„Sächsische Separatisten“: Mutmaßliche Rechtsterroristen arbeiteten für AfD-Abgeordneten

Der Leipziger Alexander Wiesner stand in engem Kontakt mit zwei Verdächtigen. Doch der AfD-Landtagsabgeordnete will von ihren Machenschaften nichts mitbekommen haben. Im Parlament werden unterdessen Sicherheitslücken gesucht.

Alexander Wiesner hat inzwischen gehandelt. Der AfD-Landtagsabgeordnete aus Leipzig versucht augenscheinlich, Distanz zu den Geschehnissen vom Dienstag herzustellen – Geschehnisse, die nicht nur in Sachsen für Schlagzeilen sorgten und ihm viel Aufmerksamkeit bescherten. Bei der Razzia gegen die mutmaßliche rechtsextremistische Terrorgruppe „Sächsische Separatisten“ war unter anderem sein Mitarbeiter Kurt Hättasch verhaftet worden. Wiesner, der völlig ahnungslos gewesen sei, habe ihm umgehend gekündigt, hieß es am Mittwoch aus der AfD-Fraktion.

Die Unruhe im Parlament ist dennoch nicht kleiner geworden. Bereits am Dienstagnachmittag waren Abgeordnete und Mitarbeiter anderer Fraktionen regelrecht aufgebracht über die Nachricht. Ein mutmaßlicher Rechtsterrorist mit einer direkten Verbindung in den Landtag ist selbst in Sachsen keine Alltäglichkeit. Eine zentrale Frage war: Hatte Hättasch eine Einlasskarte, mit der er ungehindert in das Parlamentsgebäude gelangen konnte? Ein Szenario, das man sich bei den Gewalt- und Umsturzphantasien der Gruppe nicht ausmalen mochte.

AfD-Landesvorstand schließt drei mutmaßliche Rechtsterroristen aus

Die Landtagsverwaltung gab am Mittwoch Entwarnung: „Kurt Hättasch war nicht Inhaber eines Hausausweises für den Sächsischen Landtag und hatte keinen unkontrollierten Zugang zum Parlamentsgebäude.“ Nach Auskunft der AfD-Fraktion arbeitete Hättasch ausschließlich für Wiesners Wahlkreisbüro. Auch Kevin R., ein weiterer Verdächtiger, soll bis Ende Oktober bei ihm angestellt gewesen sein, hat der Abgeordnete gegenüber der Landtagsverwaltung angegeben.

Auch ansonsten ist die Partei, die vom sächsischen Verfassungsschutz als rechtsextremistische Bestrebung eingestuft wird, um Schadensbegrenzung bemüht. Der Landesvorstand beschloss in einer eilig anberaumten Krisensitzung den sofortigen Parteiausschluss und den Entzug der Mitgliedsrechte von Hättasch, der für die AfD auch im Stadtrat von Grimma (Landkreis Leipzig) sitzt. Außerdem wurden die ebenso des Rechtsterrorismus verdächtigten Hans-Georg P. und Kevin R. aus der Partei geworfen. Letzterer engagiert sich gleichfalls für die AfD in der Kommunalpolitik.

Innenexperte fordert Schutz gegen Verfassungsfeinde

Der Beschluss erfolgte einstimmig – auch Wiesner, der Mitglied im Vorstand ist, votierte gegen seine Mitarbeiter. „Die AfD lehnt jegliche Form von Gewalt in der politischen Auseinandersetzung ab. Wer sich bewaffnet, die Nähe zu tatsächlichen Neonazis sucht und separatistische Fantasien befürwortet, hat in der AfD nichts zu suchen“, sagte der AfD-Landesvorsitzende Jörg Urban nach der Sitzung.

Dass Hättasch – und seine Gruppe – nun aufgeflogen ist, mag für einige ein Trost sein. Andere sind weiterhin alarmiert. „Für die Sicherheit des Landtags sind die Erkenntnisse rund um die ‚Sächsischen Separatisten‘ eine mehr als deutliche Mahnung“, sagte der Innenpolitiker Valentin Lippmann (Grüne). „Es wird eine der zentralen Aufgaben sein, die Sicherheit des Parlaments zu gewährleisten und es nach außen wie nach innen gegen Angriffe von Verfassungsfeinden zu schützen.“

Abgeordnetenmitarbeiter müssen Führungszeugnisse vorlegen

„Erschreckend, aber nicht verwunderlich“, nennt es die Linke-Abgeordnete Juliane Nagel, dass die AfD-Fraktion mittelbar durch die Razzia betroffen ist: „Die AfD hat sich radikalisiert und als größter Akteur der extremen Rechten offensichtlich Schnittstellen zum militanten Spektrum ausgebildet.“

Die Chance, dass Hättaschs Umtriebe dem Landtag frühzeitig hätten auffallen können, waren aber gering. Zwar werden die Angestellten der Abgeordneten von der Landtagsverwaltung bezahlt. Damit Geld fließt, ist auch ein polizeiliches Führungszeugnis notwendig. Wenn aber eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter bislang nicht mit der Polizei in Konflikt geraten ist, gibt es keine weitere Hürde. Die Landtagsverwaltung will nun prüfen, ob „in Folge der aktuellen Vorfälle“ Änderungen etwa bei Zutrittsgenehmigungen möglich sind.

Verfassungsschutz sieht fehlende Distanzierung zur JA kritisch

Eine pauschale Abfrage beim Verfassungsschutz, inwieweit Mitarbeiter von Landtagsabgeordneten aufgefallen sind, ist weiterhin nicht vorgesehen. Der Nachrichtendienst warnt die Parlamentarier nicht mal, falls ihm eine extremistische oder anderweitige Gefahr bekannt ist: Das war beispielsweise im Fall des Europaabgeordneten Maximilian Krah (AfD) so, dessen Mitarbeiter Jian G. im Verdacht steht, ein chinesischer Spion zu sein.

Sachsens Verfassungsschutzpräsident Dirk-Martin Christian verwies gegenüber dieser Zeitung auf „strukturelle und strategische Verbindungen“ des AfD-Landesverbandes zu anderen gesichert rechtsextremistischen Akteuren: „Hierzu gehören insbesondere die im Freistaat unter dem Namen ‚Sachsengarde‘ auftretende Identitäre Bewegung, Pegida und die Compact-Magazin GmbH.“

Christian sieht außerdem kritisch, dass sich die sächsische AfD „bisher nicht einmal ansatzweise“ von ihrer Jugendorganisation Junge Alternative (JA) distanziert habe, die seit 2023 vom Verfassungsschutz als erwiesene rechtsextremistische Bestrebung eingestuft wird. „Diese fungiert vielmehr als zentrales Bindeglied zwischen der AfD und der jüngeren Generation“, erklärt der Behördenchef.

Denn Wiesner und zumindest Hättasch kennen sich nicht nur als Arbeitgeber und Angestellter, sondern eben auch aus der Jungen Alternative. Der Landtagsabgeordnete war JA-Kreischef und bis vor zwei Wochen auch Landesvorsitzender. Der mutmaßliche Rechtsterrorist fungiert als Schatzmeister. Auf Facebook bedankte sich Wiesner in einem Eintrag, der auch am Mittwoch noch zu lesen war, „für die schöne Zeit“ bei der JA.

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Bastian Raabe 06.11.2024

Razzia gegen Neonazi-Terrorgruppe endete ohne Festnahme in Wiedemar

Bei einer groß angelegten Razzia gegen die mutmaßlich rechtsextreme Terrorgruppe „Sächsische Separatisten“ war am Dienstag auch ein Grundstück im nordsächsischen Wiedemar durchsucht worden. Der Eigentümer des verlassenen Objekts kommt wohl nicht aus der Region.

Bei der bundesweiten Razzia gegen die mutmaßlich militante Neonazi-Gruppierung „Sächsische Separatisten“, die einen gewaltsamen Umsturz des Staates angestrebt haben soll, wurde auch ein Grundstück in Wiedemar durchsucht, das wohl in Zusammenhang mit den Aktivitäten der Gruppe steht. Während bei anderen, der rund 20 durchsuchten Objekte auch mutmaßliche Mitglieder der Vereinigung festgenommen wurden, blieb die Razzia in Wiedemar ohne Festnahmen. Das erklärte eine Sprecherin des Generalbundesanwalts am Mittwoch.

Am Dienstag hatten sich unter anderem Einheiten der Bundespolizei Zugang zu dem Gelände an der Hauptstraße in Wiedemar verschafft. Wonach die Einsatzkräfte gesucht haben und ob sie fündig geworden sind, dazu äußerte sich die Bundesanwaltschaft bisher nicht.

Eigentümer von durchsuchtem Grundstück wohl aus Süddeutschland

Laut Angaben aus Verwaltungskreisen soll der Eigentümer des Grundstücks aus Süddeutschland kommen. Ob und wie er in Zusammenhang mit der Terrorgruppe steht, ist bisher nicht bekannt. Nachbarn hatten berichtet, dass nur selten Personen auf dem Gelände waren.