Antifaschistischer Zeitenwechsel – Gedanken zum Protest gegen die rechte Buchmesse „Seitenwechsel“ in Halle (Saale)
Am kommenden Wochenende, vom 08. bis 09. November, findet auf dem Gelände der Messe Halle (Saale) die erste Auflage eines neurechten Stelldicheins statt. Das Verlagswesen und die Autorenschaft der Neuen Rechten treffen in der Saalestadt zusammen.
Neben Akteuren aus Zusammenhängen der Identitären Bewegung, der AfD und der extrem rechten Denkfabrik in Schnellroda treten auch rechte Zeitungs- und Zeitschriftenverlage wie die Junge Freiheit oder das Compact-Magazin um den Antisemiten Jürgen Elsässer auf, um ihre Publikationen im Rahmen einer seriös wirkenden Buchmesse zu präsentieren.
Dass es sich dabei in erster Linie um eine groß angelegte Vernetzungsveranstaltung der extremen Rechten handelt und erst in zweiter Linie um den Verkauf von Büchern, sollte jedem klar sein.
Dank der Initiative einiger motivierter Antifaschisten wird dieses Event jedoch nicht ohne Gegenwehr stattfinden. Die Initiative „Antifaschistischer Zeitenwechsel“ (kurz: Antifa.Zeitenwechsel) ruft zum Gegenprotest auf. Durch Hintergrundrecherchen und Veröffentlichungen der Initiative wird deutlich, welches ideologische Gerüst die Veranstalter des „KulturHaus Loschwitz“ der Buchmesse „Seitenwechsel“ mit ihren Ausstellern teilen.
Neben rassistisch motivierten Abschiebewünschen, faschistischen Allmachtsfantasien und antisemitischem Verschwörungsglauben gehört dazu auch der Wunsch nach einem Wandel hin zu einer autoritären Gesellschaft. Doch der Wunsch nach starken Autoritäten und ein manichäisches Weltbild finden sich längst nicht nur in der extremen Rechten. Auch in der antifaschistischen Bewegung breiten sich solche Denkmuster zunehmend aus.
Was Ende der 1990er Jahre und Anfang der 2000er durch das Erstarken autonomer, anarchistischer und undogmatischer Zusammenschlüsse in Teilen der radikalen Linken in Verruf geraten war, hat heute wieder Konjunktur. Kader-Prinzip, steile Hierarchien und Dogmatismus tauchen seit einigen Jahren wieder häufiger in linken Kreisen auf. Oft als „K-Gruppen“, „Rote Gruppen“ oder „Tankies“ bezeichnet, orientieren sich diese Gruppierungen an autoritären Prinzipien und nutzen entsprechende Versatzstücke autoritärer Politik.
Auch die positive Rückbesinnung auf autoritäre Systeme des Realsozialismus – etwa die Sowjetunion, die Volksrepublik China, die DDR oder gar Nordkorea – ist diesen Akteuren nicht fremd. Nationalismus oder religiöser Fanatismus gelten ebenfalls als akzeptabel, sofern sie der vermeintlichen Revolution dienen. So solidarisiert man sich undifferenziert mit islamistischen Akteuren und Regierungen im Mittleren und Nahen Osten oder begrüßt den russischen Angriffskrieg des imperialistisch agierenden Kremls gegen die Ukraine.
Und nun zur Krux: Akteure dieser Art haben angekündigt – wie sie es Ende November in Gießen tun werden und wie sie es in den vergangenen Jahren bei vielen anderen antifaschistischen Protesten getan haben –, ebenfalls am Gegenprotest in Halle (Saale) teilzunehmen. Da stellt sich die Frage, ob das überhaupt relevant ist und ob es nicht sogar gut sei, wenn mehr Menschen demonstrieren. Die klare Antwort lautet: Ja es ist relevant und nein, es ist nicht gut.
Gruppierungen – in Halle (Saale) insbesondere das „Solidaritätsnetzwerk“ und die „Internationale Jugend“ –, die, wenn auch nicht zwingend in ihrer Analyse, so doch im Ergebnis große Schnittmengen mit den Teilnehmern der Veranstaltung aufweisen, gegen die man protestiert, können keine glaubwürdigen Bündnispartner im Kampf gegen eben jene sein.
Wenn jemanden von Jürgen Elsässer mit seinem Hass auf den Westen und seinem Antisemitismus kaum etwas trennt – außer der Tatsache, dass er in der Messehalle steht und sie davor –, oder wenn jemanden von einem neurechten Autor in dessen Bewunderung autoritärer Regime kaum etwas unterscheidet – außer den Farben ihrer Fahnen –, dann dürfen diese Gruppen keine Bündnispartner sein.
Wer am Samstag auf der Demonstration klare Kante gegen die menschenfeindliche Ideologie der Neuen Rechten und ihre Vertreter zeigen möchte, muss dies auch in den eigenen Reihen tun. Wer sich schweigend neben autoritären Linken einreiht und ihren Antisemitismus, Nationalismus und Geschichtsrevisionismus toleriert, kann es gleich bleiben lassen.
Deshalb bleibt zu hoffen, dass die Initiatoren der Demonstration dies ähnlich sehen und Gruppierungen wie dem „Solidaritätsnetzwerk“ oder der „Internationalen Jugend“ eine klare Absage erteilen.
Zu guter Letzt ist „Antifa.Zeitenwechsel“ für das kommende Wochenende ein erfolgreicher Protest zu wünschen – und dass man der rechten Buchmesse ordentlich in die Suppe spuckt.
Wir sehen uns am Samstag auf der Straße! Bis dahin: Alerta Antifascista!