Beschmiertes Haus in Leipzig-Connewitz: OBM Jung sieht Grenze zur Gewalt überschritten

Das Stadtoberhaupt und alle Ratsfraktionen verurteilen die Drohungen gegen Mieter. In den Details der Sichtweisen gibt es jedoch Unterschiede.

„Yuppischwein zieh nicht hier ein!“ – so steht es immer noch groß an der Hauswand in der Wolfgang-Heinze-Straße 28. Die mit handfesten Drohungen verbundene Attacke auf das frisch sanierte Gebäude in Connewitz ruft Empörung in der Kommunalpolitik hervor.
Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD), der vor einigen Jahren selbst in dem Viertel gelebt hatte, sagte unter anderem:

„Wer Menschen als ‚Schweine‘ bezeichnet, der spricht ihnen das Menschsein ab. Hier ist eindeutig die Grenze zur Gewalt überschritten. Und diese Drohungen passen ganz und gar nicht zur bunten Vielfalt und gerne eingeforderten Toleranz in Connewitz.“

Leipziger CDU unterstützt Investoren

Ebenso wie Jung verurteilten alle Ratsfraktionen Einschüchterungen und Gewalt entschieden. Auf Zetteln hatten die anonymen Täter gedroht: „jetzt kriegt ihr für sehr viel geld die schlimmsten nachbar*innen der welt.“ Sie verwendeten nur klein geschriebene Worte: „wenn ihr euch bei den bullen über uns beschwert, dann schlagen wir euch die scheiben ein.“

Vergangene Woche waren in dem Gründerzeithaus auch mehrere Fenster, die Klingeltafel und Videosprechanlage mit schwarzer Farbe besprüht worden. Vertreter der CDU, Linke, AfD, Grüne, BSW und SPD verurteilten ausdrücklich jegliche Sachbeschädigungen.

Bei der Union erinnerte Stadtrat Karsten Albrecht daran, dass die Wolfgang-Heinze-Straße schon öfter Ausgangspunkt für Gewalttaten gewesen sei, die mit Wohnungsbauprojekten in Zusammenhang standen.

Zum Beispiel ging der brutale Überfall auf die Prokuristin einer Immobilienfirma im Jahr 2019 auf ein Bauprojekt in der Wolfgang-Heinze-Straße 36 zurück. Im Folgejahr flogen bei einer Demo Steine und Raketen gegen Fenster eines Neubaus an der Ecke zur Mühlholzgasse – obwohl dort gerade Familien mit Kindern eingezogen waren.

Linke für friedlichen Protest gegen steigende Mieten in Leipzig

„Ich habe 25 Jahre lang fast neben dem jetzt betroffenen Gebäude gewohnt. Ich kenne es gut“, erzählte Albrecht. Er ist von Beruf Bau- und Projektleiter. „Das Haus stand lange leer und war völlig hinüber. Es muss echt teuer gewesen sein, es denkmalgerecht wieder herzurichten.“

Während Albrecht (Karsten Albrecht wohnte viele Jahre in einem Haus der AWC und wollte Denunziation: https://connewitz.noblogs.org/archives/11) betonte, dass im schnell wachsenden Leipzig jede Wohnung gebraucht werde, schlug Franziska Riekewald eine andere Tonlage an. „Kaltmieten von 14 Euro pro Quadratmeter sind in Leipzig nicht realistisch”, meinte die Fraktionschefin der Linken. „Wahrscheinlich stehen deshalb in dem Haus noch etliche Wohnungen leer.“

Fassaden zu beschmieren oder Mietern zu drohen sei trotzdem nicht akzeptabel, so Riekewald. Es schade dem Ringen um gemeinwohlorientierte Eigentumsverhältnisse sogar. Es gebe viele friedliche Mittel, um sich gegen ständig steigende Mieten zu engagieren. Unter anderem biete die Linke allen betroffenen Haushalten konkrete Hilfe gegen Mietwucher oder falsche Betriebskostenabrechnungen an.

Von der Hausverwaltung und dem Sanierungsträger der Wolfgang-Heinze-Straße 28 gab es in den letzten Tagen keine Informationen mehr. Begründet wurde das mit Urlaubsabwesenheiten. Laut AfD-Stadtrat Christian Kriegel herrscht in Leipzig „eine gewisse Angst vor dieser Klientel, die immer wieder Fassaden beschmiert. Dabei sollten wir froh sein über jedes Gründerzeithaus, das noch gerettet wird.“

BSW hofft auf Diskussionen in Leipzig-Connewitz

OBM Jung habe sich im Wahlkampf mit der in Connewitz stark verankerten Antifa gemein gemacht, was ihm jetzt auf die Füße falle, sagte Kriegel.

„Aus AfD-Sicht ist es unglaubwürdig, wenn er jetzt die Folgen dieser Politik verurteilt.“

BSW-Fraktionschef Eric Recke erklärte: „Selbst wenn es nur Jugendliche waren – wir lehnen ein solches Verhalten zutiefst ab. Und wir hoffen auf einen zeitnahen Diskussionsprozess innerhalb des Stadtteils.“

Ähnlich klang es bei Grünen-Fraktionschefin Kristina Weyh: „Wenn Menschen sich in ihren eigenen Wohnungen, dem oftmals einzigen Rückzugsort, nicht mehr sicher fühlen, ist das kein Beitrag zu der wichtigen Debatte über bezahlbaren Wohnraum.”

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Mark Daniel 04.10.2025

Protest gegen Gentrifizierung eskaliert – „Yuppieschwein zieh nicht hier ein“: Drohungen gegen Mieter in saniertem Connewitzer Haus

Unbekannte haben ein frisch saniertes Gebäude in Leipzig-Connewitz mit Drohungen beschmiert. Die Polizei ermittelt. Anwohner sind entsetzt über die Eskalation der Gentrifizierungsgegner.

Die Fenster sind zugesprayt, an der Fassade klebt Farbe, auf der Klingelschildleiste ist nichts mehr zu erkennen: Unbekannte haben in dieser Woche ein gerade fertig saniertes Haus im Leipziger Stadtteil Connewitz von außen attackiert und Drohungen hinterlassen.

„Yuppieschwein zieh nicht hier ein!“, und „Enteignen“ steht in großen Buchstaben an der Wand des Objekts in der Wolfgang-Heinze-Straße 28. Schwarze Sprühfarbe hat die Fenster blind gemacht, und das „Denkmal“-Symbol zwischen der Schmiererei wirkt wie eine hilflose Mahnung.

Aushang mit einer Drohung

Kaum sind die Baugerüste gefallen, da steht der aktuelle Zustand des markanten Eckgebäudes aus dem Jahr 1884 im krassen Gegensatz zu dem, was die Beschreibung auf Immobilienportalen für die Vermietung verspricht: „wundervolle historische Details“ und „ein schönes Wohnumfeld zum Wohlfühlen“.

Derzeit kann von einem guten Gefühl nicht die Rede sein. Verursacher der Attacke sind offensichtlich Gegner der Gentrifizierung, also der Verteuerung von Wohnraum als Folge einer baulichen Aufwertung. Bis zur Wochenmitte hing ein Zettel mit einer unmissverständlichen Botschaft am Haus.

„trotz wuchermiete seid ihr hier eingezogen, damit macht ihr mit bei gentrifizierung und verdrängung“, hieß es in Kleinbuchstaben. „jetzt kriegt ihr für sehr viel geld die schlimmsten nachbar*innen der welt.“ Der Ankündigung, dass die Kneipen im Quartier laut und die Wände dreckig seien, folgt eine Drohung: „wenn ihr euch bei den bullen über uns beschwert, dann schlagen wir euch die scheiben ein. herzlich willkommen in connewitz.“

Inzwischen wurde der Aushang entfernt. Empörung und Entsetzen über das Ausmaß der Aktion bleiben. „Es wird immer schlimmer“, sagt Erika Herzog, die in der Nähe wohnt. „Dass Häuser beschmiert werden, ist in Connewitz ja leider die Regel, aber das hier ist besonders furchtbar.“

Die 86-Jährige wohnt seit 20 Jahren im Stadtteil. Sie ärgert, „dass es keinen Respekt vor Denkmalschutz und der Wiederherstellung wertvoller Häuser gibt“.
Unmittelbar an das verunstaltete Haus grenzt „Betten Költzsch“, seit 2002 eine gastronomische Größe im Süden der Stadt.

Auch Wirt Jens Krüger fehlt jedes Verständnis für die Attacke. „Das Beschmieren ist schon schlimm genug“, sagt er, „aber solch eine Drohung, das geht einfach nicht.“
Schon länger sieht der Kneiper die Entwicklung im Kiez kritisch. „Dieser schöne, bunte Stadtteil stand früher für politisch, kritisch, friedliebend. Doch was ihm immer mehr abhandenkommt, ist Toleranz“, sagt er in einer LVZ-Reportage zu Corona-Zeiten.

Miete deutlich über dem Schnitt

Um die Ecke, in der Mathildenstraße, befindet sich ein weiteres Klingelschild mit Zugang zum Objekt. Da stehen bereits Namen zweier Mieter. Auf ein Klingeln folgt jedoch keine Reaktion. Fest steht: Wohnraum ist dort noch zu haben. So findet sich auf dem Immowelt-Portal eine Dreizimmerwohnung in der Größe von knapp 77 Quadratmetern mit Balkon und Fußbodenheizung.

Die Kaltmiete von 1040 Euro entspricht 13,50 Euro pro Quadratmeter. Das ist deutlich über der Vergleichsmiete. Die liegt laut Mietspiegelrechner der Stadt Leipzig für den Standort und bei einem gehobenem Level bei knapp unter 10 Euro.

Das wollen bestimmte Gentrifizierungsgegner offenbar auch mit illegalen Mitteln torpedieren. Der Bauträger des Objekts ist informiert. „Die Verunreinigung der Fassadenflächen mit verschiedenen Graffitis ist uns bekannt“, heißt es vom Unternehmen Immovaria. Man habe Anzeige erstattet. Zu Details wie dem Befinden von Mietern wollte das Unternehmen keine Angaben machen.

„Uns wurde der Vorgang gemeldet und eine Anzeige aufgenommen“, bestätigt eine Sprecherin der Polizei in Leipzig. Es bestehe der Verdacht auf Sachbeschädigung und Nötigung. Der Vermieter meldete sich auf LVZ-Anfragen nicht und war telefonisch nicht zu erreichen.