„Ungezwungener privater Austausch” Mittelsachsen: AfD-Abgeordnete treffen Neonazis

Ein „privater“ Austausch mit Personen von ganz rechtsaußen: Anfang April trafen sich unter anderem Abgeordnete und Mitglieder der AfD zu einem sogenannten „Patriotentreffen“ im mittelsächsischen Niederbobritzsch.
Die Treffen gaben Bundestagsabgeordneten und Kommunalpolitiker*innen die Möglichkeit, sich unter dem Radar der Öffentlichkeit mit dem von der Partei geschassten ehemaligen brandenburgischen Landesvorsitzenden Andreas Kalbitz auszutauschen. Es war offenbar bereits das vierte Treffen dieser Art in Sachsen.
Der große Parkplatz in der Dorfmitte von Niederbobritzsch ist am Samstag um 14 Uhr normalerweise leer. An einem Frühlingsnachmittag Anfang April füllt sich der Platz jedoch mit Fahrzeugen aus dem ganzen Bundesgebiet. Bis zu 200 Menschen betreten den Gasthof „Goldener Löwe“ auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Viele von ihnen sind in der AfD aktiv, auch die Bundestagsabgeordneten Maximilian Krah und Erhard Brucker sind ins mittelsächsische Erzgebirge gekommen.
Der Freiberger AfD-Stadtrat Hermann Frenzel hat zu einem sogenannten Patriotentreffen eingeladen. Öffentlich angekündigt ist das Treffen nicht. Es handele sich um eine private Zusammenkunft, wie Frenzel auf Telegram betonte. Nach seinen Angaben findet dieses Treffen bereits zum vierten Mal statt, in Monatsberichten des sächsischen Landesamts für Verfassungsschutz tauchte das Treffen dagegen bisher erst einmal auf. „Über alle Freundeskreise und alle Parlamente hinweg einen ungezwungenen privaten Austausch pflegen“, so charakterisierte der bayerische Landtagsabgeordnete Martin Böhm das erste „Patriotentreffen“ im Februar 2023 im nur 15 Kilometer entfernten Weigmannsdorf.
Rechtes Vernetzungstreffen
Was hier als privater Austausch gilt, wäre unter der Fahne der Partei so nämlich nicht möglich: Neben zahlreichen AfD-Parlamentarier*innen nahmen mehrere Personen teil, die bislang vor allem im Umfeld einschlägiger Neonazis aufgefallen sind. Auch Andreas Kalbitz kam in den kleinen Ort in der Nähe von Freiberg, obwohl ihm 2020 seine Parteimitgliedschaft entzogen worden war. Die Veranstaltung ist damit nur ein Beispiel der diversen Vernetzungstreffen von AfD-Funktionär*innen mit Personen und Gruppen rechts von der Partei.
Das prominenteste Beispiel ist die als „Geheimtreffen“ bekannt gewordene Zusammenkunft von Parteimitgliedern mit Vertretern der „Identitären Bewegung“ im November 2023 in Potsdam. Und auch beim ehemaligen „Institut für Staatspolitik“ in Schnellroda treffen sich regelmäßig Mitglieder der AfD mit „Identitären“ und Personen aus neonazistischen Zusammenhängen.
Für Andreas Kalbitz, früheres Mitglied der völkisch-nationalsozialistisch orientierten „Heimattreuen Deutschen Jugend“, war es bereits mindestens die zweite Teilnahme an der mittelsächsischen Veranstaltungsreihe. Fotos aus sozialen Medien zeigen ihn bei der ersten Auflage des Treffens zusammen mit Maximilian Krah und den AfD-Lokalpolitikern Michael Adam (Berlin) und Jürgen Treutler (Sonneberg).
Mit einem Mann, der unter dem Namen Wolfgang Freiherr von Krauss auftritt, spielt eine weitere schillernde Figur eine tragende Rolle bei der Organisation der „Patriotentreffen“. Krauss wurde nach Recherchen der WELT 2019 ein Hausverbot des bayerischen AfD-Landesvorstands für alle Veranstaltungen der AfD in Bayern erteilt, weil seine Identität nicht zu ermitteln gewesen sei.
Hintergrund: Seinen Adelstitel soll sich Krauss dazugedichtet haben. Beim zweiten „Patriotentreffen“ im November 2023 nahm neben dem heutigen sächsischen Landtagsabgeordneten Arthur Österle unter anderem der Zwickauer „Freie-Sachsen“-Kreistagskandidat Wladislav Sirbu teil, der Kopf der 2020 verbotenen Neonazi-Organisation „Nordadler” gewesen sein soll und sich im Interview mit dem NDR selbst als Nationalsozialist bezeichnete.
Teilnehmer*innen aus Neonazi-Kreisen
Andere Teilnehmende der Veranstaltung nahmen unter anderem am neonazistischen Trauermarsch im Februar in Dresden teil und mehrere junge Männer, die seit etwa einem halben Jahr als „Junge Alternative Nordsachsen“ auftreten, traten noch bis vor kurzem in diversen neonazistischen Zusammenhängen auf, etwa im Dunstkreis der „Jungen Nationalisten“ und der Partei „Dritter Weg” in Erscheinung.
Ein Teilnehmer, der sich im grauen Anzug am Eingang zeigte, marschierte noch im September 2024 beim Neonazi-Protest gegen den Christopher Street Day in Döbeln in einem T-Shirt auf, das einen weißen Kreis auf einem roten Rechteck zeigt. Die Aufschrift: “Symbole kann man verbieten, unsere Ideale nicht” – es handelt sich hier unmissverständlich um eine Anspielung auf die Hakenkreuzfahne.
Ob die Bundespartei bei derartigen Treffen intervenieren will, ist dabei äußerst fraglich: Auf eine Presseanfrage zu der Veranstaltungsreihe antwortete die Partei bis zur Veröffentlichung des Artikels nicht.
https://www.endstation-rechts.de/news/mittelsachsen-afd-abgeordnete-treffen-neonazis