“Advent, Advent… mein Späti-(Bier) brennt!”
An einem Sonntag im Lieblingsspäti, zwei Männer mit Westen auf denen “Polizeibehörde” steht, betreten den Spätverkauf, ein dritter “sichert” vor der Tür die Kontrolle ab. Im rüden Ton werden Unterlagen verlangt, im Anschluss daran die Personalien der Person hinterm Tresen gefordert und notiert. Es handele sich um eine Kontrolle auf Grundlage des Ladenöffnungsgesetzes.
Wahllos wird auf Produkte in Regalen gedeutet, die nicht verkauft werden dürfen, weil es immerhin Sonntag sei und diese auch bei REWE oder Kaufland zu erwerben wären. Dies sei laut Gesetz nicht “erlaubt”. Nach der Ansage werden Fotos im Späti gemacht, für die “Chefs” der drei Männer von der Behörde. Die würden sich bei den Betreiber*innen des Spätverkaufs melden und alles weitere ergäbe sich dann. Die Möchtegern “Polizist*innen” werden wieder kommen und die Anordnungen ihre “Chefetage” für den Spätverkauf kontrollieren.
123 Kontrollen bereits im Jahr 2024
Laut einer Antwort der Stadt Leipzig, erfolgten die bisher 123 Kontrollen in diesem Jahr auf “Eigeninitiative der Bediensteten” und selten auf Grundlage von konkreten Beschwerden. Betreiber*innen von Spätis vertreten hier durchaus andere Theorien, sie haben den Verdacht, dass Supermarkt-Ketten wie REWE, Konsum, Kaufland… Spätverkaufe bei den Behörden melden.
Hierzu passt, dass die eingangsgeschilderte Situation nicht ausgedacht, sondern sich wirklich so zugetragen hat und die Männer an diesem Sonntag selbst von REWE und Kaufland gesprochen haben, zu denen die Produkte im Späti in Konkurrenz stünden. Eine “Konkurrenz” für Supermärkte, die für Lieferdienste wie “Flink” oder Tankstellen nicht gilt. Ebenfalls nicht für “Automaten-Spätis”, von denen “Einkauf24” gerne 50 Standorte in Leipzig eröffnen möchte.
Grundlage der städtischen Kontrollen ist das sächsische Ladenöffnungsgesetz. Aus gewerkschaftlicher Perspektive eine wichtige Rechtsnorm, denn sie soll im Einzelhandel tätige Beschäftigte vor unwürdigen Nacht- und Wochenendarbeitszeiten schützen. Dazu stehen auch wir: große Ketten und Unternehmen sollen ihre Mitarbeitenden zu diesen Zeiten in Ruhe lassen.
Anders ist die Lage bei den kleinen, inhabergeführten Spätis, die mit einer Mischung aus Gastro und Waren des täglichen Bedarfs dort anknüpfen, wo sich die Lebensrealität vieler Menschen verändert hat. Mitarbeitende haben hier zumeist kurze Wochenarbeitszeiten. Die kleine Spätis wirtschaften oft Rande des Möglichen, große Profite werden hier nicht erzielt, die Steuerlast und der Stress für die Betreibenden, die oft selbst hinter der Ladentheke stehen, ist groß.
Wir wollen unsere Spätis in Leipzig erhalten. Sie sind soziale Trefforte in unseren Stadtteilen; sie kümmern sich um Konflikte in den Kiezen; haben ein offenes Ohr für die Bewohner*innen in der Umgebung; sind Anlaufpunkte in der Nacht, wenn Menschen Hilfe brauchen; sie retten Arbeiter*innen und Familien regelmäßig den Arsch, wenn in der regulären Arbeitszeit einfach keine Möglichkeit für den Einkauf bestand oder die Care-Arbeit länger dauerte als 22 Uhr .
Wir sind solidarisch mit der Mehrheit der Betreiber*innen der Spätis! Ausgenommen jener sehr kleinen Minderheit, die ihre Angestellten scheiße behandeln und schlecht entlohnen.
Für unsere Spätis gehen wir am 15. Dezember auf die Straße. Wir haben genug von den Restriktionen gegen sie!
Wir fordern:
– Von der Stadt Leipzig, die sich als das “bessere Berlin” vermarktet, den Kontrollwahn gegenüber den Spätis einzustellen und der angeblichen “Eigeninitiative” ihrer “Bediensteten” einen Riegel vor zu schieben – lasst unsere Spätis in Ruhe!
– Von der Landespolitik endlich eine Überarbeitung des sächsischen Ladenöffnungsgesetz unter Einbeziehung von Spätverkaufen, die nicht länger für die Durchsetzung von Interessen großer Supermarkt-Konzerne mit Kontrollen überzogen werden dürfen!
– Von Anwohner*innen ihre Konflikte mit Spätis, Kneipen und anderen kulturellen Einrichtungen persönlich zu klären ohne diese bei Behörden zu verpfeifen! Wer in seinem Wohnumfeld gerne Friedhofsruhe haben möchte, soll zuerst in direkte Kommunikation gehen und im nächsten überlegen ob der Wohnort richtig gewählt wurde.
Sonntag den 15.12.2024 um 14 Uhr, ab Probstheidaerstr., Ecke Bornaische Str. (ehem. Connserve) in Connewitz.