Rechtsruck in Sachsen: Von Kampagne mürbe gemacht
Uni Leipzig: Nach Druck auf palästinasolidarische Gruppen wohl keine »Kritischen Einführungswochen«
Die »Kritischen Einführungswochen« (KEW) sind seit zehn Jahren eine wichtige, studentisch getragene Institution an der Universität Leipzig. Nun hat das diesjährige Organisationsteam bekanntgegeben, dass die KEW 2025 vermutlich nicht mehr stattfinden können. Als Grund werden Veranstaltungsverbote, die Auflösung von Veranstaltungen durch die Polizei und ein erstarkender Druck des Rektorats im Kontext eines gesamtgesellschaftlichen Rechtsrucks genannt. Die Uni Leipzig wehrt sich gegen jegliche Vorwürfe. Man wolle unter anderem Antisemitismus und Rassismus unterbinden, heißt es.
Konkret handelt es sich um Veranstaltungen von sich als kommunistisch und sozialistisch verstehenden Gruppen wie »Zora« und »Young Struggle«. Diese sollen auf Grundlage eines Beschlusses des Leipziger Studierendenrats (Stura) von 2022 keine Räume an der Uni erhalten, da sie aus ideologischen Gründen einer Förderung der Demokratisierung der Uni entgegenstünden.
Ein Passus, der auch ein antiimperialistisches Weltbild als antidemokratisch einstufte, wurde im Juli dieses Jahres zwar aus dem Beschluss gestrichen. Trotzdem erhielt auch die palästinasolidarische Gruppe »Students for Palestine Leipzig« keine Räume. Anträge für die Raumnutzung an der Uni müssen sowohl durch den Stura, als auch die Raumverwaltung der Universität bewilligt werden.
Die Einschränkungen gehen jedoch deutlich weiter. Teils wurden Räume erst im letzten Moment oder gar nicht bewilligt. »Wir sollten beispielsweise das Wort ›revolutionär‹ aus einem Veranstaltungstitel namens ›Revolutionäre Organisierung‹ streichen«, sagte ein Sprecher der KEW am Mittwoch gegenüber junge Welt. »Das ist ein klarer Beschnitt unseres Rechts auf freie Meinungsäußerung.« Betroffen waren in den vergangenen Jahren zudem Gruppen, die im Verfassungsschutzbericht erwähnt werden.
Dazu zählen die antifaschistische Gruppe »Copwatch« und die Klimaschutzgruppe »Ende Gelände«. Zwar haben die Organisatoren der KEW Verständnis dafür, dass diese Gruppen wegen ihrer Nennung im Bericht des Geheimdiensts nicht so einfach universitäre Räume erhalten. Trotzdem wünschen sie sich »eine widerständige Studierendenvertretung, die auch die Maßnahmen der deutschen Geheimdienste – besonders gegen konsequenten Antifaschismus in Ostdeutschland – kritisch hinterfragen würde«, so der Sprecher. Der Stura, die demokratische Studierendenvertretung, stellt sich nicht schützend vor die KEW. Entsprechend gut sei auch die Zusammenarbeit zwischen Uni und Stura verlaufen, äußerten beide Seiten gegenüber der jW.
Indessen kam es zu mehreren Vorfällen im Rahmen jüngsten »Kritischen Einführungswochen«. Gleich zu Semesterbeginn wurden Flyer auf dem Campus verteilt, die verschiedene Gruppen, darunter »Zora«, »Young Struggle« und »Students for Palestine«, sowie ihren angeblich antisemitischen und autoritären Charakter diffamierten.
Die Organisatoren einer Stadtführung des linken »Studierendenkollektivs« berichteten von körperlichen Angriffen und Beschimpfungen.
In der vergangenen Woche schrieb eine Gruppe Studierender und Mitarbeitender namens »Associazione Sapere Aude« einen Brief an den sächsischen Wissenschaftsminister Sebastian Gemkow (CDU). Darin wurde behauptet, die KEW würden Antisemitismus am Campus fördern, und man solle sie verbieten. Das Ministerium äußerte sich dazu bisher nicht.
Die KEW wollen sich in diesem feindlichen Klima jedoch nicht unterkriegen lassen. »Wir wollen uns von all dem bürokratischen Wirrwarr nicht ablenken lassen und den Spaltungsversuchen der beteiligten Gruppen in ›gut fürs Rektorat‹ und ›zu radikal fürs Rektorat‹ trotzen.«