Keine Zusammenarbeit mit den autoritären Antisemit:innen der Roten Jugend Rostock

Wie Karottenhosen oder das Revival der Bomberjacke an der Küste angekommen sind, halten auch reaktionäre politische Strömungen Einzug. Neben dem Rechtsruck haben sich autoritär-kommunistische Gruppen etabliert, die mit einfachen Antworten auf komplexe gesellschaftliche Krisen Zulauf gewinnen. Die lauteste in Mecklenburg-Vorpommern ist die Rote Jugend Rostock (RJR), die seit 2022 durch ihr aggressives Auftreten in linken Strukturen und ihre menschenverachtenden Positionen auffällt.

Im Stile einer leninistischen Kaderorganisation infiltriert die RJR politische Gruppen, wobei ihre Mitglieder:innen vorgeben, sich aus privaten Interessen einzubringen. Sie instrumentalisiert entstehende Zusammenhänge für ihre Zwecke und wirbt in etablierten Strukturen um Mitglieder. Immer wieder hat sie gezielt versucht, politische Bündnisse zu beeinflussen und in taktisch günstigen Momenten mühselig ausgehandelte Absprachen gebrochen. Ihr Ziel war es dabei stets, Demonstrationen durch massives Auftreten zu dominieren und sich als tonangebende Kraft in der Szene zu inszenieren. Ihr Vorgehen aber auch ihre Positionen haben immer wieder zu Konflikten innerhalb der linken Szene in Rostock geführt.

Klassische szeneinterne Gespräche und Interventionen, in denen über Ideologie und Strategie der Roten Jugend aufgeklärt wird, scheinen in dieser Situation nicht mehr auszureichen. Angesichts zunehmender Neonazigewalt, staatlicher Repression und eines massiven Rechtsrucks, werden auch die zeitlichen Ressourcen für diese Arbeit immer knapper. Daher ist es notwendig, das vorhandene Wissen breiter zugänglich zu machen.

Verherrlichung antisemitischer Gewalt

Seit gut zwei Jahren fokussiert sich die RJR inhaltlich nahezu ausschließlich auf den Krieg in Gaza. Es geht ihnen jedoch nicht um eine ernsthafte Solidarität mit dem tatsächlichen Leid der Palästinenser:innen. Viel eher werden diese für die politische Agenda der RJR genutzt und erscheinen darin lediglich als starre Objekte ohne eigene Interessen und Handlungsmöglichkeiten. Dabei verbreiten sie antisemitische Narrative, die sich in ihren Texten und auf Demonstrationen zeigen.

Sie forderten im Januar 2024: „Freiheit für Palästina! Solidarität mit Zora und Samidoun“ (hxxps://imginn.com/p/C2KdDmosyra/). Während Zora das Massaker der Hamas am 7. Oktober 2023 schnell als Ausdruck des legitimen Widerstands bezeichnete, feierten die Anhänger Samidouns die Gräueltaten sogar als „historischen Sieg“ und verteilten deshalb Süßigkeiten auf den Straßen Berlins. Damit gilt die Solidarität der Roten Jugend denjenigen, die die geplante Ermordung von Zivilist:innen, gezielte sexuelle Gewalt und öffentliche Schändung von Leichen mit Freude erfüllt.

Opferrolle als Ideologie und Strategie

Die Solidaritätserklärung begründete die RJR mit dem staatlichen Verbot von Zora und Samidoun und sah darin eine „Kriminalisierung der Palästina-Solidarität“. Gleichzeitig ignoriert sie bewusst die antisemitischen Inhalte dieser Gruppen und deren Verbindung zu Terrororganisationen. Der Grund dafür liegt im Weltbild der Roten Jugend: So wähnen sich ihre Mitglieder als Teil eines existenziellen Kampfes gegen das Böse. Anstatt sich mit den Widersprüchen der kapitalistischen Gesellschaft zu befassen, herrscht so ein simples Freund-Feind-Denken vor.

Auf der einen Seite steht der unterdrückte aber heldenhaft kämpfende palästinensische Widerstand, den sie in einer ebenso heroischen Geste unterstützen. Auf der anderen steht das Bild eines mal mehr mal weniger abstrakten Imperialismus. Damit schließt ihre Ideologie an Verschwörungsdenken und regressiv-antikapitalistische Denkmuster an. Statt die kapitalistischen Verhältnisse zu analysieren, nutzt die RJR so simple Feindbilder. Gleichzeitig dienen diese dazu, sich selbst als revolutionäres Opfer von Staat, Medien oder vermeintlichen Zionisten zu inszenieren und jede Antisemitismuskritik als „imperialistische Propaganda“ abzuwehren. Ein Verständnis von den kapitalistischen Verhältnissen liegt daher ebenso außerhalb ihrer Fähigkeiten, wie das Verständnis für Antisemitismus und die Fähigkeit zur Reflexion.

Antisemitische Ausbrüche am Vorabend des 1. Mai

Als ein Bündnis linker Gruppen eine Demonstration am 30. April 2024 plante, waren die problematischen Positionen der Roten Jugend bereits hinlänglich bekannt. Es musste jedoch der Eindruck entstanden sein, dass man sie durch klare Grenzen wohlwollend in dieses Bündnis integrieren könne. So schlossen die beteiligten Gruppen einen Minimalkonsens, der besagte, den Nahost-Konflikt bis auf weiteres nicht zu thematisieren. Wenige Tage vor der Demonstration erschien ein Mobilisierungstext (https://imginn.com/p/C6J_HyoMyrP/) der RJR nun für den 1. Mai 2024, der diesen Konsens mit Füßen trat.

Fanatisch fixiert auf Israel

In einem Instagramslide bezeichneten sie Israel als „Siedlerkolonie im Dienst an den Weltordnungsinteressen der westlichen ImperialistInnen“ und „Apartheidsstaat“. Den Krieg in Gaza verstehen sie als „Genozid“, der die „ethnische Säuberung Palästinas“ fortsetzen soll. Die Vorstellung der „Siedlerkolonie“ oder des „Apartheidsstaates“ deligitimiert den wichtigsten jüdischen Rückzugsort nach dem Holocaust und dämonisiert ihn durch die Vorstellung eines langfristig geplanten Völkermords an den Palästinenser:innen. Diese Rhetorik lehnt die historische Realität einer jüdischen Selbstbestimmung kategorisch ab und ersetzt eine historische Analyse des Konflikts durch eine Verschwörungsideologie, in der Israel die Wurzel allen Übels ist.

Von der Dämonisierung zur Demonstration

Der Mobilsierungstext führte nach der Demonstration zum nachhaltigen Bruch des Bündnisses vom 30. April und einem Ausschluss der RJR aus diesem. Davon unbeirrt versuchte sie am Tag darauf, ihren Worten Taten folgen zu lassen und drängte in die 1. Mai Demonstration des DGB. Nun von den Fesseln des Konsens befreit, skandierten sie im Block „Viva viva Palästina“.

Von dieser Stimmung elektrisiert stimmten Mitglieder der Revolutionären Kommunistischen Partei ein, die häufig als Anhang der RJR in der Öffentlichkeit auftreten. Aus dem Block heraus wurde zudem „Yallah, yallah Intifada“ gerufen (hxxps://imginn.com/p/C6bLQcfteex/) und so die Welle der Terror- und Selbstmordanschläge der 2000er-Jahre auf die israelische Zivilbevölkerung verherrlicht. Der Block wurde daraufhin von der Demonstration ausgeschlossen, was die RJR seit dem als weiteren Stein in ihrem Mosaik der Opfererzählung nutzt.

Martialischer Habitus nach Außen – Drohungen nach Innen

An dieser Stelle hätten im Mai 2024 Ideologie und Strategie der RJR klar sein müssen. Doch bald hatte sich die erste Aufregung gelegt. Immer selbstverständlicher erschienen sie auf szene-internen Treffen, während weitere antisemitische Ausfälle auf ihren eigenen Veranstaltungen wenig Beachtung fanden. Trotz der Warnungen des gescheiterten Bündnisses aus dem April 2024 (hxxps://imginn.com/p/C-iorXyA6G8/) und des beherzten Eingreifens des DGBs am 1. Mai im selben Jahr, erhielt die RJR am 08. März 2025 die Gelegenheit, sich am feministischen Kampftag in Rostock zu beteiligen.

Ihre Mitglieder:innen präsentierten sich wie gewohnt in einem geschlossenen Block, zeigten einen martialischen Habitus und setzen gezielt auf massive physische Präsenz. Während sie einen feministischen Kampftag durch vorwiegend männliche Dominanz vereinnahmten, schreckten sie nicht davor zurück, Personen zu fotografieren, die sie als politische Gegner:innen betrachteten. Ihr gesamtes Auftreten und Verhalten führte auch hier dazu, dass sie von der Demonstration ausgeschlossen werden mussten.

Was tun?

Dieser Text zeigt nur einen Ausschnitt des Problems. Wir möchten im Sinne einer handlungsfähigen radikalen Linken dazu einladen, weitere Erfahrungen und inhaltlichen Auseinandersetzungen mit „Roten Jugend Gruppen“ zugänglich zu machen. Es muss darum gehen, Genoss:innen, Gruppen und Bündnisse in ihrer Widerstandsfähigkeit gegen die Ideologie und Strategie autoritärer Strukturen zu unterstützen.

Gerade in Zeiten eines regressiven Rollbacks und einer allgemeinen Verschärfung gesellschaftlicher Widersprüche ist es umso wichtiger, eine materialistische, emanzipatorische Analyse zu verteidigen und sich gegen autoritäre Antisemit:innen entschieden zu positionieren. Eine konsequente antifaschistische Praxis darf sich nicht auf oberflächliche Antiimperialismus-Parolen reduzieren, sondern muss eine kritische, historisch fundierte Perspektive entwickeln, die sich gegen jede menschenverachtende Politik stellt. Ganz konkret heißt das: Keine Zusammenarbeit mit der Roten Jugend (Rostock)!