Provokationen, Parolen, Sachbeschädigung: Junge Rechte zeigen in Zwickau Präsenz

Drohungen gegen die Zivilgesellschaft, Nazi-Schmierereien auf Denkmalen, eingeschlagene Fensterscheiben – Beobachter registrieren in Zwickau Straftaten mit rechtem Hintergrund und ziehen Parallelen.
Zwickau.
Der Vorfall liegt nur wenige Tage zurück: Jugendliche aus dem rechten Milieu begleiten am 25. Januar die Kundgebung der Initiative für soziale Gerechtigkeit auf dem Zwickauer Hauptmarkt. Während der Veranstaltung bleiben Provokationen noch aus, danach wird gegrölt und gestört. Die Polizei greift ein, nimmt die Personalien von 15 Personen auf. Dabei beleidigt ein 21-Jähriger die Polizisten, eine andere Person zeigt den Hitlergruß, es werden Anzeigen aufgenommen.
Anzeigen nach Beleidigung und Hitlergruß
In der Nacht darauf werden in Zwickau Dutzende Wahlplakate von Parteien beschädigt und an zwei Gebäuden Scheiben eingeworfen: bei der Druckbar in der Bosestraße, deren Inhaber sich gegen rechts stellt, sowie in einem Wohn- und Geschäftshaus in der Plauenschen Straße, in dem die Bundestagskandidatin der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands eine Galerie betreibt, in der sich eine der linksextremen Partei nahestehende Jugendgruppe trifft. Die Polizei weiß noch nicht, wer die Täter sind.
Am Montag darauf, bei der Veranstaltung zum Holocaust-Gedenktag, sind junge Rechte da. Teilnehmer des Gedenkens, darunter Schüler, fühlen sich bedroht. Ähnlich am 1. Februar, als in Zwickau rund 300 Menschen für die Demokratie demonstrieren: Rechte begleiten die Demo, filmen sich vor dem Hintergrund der Protestierenden.
Jüngster Vorfall einer Serie von Sachbeschädigungen: In der Nacht zum 26. Januar wurden in Zwickau die Druckbar und ein Wohn- und Geschäftshaus beschädigt.
Die offene Präsenz junger Rechter ist nicht auf Veranstaltungen der Zwickauer Zivilgesellschaft beschränkt: Augenzeugen berichteten der „Freien Presse“ von Begegnungen mit einer Gruppe Jugendlicher und Heranwachsender im Stadtzentrum: „Etwa ein Dutzend Jugendlicher zog Richtung Alter Steinweg, grölte dabei rechte Parolen. In der Straßenbahn waren sie ruhig. Am Neumarkt, wo sie ausstiegen, ging das Gegröle wieder los.“ Neben dieser Schilderung von einem Freitagabend im Januar sind der „Freien Presse“ ähnliche bekannt.
Camouflage-Hose, Bomberjacke, Springerstiefel
Die Polizei prüft derzeit mögliche Zusammenhänge zwischen Versammlung, Gruppierungen und Sachbeschädigungen, kann jedoch noch keine konkreten Aussagen treffen, heißt es zu den Ermittlungen. Während sich die Polizei mit einer Bewertung zurückhält, liegt für andere Beobachter auf der Hand: In Zwickau ist die rechte Szene aktiv wie zuletzt Ende der 1990er-Jahre.
Von den „Kindern des NSU“ spricht Sozialpädagoge Jörg Banitz, der die Szene beobachtet. Was er meint: „Etliche Jugendliche kommen aus Elternhäusern, die früher selbst junge Rechte waren“. Und die sich zum Teil wie in den sogenannten Baseballschlägerjahren kleiden: Camouflage-Hose, Bomberjacke, Springerstiefel. Über Insta- und Telegram vernetzt, mobilisiere die Szene ihre Akteure, die dann für das Bedrohungsszenario sorgen, bestätigt ein anderer Sozialarbeiter, der anonym bleiben möchte. „Es braucht keine halbe Stunde, um die rechten Kids aus Marienthal und Neuplanitz zu aktivieren.“
Am Wochenende 9./10. November wurde das Denkmal für die Opfer des Faschismus am Schwanenteich mit Nazischmierereien verunstaltet.
Schon länger latent, zeigen sich Zwickaus junge Rechten seit Sommer 2024 verstärkt in der Öffentlichkeit. Schlüsselmoment ist das Wochenende 26/27. Juli, an dem die AfD mit einer Kundgebung den Landtagswahlkampf in Westsachsen eröffnete.
Am Abend musste ein Open Air in der Kunstplantage aus Sorge um die Sicherheit der Besucher vorzeitig abgebrochen werden: Nach der AfD-Kundgebung hatten sich rechtextreme Jugendliche in der Nähe versammelt. Laut Polizei bestand die Gefahr, dass sie Teilnehmern auflauern oder die Veranstaltung stürmen wollten. Die Beamten sprachen Platzverweise aus. Zum vollständigen Bild gehört, dass in der Folgenacht Personen aus dem rechten Milieu im Schlobigpark überfallen wurden.
Nazi-Parolen auf Denkmal am Schwanenteich
Vier Wochen später demonstrierten mehr als 500 Personen, mobilisierten von der rechtsextremen Splitterpartei III. Weg, parallel zum Christopher-Street-Day in Zwickau. Am 9. November wurde das Denkmal für die Opfer des Faschismus am Schwanenteich mit Nazi-Parolen beschmiert, im Januar 2025 das Rosa-Luxemburg-Denkmal am Landgericht. Ermittlungserfolge dazu gibt es bislang nicht, aber Spuren, die ausgewertet werden, „außerdem Hinweise aus der Bevölkerung, denen wir nachgehen“, gibt die Polizei Auskunft.