Reichsbürger verstecken gesuchte Kinder und Jugendliche in früherem Hotel in Seiffen

Innerhalb weniger Wochen hat es in Seiffen in einem früheren Hotel einen zweiten Großeinsatz der Polizei gegeben. Sie fanden dort nun schon zwei Jugendliche und ein Kind, deren Wohl gefährdet war und nach denen Amtsgerichte suchen ließen.

Mehr als 30 Polizisten haben in Seiffen im Erzgebirgskreis erneut das ehemalige Hotel Ahornberg in der Deutschneudorfer Straße ins Visier genommen. Die Beamten begannen ihren Einsatz um sieben Uhr am Freitagmorgen. Sie sind auf der Suche nach untergetauchten Personen, um Beschlüsse verschiedener Amtsgerichte aus dem Bundesgebiet umzusetzen.

Bereits gefunden haben sie eine 16-Jährige, gegen die das Amtsgericht Ulm einen einwöchigen Dauerarrest wegen Verstoßes gegen das Schulgesetz verhängt hatte. Die Beamten brachten die Jugendliche in einer sächsischen Justizvollzugsanstalt unter. Weiterhin entdeckten die Ermittler einen 17-Jährigen, den das Amtsgericht im rheinländischen Kerpen aus „schutzwürdigen Gründen zur Ingewahrsamnahme“ suchen ließ. Seine 56-jährige Mutter war ebenfalls in Seiffen, sie konnte nach Polizeiangaben eine noch offene Geldstrafe von mehr als 1.300 Euro nach einer Verurteilung zahlen und so die Vollstreckungshaft verhindern.

Bereits Anfang Oktober waren Polizisten im früheren Ahornberg-Hotel gewesen und hatten dort ein vermisstes siebenjähriges Kind entdeckt, dessen Kindeswohl nach Auffassung eines Amtsgerichts in Niedersachsen gefährdet ist. Seine Mutter gehört ebenfalls der Reichsbürgerszene an.

Das Gebäude in Seiffen war dem Verfassungsschutz zufolge im Juli 2023 von einer Gruppierung erworben worden, die sich als Indigenes Volk der Germaniten bezeichnet. Nach einem Bericht der Freien Presse sind die neuen Eigentümer zwei Deutsche und zwei Niederländer. Die Verfassungsschützer schreiben in ihrem Jahresbericht 2023 von „fünf, nicht in Sachsen gemeldete Personen“. Sie hätten das Hotel, das dazugehörige Grundstück und einen Campingplatz in Seiffen erworben.

15 Personen in Sachsen der Gruppe zugerechnet

Der sächsische Verfassungsschutz ordnet die 2010 gegründete Gruppe der Reichsbürger- und Selbstverwalterszene zu. Sie habe keinen festen Hauptsitz, „aber mehrere Missionen und das Hotel Ahornberg als Schulungsort“. In Sachsen würden der Gruppe rund 15 Personen zugerechnet, heißt es in dem Bericht. 2023 hatten die Germaniten zudem eine Kampagne für neue Mitglieder in Nünchritz im Landkreis Meißen gestartet.

Auch die im Juni dieses Jahres zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilte Moritzburger Ärztin Bianca W., die rund 1.000 falsche Gesundheitszeugnisse während der Corona-Pandemie ausgestellt hatte, bekannte sich während ihres Hochsicherheits-Prozesses zum Indigenen Volk der Germaniten. Reichsbürger und Selbstverwalter stellen die Existenz der Bundesrepublik Deutschland infrage und lehnen deren Rechtssystem ab.

Beim jüngsten Einsatz in Seiffen stieß die Polizei zudem auf einen 64-Jährigen, der von Justizbehörden in Frankfurt/Oder wegen diverser Delikte gesucht wurde. Er ist zu einer Geldstrafe von mehr als 8.000 Euro verurteilt, zahlte diese aber erst am Freitag. Er entkam so seiner Verhaftung. Auf ihrer Internetseite bezeichnen sich die Germaniten als Nachfahren der Germanen, konkreter als Ureinwohner Frieslands.