Wahlwochenende in Erfurt

Die Landtagswahl steht an, bei der sich das aktuelle autoritäre und faschistische Potenzial in Thüringen bei konstanten 30 % für die AfD manifestieren wird. Für das Wochenende plant die AfD ihren Wahlkampfabschluss in Erfurt auf dem Domplatz, dagegen gibt es mehrere Veranstaltungen und Mobilisierungen.

Bundesweit mobilisiert ein antifaschistisches Bündnis „Zeit zu handeln“ nach Erfurt. Im folgenden wollen wir einige Text- und Debattenhinweise dokumentieren, die sich mit dem aktuellem Mobilisierungsgeschehen und den Wahlen auseinandersetzen.

Trotz diverser Skandale und Recherchen ist und bleibt die AfD in Thüringen die stärkste Kraft in den Umfragen. Den prozentualen Gewinn zur Wahl vor fünf Jahren wird sich am kommenden Samstag in den Prozentpunkten um die 30% niederschlagen. Dass es in Thüringen so kommen musste, ist nicht der besonderen Schläue oder Strategie irgendwelcher AfDler zu verdanken, sondern ist historisch so gewachsen. In der aktuellen Ausgabe der Lirballe #32 erschien ein Artikel, „Failed State Thüringen“, welcher die Kommunal- und Europawahlen reflektiert und einen Ausblick auf die aktuellen Landtagswahlen gibt:

„Die Kommunal- und Europawahlergebnisse zeigen: Es gibt in Thüringen nur noch zwei Landkreise/kreisfreie Städte, die eine Mitte-Links-Mehrheit, d.h. links von CDU & FDP, behaupten konnten, nämlich Erfurt und Jena. In allen anderen Landkreisen gibt es in den Kreistagen und kreisfreien Städten stabile rechte Mehrheiten. AfD-Kandidaten gelangten zudem in die meisten Stichwahlen um die zu vergebenden Landrats- und Oberbürgermeisterposten – noch mit geringem Erfolg. Im dunkelbraunen Hildburghausen (Nachbarlandkreis von AfD-Landrat Sesselmann in Sonneberg) gelangte der Hardcore-Neonazi Tommy Frenck in die Stichwahl um das Landratsamt. Mehr als 10.000 Wähler gaben also einem Kandidaten ihre Stimme, den nichtmal die AfD mit spitzen Fingern anfassen würde. Solche Geschichten von erfolgreichen Neonazis und Protofaschisten, mit denen breite Teile der ostdeutschen Wähler keinerlei Probleme haben, ließen sich zuhauf erzählen. Diese rechten Kandidaten sickern nun tiefer und tiefer in die Thüringer Bürokratie ein und besetzen mehr und mehr zentrale Positionen in Verwaltungen und kommunalen Unternehmen.“

Dass das historisch gewachsene autoritäre und faschistische Potenzial in Thüringen nur endlich mal einen wie die AfD brauchte, um dieses Potenzial zu binden und zu kanalisieren verwundert nicht. Mit ihr hat die AfD bei den Kommunalwahlen einen viel wichtigeren Erfolg eingefahren, als die 30 % bei den Landtagswahlen und die Grundlage für eine weitere Festsetzung geschaffen. Dass es dem AfD-Klientel dabei herzlich egal ist, dass ein Landrat in Sonneberg nicht den Euro abschaffen oder die Migrationspolitik ändern kann, sei dahingestellt.

Bündnisse gegen die AfD?

Die Frage danach wie man der AfD begegnet wird gar nicht erst gestellt, sondern viel mehr in eine panische Mobilisierung verfallen und Events als Zeichen gegen Rechts präsentiert. Während mittlerweile ein ganznormaler CSD im Thüringer Hinterland die Borniertheit der dortigen Einheimischen und ihres neonazistischen Nachwuchs aufzeigt, werden die Massenevents in Erfurt und Jena wenig an den Erfolgen der AfD ändern. Dies soll kein Plädoyer sein, die Massenevents jetzt einfach in Sömmerda statt Erfurt zu veranstalten, soll aber auch nicht über die Lüge hinwegtäuschen das sich damit etwas ändert. In diesem Handgemenge findet die marginalisierte radikale Linke kaum noch statt und wenn, wird die eigene Gesellschaftskritik (wenn es sie denn noch gibt) zu oft hinter die Einheitsfront zurückgestellt.

Am 25. August gab es, beim Happening gegen die AfD in Erfurt, einige wenige Redebeiträge die zumindest versuchten eine solche Kritik zu formulieren fanden dankenswerter Weise ihren weg, wenn auch ungünstig platziert. Die Frage nach einer Veränderung antifaschistischer Bündnispolitik geht ebenfalls ein Artikel in der vorletzten Ausgabe der Lirballe # 31 nach, „Über die Rückkehr antifaschistischer Bündnispolitik“. Ebenfalls plädiert ein weiterer Artikel in der Ausgabe für eine weitreichendere Kritik des staatstragenden Antifaschismus, „Gegen die AfD und gegen rechte Hegemonie“.

Zeit zu handeln?

Unbeachtet von den inhaltlichen Auseinandersetzungen und Überlegungen die hier vor Ort geführt werden, mischen auch antifaschistische Bündnisse aus Regionen mit, in denen es wohl politisch vermeintlich noch nicht ganz so düster aussieht wie in Thüringen. Dass sich dabei, wie beim Bündnis „Zeit zu handeln!“, auch autoritäre kommunistische Gruppen befinden, ergänzt die sonstige Inhaltslosigkeit durch Versuche in vermeintlichen Gewissheiten des 20 Jhd. irgendwie Halt zu finden.

Die Einheitsfront geht für uns aber insbesondere an den Debatten und Auseinandersetzungen in Thüringen vorbei, weshalb sich auch hier der Eindruck aufdrängt, dass das Event der Landtagswahl für eigene Programmatiken und eine Selbstbeschäftigung genutzt werden. Da wir mittlerweile auch einfach zu müde sind das Rad immer wieder neu zu erfinden und der Jungle World schon einige Einschätzungen gegeben haben, wollen wir abschließend eine Kritik dokumentieren, welche dankenswerterweise „einige Ostdeutsche Antifas“ über das sonst wenig lesenswerte Indymedia-Portal verbreitet haben. Dankenswert deshalb, weil wir viele der inhaltlichen Kritikpunkte aus dem Text teilen und auch die Einschätzung unterschreiben würden, dass es der (Rest-) radikalen Linken vor allem an einem aktuellem Begriff von den herrschenden Verhältnissen fehlt. Der Zulauf den Rote Gruppen aktuell vor allem dank ihres religiös-orthodoxen Marxismus erhalten, erscheint da beinahe zwangsläufig.

Wer am Wochenende gegen den AfD-Wahlkampfabschluss demonstrieren will, kann das ab 14:30 Uhr am HBF mit dem „Auf die Plätze“-Bündnis tun. Wer am Sonntag ab 17 Uhr vor dem Landtag (Vorsicht: Symbolpolitik) u.a. mit „..ums Ganze!“ irgendwas von „Weimarer Verhältnissen“ bereden möchte, kann das dort tun, ab 19 Uhr gibt es von dort aus auch eine antifaschistische Demonstration. Wer lieber die Zeit am See oder mit seinen Liebsten verbringt, dem können wir es auch nicht verübeln. Die Zeiten, nach dem alle wieder abgereist sind, werden noch anstrengend genug.

Text Dokumentation: Eine ausführliche Antwort auf den Text „Zeit zu handeln!“ von diversen westdeutsche Antifagruppen…

Wahlwochenende in Erfurt