Pöbelvideo gepostet: Neonazi muss zahlen

Leipzig. Nächste Schlappe für den Neonazi: Nachdem Max Schreiber (38, „Freie Sachsen“) schon Urteile vom Strafgericht einstecken musste, bekam er jetzt auch Ärger in Zivilsachen.

Am 19. Juli 2024 war viel los in Dresdens Innenstadt: Bundeskanzler Olaf Scholz (66, SPD) besuchte die Stadt, die rechte Szene pöbelte am Rande.

Drei Tage später stellte Schreiber ein Video einer Aktivistin auf Telegram online, schimpfte dort über sie. Die Frau bekam das mit, verklagte Schreiber auf Unterlassung. Außerdem sollte der Heidenauer auch die Prozesskosten übernehmen.

Zwar verschwand das Pöbelvideo wieder aus dem Netz, aber eine Unterlassungserklärung unterschrieb Schreiber nicht. So kam es zum Prozess vor dem Leipziger Landgericht. Doch dort tauchten weder Schreiber noch sein Anwalt Martin Kohlmann (47) auf.

So verurteilte das Landgericht den Rechtsextremisten dazu, es zu unterlassen, das Video noch mal zu posten. Zudem muss er mehr als 1000 Euro plus Zinsen an die Klägerin für deren Auslagen zahlen.

Die Einspruchsfrist gegen das Urteil ließ Schreiber verstreichen.
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Julian Pietzko kreuzer

Kurzer Prozess

Landgericht Leipzig spricht abwesenden Freie-Sachsen-Politiker Max Schreiber schuldig

Der kleine Saal 12 im Landgericht Leipzig ist an diesem Mittwochmorgen gut gefüllt. Vor allem jungen Besucherinnen und Besuchern, augenscheinlich aus der linkspolitischen Szene, füllen die wenigen Stühle. Doch ein Platz ist frei: auf der Anklagebank. Eigentlich sollte hier Max Schreiber sitzen.

Er ist Politiker und Chef der rechtsextremen Partei Freie Sachsen in Pirna. In Leipzig ist er angeklagt, weil er die Persönlichkeitsrechte einer Dresdner Aktivistin verletzt haben soll. Dass ihn die Richterin dafür verurteilt, wird er am Mittwoch nicht persönlich erleben. Doch der Reihe nach.

Um kurz vor neun Uhr kommt die Richterin, öffnet die Türen zum Saal, die davorstehende Menge verteilt sich schnell auf die wenigen Zuschauerplätze. An einem Tisch links von der Richterin nimmt die Frau Platz, die diesen Prozess angestoßen hat. Neben ihr sitzt ihr Anwalt. Die Klägerin ist politische Aktivistin und setzt sich seit mehreren Jahren vor allem in Dresden gegen Rechts ein. Sie beschuldigt Schreiber, eine Videoaufnahme zu verbreiten, auf der sie zu sehen sei, und damit ihre Persönlichkeitsrechte zu verletzen.

Deswegen hat sie eine Unterlassungsklage eingereicht, damit Schreiber dies zukünftig gerichtlich untersagt wird. Doch um kurz nach neun Uhr ist noch keine Spur von Schreiber zu sehen. Die Richterin lächelt. Sie warte mal noch die akademische Viertelstunde ab, sagt sie in den Raum. Die Besucherinnen und Besucher stecken ihre Köpfe zusammen und unterhalten sich, die Klägerin sitzt ruhig neben ihrem Anwalt.

Max Schreiber ist ein umtriebiger Rechtsextremist und ehemaliger Politiker der NPD aus Heidenau. Heute ist er das Gesicht der Kleinstpartei Freie Sachsen im Großraum Dresden, die dort so klein gar nicht ist. Er organisiert regelmäßig rechte Demonstrationen in der Landeshauptstadt, betreibt einen eigenen Telegram-Kanal und ist aktiver Parteipolitiker. Im letzten Jahr trat Schreiber für die Freien Sachsen bei den Kommunalwahlen an.

Er wurde sowohl in den Heidenauer Stadtrat als auch in den Kreistag für den Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge gewählt. Dieses Jahr kandidierte er für das Amt des Bürgermeisters von Heidenau. Bei der Wahl im März lag er mit immerhin 16,4 Prozent auf dem dritten Platz und noch vor dem von der AfD unterstützen Kandidaten.

Für Schreiber ist diese Angelegenheit nicht seine erste Auseinandersetzung vor Gericht. Wegen rassistischer Aussagen wurde er bereits wegen Volksverhetzung bestraft. Und erst im letzten Jahr wurde er zusammen mit seinem Bruder Moritz Schreiber wegen Körperverletzung und Nötigung verurteilt: 2023 hatten sie zusammen einen E-Scooter-Fahrer angehalten und auf ihn eingeprügelt.

Auf einer Demo in Dresden im Jahr zuvor hatten die beiden Pressefotografen und deren Begleitung bedroht. Das Amtsgericht Dresden verurteilte Max Schreiber für beide Taten zu 14 Monaten Haft auf Bewährung, die Bewährungsstrafe seines Bruders fiel einige Monate geringer aus.

Auch nach Ablauf der akademischen Viertelstunde taucht Max Schreiber an diesem Morgen nicht auf. Die Richterin greift um Punkt 09:15 Uhr zu ihrem Diktiergerät, in das sie mit einem Achselzucken schnell hineinspricht. Der Klage der Aktivistin wird stattgegeben und der abwesende Rechtsextremist verurteilt – ein Versäumnisurteil, wie man das im Zivilrecht nennt.

Schreiber darf das Video nicht weiterverbreiten, tut er es ab jetzt doch, könnten Ordnungsgelder gegen ihn verhängt werden. Zudem muss er die Anwaltskosten der Klägerin übernehmen. In den Zuschauerreihen gibt es kurze Verwunderung und ein leises Auflachen angesichts dieses kurzen Prozesses. Um 09:18 Uhr steht die Richterin auf und alle verlassen den Raum. Die Klägerin steht neben ihrem Anwalt und lächelt die an ihr vorbeigehenden Zuschauer an: »Danke für das Kommen und die Unterstützung.«