Ein Traum von einem Tradwife

Antifas haben unter der Domain okstupid.lol ihre 1,7 GB Datenbeute der internationalen Naziflirtseite WhiteDate.net veröffentlicht: als Kartoffelkarte, als Suchseite und zum Download. Die Nazis wurden dabei zu Versuchsopfern in einem zutiefst unethischen Flirtexperiment: sie wurden monatelang von KI-Bots getrollt, von perfekten Tradwifes.

Zu den faschistischen Flirtopfern gehören auch Nazis wie Patrick Schröder alias „NoSurrender“. Seine denglische Liebeserklärung an das Naziportal ist einfach nur cringe: „Because you are the only exclusive website. its much more difficult to find someone in mainstream-portals, but its also not impossible.“

Zeit Online (Archiv) hat einen Rechercheartikel zu dem rechtsradikalen Liebesdesaster veröffentlicht:

„Fast 8.000 Menschen aus der ganzen Welt suchen auf diesem Parship für Rechtsextreme nach der Liebe. Die Informationen stammen aus einem Leak, das der ZEIT vorliegt. Nach Prüfung und Auswertung dieser Daten geben aktuell 684 Mitglieder an, aus Deutschland zu stammen. Unter ihnen sind AfD-Politiker, Abtreibungsgegner, Neonazis und die Bewohnerin eines Bauernhofs der rechtsesoterischen Anastasia-Bewegung.
Der Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen berichtete bereits 2019 über das Datingportal und ordnete es als ,Extremismus im digitalen Raum‘ ein. Das war zwei Jahre nach der Gründung der Webseite. Seitdem steht das Angebot illegalerweise ohne Impressum im Netz und wird über eine Firma in Paris betrieben. Recherchen der ZEIT haben ergeben, dass die Betreiberin eine Deutsche ist, die in der Nähe von Kiel lebt.
Ihr Name ist Christiane H., sie stammt aus Schleswig-Holstein und tritt unter dem Pseudonym ,Liv Heide‘ in rechtsextremen Szenemedien auf. Die 57-Jährige wähnte sich 2022 in einem YouTube-Interview mit einem Neonazi im ,Rassenkrieg‘ und hält Kontakte in die Neonazi- und Holocaustleugnerszene – und zur völkischen Sekte der Ludendorffer. Auf Anfrage der ZEIT wollte sich Gründerin H. nicht äußern.“

In einem YouTube-Video begründet eine antifaschistische Journalistin das Experiment und outet „the woman running it all“: Christiane Horn alias „Nordfrau“ aus der Klausdorfer Straße 165 in 24161 Altenholz. „Because Liv isn’t just your average Pinterest Nazi with an obsession for nordic runes and fertile wombs. She’s trying to build a full-blown fascist white supremacy network disguised as a dating app.“

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In dem Zeit-Artikel taucht auch der Nazi-Versand aus Leipzig wieder auf:

Dinkel88 sucht nach Liebe

Auf einem Datingportal suchen Rechtsextreme Partnerschaften: weiß, gute Gene, zum Erhalt der Blutlinie. Doch die deutsche Betreiberin verfolgt noch weitreichendere Ziele.

Von Christian Fuchs und Eva Hoffmann
8. Oktober 2025

Quarkente, 33, aus Hamburg sucht „einen gestandenen Mann“, mit dem sie Deutschland stärken kann. Vielleicht wäre ja Ludendorf etwas für sie: Er sei ein „Trainierter Mitt DreiSSiger“ und „sucht ein traditionelles Mädel“, schreibt er in seinem Profil. Oder vielleicht doch eher Nutzer Feldsteher, der von sich sagt, er stamme aus einer „bodenständigen, traditionsbewussten Familie“? Auch der Mann mit dem Profil Wald käme eventuell infrage, ein 23-jähriger blonder Norddeutscher. Als Interesse gibt er an: Faschismus.

Andere Mitglieder der Datingplattform, auf der Quarkente aktiv ist, werben mit ihren blauen Augen, ihrer Liebe zu „Kultur und Tradition“ oder einfach ihren „guten Genen“. Ulli, 33, aus Berlin, beschreibt sich als „arischen Mann“, der eine Hausfrau suche, um eine kinderreiche Familie zu gründen. Andere Männer suchen weiße Frauen, damit ihre „Blutlinie nicht in der Vermischung erlischt“ oder beschreiben sich als „NSler (…), der gern in die Sauna geht“. NS steht für Nationalsozialismus.

Die Zitate stammen von echten Profilseiten deutscher Mitglieder der Partnerbörse WhiteDate.net, einem Portal, das sich exklusiv an sogenannte „weiße“ Menschen richtet. Rassismus und Antisemitismus sind hier fast überall zu finden: in den Selbstbeschreibungen der Kunden, in den Diskussionsgruppen, die das Portal bereithält, sowie auf den Social-Media-Kanälen des Angebots.

Fast 8.000 Menschen aus der ganzen Welt suchen auf diesem Parship für Rechtsextreme nach der Liebe. Die Informationen stammen aus einem Leak, das der ZEIT vorliegt. Nach Prüfung und Auswertung dieser Daten geben aktuell 684 Mitglieder an, aus Deutschland zu stammen. Unter ihnen sind AfD-Politiker, Abtreibungsgegner, Neonazis und die Bewohnerin eines Bauernhofs der rechtsesoterischen Anastasia-Bewegung.

Die Betreiberin wähnt sich im „Rassenkrieg“

Der Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen berichtete bereits 2019 über das Datingportal und ordnete es als „Extremismus im digitalen Raum“ ein. Das war zwei Jahre nach der Gründung der Webseite. Seitdem steht das Angebot illegalerweise ohne Impressum im Netz und wird über eine Firma in Paris betrieben. Recherchen der ZEIT haben ergeben, dass die Betreiberin eine Deutsche ist, die in der Nähe von Kiel lebt.

Ihr Name ist Christiane H., sie stammt aus Schleswig-Holstein und tritt unter dem Pseudonym „Liv Heide“ in rechtsextremen Szenemedien auf. Die 57-Jährige wähnte sich 2022 in einem YouTube-Interview mit einem Neonazi im „Rassenkrieg“ und hält Kontakte in die Neonazi- und Holocaustleugnerszene – und zur völkischen Sekte der Ludendorffer. Auf Anfrage der ZEIT wollte sich Gründerin H. nicht äußern.

Nach außen wirkt das Portal wie eine Partnerschaftsbörse, jedoch mit rassistischer Ausrichtung. Weiße sollen andere Weiße kennenlernen, um im besten Fall weiße Kinder zu zeugen. Oder in den Worten von Christiane H.: Ziel sei es, „die exklusiv weiße Gemeinschaft wieder aufleben zu lassen“, um den „weißen Völkermord“ zu verhindern, sagte sie in einem Podcast eines Rechtsextremen 2019. Der Völkermord, so lautet ihre Verschwörungserzählung, das sei das Aussterben der angeblich „weißen Rasse“, weil immer mehr Kinder Teil einer sogenannten „Mischmaschrasse“ seien, „so wie die Juden“.

Aber der Datingaspekt ist nur ein Feature auf der Webseite. Eigentlich sei das Portal vor allem zur Vernetzung da. Die Gruppenfunktion sei der eigentliche Kern des Portals, sagte H. einmal in einem YouTube-Interview mit dem Neonazi Frank Kraemer. Tatsächlich treffen sich dort nach ZEIT-Informationen die Mitglieder und diskutieren über allerhand Themen, über „Rollschuhlaufen und Romantik“, Kirche, Permakulturanbau, die besten Großstädte für Konservative – aber auch über den Aufbau „weißer Gemeinschaften“.

So vernetzen sie sich, und zwar über Ländergrenzen hinweg. Zum Zeitpunkt des Leaks stammten die Mitglieder des Portals aus 88 Ländern. In diesem Safe Space für Neonazis könnten sie sich im privaten Bereich organisieren und kleine Zellen aufbauen – als Vorbereitung auf den kommenden „Rassenkrieg“. Im Jahr 2019 sagte Christiane H. in dem rechtsextremen Podcast zum Ziel der Vernetzung: „Irgendwann müssen wir das auch verteidigen.“

Der jüdische Vater ihres Ex-Mannes hatte die Schoah überlebt

Auch die Gründerin von WhiteDate hat sich offenbar über die Verschwörungserzählung des „weißen Genozids“ radikalisiert und daraufhin das Datingportal hochgezogen. In dem YouTube-Interview sagte sie, es gäbe nur noch sechs Prozent „richtige Weiße“ auf der Welt. Darum hätten sie das Recht, sich „auf rassischer Ebene zu erhalten“. Sie wolle die „vom Feminismus und Nihilismus gehirngewaschenen Köpfe deprogrammieren“.

Internetkonzernen wie Google, Meta, Reddit und Coinbase wirft sie vor, sie führten einen „Krieg gegen Weiße“, weil sie WhiteDate-Accounts auf deren Plattformen wegen Verstößen gegen die Nutzungsbedingungen geschlossen hätten. Die AfD sei ihr zu lasch, weil sie nicht proweiß sei, „die interessiert uns nicht“.

Christiane H. selbst ist als „Nordfrau“ auf ihrem Datingportal registriert. Weiße Bluse, Perlenohrringe, freundliches Lächeln. Zu ihren Hobbys gehören ihren Angaben zufolge Feng-Shui, Brunchen und Naturgeister. Aber auch: die „Rote Pille“. Was bei Keanu Reeves in dem Hollywoodfilm Matrix der Schlüssel zur Erkenntnis in einer von Maschinen beherrschten Welt ist, funktioniert in rechtsextremen Kreisen als Chiffre einer Gruppe, die sich selbst als „aufgewacht“ bezeichnet.

Die „Pille“ als Initialzündung für weitere Radikalisierung hat H. anscheinend online eingenommen.

„Als ich noch verheiratet war, war ich alles andere als aufgewacht. Ich dachte, Juden seien Europäer“, erzählte H. in dem Interview auf dem rechtsextremen YouTube-Kanal. Damals sei sie auf entsprechende Videos gestoßen und ihr sei klar geworden: „Wir Weißen sind ja schon fast weg vom Fenster.“

In ihre Beziehung habe sich eine dunkle Seite gemischt

H. lebte zu diesem Zeitpunkt in Paris. Ein Jahr nach den islamistischen Anschlägen in Nizza, auf den Musikclub Bataclan und die Redaktion des Satiremagazins Charlie Hebdo in Paris, witterte H. 2016 False-Flag-Aktionen – also verdeckte Täuschungsoperationen eines Geheimdienstes. Das berichtet ein ehemaliger Bekannter von Christiane H. der ZEIT. Je mehr Videos sie konsumiert habe, desto mehr sei sie davon überzeugt worden, dass beispielsweise der israelische Geheimdienst Mossad eine Rolle bei den islamistischen Anschlägen gespielt habe.

H. war damals bereits seit zwei Jahren mit einem Franzosen verheiratet gewesen, dessen jüdischer Vater die Schoah überlebt hatte. Jahre zuvor war Christiane H. als Musikerin nach Paris gekommen, als Jugendliche galt sie als „beste Pianistin ihrer Generation“, sagt ihr Ex-Mann im Gespräch mit der ZEIT. Doch ihre musikalische Karriere habe stagniert, obwohl sie „unglaublich talentiert“ gewesen sei. Stattdessen habe sie damals bereits für eine Datingplattform gearbeitet.

Ihr Ex-Mann hat sie als eine konservative Partnerin in Erinnerung, als Bismarck-Fan mit traditionellen Rollenvorstellungen von Mann und Frau. Seine jüdische Familiengeschichte, sagt er, habe zwischen den beiden keine Rolle gespielt. Das Paar habe einen internationalen Freundeskreis gepflegt und auf musikalischen Soirées des israelischen Dirigenten Eliahu Inbal verkehrt.

Heute kann der geschiedene Ehemann nicht mehr genau sagen, wann die Radikalisierung von Christiane H. begann. Schon bei ihrem ersten Treffen 2011 habe H. ihm den Roman Atlas wirft die Welt ab der rechtslibertären Autorin Ayn Rand empfohlen, er habe sich aber nicht viel dabei gedacht. 2015, glaubt er, habe H. ihm das erste Mal einen Link weitergeleitet, in dem es um Gewalt durch migrantische Männer ging.

Von einem „großen Austausch“ sei da fantasiert worden, mit dem die „weiße Rasse“ vernichtet werden solle. Er habe sie gebeten, ihm keine weiteren Videos dieser Art zu schicken. In die Beziehung habe sich eine „dunkle Seite“ gemischt, „die ich am Anfang der Beziehung nicht gesehen habe oder nicht sehen wollte“.

An einem Abend im Dezember 2017 kommt es zum Bruch. Es ist ein Abendessen, das auch Christiane H. in einem Interview mit einem Rechtsextremen als das Ende der Beziehung beschreibt. „Es war wie ein Tsunami“, sagt ihr Ex-Mann. H. sei in ihrer Hasstirade über Schwarze Menschen und Migranten nicht mehr zu stoppen gewesen. „Ich habe mich danach aus politischen Gründen getrennt“, sagt er heute. Im Jahr der Trennung habe H. angefangen, WhiteDate aufzubauen.

H. ist in rechtsextremen Kreisen vernetzt

Christiane H. zieht nach fast zwei Jahrzehnten in Frankreich zurück nach Deutschland und von der urbanen Metropole aufs norddeutsche Land. Ein Neonazi, der sie damals kannte, erinnert sich, dass sie da bereits „die europäischen Juden nicht zur ‚weißen Rasse‘ zählte“, sagt er der ZEIT. Christiane H. beginnt damit, WhiteDate strategisch in rechtsextremen Kreisen zu bewerben.

Als Netzwerk für „Europide“, wie es auch auf der Seite heißt – ein Begriff, der auf einen NS-Rassentheoretiker zurückgeht. H. zählt sich nun ganz offen zur „Pro-Weißen-Bewegung, die aufgeklärte Weiße vereint, die sich ihrer Rasse bewusst sind und sich gegenseitig im Kampf gegen das Aussterben unseres Volkes unterstützen“, schreibt sie auf ihrer Webseite.

Unterstützt wird sie zum Beispiel von Neonazis wie dem Musiker der Rechtsrockband Stahlgewitter, Frank Kraemer, der ihr Portal mit Auftritten in seinen Kanälen versucht hat, populärer zu machen. Oder mit einer Grußbotschaft vom Holocaustleugner und Gründer der rechtsextremen „Europäischen Aktion“, Bernhard Schaub. In dem Interview von 2022 erzählte Christiane H. auch von Kontaktversuchen zum rechtsextremen Influencer „Volkslehrer“ und dem Leiter der Identitären Bewegung.

Auf ihrer Webseite verlinkt sie zum Versandhandel „Der Schelm“, der nationalsozialistische und antisemitische Literatur vertreibt.

Auch offline scheut Christiane H. den Kontakt zur extremen Rechten nicht. Nach Informationen der ZEIT besuchte sie etwa Veranstaltungen des „Bund für Deutsche Gotterkenntnis“. Die völkische Gruppierung ist dem Verfassungsschutz bekannt und wird als Ludendorff-Netzwerk beobachtet. Benannt nach Erich Ludendorff, maßgeblich Beteiligter am Hitler-Putsch von 1923, stützt die Gruppe sich auch auf dessen völkische Ideologie und Esoterik. In Schierensee, einem Dorf bei Kiel, kommt der Kern der Gruppierung für rituelle Tanz- und Netzwerktreffen regelmäßig zusammen, insbesondere zur Sommersonnenwende.

Ideologisch ist H. bei den Ludendorffern gut aufgehoben: In einem Text in dem rassistischen und antisemitischen Onlinemagazin The Occidental Observer bedient sie sich 2021 klassischer NS-Rassenideologie, indem sie über eine ehemalige Kommilitonin als „Halbjüdin“ und deren vermeintlich äußere Erscheinungsmerkmale philosophiert. In dem Artikel trauert sie auch um die „schönen jungen Soldaten“ des Zweiten Weltkriegs und befeuert antisemitische Verschwörungserzählungen einer angeblich jüdischen Weltherrschaft.

Die meisten Mitglieder sind Männer und kommen aus den USA

Auch auf ihrer Webseite WhiteDate findet sich ein großes Spektrum extrem rechter Fantasien. Einige Nutzer haben sich mit Mailadressen angemeldet, die auf eine Sympathie für den Nationalsozialismus schließen lassen. Sie nennen sich wie die SS-Division „Nordland“ oder wie der angebliche NS-Geheimbund „Vril Standarte“.

Andere beziehen sich auf neurechte Ideologie mit Namen wie Ernst Jünger oder auf die „Weiße Überlegenheit“-Bewegung mit Namen wie „Deutsch und Weiss“ oder „White Power“. Und dann gibt es noch die kuriosen Nutzernamen, die sich „Rauhnacht“ nennen, „Adlerhorst“ oder „Dinkel88“.

Der größte Teil der Mitglieder der Partnerbörse stammt aus den USA, über die Hälfte aller angemeldeten Profile geben an, Amerikaner zu sein. Danach folgen Deutschland, Großbritannien und Kanada. Die angemeldeten Männer betreiben Neonaziklubs, sind Soldaten oder Feuerwehrmänner. Glaubt man den Selbstangaben der Mitglieder, sind die Nutzer durchschnittlich 37 Jahre alt. Nur 12 Prozent sind Frauen, 88 Prozent Männer.

Wer es trotz dieses unausgewogenen Geschlechterverhältnisses auf der Plattform zu einem Date schafft, aber trotzdem Schwierigkeiten beim Nachwuchs hat, für den hat Christiane H. noch WhiteChild im Angebot – eine Adoptionsplattform für weiße Kinder und Samenspender. 2019 verkündet H. über die Webseite:

„Ich bin überglücklich, die Geburt unseres ersten WhiteDate-Babys bekannt zu geben! Hoffentlich werden noch viele weitere folgen. Wir warten darauf, dass sich die Eltern bei uns melden, um eine Spende in Höhe von 250 britischen Pfund für dieses erste Kind zu erhalten, die großzügigerweise von einem anonymen Unterstützer aus Großbritannien angeboten wurde.“

Auch die Seite WhiteDeal wird von ihr betrieben, eine Plattform, die Arbeitgebern nur weiße Mitarbeiter vermitteln soll.

Sie selbst scheint es damit jedoch nicht so genau zu nehmen: Programmiert werden all ihre Webseiten, nach Informationen der ZEIT, von einem indischen IT-Fachmann, die Buchhaltung hat ein Mitarbeiter in Madagaskar übernommen.