Sonnwendfeier in Strahwalde mit Naziliedern und SS-Huldigung?
Nach Schilderung eines Augenzeugen zeigt eine Feier in Strahwalde klare Nähe zu Nazi-Riten – und mehr. Mitorganisatorin: Eine für die rechtsextremen Freien Sachsen gewählte Stadträtin.
Auf dieser Wiese in Strahwalde fand die Sonnwendfeier statt – dabei war auch die künftige Herrnhuter Stadträtin Kristina Dienel.
Die Sommersonnenwende kennzeichnet den längsten Tag und die kürzeste Nacht im Jahr. Schon immer hatte dieses Datum mythische Bedeutung. Und bis heute ist die Sommersonnenwende Anlass für Feiern im Freien – üblich ist das Entzünden eines Feuers mit Tanz und Gesang.
In der Nacht des 22. Juni soll eine solche Feier in Strahwalde eine erhebliche völkische Tendenz angenommen haben – samt Absingen von Nazi-Liedern und Huldigungsriten für einen SS-Verbrecher. Und das auf dem Grundstück (und unter Teilnahme) der erst jüngst in den Herrnhuter Stadtrat und den Kreistag gewählten Unternehmerin Kristina Dienel. Ein Augenzeuge erzählt in der SZ.
Schauplatz der Sonnwendfeier war eine Wiese am Ortsrand von Strahwalde. Felix Pankonin, aktiv bei der Zittauer „Demokratie AG Ostsachsen“, hatte von der Veranstaltung erfahren und sie in Augenschein genommen.
Er schildert: „Unter Begleitung von typischen Trommelschlägen zogen die auffallend zahlreich in weißen Hemden gekleideten jungen Männer neben anderen Männern und Frauen in Trachten zum Holzstapel. Mit Fackeln vollzogen sie eine Zeremonie, in deren Ergebnis sie den Stapel entzündeten.“ Anschließend hätten sie das Lied „Nur der Freiheit gehört unser Leben“ angestimmt, das Hans Baumann 1935 eigens für die Hitlerjugend gedichtet hatte.
Huldigung für SS-Verbrecher?
Jener Hans Baumann ist in der Tat eine überaus problematische Figur. Sein bekanntestes Lied ist „Es zittern die morschen Knochen“. Das hatte er zwar noch vor der Nazizeit und vor seinem Parteibeitritt 1933 als Jugendlicher während seiner Mitgliedschaft in einem katholischen Jugendbund verfasst. Doch schon 1935 wurde es zum offiziellen Lied der „Deutschen Arbeitsfront“ – passte es doch mit seiner berüchtigten Textzeile „heute gehört uns Deutschland, und morgen die ganze Welt“ perfekt in den Nazi-Wahn vom „Totalen Krieg“. Das Lied ist heute verboten. Sein nicht verbotenes Werk „Die Morgenfrühe das ist unsere Zeit“ ist in rechtsextremen Kreisen beliebte Liedlyrik.
„Anschließend sagten einzelne Teilnehmer Feuersprüche auf und riefen lautstark „Heil Sonnenwende““, schildert Pankonin weiter und beurteilt das Ganze als „ein Ritual, bei dem der Stil, die Auswahl der Lieder und die Inhalte der sogenannten Feuersprüche einen eindeutigen Bezug zur Hitlerjugend aufwiesen“.
Mögen all diese Dinge zumindest verstörend sein, ist Pankonin überzeugt, dass bei dieser Feier auch die Grenze zur Strafbarkeit überschritten wurde. „Teilnehmende der Sommersonnenwendfeier huldigten nationalsozialistischen Organisationen“, sagt er. In einem der Feuersprüche nämlich wurde dem „Löbauer Standartenführer Max Wünsche gehuldigt“, so Pankonin.
Der aus Kittlitz stammende Wünsche war seit 1933 Mitglied der SS, diente später Adolf Hitler persönlich als Ordonanzoffizier. Ab 1943 war Wünsche mitverantwortlich für den Aufbau der 12. SS-Panzer-Division „Hitlerjugend“. Ausgezeichnet mit dem „Ritterkreuz mit Eichenlaub und Schwertern“ war er einer der höchst dekorierten Soldaten der Nazi-Streitkräfte. Da die SS eine verbrecherische Organisation war, sieht Pankonin in Huldigungen für einen SS-Angehörigen ein strafbares Handeln.
„Im selben Atemzug ehrten die Teilnehmenden der Sonnenwendfeier zugleich sämtliche Ritterkreuzträger, also Soldaten, die im Rahmen der nationalsozialistischen Kriegsführung für ihre Leistungen ausgezeichnet worden sind“, schildert Pankonin.
„Verfassungsschutz beschäftigt mit Einordnung der Feier“
Bedenklich findet Pankonin auch den Ort der Feier: „Die ganze Veranstaltung fand auf einem Grundstück statt, das Familie Dienel aus Herrnhut zur Verfügung gestellt hat“, sagt er. Kristina Dienel, die nach eigenen Angaben selbst teilgenommen hat, wurde jüngst für die rechtsextremen Freien Sachsen in den Herrnhuter Stadtrat und den Kreistag des Landkreises Görlitz gewählt.
Pankonin zu der Feier: „Obwohl das Problem seit mehreren Jahren bekannt ist, finden die Veranstaltungen immer wieder unbehelligt in aller Öffentlichkeit statt. Durch fehlende Sensibilität oder einen unkritischen bis verharmlosenden Umgang seitens der zuständigen Behörden, wird öffentlicher Raum für nationalistisch-völkische Veranstaltungen überlassen.“
Zwar fänden die Sonnenwendfeiern in der Regel auf Privatgrundstücken statt, „jedoch zeigt gerade das Beispiel in Herrnhut, wo mitten in einem Wohngebiet gefeiert wurde, dass die Teilnehmenden keine Anstrengungen unternehmen, ihre antidemokratische Versammlung vor der Öffentlichkeit zu verbergen“, so Pankonin.
Pankonin schildert, er habe wegen der SS-Huldigung vor Ort Strafanzeige bei anwesenden Polizisten erstattet. Das bestätigt die Polizei auf SZ-Anfrage. Weiter heißt es von der Polizei zu der Feier:
„Im Zusammenhang mit der Veranstaltung wurden durch die Polizei keine strafbaren Handlungen festgestellt, lediglich verkehrsrechtliche Verstöße ohne Sachzusammenhang.“ Und was die von Pankonin beschriebene uniformartige Aufmachung mancher Teilnehmer betrifft:
„Die Personen trugen trachtenartige Kleidung, hielten ein Ritual zur Sonnenwende ab. Der Verfassungsschutz beschäftigt sich mit der Einordnung der Feier. Des Weiteren verlief die Sonnenwendfeier friedlich und ohne Störungen.“
Die SZ hätte gerne auch Kristina Dienel zu dem Vorgang befragt. Bei einem Anruf im Bio- und Blumenladen Dienel in Herrnhut hieß es:
„Hier gibt’s keine Kristina Dienel!“ Auf den Vorhalt, dass Kristina Dienel aber im Impressum als Verantwortliche für die Internetseite des Ladens stehe, kam die Antwort: „Das Impressum ist veraltet.“ Darüber hinaus sei es eine „Unverschämtheit“, im Laden anzurufen wegen Sachen, die den Laden nicht betreffen würden.
Als Adresse des „Bündnis Oberlausitz“ ist im Impressum ebenfalls Kristina Dienel angegeben – unter der gleichen Adresse wie der Herrnhuter Laden. Unter der dort angegebenen Mobilnummer war Kristina Dienel nicht erreichbar. Auf ihrer eigenen Facebookseite schrieb Dienel zu jener Feier:
„Bereits vor Jahrhunderten wurde damit für eine unter anderem gute Ernte getanzt! Und wenn ich dann hören muss dies ist eine „erfundene Sache“ von braunen Denkern….was soll ich dann noch Antworten! Jeder Ansatz ist sinnlos hier Traditionen zu erklären. Ihr möchtet es einfach nicht, so wie ihr tatsächlich auch keine Demokratie wünscht!“ (SZ)
Korrekturhinweis, 10. Juli 2024, 10.30 Uhr: In einer ursprünglichen Fassung dieses Textes war der Familienname von Felix Pankonin falsch benannt. Wir bitten um Entschuldigung.