Politische Häftlinge in Belarus: Zeuge bestätigt Vorwürfe gegen sächsischen AfD-Politiker Dornau
Dem sächsischen Landtagsabgeordneten Jörg Dornau wird vorgeworfen, auf seiner Zwiebelfarm in Belarus politische Gefangene arbeiten zu lassen. Nun hat sich erstmals ein Zeuge namentlich geäußert.
Der sächsische AfD-Landtagsabgeordnete Jörg Dornau soll davon gewusst haben, dass auf der von ihm betriebenen Zwiebelfarm in Belarus politische Gefangene arbeiten. Das bestätigt ein namentlich genannter Zeuge einem Reporterteam von ntv und RTL. Bislang gab es für die Vorwürfe nur anonyme Quellen.
Ein Mann namens Sergej Tscharnak bezeugte gegenüber den Journalisten, er habe als politischer Häftling auf der Zwiebelfarm nahe der litauischen Grenze verfaulte Zwiebeln aussortiert. Der Zeuge versichert, den AfD-Politiker Dornau auf Fotos eindeutig identifizieren zu können. Er habe ihn auf der Zwiebelfarm gesehen. Tscharnak erklärt, Dornau müsse gewusst haben, dass dort politische Gefangene arbeiten. Sein Unternehmen habe eine Vereinbarung mit der Polizei, diese transportiere die Arbeiter zur Zwiebelfarm.
Der Zeuge berichtet zudem, dass er im Februar ohne wärmende Jacke arbeiten musste. Für die Arbeiter habe es keine Mittagsmahlzeit gegeben. Laut dem Bericht von RTL und ntv hat sich Dornau zu den Vorwürfen trotz schriftlicher Anfragen nicht geäußert.
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Sergej Maier und Lukas Wilhelm 27.09.2024 NTV
Zwiebelfarm in Belarus – Arbeiten politische Gefangene für AfD-Politiker Jörg Dornau?
Der sächsische AfD-Abgeordnete Dornau ist an einer Zwiebel-Farm in Belarus beteiligt. Nicht zum ersten Mal rückt er damit in den Fokus. Offenbar arbeiten dort Menschen, die das Lukaschenko-Regime aus politischen Gründen verurteilt hat. ntv hat einen von ihnen getroffen.
Mit seiner belarussischen Firma „Zybulka-Bel“ sorgt der sächsische AfD-Landespolitiker Jörg Dornau wiederholt für Aufregung. Vergangenen Monat wird vom sächsischen Landtag ein Ordnungsgeld in Höhe von 20.862 Euro verhängt, weil er seine Beteiligung an dem Unternehmen nicht offiziell gemeldet hatte. Nun erhebt ein Mann aus Belarus schwere Vorwürfe gegen den 1970 geborenen AfD-Politiker.
Beim belarussischen Oppositionsmedium „Reform.news“ kommt ein Mann mit dem Tarnnamen „Andrei“ zu Wort, der nach eigenen Angaben als politischer Gefangener des belarussischen Regimes auf der mehr als 1500 Hektar großen Zwiebelfarm nahe der Stadt Lida im Februar 2024 als Häftling schuften musste. Reporter von RTL und ntv konnten den Mann, der in Wirklichkeit Sergej Tscharnjak heißt, in Polen treffen.
Er sei in Belarus zu einem Feind des Regimes geworden, weil er in sozialen Netzwerken wiederholt Beiträge von Oppositionellen geteilt, kommentiert und mit „Gefällt mir“ markiert hat, erzählt der 60-Jährige in einem Park. Insgesamt dreimal habe der in seiner Heimatstadt Lida bekannte Volksmusiker für jeweils 15 Tage in einem Straflager eingesessen.
Erst Zwiebeln sortieren – dann zu fünft in der Zelle
2023 arbeitete er als Häftling auf einer Mülldeponie, wie er erzählt. Im Februar dieses Jahres – bei seiner inzwischen dritten Haft – arbeitete er dann auf der nahegelegenen Zwiebelfarm „Zybulka-Bel“ von AfD-Politiker Jörg Dornau, wie er weiter erzählt.
Mit rund 30 anderen Häftlingen sei er von der Polizei auf ein Grundstück der Firma gebracht worden. Nur diejenigen, die aus politischen Gründen inhaftiert waren, seien an den Händen gefesselt gewesen, berichtet er. Das Zwiebelfeld soll sich im Umland der Stadt Lida, am Rande der Ortschaft Sukhvalnya befinden. Bis zur litauischen Grenze sind es keine 40 Kilometer, bis Polen gut 120 Kilometer.
Tscharnjak musste dort im Februar in der Kleidung arbeiten, in der er einige Tage zuvor verhaftet worden war. Eine wärmende Jacke oder Arbeitskleidung bekam er nicht. „Wir haben bei der Arbeit keine Mahlzeiten erhalten. Morgens gab es im Straflager ein Frühstück. Und die nächste Mahlzeit war dann erst abends“, erzählt er.
Seine Aufgabe war es, die eingelagerten Zwiebeln zu sortieren und auf Fäulnis zu prüfen. „Wir sortierten die Zwiebeln der Größe nach und brachten die Eimer zu einem Lastwagen, der sie abholte.“ Die Arbeit auf der Farm empfand Tscharnjak dennoch als „ersehnte Abwechslung“ von den prekären Haftbedingungen. Nach einem Arbeitstag auf der Zwiebelfarm kehrte er zurück in eine Zwei-Personen-Zelle, in der er mit vier weiteren Häftlingen untergebracht waren. Sie teilten sich zwei Matratzen.
Die Strafarbeit auf der Farm hat er deshalb in positiver Erinnerung. Für seine Arbeit auf den Feldern habe er einen Lohn von umgerechnet fünf Euro pro Tag erhalten. Davon aber habe ihm das Gefängnis Kosten für Verpflegung abgezogen – und den Rest nie ausgezahlt.
„Großer, kräftiger, deutscher Glatzkopf“
Dornau sitzt seit 2019 für die AfD im sächsischen Landtag. Dort ist er landwirtschaftspolitischer Sprecher der Fraktion. Er hat in der DDR nach eigenen Angaben seinen Facharbeiter für Pflanzenproduktion gemacht. Nach der Wende bildete er sich zum „Staatlich geprüften Wirtschafter für Landwirtschaft“ weiter. 1995 folgt die Meisterausbildung. Seit November 2023 ist der ausweislich der Angaben auf der Seite des Landtags in Dresden Direktor der Zwiebel-Farm in Belarus. 2022 scheitert er bei der Landratswahl im Landkreis Leipzig. Bei der Wahl des Landtags Anfang September verpasst er in Leipzig das Direktmandat, zieht über die Landesliste dennoch wieder ins Parlament in Dresden ein.
Tscharnjaks erzählt, Dornau tauchte im Februar dieses Jahres persönlich auf dem Gelände von „Zybulka-Bel“ auf. An einem Tag habe er den „großen, kräftigen, deutschen Glatzkopf“ gesehen, erzählt er. Dornau sei in einem Minivan mit deutschem Kennzeichen gekommen und habe sich mit seinen Angestellten, nicht aber mit den Häftlingen, vor Ort unterhalten. Tscharnjak versichert, den AfD-Landespolitiker auf Fotos wiederzuerkennen und eindeutig identifizieren zu können.
Mit dem weißen Minivan mit Leipziger Kennzeichen ist Dornau nach Recherchen von RTL und ntv in belarussischen Behördendatenbanken über Jahre mehrfach nach Belarus gefahren und dabei registriert worden. Der AfD-Politiker nutzt das Fahrzeug auch bei Wahlkampfterminen in Deutschland.
Dass Dornau von der Arbeit der Häftlinge auf seinem Betrieb gewusst haben muss, steht für Tscharnjak fest. „Wie konnte er es nicht wissen? Sein Unternehmen hat eine Vereinbarung mit der Polizei. Die transportierte uns Arbeiter dorthin. Natürlich wusste er Bescheid“, sagt er. Fotos von seiner Arbeit auf der Zwiebelfarm hat Sergej Tscharnjak nicht. Wie bei jedem Häftling üblich sei auch ihm das Handy beim Haftantritt abgenommen worden. Allerdings legt Tscharnjak beim Treffen mit den Reportern mehrere Gerichtsdokumente vor, die seine Verurteilung im Dezember 2023 zu einem Arrest belegen.
Diese Angaben stimmen auch mit den Berichten der belarussischen Menschenrechtsorganisation Viasna überein, die im selben Monat über Tscharnjaks Verhaftung berichtet. Viasna betont, dass Strafarbeit für politische Häftlinge ein gängiges Unterdrückungsinstrument des Regimes von Machthaber Alexander Lukaschenko ist.
Dornau taucht ab
Ein Regime, mit dem Jörg Dornau offenbar bestens zurechtkommt. Innerhalb der AfD gilt er als russlandfreundlicher Rechtsaußen-Politiker. Am 13. Februar 2022, wenige Tage vor dem Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine, postet er auf seinem Facebook-Profil ein Foto von Kremlchef Wladimir Putin in Militärkleidung. Darunter schreibt er: „Was für ein Präsident. Darum kann man das russische Volk nur beneiden.“ Dornau pflegt zudem gute Kontakte zum Thüringer AfD-Chef Björn Höcke.
In Belarus ist Dornau seit Jahren ein regelmäßiger Gast. Für die Jahre 2019 bis 2021 liegen RTL und ntv die Einträge aus belarussischen Behördendaten zu Jörg Dornau vor. Insgesamt 21 Mal wurden seine Personalien in diesem Zeitraum bei Einreisen und anderen Kontrollen registriert. Fotos, die Jörg Dornau von seinen Belarus-Reisen in sozialen Netzwerken postet, stimmen mit den Einträgen in den belarussischen Datenbanken überein.
Als das Parlament Anfang August das Ordnungsgeld verhängt, erklärt Linksfraktionschef Rico Gebhardt: „Niemand kann einfach so in die Diktatur Belarus reisen und dort einen Landwirtschaftsbetrieb aufbauen, schon gar niemand aus Deutschland.“ Das setze Kontakte und zahlreiche Anbahnungsgespräche sowie politische Nähe zur dortigen Diktatur voraus.
Und die Kontakte des AfD-Politikers nach Belarus reichen wohl tatsächlich bis in den Machtzirkel von Diktator Lukaschenko. Aus diesen Kreisen sicherte er sich offenbar auch Unterstützung für seine Geschäfte im Land. Am 22. September 2020 trafen sich Dornau und sein Leipziger Geschäftspartner und Freund Yuriy Kunitski mit dem belarussischen Gouverneur Wladimir Karanik. Unter Lukaschenko war dieser bis zum August 2020 Gesundheitsminister. Kurz nach dem Treffen lässt Dornau am 1. Oktober 2020 dann das Unternehmen „Zybulka-Bel“ in Belarus registrieren.
Dornaus Frau reist ebenfalls regelmäßig nach Belarus, auch in die Stadt Lida. Auf Ihrem privaten Instagram-Account zeigt sie sich bei Ausflügen, Grillabenden in der Stadt und in der umliegenden Region mit Freunden, Verwandten und ihren beiden Hunden. Sie hat viele persönliche Verbindungen im Land. Ob Dornau seine Frau bei jeder ihrer Reisen begleitet hat, ist nicht eindeutig zu belegen. Auf schriftliche Anfragen von RTL und ntv reagiert Dornau bislang nicht. Auch ein Anruf bei ihm bleibt unbeantwortet. Bei einer Sitzung des sächsischen Landtags am gestrigen Donnerstag fehlt Dornau.
Sergej Tscharnjak konnte inzwischen den Verhaftungen des Lukaschenko-Regimes entkommen. In Polen fühlt er sich nun in Sicherheit. Dennoch sorgt sich der Witwer um seine erwachsenen Kinder in Belarus. Er geht davon aus, dass die Unterdrückungs- und Einschüchterungsversuche gegen Unterstützer der Opposition durch Arrest- und Haftstrafen vor den Wahlen im kommenden Jahr wieder zunehmen werden. Denn Diktator Lukaschenko will erneut antreten. Willkürlich verurteilte politische Gefangene könnten dann erneut zur Arbeit in landwirtschaftlichen Betrieben verpflichtet werden.
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t-online 25.09.2024
Häftlinge sollen für AfD-Mann auf Zwiebelfarm arbeiten
Erst im Frühjahr wurde bekannt, dass Jörg Dornau eine Zwiebelfarm in Belarus betreibt. Jetzt erhebt ein Zeuge schwere Vorwürfe gegen den AfD-Politiker.
Der sächsische AfD-Politiker Jörg Dornau soll auf einer Zwiebelplantage in Belarus politische Gefangene für sich arbeiten lassen. Das berichtet das oppositionelle belarussische Portal reform.news unter Berufung auf Zeugenaussagen. Demnach habe Dornau persönlich die Arbeit der Häftlinge auf seiner Farm überprüft, sagte reform.news ein früherer Insasse des nahegelegenen Gefängnisses in der Stadt Lida.
Andrei, wie das Portal den anonymen Zeugen nennt, sei im Februar für 15 Tage in dem Gefängnis gelandet, weil er einen regierungskritischen Beitrag im Internet mit „gefällt mir“ markiert hatte, heißt es in dem Bericht. In dieser Zeit habe er auch auf der Farm von Dornau gearbeitet und den deutschen Politiker mit eigenen Augen gesehen. „Ein großer Mann mit Glatze, der in einem Auto mit deutschem Kennzeichen vorfuhr“, erinnert sich Andrei. „Er kam auch in das Lagerhaus, wo wir zusammen mit regulären Arbeitern Zwiebeln sortierten.“ Zur Arbeit gezwungen worden sei er aber nicht, so Andrei.
AfD-Fraktion äußert sich zu Jörg Dornau
Für die Arbeit der Häftlinge soll Dornau dem Gefängnis in Lida umgerechnet fünf Euro pro Tag gezahlt haben, berichtet reform.news. Das Geld sei aber nicht an die Häftlinge geflossen, sondern für die Instandhaltung der Haftanstalt verwendet worden. Dass Dornau in Belarus eine Zwiebelfarm betreibt, wurde erst Anfang des Jahres öffentlich bekannt. Weil er das Einkommen aus der Farm nicht beim sächsischen Landtag meldete, verhängte das Präsidium des Landtags im August ein Ordnungsgeld in Höhe von fast 21.000 Euro gegen den AfD-Politiker.
Auf Nachfragen von t-online zu den jüngsten Vorwürfen aus Belarus hat Dornau bislang nicht reagiert. Ein Sprecher der sächsischen AfD-Landtagsfraktion in Dresden sagte der „Bild“-Zeitung: „Zu anonymen Anschuldigungen äußert sich unsere Fraktion grundsätzlich nicht.“
In Belarus herrscht seit 1994 Machthaber Alexander Lukaschenko. Nach den Präsidentschaftswahlen 2020 hielt sich Lukaschenko mit blanker Gewalt gegen die Opposition an der Macht. Lukaschenko ist ein enger Verbündeter von Kremlchef Wladimir Putin, den er auch im Krieg gegen die Ukraine unterstützt.
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25. 9. 2024 TAZ
Vorwürfe gegen AfD-Politiker Dornau: Zwiebelmann beutet Häftlinge aus
AfD-Politiker Jörg Dornau hat mutmaßlich in Belarus politische Gefangene auf seiner Gemüsefarm schuften lassen. Die AfD-Spitze schweigt zu den Vorwürfen.
Dass AfD-Politiker sich gerne als Kreml-Sprachrohre verdingen, ist nichts Neues. Dass sie als Unternehmer direkt von der Ausbeutung politischer Gefangener in der belarussischen Diktatur des Putin-Vertrauten Alexander Lukaschenko profitieren sollen, hingegen schon. Auftritt Jörg Dornau aus der extrem rechten AfD Sachsen: Im Frühjahr war bekannt geworden, dass der gelernte Bauer mit Glatze und Landtagsmandat nebenbei eine Zwiebelfarm in Belarus betreibt. Der 54-Jährige hatte seine Einkünfte beim sächsischen Parlament nicht ordnungsgemäß angemeldet und musste dafür ein saftiges Ordnungsgeld von 20.862 Euro zahlen.
Laut einer neuen Recherche des unabhängigen Portals „Reformation“ soll Dornau dabei in Belarus politische Gefangene ausgebeutet haben. Für rund 5 Euro am Tag sollen Häftlinge bei widrigsten Bedingungen bei der Zwiebelernte schuften. Dornau soll selbst vor Ort in seiner Firma mit dem Namen „Cybulka-Bel“ gewesen sein, wie das Portal nach der Befragung eines Betroffenen berichtet. Ein großer Mann mit Glatzkopf sei in einem Auto mit deutschem Kennzeichen vorgefahren und habe die Arbeit der Häftlinge in einem Lagerhaus in Augenschein genommen. Der Zeuge habe Dornau auf einem Foto erkannt.
Der politische Häftling selbst sei für 15 Tage festgenommen und in der Stadt Lida inhaftiert worden, weil er einen falschen Beitrag in den sozialen Medien geliked hatte. Gearbeitet auf Dornaus Zwiebelfarm habe der Zeuge freiwillig, aber die Bedingungen seien sehr schlecht gewesen. Er sagte dem Portal, er sei in ein Lagerhaus gebracht worden und habe frierend ohne Arbeitskleidung in einem Keller geschuftet. Es habe Frühstück um 7:00 Uhr gegeben, anschließend sei bis 18:00 Uhr ohne Essen oder Trinken gearbeitet worden. Offenbar lakonisch merkt er an: „Zwiebel schmeckt gut.“
Am Ende sei der Tageslohn nicht immer bei den Häftlingen gelandet, sondern ins Gefängnis in Lida geflossen. Nur diejenigen, die aus Sicht des Vorarbeiters gut gearbeitet hätten, hätten auch Lohn bekommen. Laut dem Bericht des Portals habe der sächsische Zwiebelbauer entsprechende Vereinbarungen über die „Erbringung von Dienstleistungen“ mit dem Gefängnis unterzeichnet.
Interne Kritik in der AfD
Belarussische Gefängnisse sind für Folter berüchtigt. Am 5. Juli 2023 verstarb etwa der Lyriker Dmitri Sorokin (37) in Polizeigewahrsam in Lida. In den Knästen Lukaschenkos sterben immer wieder politische Gefangene. Jörg Dornau, selbst Teil der völkischen AfD-Strömung, die durch Putintreue besticht, ist seinerseits schon länger bekannt für prorussische Statements. Seit Anfang des Jahres auch dafür, dass er beim Erwerb der Zwiebelfarm mit 1.555 Hektar mit dem belarussischen Propagandisten Yurij Kunitskij zusammenarbeitete.
Die taz fragte nun bei zahlreichen AfD-Politikern und Dornau selbst nach einem Statement zu den Zwangsarbeits-Vorwürfen. Das Ergebnis: Schweigen. Auch sächsische Parteifreunde wollen derzeit auffällig wenig mit ihm zu tun haben. Die AfD-Fraktion im Dresdner Landtag wollte sich nicht zu „anonymen“ Anschuldigungen äußern. Weder von den Bundessprechern Alice Weidel und Tino Chrupalla, Letzterer immerhin selbst aus Sachsen, gibt es auf taz-Anfrage ein Statement. Vom sächsischen Landessprecher Jörg Urban gibt es trotz mehrfacher Anfragen und Anrufe nicht einmal ein Lebenszeichen.
Am Schweigen der Parteispitzen gibt es parteiintern Kritik, allerdings nur hinter vorgehaltener Hand. Ein Parteimitglied, das sich nur anonym zitieren lassen will, sagte der taz: „Es ist für mich nicht nachvollziehbar und sehr nebulös, dass weder der sächsische Fraktionsvorsitzende noch der Landessprecher in Doppelfunktion von Jörg Urban sich damit öffentlich auseinandersetzen.“
Die Partei müsse doch reagieren auf solche Vorwürfe, sagt das langjährige und nicht ganz unbekannte Mitglied: „Das ist unprofessionell. Wir sind als Partei jetzt über zehn Jahre alt, aber man kann immer noch nicht auf solche Fälle reagieren. Ich bin damit sehr unzufrieden.“ Jemand anderes aus dem Parteiumfeld kolportiert, der Landesverband Sachsen sei schwer zu kontrollieren. Niemand könne dort richtig durchgreifen – wegen der komplizierten Dreiecksbeziehung zwischen Bundes-Chef Tino Chrupalla, dem EU-Abgeordneten Maximilian Krah und Landeschef Jörg Urban.
Beistand vom „Flügel“-Freund
Lediglich der AfD-Politiker Hans-Thomas Tillschneider rief zu „Solidarität“ mit Dornau auf. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende in Sachsen-Anhalt ist seinerseits bekannt als schriller Putin-Freund. Er geht gerne mit Russlandfahne demonstrieren und behauptete direkt nach dem Überfall auf die Ukraine, dass Russland sich nur verteidige.
Für Tillschneider ist die Ausbeutung politischer Gefangener in einer Diktatur mit Foltergefängnissen offenbar eine normale Sache: „Wenn der weißrussische Strafvollzug die Möglichkeit vorsieht, dass Häftlinge wie auch bei uns arbeiten und solche Einsätze auf den Feldern meines Kollegen Dornau stattfinden, dann ist daran nichts auszusetzen. Pfui über diese Schmutzkampagne!“, schrieb Tillschneider bei X.
Für Dornau hat die Geschichte eventuell auch ein rechtliches Nachspiel. Ein Rechtsanwalt mit grünem Parteibuch teilte auf Twitter mit, dass er Strafanzeige gegen den AfD-Politiker gestellt habe: „Sollten sich die Hinweise durch die belarussische Zeitung erhärten, handelt es sich hier klar um einen Fall der Ausbeutung von Menschen in einer Zwangslage.“
Reformation ist ein oppositionelles belarussisches Onlineportal, das zunächst unter der Adresse rfrm.io zu lesen war. 2021 wurde das Portal vom „belarussischen Informationsministerium“ gesperrt, 2023 hat das Medium den „Free Media Award“ bekommen. Die Recherche zu Jörg Dornau ist dort auch auf Deutsch erschienen.
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reform.news 24.09.2024
„Die Zwiebeln schmecken“. Auf der Zwiebelplantage des AfD-Abgeordneten Jörg Dornau in Belarus arbeiten politische Häftlinge
Der deutsche Geschäftsmann und Abgeordnete der populistischen Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD), Jörg Dornau, unterzeichnete eine Vereinbarung mit der Lidaer Haftanstalt „Isolationszentrum für Straffällige“ (IZS) und beschäftigte regelmäßig Belarussen, die aus politischen Gründen inhaftiert sind, auf seiner Zwiebelplantage bei Lida. Sie erhielten etwa 5 Euro Arbeitslohn pro Tag. Wie Reform.news herausfand, inspizierte der deutsche Politiker die Arbeit der politischen Gefangenen sogar persönlich.
Wir fanden einen der „Politischen“, der für Jörg Dornaus Firma „Zybulka-Bel“ Zwiebeln sortiert hat. Er heißt Andrej (Name geändert). Er ist nicht der einzige, der aus dem IZS zur Arbeit in der Landwirtschaft geschickt wurde, aber der einzige, der bereit war, Reform.news seine Geschichte zu erzählen.
„Die Zwiebeln schmecken“
Andrej wurde im Februar 2024 festgenommen. Er kam für 15 Tage ins IZS, für ein Like unter einem Beitrag in einem Sozialen Netzwerk. Über die Arbeitsbedingungen erzählt Andrej:
„Sie brachten uns zu einer Lagerhalle. Februar, Keller, jeder trug die Kleidung, die er eben hatte. Wir froren also an Händen und Füßen. Frühstück war um 7 Uhr, dann arbeiteten wir bis 18 Uhr ohne Essen und Trinken. Die Zwiebeln schmecken.“
Andrej sagt, dass ein Werkvertrag zwischen „Zybulka-Bel“ und dem IZS Lida geschlossen wurde. Er betont, dass es keine Zwangsarbeit war. Das erarbeitete Geld sollte die Kosten des Aufenthalts im IZS decken.
„Wir unterzeichneten jeden Tag einen Arbeitsvertrag. Wenn der Vorarbeiter der Meinung war, dass ein Häftling gut arbeitet, erhielt er seinen Lohn. Das IZS Lida bekam 30 Rubel, der Häftling etwa 20 Rubel. Die Zwiebeln wurden für die Handelskette „Evroopt“ sortiert.“
Auf die Frage, ob er etwas über den deutschen Landwirt wissen, sagt Andrej:
„Ich habe ihn sogar gesehen! Ein großer Mann mit Glatze. Er kam einmal mit dem Auto mit deutschem Kennzeichen vorbei. Kam in die Lagerhalle, wo wir gemeinsam mit den anderen Arbeitern Zwiebeln sortierten.“
Als wir ihm ein Foto von Jörg Dornau zeigen, sagt Andrej: „Könnte er sein!“
Wer ist Jörg Dornau?
Jörg Dornau wurde im sächsischen Borna geboren. Er ist 53 Jahre alt, hat eine landwirtschaftliche Ausbildung und ist als Unternehmer tätig. 2016 trat er der rechtsextremen, prorussischen Partei „Alternative für Deutschland (AfD)“ bei. Seit 2019 ist er Mitglied des Sächsischen Landtags und in der AfD-Fraktion Sprecher für Landwirtschaftspolitik.
Dornau war innerhalb der AfD auch Mitglied der radikalen Gruppierung „Der Flügel“.
Der deutsche Politiker war in die bundesweiten Schlagzeilen geraten, als bekannt wurde, dass er den Landwirtschaftsbetrieb „Zybulka-Bel“ in Belarus besitzt. Sein Betrieb baut im Landkreis Lida auf einer Fläche von mehreren Hundert Hektar Zwiebeln und anderes Gemüse an. Es ist Landtagsabgeordneten gesetzlich nicht verboten, unternehmerisch tätig zu sein. Allerdings hatte Jörg Dornau seine Geschäfte in Belarus geheim gehalten und damit gegen die Offenlegungspflicht verstoßen. Infolge verhängte das sächsische Parlament im August 2024 ein Ordnungsgeld in Höhe von 20.862 Euro gegen ihn.
„Zybulka-Bel“
In Belarus tauchte der Deutsche häufig in den staatlichen Medien auf, traf sich mit hochrangigen Funktionären und genoss die Protektion der Machthaber.
Seine Firma „Zybulka-Bel” wurde im Oktober 2020 im Dorf Gudy im Kreis Lida, Gebiet Grodno im Handelsregister eingetragen. Zur selben Zeit schlug Alexander Lukaschenko mit seinen Sicherheitskräften die Massenproteste gegen die Wahlfälschung bei den Präsidentschaftswahlen nieder.
Mit Beschluss der Lidaer Kreisverwaltung wurden schrittweise Grundstücke des Landwirtschaftsbetriebes „Sowchose Lida“ zur dauerhaften Nutzung an „Zybulka-Bel“ überschrieben, insgesamt 1.555,4 ha.
„Jörg Dornau ist der führende Spezialist für Zwiebelanbau in Deutschland. Innerhalb von drei Jahren erwarten die Landwirte aus Leipzig einen jährlichen Ertrag von mehr als 10.000 Tonnen Zwiebeln. Das bedeutet, dass etwa jede fünfte in unserem Land angebaute Zwiebel aus Lida kommen wird“, frohlockte die der Präsidialverwaltung nahestehende Zeitung „SB. Belarus heute“ im Juli 2021.
Die Projektkosten lagen dem stellvertretenden Vorsitzenden der Lidaer Kreisverwaltung, Igor Kwassowka, zufolge zwischen 4,7 und 6 Millionen Rubeln (1,4-1,8 Mio. EUR).
„Neben Gemüseanbau und -verarbeitung plant der Investor auch die Schaffung eines vollwertigen Logistikzentrums zur Lagerung und Weiterverarbeitung der Produktion. Es werden 45 neue Arbeitsplätze entstehen“, schrieb die staatliche Zeitung „Lidskaja Gaseta“ im Januar 2021.
Das klingt doch vielversprechend, oder?
Darüber hinaus beteiligte sich „Zybulka-Bel“ an staatlichen Ausschreibungen. Zwischen 2022-2024 war Jörg Dornaus Firma drei Mal als Dienstleiterin für den Staat beim Kalken saurer Böden tätig. Das Gesamtvolumen der Aufträge belief sich auf 70.992 belarussische Rubel.
Ohne Sprachkenntnisse und die notwendigen Kontakte wäre es für Dornau allein sehr schwierig gewesen, sein Business in Belarus aufzubauen. Er hat also einen Geschäftspartner, den in Deutschland lebenden Unternehmer Yuri Kunitski. In der deutschen Presse kann man Folgendes über ihn lesen:
„… arbeitete viele Jahre für den russischen und belarussischen Propaganda-Apparat. In Bonitätsauskünften zu Kunitski steht: Von einer Geschäftsverbindung wird abgeraten.“
Das hinderte ihn nicht daran, ein gemeinsames Business mit Dornau aufzubauen: 50 % von „Zybulka-Bel“ gehört Kunitski. Von Dezember 2020 bis November 2023 war er Geschäftsführer des Betriebs, danach übernahm Dornau diese Funktion.
In einem Artikel der „Lidskaja Gaseta“ vom 31. März 2021 sagte Yuri Kunitski, der Prozess der Grundstücksüberschreibung liefe konform mit der geltenden Gesetzgebung. „Jetzt geht es auch um die Einstellung von Mitarbeitern. Unser Team wächst stetig. Aktuell stellen wir Maschinenschlosser ein. Insgesamt streben wir eine Mitarbeiterzahl von 50 Personen an, inklusive Saisonarbeiter“, so der Zeitungsbericht.
„Ich möchte die Gelegenheit nutzen und mich bei der Leitung der Kreis- und Gebietsverwaltung für das Vertrauen bedanken. Uns wurde grünes Licht gegeben“, erzählte Kunitski weiter.
„Saisonarbeiter“
Wie wir sehen, hat Jörg Dornau eine sehr eigenwillige Lösung für die Arbeitskräftefrage bei „Zybulka-Bel“ gefunden. Er überprüfte persönlich die Qualität der Leistung der belarussischen politischen Häftlinge. Der deutsche Politiker kannte und unterzeichnete die Verträge über die „Dienstleistungen“ einer Einrichtung, in der Belarussen wissentlich gefoltert werden.
Bei seinem Besuch in Belarus sagte Dornau:
«Deutschland verpasst hier eine wirtschaftliche Chance in einem Land, das mitten an der neuen Seidenstraße liegt, quasi als Bindeglied zur eurasischen Wirtschaftsunion mit über 180 Millionen Konsumenten.»
Dornau entschied also, die Chance einer wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Belarus nicht zu verpassen und nutzte das Dienstleistungsangebot des „Isolationszentrums für Straffällige“ in Lida.
Kleiner Exkurs: In den Zellen der politischen Häftlinge herrschen besondere Bedingungen: Matratzen, Kissen und Bettwäsche werden entfernt. Man darf nicht auf den Betten sitzen oder liegen. Die Gefangenen erhalten keine Päckchen. Das Licht in der Zelle brennt rund um die Uhr. Nachts wird mehrfach geweckt. In den meisten Zellen gibt es keine Toiletten und Waschbecken, nur Plastikeimer in der Ecke, die jeden Morgen in der Toilette im Gang ausgeleert werden müssen. Unser Gesprächspartner Andrej bezeichnet die Bedingungen als Folter.
Aktuell ist es in Belarus unmöglich, diejenigen zu bestrafen, die die Rechtlosigkeit der Belarussen ausnutzen. Deshalb hofft das Team von Reform.news, dass die deutsche Gesellschaft Jörg Dornau den einfachen Gedanken nahebringen kann, wie zweifelhaft es aus ethischer Sicht ist, die Arbeitskraft politischer Häftlinge auszubeuten.
Reform.news hat Jörg Dornau um eine Stellungnahme gebeten, bis zur Veröffentlichung des Artikels jedoch keine Antwort erhalten.