Kufiya gegen Halsschmerzen

Der Leipziger AfD gelang es bislang nicht, dem linken Kulturzentrum Conne Island die finanzielle Grundlage zu entziehen. Dafür versuchen antiimperialistische Gruppen nun, dem antisemitismuskritischen Laden mit einer Boykott- und Diffamierungskampagne finanziell Schaden zuzufügen.

»Da treffen sich Rassisten, AfD-Versteher, Zionisten, IDF-Rekrutierer … also ist es ein rechter Szenetreffpunkt … trotz aller Camouflage als progressiv.« Derjenige, der das auf X anonym geäußert hat, meint das Conne Island, ein bundesweit bekanntes alternatives Zentrum im Süden Leipzigs.

In einem Statement spricht das Conne Island nun von einer gezielten Boykottkampagne gegen das Zentrum. Immer wieder wird es für die von den Betreibern formulierte explizite Antisemitismuskritik und die daraus resultierende Solidarität mit Israel angefeindet. Seit dem 7. Oktober hätten bereits mehr als 13 Bands und DJs ihre Auftritte abgesagt.

Das Vorgehen der Boykotteure habe ein Muster: Tauche eine Band oder ein DJ in den Ankündigungen auf, würden sie angeschrieben und darüber belehrt, um was es sich beim Conne Island angeblich handele. Künstlern werde zudem mit Ausladungen andernorts gedroht, sollten sie im Conne Island spielen.

Mitte August sah sich die kanadische Hardcore-Punkband Cancer Bats dazu genötigt, sich für ihren Auftritt im Conne Island zu entschuldigen, nachdem sie für diesen kritisiert worden war. Die Band nehme es »sehr ernst«, dass sich jeder bei ihren Shows willkommen und sicher fühle. »Wir möchten auch klarstellen, dass wir keinen Völkermord unterstützen und dass wir von ganzem Herzen an ein freies Palästina glauben«, heißt es am Ende ihres Statements. »Wir würden niemals wissentlich mit jemandem zusammenarbeiten, der ­anders denkt.«

Die Kampagne gegen das Conne Island ist kein Einzelfall. Deutschlandweit gehen antiisraelische Gruppen gegen Veranstaltungsorte und Projekte vor, die nicht auf ihrer Linie sind. Mitte Mai versuchten ein paar Leute, symbolisch die Rote Flora in Hamburg zu besetzen. Der Ber­liner Technoclub About Blank wird unter Druck gesetzt und diffamiert. Selbst der beliebte Berliner Club Berghain steht mittler­weile auf einer Boykottliste.

Inszenierter Rauswurf

Anfang August folgten Auseinandersetzungen im Leipziger Atari. Dort hatten die »Punks against Antisemitism« zum Vortrag »Is Palestine a feminist issue?« eingeladen. Nachdem eine Person nicht davon abgebracht werden konnte, die Veranstaltung durch Zwischenrufe zu stören, wurde sie aus dem Saal gedrängt. Die Veranstalter sprechen auf Instagram von einem inszenierten Rauswurf: »Mit Störungen und Provokationen gegen antisemitismuskritische Veranstaltungen wird es von vornherein darauf angelegt, Situationen zu eskalieren und daraus eine mediale Kampagne zu produzieren. Es geht dabei darum, linken Gruppen und Läden systematisch zu schaden.«

Seit dem 7. Oktober verschärft sich in Leipzig die Situation für Veranstaltungsorte, deren Betreiber Empathie für die israelischen Geiseln und Opfer der Hamas äußern. Die Störversuche und Boykottaufrufe kommen aus verschiedenen miteinander verflochtenen autoritären Gruppen, die im lange als antideutsche Hochburg geltenden Leipzig seit einer Weile immer aggressiver auftreten.

Seit Beginn des Israel-Hamas-Kriegs ist das linke Hausprojekt B 12 in der Leipziger Vorstadt, das einen öffentlichen Veranstaltungsraum im Erdgeschoss betreibt, laut eigener Aussage wegen seiner israelsolidarischen Haltung regelmäßig Attacken ausgesetzt. Unbekannte haben demnach Eier an die Hausfassade geworfen und Bewohner des Hauses wurden bedroht.

Institut für Zukunft muss schließen

Der linke Technoclub Institut für Zukunft muss Ende des Jahres zwar vor allem aus finanziellen Gründen schließen. Szenekonflikte dürften dabei aber durchaus ebenso eine Rolle spielen. So sorgte ein Streit mit einer Kufiya-Trägerin 2021 für eine Diskussion darüber, ob man Besuchern mit dem sogenannten Palästinensertuch generell den Zutritt verweigern sollte.

Im Conne Island steht seit Jahrzehnten fest, dass, wer mit Kufiya kommt, nicht mitfeiert. Die autoritär-antiimperialistische Gruppe Young Struggle ­bezeichnete den Szeneladen deshalb als »Conne Racist Island«. Auf Instagram teilte die Gruppe Ende Juni einen angeblichen Erfahrungsbericht einer Besucherin. Wegen aufkommender »Halsschmerzen« habe sie ihre Kufiya umgelegt. Zwei Mitarbeiter des Conne Island hätten sie daraufhin zum Ablegen des Schals aufgefordert und beleidigt: »Ich habe Rassismus gegenüber Palästinensern und unbegründete Anschuldigungen des Antisemitismus erfahren. Man hat mich bedrängt und in meiner Würde verletzt.« Young Struggle kommentierte: »Zionisten machen sich, wo sie auch sind, zum Handlanger des deutschen Staates und Imperialismus.« Das Conne Island widersprach der Darstellung.

Antiimperialistische Gruppen wie AfD

Die Vorwürfe sind nicht neu. Das Conne Island sei rassistisch, antipalästinensisch, biete der AfD eine Bühne und rekrutiere für die Israelischen Streitkräfte (IDF), heißt es immer wieder. Seit 2018 existiert die Seite »Conne Island Boykott« einer ominösen Initiative für eine linke Gegenkultur.

Dort steht einleitend: »Das Conne Island gibt sich seit Jahren erfolgreich einen linken und subkulturellen Anstrich, doch leider trügt der Schein. Es ist ein Ort, an dem insbesondere Moslems Ausgrenzungserfahrungen machen, da ihnen unterstellt wird, frauenfeindlich und antisemitisch zu sein.«

Ziel solcher Boykottkampagnen ist es laut Conne Island, »uns als Veranstaltungsort mit politischem Anspruch den größtmöglichen Schaden zuzufügen. Wo wir von den Akteuren des Boykotts als politischer Gegner ausgemacht werden, geht es nicht mehr um die argumentative Auseinandersetzung«, sondern um die »kulturelle und materielle Existenz«.

Sollte antiimperialistischen Gruppen gelingen, woran die AfD scheiterte? Diese versuchte im Leipziger Stadtrat bereits mehrfach – teilweise mit Unterstützung der CDU –, dem Conne Island die finanzielle Grundlage zu entziehen, weil ihr das antifaschistische Zentrum ein Dorn im Auge ist.