Rechtsextreme „Freie Sachsen“ stoßen auf Widerstand in Torgau

Gleich drei Kundgebungen fanden am Montagabend in Torgau statt: Die „Freien Sachsen“ mit ihrem Chemnitzer Frontmann Martin Kohlmann auf dem Rosa-Luxemburg-Platz, die „Montags-Demonstranten“ auf dem Marktplatz und dazu ein kleiner Gegenprotest. Die Stimmung war aufgeheizt.

Rund 100 Teilnehmer haben sich am Montagabend zur Kundgebung der rechtsextremen Kleinstpartei „Freie Sachsen“ am Rande des Rosa-Luxemburg-Platzes in Torgau versammelt. Eigens aus Chemnitz angereist war Gastredner Martin Kohlmann, der vom Verfassungsschutz beobachtete Frontmann der „Freien Sachsen“. Rund 15 Gegendemonstranten hielten in einigem Abstand dagegen. Zu Zusammenstößen kam es aber, auch dank des geschickten Agierens der Polizei, glücklicherweise nicht.

„Machen Dreck alleene“

Die Organisatoren hatten sich offenbar mehr Zuspruch erhofft. „Wir waren schon mal mehr“, stellte Kohlmann fest. Das sei aber „gar nicht so schlimm“, machte er den fröstelnden Anwesenden sogleich Mut. Sodann wetterte er gegen die Corona Politik („Eingriff in unsere höchstpersönliche Freiheit“), gegen die Russland-Sanktionen, die „gleichgeschalteten Medien“, gegen „Zwangsimpfung“ und „Zuwanderung“ sowie das staatliche Schulsystem, das den Kindern schweren Schaden zufüge. „Was daraus wird, sehen Sie da hinten“, sagte er mit Verweis auf die lautstarken Gegendemonstranten, vor allem Jusos, Linke und Grüne. Am Ende forderte er unter Applaus, in Abwandlung des Zitats des letzten sächsischen Königs: „Ab jetzt machen wir unseren Dreck alleene.“ Vor vier Wochen war Kohlmann übrigens zu einer Geldstrafe wegen Volksverhetzung verurteilt worden.

„Kinder werden gechippt“

Zuvor hatte die Landtagskandidatin der „Freien Sachsen“, Uta Hesse, in schriller Tonlage ihre eigenwilligen Vorstellung zur Corona-Debatte kundgetan. In den Schnelltests seien giftige Stoffe enthalten, mit denen man die Kinder „vergiften“ wolle, behauptete sie allen Ernstes. Und es gebe Bestrebungen, die Kinder „zu chippen.“ Auch dafür gab es kräftigen Applaus.

Zudem ergriff ein Mitstreiter aus dem Ruhrgebiet das Mikrofon, der sich als Ex-SPD-Mitglied outete. Er habe nun bei den „Freien Sachsen“ seine politische Heimat gefunden – wobei offen blieb, ob er das Parteiprogramm studiert hat. Dort steht ausdrücklich, dass Bewohner aus anderen Bundesländern hier unerwünscht sind. Sie sollten dorthin zurückkehren, wo sie herkommen – ebenso wie die Migranten.

„Volk sprengt Ketten“

Zwischendurch heizte „DJ Rossi“ den Demonstranten ein. „Sachsen, du warst lange gepeinigt von feigen Verrätern“, sang der Barde mit dem schlohweißen Bart und der Wallemähne. „Doch jetzt sprengt das Volk seine Ketten entzwei.“ Diese Vision sorgte abermals für zustimmendes Gejohle, so dass die „Es-gibt-kein-Recht-auf-Nazi-Propaganda“-Rufe kurzzeitig übertönt wurden.

Nächsten Montag wieder Demos

Gegen Ende bauten sich Polizeiposten zwischen beiden Lagern auf. Denn erwartet wurden Dutzende „Montagsdemonstranten“, die sich auf dem Markt versammelt hatten. Zusammen mit den „Freien Sachsen“ wollten sie wie gewohnt durch die Stadt marschieren.

Mit geschickter Verhandlungs-Diplomatie konnte die Polizei ein Zusammentreffen der beiden Lager abwenden. Am Ende drehten noch etwa 160 „Freie Sachsen“- und „Montags“-Demonstranten eine kleine Runde durch die Stadt, wie die Polizeidirektion Leipzig auf Anfrage mitteilte. Zu Zwischenfällen sei es nicht gekommen. Am kommenden Montag sind erneut eine „Montags-Demo“ sowie eine Gegendemo angemeldet, weshalb die Polizei ihre Präsenz verstärken wird.

Wer sind die „Freien Sachsen“?

Die „Freien Sachsen“ wurden im Februar 2021 in Schwarzenberg/Erzgebirge gegründet. Vorsitzender ist Martin Kohlmann, der zuvor als Kopf der rechtsextremistischen Bürgerbewegung „Pro Chemnitz“ von sich reden machte, und als sein Stellvertreter fungiert der langjährige NPD-Politiker Stefan Hartung aus Aue-Bad Schlema. Nach Einschätzung des Sächsischen Verfassungsschutzes vereint die Partei bislang vor allem Rechtsextremisten aus dem Raum Chemnitz und dem Erzgebirgskreis. Die genaue Zahl der Mitglieder ist unbekannt. Allerdings erreichen die „Freien Sachsen“ über den Messenger-Dienst Telegram um die 150.000 Abonnenten.

Bislang traten die „Freien Sachsen“ vor allem durch die Mobilisierung gegen die Corona-Politik in Erscheinung. Neuerdings kommen die Energie-Proteste hinzu. Sie fordern unter anderem einen Stopp der Boykott-Maßnahmen gegenüber Russland, mehr Autonomie für Sachsen (notfalls den „Säxit“), die Rückführung von Menschen in ihre „Heimatländer“ (gemeint sind auch andere Bundesländer) oder die Förderung „freiwilliger Zusammenschlüsse von Sachsen zur Aufrechterhaltung der Sicherheit“, also Bürgerwehren.

Die auf breiter Front initiierte Mobilisierung wird von einem aufwendigen Merchandising flankiert. So verkauft die Partei nicht nur Banner (Kosten: 45 Euro), Fahnen und Anstecker mit ihren Botschaften, sondern auch „T-Shirts“, „Trillerpfeifen“, „Regenjacken“, „Straßenrucksäcke“ und „Taschenschirme“. Auf allen Devotionalien prangt das Wappen des einstigen Herrscherhauses Wettin, welches die „Freien Sachsen“ gerne vor den politischen Karren spannen würden. Die Nachfahren der Wettiner wehren sich jedoch dagegen.


01.11.2022

„Freie Sachsen“-Chef Martin Kohlmann darf Juristen nicht ausbilden

„Freie Sachsen“-Chef Martin Kohlmann arbeitet in Chemnitz als Rechtsanwalt. Ein Gericht hat ihm nun verboten, einen Rechtsreferendar in seiner Kanzlei auszubilden. Grund sind demnach Zweifel an der Verfassungstreue von Kohlmann und des angehenden Juristen.

Weil er Politiker der rechtsextremen „Freien Sachsen“ ist, darf Rechtsanwalt Martin Kohlmann mit seiner Gesinnung einen angehenden Juristen nicht in seiner Kanzlei ausbilden. Das hat das Verwaltungsgericht in Chemnitz entschieden und über die Details in einer Mitteilung informiert.

Eigentlich wollte der Rechtsreferendar Anfang November demnach seine praktische Ausbildung bei Kohlmann in Chemnitz beginnen. Der angehende Jurist ist aber in der Vergangenheit unter anderem als Aktivist der rechtsextremen Partei „III. Weg“ aufgetreten und deshalb erst nach einer Entscheidung des sächsischen Verfassungsgerichtshofs als Rechtsreferendar in Sachsen zugelassen worden. Außerdem hat der Freistaat Sachsen für die Ausbildung des Juristen Auflagen erteilt. Unter anderem darf das für die Juristenausbildung zuständige Oberlandesgericht (OLG) in Dresden mit entscheiden, bei welchem Rechtsanwalt der angehende Jurist seine Kanzlei-Station absolviert.

Eine Ausbildung bei Kohlmann verwehrte das OLG dem Referendar Ende September und wies ihm einen anderen Rechtsanwalt zu. Das OLG begründete das damit, dass Kohlmann ein „Akteur der rechtsextremen Szene in Chemnitz“ sei und seine Partei „Freie Sachsen“ vom Sächsischen Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft wurde.

Kohlmann moniert Diskriminierung

Gegen die OLG-Entscheidung sind sowohl der Referendar als auch Martin Kohlmann beim Verwaltungsgericht in Chemnitz vorgegangen. Kohlmann, so die Argumentation der beiden, sei weder fachlich als Ausbilder ungeeignet, noch dürfe seine politische Arbeit in dieser Sache eine Rolle spielen. Tue sie das doch, verstoße das gegen das Gleichheitsgebot im Grundgesetz.

Das Verwaltungsgericht in Chemnitz stützte die Entscheidung des OLG im Eilverfahren nun – Kohlmann darf den Juristen nicht ausbilden. Der Chemnitzer Rechtsanwalt ist dem Beschluss zufolge „weniger geeignet“, den Referendar auszubilden, als der vom OLG ausgewählte Anwalt. Das habe nichts mit Kohlmanns fachlichen Eignung zu tun, so das Gericht. Vielmehr gehe es um seine politische Tätigkeit, die an seiner Verfassungstreue zweifeln ließe. Zudem gebe es Zweifel an der Verfassungstreue des Referendars. Würde Kohlmann den Juristen ausbilden, so könne das das gesellschaftliche Vertrauen in die Justiz beeinträchtigen.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Kohlmann und der Referendar haben Beschwerde zum Sächsischen Oberverwaltungsgericht eingelegt.


02.06.2022

Freie Sachsen greifen in Nordsachsen nach dem Landratsposten

Drei Kandidaten bewerben sich bei der Wahl am 12. Juni um den Posten des Landrates. Neben Amtsinhaber Kai Emanuel und Torsten Pötzsch, steht auch Uta Hesse auf dem Wahlzettel. Sie wurde von den Freien Sachsen aufgestellt. Die Partei ist in der Region vor allem wegen der Organisation der Corona-Proteste bekannt, wird vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft.

An der Plakatwerbung kann man ablesen, dass sich die nordsächsische Landratswahl in der heißen Phase befindet. Besonders viele Plakate sind von Uta Hesse zu sehen – eine Frau aus dem Süden des Landkreises, aus der Stadt Mügeln, die von den „Freien Sachsen“ in den Wahlkampf geschickt wurde. Uta Hesse ist 35 Jahre alt, verheiratet und hat vier Kinder. Von Beruf ist sie Hoch- und Tiefbautechnikerin. Politisch ist die Mügelnerin erst seit den Coronaprotesten engagiert. „Ich war noch in keinem Stadtrat aktiv, habe aber die Geschehnisse aktiv verfolgt. Ich engagiere mich seit längerer Zeit im Protest gegen den politischen Abstieg und den Verkauf unseres Landes. Bin im stetigen Austausch mit anderen Politikern und helfe auch dort aktiv mit“, teilt sie schriftlich mit. Wie der Protest aussieht und wer die anderen Politiker sind, war Mitte Mai in Oschatz zu beobachten, als Uta Hesse mit Michael Brück und zahlreichen weiteren Demonstranten die Regionalkonferenz der CDU im Thomas-Müntzer-Haus lautstark störte.

Der Verfassungsschutz NRW benennt Michael Brück als ehemaligen stellvertretenden NRW-Landesvorsitzenden der Kleinpartei „Die Rechte“. Seit Ende 2020 ist er in Chemnitz aktiv. Dort arbeitet er angeblich für den rechtsextremen Rechtsanwalt Martin Kohlmann, der wiederum Gründungsvorsitzender der Freien Sachsen ist. Als rechte Gruppierung sieht Uta Hesse die „Freien Sachsen“ offenbar dennoch nicht, sondern als eine nach deutschem Recht anerkannte Partei. Die angeblich durch die Medien den Stempel rechts aufgedrückt bekam.

Blaupause aus der NPD

Dabei ist die Strategie, Bürgerunzufriedenheit nutzen, um Sympathisanten und Mitglieder zu akquirieren in Oschatz nicht neu. Ähnlich hatte es die NPD mit den Hartz IV-Protesten gemacht und so die Partei in der Stadt etabliert. Ähnlich machen es jetzt die Freien Sachsen mit den Corona-Protesten.

Welche konkreten politischen Ziele die Freien Sachsen bei der Landratswahl in Nordsachsen verfolgen, lässt sich aus den Slogans der weitgestreuten Wahlplakate jedenfalls nicht ableiten. So wird mit „Freiheit ist Sicherheit“, „Miteinander statt Spaltung“, „Bildung: frei“ oder „Raus aus dem Chaos: Saxit“ geworben. Das Deutungsspektrum jedenfalls ist enorm groß. „Auf den Wahlplakaten halten wir es so, wie es sein soll, kurz, knapp und informativ“, so Uta Hesse. Auf die Frage, was sie im vergangenen Jahr besonders aufgeregt hat, schreibt Uta Hesse: „Wie die Kinder von den Corona-Maßnahmen drangsaliert wurden und es ihnen auch wirklich nicht gut geht damit. Der Kollateralschaden, der daraus entstanden ist, ist wirklich massiv.“

Corona-Proteste instrumentalisiert

Wie groß die Basis der Freien Sachsen in Nordsachsen ist, ist nicht klar. Bundesweit wird die Partei vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall beobachtet. Geführt werden die Freien Sachsen von Martin Kohlmann, einem Anwalt aus Chemnitz, der seit Jahren als bestens vernetzter Rechtsextremist bekannt ist. Stellvertretender Vorsitzender ist der NPD-Politiker Stefan Hartung aus dem Erzgebirge.

Bekannt wurden die „Freien Sachsen“ ab dem Herbst vergangenen Jahres. Damals war es ihnen gelungen, den Protest gegen die Corona-Maßnahmen in Sachsen zu vereinnahmen. In sozialen Netzwerken war die Partei eine zentrale Plattform zur Organisation der Demonstrationen geworden. Ihrem Programm zufolge setzt sich die Partei unter anderem für eine größere Unabhängigkeit Sachsens ein, notfalls auch für einen Austritt aus der Bundesrepublik. Außerdem geht es ihr um Steuersenkungen, für die sie unter anderem mit dem Slogan „Stoppt den Raub, Steuern runter“ wirbt.

„Gelegenheit zur Abrechnung“

Für die Bürgermeister- und Landratswahlen in Sachsen im Juni hat die Partei in mehreren Orten und Landkreisen Kandidatinnen und Kandidaten aufgestellt. Die „Freien Sachsen“ begreifen die Wahlen eigenen Worten zufolge als „Gelegenheit zur Abrechnung“ mit den aktuell Regierenden und dem politischen System. Man brauche, so formuliert es die Partei immer wieder, einen Umbruch, eine neue politische Wende.

Von Hagen Rösner und Denise Peikert