„Letzte Generation“ stört Lindner-Auftritt – und bringt Minister auf die Palme

Polit-Talk zu den Staatsschulden mit Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) am Donnerstag in Leipzig. Mit dabei: die „Letzte Generation“ – und die Polizei.

Kaum war der Satz „Die Bekämpfung des Klimawandels ist eine Menschheitsaufgabe“ gefallen, wurde am Donnerstagnachmittag im proppenvollen Leipziger Kupfersaal alles anders. Bis dahin meisterte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) als Gast der Veranstaltung „Leipziger Wirtschaftspolitische Gespräche“ alle Fragen von Professor Gunther Schnabl mit Eloquenz und Witz – obwohl er sich zunächst wie in einem Examen gefühlt hatte, wie er dem Leiter des Instituts für Wirtschaftspolitik an der Universität Leipzig zur Freude der Zuhörerschaft gestand.

Nach 30 Minuten aber wurde Lindner zornig. Was nicht am Leiter des Talks lag, sondern an einem halben Dutzend Anhängerinnen und Anhänger der Umweltgruppe „Letzte Generation“. Bei Lindners Auslassungen „zur Transformation unserer Wirtschaftspolitik“, beim Stichwort „Klimawandel“ begann deren großer Auftritt.

Nacheinander und zum Teil unisono schallten die Statements der Gruppe durch den Saal. Er stehe für eine klima- und sozialpolitische Blockadehaltung. Wann er endlich gedenke, Politik für alle zu machen und Menschenrechte über Profite zu stellen? Auf solche und ähnliche Fragen, die die jungen Leute in Richtung Bühne schrien, versuchte Lindner zunächst einzugehen.

Doch als er merkte, dass er gegen den Parolen-Chor der Aktivistinnen und Aktivisten („Christian Lindner schützt die Reichen, Christian Lindner will nicht teilen!“) nicht ankommen würde, trat er an den Bühnenrand und feuerte los.

Lindner: „Gründen Sie eine Partei“

„Sie wollen nur rufen, Sie wollen gar nicht zuhören“, rügte er die Gruppe. „Mit Ihrem festgefahrenen Weltbild tragen Sie zur Spaltung unserer Gesellschaft bei“, geriet Lindner allmählich in Rage. „Gründen Sie eine Partei und machen Sie die mehrheitsfähig“, empfahl er letztlich.

Um dann noch hinterherzuschieben: „Mir ist es lieber, dass Ihr hier demonstriert, als dass Ihr Euch auf der Straße festklebt und so anderen die Freiheit raubt.“ Jetzt hatte der Minister die bis dato sprachlose Mehrheit im Saal aufgeweckt. „Haut ab!“, skandierte das Auditorium nun seinerseits im Chor.

Die Veranstaltung im Kupfersaal war von der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung organisiert worden. Sie fand in Kooperation mit dem Institut für Wirtschaftspolitik an der Universität Leipzig, der liberalen Hochschulgruppe „Freier Campus“ Leipzig und der Wilhelm-Külz-Stiftung statt.

Den Nerv der Anwesenden trafen die Umweltschützerinnen und Umweltschützer nur bedingt. Der Unmut wuchs. Die nach 20 Protest-Minuten aufmarschierende Polizei wurde mit Beifall begrüßt. Nach und nach wurden die Demonstrantinnen und Demonstranten von den Beamtinnen und Beamten aus dem Saal getragen. Unter den Störern war Lina Johnsen, die designierte Spitzenkandidatin der „Letzten Generation“ für die anstehenden Wahlen zum Europaparlament.

Während der Talk anschließend ohne weitere Zwischenfälle über die Bühne ging, Moderator Schnabl vor Studierenden der Alma mater lipsiensis, vor Unternehmern, Handwerkern, Politikern, Angestellten und Senioren konstatierte, „den Ordnungspolitiker Christian Lindner wiederentdeckt zu haben“, nahm die Polizei die Personalien von Lina Johnsen & Co. auf. Zuvor hatte sie Platzverweise gegen die Gruppenmitglieder ausgesprochen.

Sozialistische Gruppe protestiert auch

Schon vor der Veranstaltung mit Lindner hatten etwa 50 Menschen am Rande des Uni-Campus gegen den Auftritt des Ministers demonstriert. Auf einer Kundgebung unter dem Motto „Lindner an unserer Uni – gegen Armenhass und Bonzenpolitik!“ warfen Redner der sozialistischen Hochschulgruppe Studierendenkollektiv Leipzig dem Bundesvorsitzenden der Freidemokraten vor, wie kein anderer in der Bundesregierung gegen Arbeiterinnen und Arbeiter, Arme und Studierende Politik zu machen.

Letztere würden künftig darunter zu leiden haben, dass im neuen Bundeshaushalt 400 Millionen Euro für Bafög-Zahlungen fehlen. „Christian Lindner steht stellvertretend für eine Politik der Bonzen und Konzerne“, hatte Basti (21), Student der Medienwissenschaften, den Sympathisanten zugerufen.