Zschäpe im Aussteigerprogramm: „Das wäre eine weitere Demütigung“

NSU-Terroristin Beate Zschäpe befindet sich in einem Aussteigerprogramm. Die Ombudsfrau der Opferfamilien hält das für wenig glaubwürdig.
Seit 14 Jahren sitzt Beate Zschäpe in Haft. Im Juli 2018 wurde sie wegen der zehnfachen Mordserie des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) zu lebenslanger Haft mit besonderer Schwere der Schuld verurteilt. Schon zuletzt hatte die 50-Jährige beteuert, dem Rechtsextremismus den Rücken gekehrt zu haben. Nun wurde sie nach Auskunft ihres Anwalts Mathias Grasel in ein Aussteigerprogramm aufgenommen. Zuerst hatte die „Zeit“ berichtet.
Bereits vor einiger Zeit sei die Aufnahme in ein Programm erfolgt, sagte Grasel der taz. Wann genau und in welches Aussteigerprogramm Zschäpe aufgenommen wurde, wollte der Anwalt nicht mitteilen. Nach taz-Informationen ist Zschäpe im Aussteigerprogramm Exit. Die Organisation wollte sich „aus rechtlichen Gründen“ nicht dazu äußern.
Zschäpe war 1998 in Thüringen mit Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos abgetaucht und hatte mit ihnen das Kerntrio der Neonazi-Terrorzelle NSU gebildet. In den folgenden Jahren ermordete die Gruppe neun migrantische Gewerbetreibende und eine Polizistin, verübte drei Bombenanschläge in Nürnberg und Köln mit Dutzenden Verletzten und beging 15 Raubüberfälle.
Erst 2011 flog der NSU und das rechtsextreme Motiv der Taten auf, nachdem sich Böhnhardt und Mundlos nach einem gescheiterten Bankraub erschossen hatten und Zschäpe das NSU-Bekennervideo verschickte.
Zschäpe hatte im Prozess zu der Terrorserie erst lange geschwiegen und dann die Schuld für die Taten auf Böhnhardt und Mundlos geschoben. Das Gericht hielt das nicht für glaubwürdig und verurteilte sie als voll mitverantwortlich für die Terrorserie. Derzeit sitzt Zschäpe in der JVA Chemnitz.
Opferbeauftragte bezweifelt Ideologieabkehr
Schon bei einer Befragung vor dem bayrischen NSU-Untersuchungsausschuss im Mai 2023 hatte Zschäpe erklärt, sie habe sich vom Rechtsextremismus abgewandt und sehe sich als Aussteigerin. Seitdem hatte sich Zschäpe um die Aufnahme in ein Aussteigerprogramm bemüht – zunächst ohne Erfolg. Das Landesprogramm Sachsen lehnte das etwa ab, weil es Zweifel an der Ideologieabkehr von Zschäpe hatte.
Auch Barbara John, die Ombudsfrau der NSU-Opferhinterbliebenen, äußert diese Zweifel – und verweist darauf, dass Zschäpe im NSU-Prozess jahrelang schwieg, ohne an der Aufklärung mitzuwirken. John sieht ein anderes Motiv, wie sie der taz sagte: „Mit der Aufnahme in ein Aussteigerprogramm bereitet Beate Zschäpe ihre vorzeitige Haftentlassung vor.“
Zudem kritisiert John, dass die Opfer des NSU-Terrors derzeit kein Recht hätten, zu einer vorzeitigen Haftentlassung von Zschäpe angehört zu werden. Bleibe dies so, wäre das „eine weitere Demütigung der Hinterbliebenen und Überlebenden des Terrors“, so John.
„Zu einer Entscheidung über eine vorzeitige Haftentlassung gehört auch die Berücksichtigung der Opferperspektive und nicht nur die Perspektive auf die Straftäterin.“
Bis November 2026, nach 15 Jahren Haft, entscheidet das Oberlandesgericht München über die endgültige Dauer von Zschäpes Strafe und eine mögliche frühere Entlassung. Eine Abkehr von einer extremistischen Ideologie kann dabei ein Faktor sein.
John fordert, die Opfer vor dieser Entscheidung anzuhören, „um zu sagen, welches Leid und welche gesundheitlichen, sozialen und materiellen Folgen sie erlitten haben durch die Taten“. Da dies bisher rechtlich nicht möglich sei, müsse der Bundestag ein Gesetz für erweiterte Opferrechte schaffen, fordert John. Andernfalls werde sie selbst dem Gericht eine entsprechende Stellungnahme vorlegen, im sogenannten Amicus Curiae-Verfahren.
Auch engster NSU-Helfer will Aussteiger sein
Zuletzt war bereits André Eminger, der engste Vertraute des NSU-Kerntrios, in ein Aussteigerprogramm des Landes Sachsens aufgenommen worden. Eminger hatte die Terroristen 13 Jahre lang unterstützt, für sie Wohnmobile angemietet, eine Wohnung und Bahncards besorgt, Beate Zschäpe auch noch bei der Flucht geholfen. Im NSU-Prozess schwieg er dazu – und wurde nur zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt.
Laut seines Anwalts will sich Eminger schon Mitte 2019 aus der rechtsextremen Szene gelöst und seine einschlägigen Tattoos wie „Die Jew Die“ entfernt haben. Noch bis zum Herbst 2022 hatte Eminger allerdings Briefkontakt mit einer später verurteilten Rechtsterroristin gehalten, dort über „Antifanten“ oder „linksversiffte besetzte Häuser“ geätzt. Dennoch wurde er wurde nach nur anderthalb Jahren Gefängnis haftverschont.
————————
Anne Hähnig ZEIT 5. August 2025
Beate Zschäpe nimmt an Aussteigerprogramm für Neonazis teil
Die verurteilte NSU-Terroristin Beate Zschäpe will angeblich aus der rechten Szene aussteigen. Nach einer Ablehnung wurde sie nun in ein Aussteigerprogramm aufgenommen.
Die verurteilte Rechtsterroristin Beate Zschäpe ist in ein Neonazi-Aussteigerprogramm aufgenommen worden. Dies bestätigt ihr Rechtsanwalt Mathias Grasel der ZEIT.
Bereits in der Vergangenheit hatte Zschäpe versucht, in das Aussteigerprogramm des Freistaates Sachsen aufgenommen zu werden. Sie wurde dort jedoch abgelehnt. Danach hat sie sich erneut um die Aufnahme in ein vergleichbares Programm bemüht. Um welches es sich konkret handelt, werde „aus Gründen der Verschwiegenheitspflicht“ nicht bekannt gegeben, teilt Grasel mit.
Es gibt mehrere solcher Programme in Deutschland. Neben den Bundesländern unterhält beispielsweise auch der Verfassungsschutz ein Projekt, das ausstiegswilligen Rechtsextremen dabei hilft, außerhalb der Neonaziszene ein neues Leben zu beginnen.
Aussteigerprogramm kann „positiver Faktor“ bei Verbüßungsdauer sein
Zschäpe war im Juli 2018 vom Oberlandesgericht München zu einer lebenslangen Haftstrafe mit besonderer Schwere der Schuld verurteilt worden. Das Urteil ist seit vier Jahren rechtskräftig. Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU), dem sie angehörte, hatte aus rassistischen Motiven neun Geschäftsleute mit Migrationshintergrund ermordet sowie eine Polizistin. Die Terrorzelle NSU bestand aus Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt.
Nach 15 Haftjahren, die bei Beate Zschäpe im November 2026 erreicht sein werden, kann das Oberlandesgericht eine sogenannte Mindestverbüßungsdauer definieren. Die Aufnahme in ein Aussteigerprogramm könne „ein positiver Faktor“ bei der Entscheidungsfindung des Gerichts sein, hatte Zschäpes Anwalt im vorigen Jahr dem Bayerischen Rundfunk mitgeteilt.