergebnissen bestimmen auch sie die Höhe der Parteienfinanzierung mit: Für jeden über Mitgliedsbeiträge und Spenden eingenommen Euro schießt der Staat 45 Cent zu.