Ostdeutschland 2026. Die kommende Macht der AfD im Osten

Bei den 2026 anstehenden Landtagswahlen in Ostdeutschland hat die AfD eine reale Chance auf Machtbeteiligung.

Schon jetzt geht die rechte Hegemonie in Ostdeutschland deutlich über jene in den 1990er und 2000er Jahren hinaus.

Es ist hohe Zeit, das undenkbare zu denken: die AfD an der Macht. Unsortierte Stichworte zur Lage in Ostdeutschland

Ende September nächsten Jahres sind die Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt (6. September) und Mecklenburg-Vorpormmern (20. September) schon gelaufen. Es steht zu erwarten, dass die AfD jeweils stärkste Kraft in den Landtagen von Schwerin und Magdeburg werden könnte, und somit die Gefahr einer direkten oder indirekten Machtbeteiligung steigt.

Schon jetzt verfügt die AfD in Ostdeutschland jenseits von Jena, Potsdam, Halle(Saale), Leipzig und Erfurt über eine politische Stärke, die sich nicht allein an der Zahl der Mandate in den Landtagen, Kreistagen oder Gemeindevertretungen messen lässt. In den mittelstädtisch geprägten Regionen Ostdeutschlands hat sich um die AfD eine politische Korona gebildet, das als „Zivilgesellschaft von rechts“ zu beschreiben ist, und anders als im Falle des jugendkulturellen Neonazismus der 1990er Jahre und seiner Gewaltpraxis, weit in das mittelstädtische Kleinbürgertum und seine Netzwerke hinein reicht.

In Regionen Sachsens, Thüringens, Sachsen-Anhalts, Mecklenburg-Vorpommerns und exemplarisch auch im Land Brandenburg muss der Prozess der Normalisierung der AfD im Alltagsbewusstsein der politischen Öffentlichkeit als abgeschlossen gelten.

Nun arbeitet die Partei an ihrer institutionellen Verankerung und an der Durchdringung der Gesellschaft. Dabei zielt die Partei auf Strukturen der Feuerwehr, der Heimat- und Traditionsvereine – also auf Domänen des gesellschaftlichen Konservatismus, dessen Ausprägung in Ostdeutschland einen besonders reaktionären Charakter trägt. Zweifellos ist dies kein linearer Prozess.

Immer wieder gibt es aufgrund von politischen Fehlern, der Unerfahrenheit und auch Charakterschwächen der handelnden Akteur*innen der Partei, Rückschläge im Vollzug der Professionalisierung der AfD gerade im kommunalen Kontext. So erwies sich, dass der AfD Landrat von Sonneberg/Thüringen ebensowenig eine glückliche Hand hat, wie der Bürgermeister von Jeßnitz, Hannes Loth. Doch schon das Agieren des Rosslauer Ortsbürgermeisters und vormaligen HDJ Kaders, Laurenz Nothdurft zeigt, wie sich die AfD in Zukunft aufstellen könnte.

Der Mangel an Erfolg mag die Partei vor Ort bremsen, schadet ihrem Aufstieg darüber hinaus aber offenbar nicht. In einigen Regionen etwa Sachsens profitiert die AfD sozialräumlich von der politischen Arbeit der NPD in den 1990er und 2000er Jahren – auch dort, wo es keine direkten personellen Kontinuitäten gibt. AfD und ihr extrem rechtes Vorfeld agieren arbeitsteilig und zugleich inhaltlich auf einander bezogen

Wie die Ergebisse der Bundestagswahlen in Ostdeutschland zeigen, bindet die Partei ein Wähler Potential von bis zu 38 Prozent der Wahlteilnehmenden an sich. Ob es der AfD gelingt, ihre Wählerschaft auch zu Landtagswahlen in diesem Umfang zu mobilisieren, lässt sich mit einem Vorlauf von 13 Monaten nicht seriös sagen.

Festzuhalten ist jedoch, dass die AfD über ein stabiles Wähler*innen Resservoir in Höhe von 30 Prozent plus X in Ostdeutschland verfügt. Es sind hinreichend Analysen verfügbar, die den Aufstieg und die Normalisierung der AfD in Ostdeutschland eingehend skizzieren, weshalb wir hier dazu nicht weiter ausführen.

Zugleich sind linke und emanzipatorische Praxen in Ostdeutschland in einem Maße marginalisiert, wie sich dies namentlich westdeutsche Beobachter*innen vielfach nicht vorstellen können.

Dies hat vielfältige Ursachen, von denen hier nur einige aufgeführt seien: eine durch Abwanderung, Mangel an Ressourcen und Akteur*innen geschwächte gesellschaftliche Linke, deren Reproduktion im drei bzw. fünf Jahres Modus zum Erliegen zu kommen droht.

Eine strukturell konservative gesellschaftliche und politische Mehrheit, die jede Form der Abweichung vom Modell der regionalen kulturellen Rückbindung als „Extremismus“ sanktioniert. All dies ist für Beobachter*innen nichts neues, sondern ein Zustand, der mit Veränderungen seit den früher 1990er Jahren andauert.

Mit den Landtagswahlen ergeben sich jedoch neue Bedrohungsszenarien für linke Praxen in Ostdeutschland.

A) Auch wenn unabhängige Linke keine Akteur*innen in den Landtagswahlkämpfen sein werden, könnten sie zur Zielscheibe von Anfeindungen, Bedrohungen und Gewalt werden, wo extrem rechte Gruppen dies als für sie nützlich oder sinnvoll erachten

B) Die Dynamik des Wahlkampfes birgt die Gefahr von Angriffen auf Wählerkämpfer*innen von SPD, LINKE und Grüne, was diese zu einem Rückzug aus Wahlkämpfen in den Regionen zwingen könnte.

C) Schon jetzt ist die Luft für Menschen die nicht in das rechte Weltbild passen in Ostdeutschland extrem dünn. Die stetigen Meldungen über Angriffe, Bedrohungen, Stalking etc. sind zahlreich, erlangen jedoch nicht mehr die Aufmerksamkeit einer (auch linken ) Öffentlichkeit.

D) Es steht zu erwarten, dass es zu einer Übersättigung des Publikums mit dem Thema Ostdeutschland in der Öffentlichkeit kommt. Ebenso steht zu erwarten, dass große Medienhäuser ihre Edelfedern auf „Zonensafari“ schicken, oder einige wenige ostdeutsche Akteur*innen zu Wort kommen. Queere, migrantische, linke und emanzipatorische, feministische Perspektiven werden darin erwartbar kaum Platz haben.

E) Kommt es zu einer Machtbeteiligung der AfD im Osten sind rasche und harte Angriffe auf linke und emanzipatorische Strukturen zu erwarten. Dies wird einen Exedus jener Akteur*innen aus Ostdeutschland auslösen, die nicht ins rechte Weltbild passen UND die es sich aufgrund von Ressourcen und Netzwerken noch werden leisten können, Ostdeutschland zu verlassen.

Die Liste der zu erwartenden rapiden Verschlechterungen der gesellschaftlichen Situation in Ostdeutschland ließe sich fortführen. Es gibt derzeit nur wenige Akteur*innen, die sich erkennbar auf eine drohende, aber keineswegs ausgemachte politische Disruption in Ostdeutschland 2026 vorbereiten. Die Ursachsen hierfür sind oben benannt.

Strukturen wie das Netzwerk „Polylux“ werden das, was in Ostdeutschland an existentieller Bedrohung ins Haus steht nicht auffangen können. Eine breite Debatte in der gesellschaftlichen Linken über ein „Ostdeutschland Szenario 2026“ ist nicht zu erwarten. Dazu sind linke Interessen und Ressourcen zu fragmentiert, zu dominiert von westdeutschen Normalitätserwartungen und diskursiven Logiken der Abgrenzung.

Ostdeutsche Selbstverständigungsprozesse abseits der Großstädte kosten Kraft und ließen sich in der Vergangenheit nur schwerlich verstetigen.

Die Betroffenen eines Machtzugewinns der AfD 2026 in Ostdeutschland werden sich selbst helfen müssen oder sie müssen das Land verlassen.

Quelle: https://de.indymedia.org/node/530387

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Ostdeutschland 2026. Die kommende Macht der AfD. Teil 2

Unsortierte Stichworte zur Lage in Ostdeutschland vor den Landtagswahlen 2026. Teil 2

Die Situation der politischen Gegner der AfD in Ostdeutschland

Teil 2

Die Situation von Rassismus Betroffenen und politischer Gegner der AfD.

Die in Teil 1 skizzierte Situation bestimmt den Handlungsraum jener politischen Akteur*innen, die aus sehr unterschiedlichen Perspektiven die AfD ablehnen, von ihr als politischer Feind markiert werden oder resultierend aus ihrer soziokulturellen Praxis in (nicht intentierte) Gegnerschaft zur AfD geraten.

A) Die Situation migrantischer Communitys abseits der Großstädte (wenngleich es auch dort Hotspots rechter Gewalt gibt) ist durch eine Stimmung rassistischer Feindseligkeit aus weiten Kreisen der Bevölkerung, und durch die allgegenwärtige Gefahr rassistischer und rechter Gewalt geprägt. Diese wird keineswegs ausschließlich von Neonazis und ihrem jugendkulturellen Umfeld ausgeübt.

Wie in den vergangenen Jahrzehnten bieten regionale mittelstädtische Sozialräume wiederkehrend Gelegenheitsstrukturen für die Ausübung rassistischer Gewalt. Dies reicht von Alltagssituationen im öffentlichen Raum über Eventsituation (Fussball, Stadtfest, etc) bis zum Handeln aggregierter neonazistischer Akteur*innen im Kontext von Demonstrationen und Versammlungen.

Letztere spielen für die sozialräumliche Dominanz der extremen Rechten eine gewichtige Rolle. Wenn, wie in Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt gängig, jeden Montag in einer Kleinstadt zwischen 50 und 300 Personen aus dem Spektrum der extremen Rechten auf der Straße Präsenz zeigen, so dominieren sie damit nicht nur temporär den öffentlichen Raum.

Vielmehr bestimmen sie auf diese Weise auch das Stadtgespräch, mithin die regionale öffentliche Meinung. In solch einem Umfeld haben es Menschen, die rechten Weltbildern nicht zu stimmen, schwer ein Minimum an Sichtbarkeit aufrecht zu erhalten.

B) Linke, antifaschistische Akteur*innen sind in den skizzierten Regionen i. d. R. nicht kollektiv handlungsfähig. Wo es keine alternativen Trefforte, die als Safe Spaces dienen können gibt, sind antifaschistische Inhalte abseits von Sozialen Medien schlicht unsichtbar und inexistent. Die Regionen in denen dies so ist, sind nicht gerade klein.

Wo es alternative Trefforte gibt, stehen sie unter Druck. Dieser wird von der AfD, von konservativen Mehrheiten in Stadträten und Gemeinde Vertretungen und durch die schiere Präsenz gewalttätiger Neonazis ausgeübt. Dieses Phänomen des objektiven Zusammenspiels eines rechten gesellschaftlichen Blocks in Ostdeutschland ist in den vergangenen 30 Jahren vielfach analysiert und beschrieben worden. Geändert hat es sich nicht.

Dem gegenüber sind antifaschistische Akteur*innen in ostdeutschen Großstädten, nicht anders als in Westdeutschland nicht ausschließlich, aber doch weitesgehend, mit einer politisch-gruppendynamischen Selbstregulation beschäftigt, in der subkulturelle Habitusfragen und ideologische Selbstpositionierungen einer pragmatischen politischen Praxis entgegenstehen.

Repression, kurze Verweildauer in politischen Gruppen und die Aufgaben der Bewältigung des Alltags (Studium, Arbeit, Care Arbeit) tun ein Übriges, die Handlungsfähigkeit der genannten Akteur*innen einzuschränken.

Mehr noch: auch in ostdeutschen Großstädten droht der Verlust von im Weitesten Sinne „linken“ Freiräumen, wenn die AfD an Macht auch in den Kommunen gewinnt. Die bereits zu Beginn der 1990er und rund um 2000 geführte linke Debatte darum, Ostdeutschland als Terrain politischen

C) Das linksliberale Milieu der gegen die extreme Rechte positionierten Zivilgesellschaft ist klein und führt ebenfalls eine prekäre Existenz. Regionale Bündnisse gegen rechts a la (Name des Ortes) “ . . . ist bunt“ sind Zusammenschlüsse aus dem in Ostdeutschland numerisch überschaubaren postmaterialistischen Milieu.

Gewerkschaften, Kirchen, progressive Wohlfahrtsverbände haben wenige, aber in der Regel inhaltlich deutlich positionierte Akteure vor Ort, die jedoch keine Großorganisationen repräsentieren, sondern ein Netzwerk von Personen. Sie sind vielfach ungeschützt den Angriffen aus sehr verschiedenen Spektren der extremen Rechten ausgesetzt, und reagieren auf soziale Repression von rechts ggf. mit Rückzug oder Abwanderung nach Westdeutschland oder in eine Großstadt.

Die genannten Faktoren ergeben in ihrer Summe eine Situation, in der eine erfolgreiche Zurückdrängung der AfD und ihres Vorfeldes in Ostdeutschland nahezu unmöglich scheint. Ebenso schwierig dürfte eine Begrenzung ihres weiteren Aufstiegs sein.

Es steht zu erwarten, dass die ohnehin löchrige Brandmauer zur AfD von unten, d.h. aus den Kommunen beseitigt wird, woraus sich hernach eine weitere Enttabuisierung der Kooperation etwa mit Teilen der CDU auf Landesebene ergeben könnte. Die von der AfD in den ostdeutschen Ländern angestrebte politische Disruption könnte zunächst ausbleiben und sich in einem Prozess der Erosion demokratischer Standarts verwandeln.

Zuletzt: Es dürfte der AfD in die Hände spielen, dass die Normalisierung, Gewöhnung, ja nachgerade Abstumpfung gegenüber rechter Gewalt und rechten diskursiven Tabubrüchen inzwischen nicht nur in der bürgerlich-liberalen Öffentlichkeit, sondern auch in linken Medien und bei linken Akteur*innen Platz gegriffen hat.

Überforderung, eigene politische und organisatorische Schwäche, ein Mangel an kultureller Attraktivität nach außen, schwindene materielle Ressourcen und die habituelle Fragmentierung linker Akteur*innen, gehören zu den Gründen. Wie durch andere Verfasser*innen vielfach beschrieben, ist Ostdeutschland für die AfD das Labor für politische Testläufe des Machterwerbs.

Eine Übertragung der von der AfD gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrungen auf Westdeutschland dürfte nicht zu lange auf sich warten lassen.

f.c.domrös, c. burkhard

Schwerin im August 2026

Quelle: https://de.indymedia.org/node/530473