Ex-Minister Kupfer nach Brief an Sachsen-CDU: „Die 30 Prozent AfD-Wähler muss man mitnehmen“

In einem offenen Brief fordern CDU-Mitglieder in Sachsen Gespräche mit der AfD – https://knack.news/11030. Ex-Minister Frank Kupfer erklärt, was dahinter steckt und was er von einer Koalition der CDU mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht hält.

In einem offenen Brief haben ehemalige Amts- und Mandatsträger der sächsischen CDU ihre Partei aufgefordert, auch mit der AfD zu reden. Den offenen Brief hat auch Frank Kupfer, der ehemalige Generalsekretär der CDU in Sachsen und Landwirtschaftsminister in Dresden, unterzeichnet. Kupfer war von 2014 bis 2018 Vorsitzender der CDU-Fraktion im Landtag und hat sich 2019 aus der Politik zurückgezogen. Wir haben mit ihm gesprochen.

Herr Kupfer, was hat Sie dazu bewogen, den Brief zu schreiben?

Nach der Landtagswahl war es klar. 30 Prozent der Wähler haben AfD gewählt. Und diese Menschen kann man nicht einfach in eine Ecke stellen, mit ihnen muss man reden. Das ist meine feste Überzeugung. Die AfD ist demokratisch gewählt, egal, wie man zu ihr steht. Aber aus meiner Sicht muss man mit ihnen reden, das kommunizieren und Argumente austauschen. Dann kann man den Menschen auch sagen, wir führen die Gespräche nicht fort, weil bestimmte Argumente dagegen sprechen. Ich rede nicht von Koalitionen, es geht um Gespräche. Genauso wie die CDU begründen muss, warum sie mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht redet und was dafür spricht. Die Gründe interessieren.

Ist es nicht Grund genug, nicht mit der AfD zu reden, weil sie vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuft wird?

Es ist für mich nicht Grund genug. Die Partei ist gewählt. Egal, welchen Status die Partei hat und von wem sie wie eingestuft wird. Ich weiß nicht, nach welchen Kriterien das Urteil gefällt wurde. Mir geht es einzig und allein darum, diese 30 Prozent der Wähler mitzunehmen und denen vielleicht auch klarzumachen, dass sie die falsche Wahlentscheidung getroffen haben. Das kann bei den Gesprächen auch herauskommen. Aber man muss mit den Leuten reden.

Warum?

Das Wahlergebnis hat klar gezeigt, Schwarz-Grün-Rot ist abgewählt worden. Die Menschen wollen keine Linken, Grünen oder Sozialisten in der Regierung haben. Ich verstehe, dass das jetzt schwer ist für Michael Kretschmer. Ich will gar nicht in seiner Haut stecken. Ich will ihm auch nicht sagen, dass er sein ganzes bisheriges Bemühen über den Haufen schmeißen und sich um 180 Grad drehen soll. Mir geht es einzig und allein darum, dass die Menschen mitgenommen werden.

Michael Kretschmer hat deutlich gemacht, dass eine Zusammenarbeit mit der AfD nicht infrage kommt, weil sie sich zu einer rechtsextremen Partei entwickelt hat.

Ich sehe das in dieser Schärfe nicht. Was man im Wahlkampf sagt, ist sowieso zugespitzt. Ich bin immer dafür, dass man miteinander redet. Klar hat er vorher gesagt, er will nicht mit der AfD koalieren. Das soll er auch gar nicht. Aber er sollte mit ihr reden. Wenn er wieder eine Mehrheit mit SPD und Grünen hätte, würde er auch mit den Grünen sprechen, obwohl er das vorher ausgeschlossen hat.

In dem Brief heißt es, die CDU könne ihre zentralen politischen Ziele in der Wirtschafts-, Energie, Sicherheits-, Migrations- und Gesellschaftspolitik nicht mit „Rot-Grün-Dunkelrot“ verwirklichen. Welche Ziele könnte sie mit der AfD umsetzen?

Wir haben nur die Angst formuliert, dass die CDU für die konservativen Wähler irgendwann nicht mehr wählbar ist, wenn sie immer weiter nach links rückt. Unsere Angst ist, dass dann noch mehr Leute zur AfD gehen. Es ist offensichtlich, dass wir unterschiedliche Ansätze in der Wirtschafts-, Energie- und Sozialpolitik haben als die Linken oder die in der Bundesregierung vertretenen Parteien.

Wie bewerten Sie die Gespräche, die die CDU mit dem BSW führt, um möglicherweise eine Koalition zu schmieden?

Das sehe ich absolut kritisch. Das BSW ist für mich der Kommunismus pur. Sahra Wagenknecht kommt von der Kommunistischen Plattform, das sagt doch alles. Wir haben in der DDR gelebt. Wir sind hier groß geworden und haben den Kommunismus erlebt: Mit der Ausgrenzung und Benachteiligung von bestimmten Bevölkerungsgruppen, wenn sie nicht auf Linie oder die Eltern keine Arbeiter waren. Das möchte ich nicht wieder erleben. Und ich will den Kommunisten kein Hintertürchen aufmachen. Also ich persönlich würde mit dem BSW nicht koalieren.

Die AfD steht mit ihrer Politik ebenfalls für Ausgrenzung und Benachteiligung von bestimmten Bevölkerungsgruppen.

Das kann ich nicht unterschreiben, weil ich es nicht weiß. Ich sage es noch einmal: Ich will jetzt keine Koalitionsgespräche anregen. Ich möchte, dass die Parteien miteinander reden und nicht von vornherein sagen, das ist nicht möglich. Das Gespräch kann doch nach einer Stunde zu Ende sein, aber dann hat man es wenigstens versucht. Dann hat man auch die 30 Prozent der Wähler nicht vor den Kopf gestoßen.

Könnte die CDU so Wähler von der AfD zurückgewinnen?

Ich habe schon die Hoffnung. Wenn die CDU in Sachsen und Deutschland wieder einen konservativeren Kurs fährt, werden wir auch der AfD wieder Wähler wegnehmen. Die AfD ist letztendlich nur groß geworden, weil die CDU unter Angela Merkel immer weiter nach links gerückt ist. Zum Beispiel in der Migrationspolitik, bei diesem Thema ist die CDU Frau Merkel hinterhergelaufen. Ich kann das für mich als Fraktionsvorsitzenden nicht in Anspruch nehmen. Ich habe ihr damals auch öffentlich immer deutlich meine Meinung gesagt, dass das nicht funktioniert.

Welche Reaktionen haben Sie auf den offenen Brief bekommen?

Es gab eine ganze Reihe von Reaktionen, überwiegend positiv. Es gab auch eine oder zwei negative. Aber von der Landesebene habe ich überhaupt nichts gehört. Viele meinten, gut, dass das mal jemand sagt. Und gut, dass mal jemand darüber nachdenkt, die Spaltung in unserer Gesellschaft zu überwinden. Das ist unser Hauptanliegen gewesen. Wir haben längst eine gesellschaftliche Spaltung und das gibt auch jeder zu. Aber was dagegen zu tun ist, ist die Frage, die noch nicht gelöst ist.

Würden Sie sich eine Reaktion vom CDU-Landesvorstand wünschen?

Wir hatten gehofft, dass sie mit uns reden. Das ist nicht passiert. Der öffentliche Brief hat schon Diskussionen innerhalb der CDU angeregt. Ich weiß von der Basis, dass es riesige Vorbehalte gegen das BSW gibt. Ich möchte der CDU nicht schaden, ich bin mit Leib und Seele in der CDU und möchte auch nicht austreten.

Auch nicht, wenn die Koalition mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht zustande kommt?

Es gibt viele CDU-Mitglieder, die mir das gesagt haben. Wenn die Koalition mit dem BSW zustande kommt, dann treten wir aus. Ich werde es nicht tun.