AfD mischt kräftig mit bei Peter-Hahne-Auftritt an der Gedenkstätte Hoheneck
Eine AfD-Landtagskandidatin hat den Auftritt von Ex-TV-Moderator Peter Hahne am ehemals größten DDR-Frauengefängnis angemeldet. Sachsens SED-Unrechtsbeauftragte ist entsetzt.
Der für Ende August vorgesehene Auftritt des ehemaligen ZDF-Moderators und jetzigen Bestsellerautors Peter Hahne Ende August im ehemaligen Gefängnishof der Gedenkstätte Hoheneck bei Stollberg ist von der AfD initiiert worden. Deren Landtagskandidatin Katja Dietz meldete bereits Anfang Juli die „Durchführung eines Freiluftgottesdienstes mit Herrn Peter Hahne“ an. Das geht aus der Polizeiverfügung vom 1. August hervor, die Sächsische.de vorliegt.
Demnach gestattet der Oberbürgermeister von Stollberg, Marcel Schmidt (Freie Wähler), die Veranstaltung am 25. August von 15 bis 17 Uhr. Die Anzahl der Besucher im Innenhof ist laut Verfügung auf maximal 1.000 Personen zu beschränken; sollten mehr Gäste anreisen, werde „eine Übertragung mittels Lautsprecher in den Außenbereich erfolgen“. Zuletzt machten in Stollberg Mutmaßungen die Runde, dass rund 2.000 Menschen Hahnes Auftritt verfolgen wollen.
In diesem Areal, dem Innenhof des ehemaligen DDR-Frauengefängnisses Hoheneck, will Ex-ZDF-Moderator Peter Hahne über Frieden und Freiheit sprechen. Der Ort ist seit Juli offiziell eine Gedenkstätte.
Kritiker des Bestsellerautors werfen Hahne eine Polarisierung der Gesellschaft vor. Der Würzburger Politologe Martin Hecht etwa schrieb in der christlich geprägten Zeitschrift Publik forum im Januar 2024, Hahne arbeite daran, dass „das Gedankengut der AfD in Deutschland (…) immer mehr in die (…) bürgerlichen Kreise der Gesellschaft“ einsickert. Hahne, gelinge „das Kunststück, Rechtspopulismus als politische Theologie zu verkaufen“.
Oberbürgermeister Schmidt verweist in seiner Verfügung darauf, dass das Areal eine Gedenkstätte ist. „Dem würdigend ist die Veranstaltung vorzubereiten und durchzuführen.“ Dennoch erlaubt das Stadtoberhaupt den Verkauf von „alkoholfreien Getränken in Plastik- bzw. Pappbechern“ sowie von „Grillspeisen“. Mit „Störungen während des Gottesdienstes“ rechnet Schmidt nicht, er beruft sich dabei auf Angaben von Katja Dietz.
SED-Unrechtsexpertin: Auftritt „jenseits der Schamgrenze“
Die sächsische Landesbeauftragte zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, Dr. Nancy Aris, zeigt sich schockiert. „Ich finde den Auftritt an diesem Ort völlig deplatziert und bin immer wieder erstaunt, was in Stollberg jenseits der Schamgrenze alles möglich ist“, teilte sie auf Anfrage von Sächsische.de mit.
Bereits zuvor hatte der Geschäftsführer der Stiftung Sächsische Gedenkstätten, Markus Pieper, geäußert, er finde es „furchtbar“, dass eine Gedenkstätte für eine zumindest in Teilen politische Veranstaltung herhalten müsse. Ihm und der Stiftung seien die Hände gebunden, da die Stadt Stollberg die Gedenkstätte mit einer eigenen Gesellschaft betreibe. „Wir sind keine Zensurbehörde und können das nicht verhindern“, sagte Pieper.
OB Schmidt sagte dazu, er habe keine „Hinweise für verfassungsfeindliche Agitation“. Zudem sei der „verfassungsrechtliche Schutz der Religionsfreiheit zu beachten“. Man gedenke in Hoheneck derer, „die in der kommunistisch-sozialistischen Diktatur aufgrund ihrer frei ausgesprochenen politischen Meinung eingekerkert worden sind“. Und setzt fort:
„Warum sollte eine Stadt im Umfeld einer solchen Gedenkstätte nicht gut daran tun, kritische Meinungen nicht öffentlich im Rahmen eines Gottesdienstes durch einen vormaligen Fernsehmoderator vortragen zu lassen?“
Kirchgemeinde schließt Teilnahme aus
Der Pfarrer der evangelisch-lutherischen St. Jakobi-Kirchgemeinde Stollberg, Matthias Müller, schloss für seine Gemeinde eine Teilnahme aus. Hahnes „Verkündigung stimmt möglicherweise nicht mit Positionen und Auffassungen der Kirchgemeinde überein“.
Das Thema des studierten Theologen Hahne in Stollberg lautet „Wahrheit – Freiheit – Frieden“: So kündigt es der Veranstalter auf Werbeblättern an. Organisator ist demnach ein Verein namens AG Welt. Schmidt teilte mit, er kenne den Veranstalter nicht, der Name Peter Hahne habe bei der Entscheidung im Vordergrund gestanden. Die AG Welt werde die Kosten tragen.
Hinter der AG Welt verbirgt sich der ostwestfälische Verein Arbeitsgemeinschaft Weltanschauungsfragen. Er bezeichnet sich als „unabhängiges Glaubens- und Missionswerk“. Die Bibel ist für den Verein „irrtumslos“. Aus Sachsen ist der Prediger und selbsternannte Evangelist Thomas Schneider im erzgebirgischen Breitenbrunn Vorstandsmitglied der AG Welt. Weder er noch der Verein reagierten bislang auf Anfragen von Sächsische.de, auch nicht die AfD-Landtagskandidatin Katja Dietz. Sie lebt in Lugau und ist die Ehefrau des bereits im Bundestag sitzenden AfD-Abgeordneten Thomas Dietz.
Offiziell hatte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Gedenkstätte bereits Mitte Juli eröffnet. Das gesamte Bauprojekt am Areal der Burg Hoheneck wird bis zur endgültigen Fertigstellung der SED-Unrechtsbeauftragten Aris zufolge rund 35 Millionen Euro kosten. Acht Millionen davon zahle die Stadt Stollberg. OB Schmidt zufolge „ist dieser Betrag deutlich zu hoch für einen Komplex, der staatlichem Unrecht der DDR gedenkt und damit eigentlich in die Aufgabensphäre von Bund und Ländern fällt.“ Aris weist diese Kritik als „etwas halbherzig“ zurück. Schmidt argumentiere immer nur mit „fehlenden Finanzmitteln“. Ihm gehe es aber „nicht um die Einbindung in größere Strukturen, in denen dann auch andere mitreden könnten“.
Die neue kommunale Hoheneck gGmbH hat einen Etat von rund 340.000 Euro für das erste Jahr. Das Geld kommt je zur Hälfte vom Bund sowie von der sächsischen Gedenkstättenstiftung. Aris machte deutlich, dass sowohl Bundes-Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) als auch das von der CDU geführte sächsische Kulturministerium „es wohl grundsätzlich begrüßen würden, käme Hoheneck in die Trägerschaft der Stiftung Sächsische Gedenkstätten“. Darum aber habe sich Stollberg ihres Wissens nie bemüht.
Burg Hoheneck war das größte Frauengefängnis in der DDR und diente bis 2001 noch als Justizvollzugsanstalt.
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28.04.2024 Oliver Reinhard
Verfassungsschutz ist „Stasi“, Regierung „irre“: Peter Hahne pöbelt bei „Riverboat“
Der Journalist, Buchautor und Rechtspopulist Peter Hahne darf im MDR-Fernsehen alle Hemmungen fallenlassen.
Starker Tobak – das ist noch vorsichtig ausgedrückt für das, was der ehemalige ZDF-Anchorman und nunmehrige Rechtspopulist Peter Hahne in der aktuellen Ausgabe der MDR-Talkshow „Riverboat“ von sich gibt. Der 72-Jährige, der in seinem neuen Buch „Ist das euer Ernst?“ gegen „Behörden-Terror“ und „Sprachpolizei“ wettert, nennt in der populären Unterhaltungsshow die Bundesregierung „irre“ und den Verfassungsschutz „Stasi“.
„Was wir im Politischen erleben, ist die pure Idiotie“, sagt Hahne. Zudem leugnet er den wissenschaftlich erwiesenen Klimawandel, fabuliert von „Schulklassen, die sind mit 99 Prozent Migranten“, und fordert nach diesem grammatikalisch fragwürdigen Satz nicht weniger rechtschreibrevolutionär: „Die sollen doch erstmal normales Deutsch lernen, bevor wir die mit diesem Irrsinn.“
Sturm der Begeisterung und Sturm der Ablehnung
Für alle diese Äußerungen erntet Peter Hahne viel Applaus im Publikum, aber nur zwei sanfte Nachfragen von den Moderierenden Kim Fischer und Noch-MDR-Programmdirektor Klaus Brinkbäumer, der nach seinem Abschied vom Posten des Spiegel-Chefredakteurs als Experte für Investigation und Recherche 2021 von der damaligen Intendantin Carola Wille nach Leipzig geholt worden war.
Brinkbäumer wusste, wer da von der Redaktion eingeladen wurde, und hat Hahne entsprechend angekündigt: „Unser nächster Gast hat etwas hervorgerufen, was wir in dieser Form selten erleben, nämlich einen Sturm der Begeisterung ebenso wie einen Sturm der Ablehnung, als wir ihn nur angekündigt haben.“
Judith Rakers‘ Lächeln wurde gequälter und verschwand
Tatsächlich hat Peter Hahne längst fast alle Hemmungen beim Austeilen verloren. Er sieht sich umgeben von einer „queer-pazifistischen Waschlappen-Welt“, geißelt die „elende Schwurbelei der Fast-Allparteien-Ideologie“ und behauptet: Kritiker, „die dieses geistige Wandlitz satt sind, sitzen in den modernen Gulags der Herrschenden.“
Das nimmt er auch im „Riverboat“ auf und behauptet: „Was wir im Politischen erleben, ist die pure Idiotie.“ Am deutlichsten irritiert zeigte sich noch Ex-Tagesschau-Moderatorin Judith Rakers, deren Lächeln zunehmend gequälter wurde, bis es ganz verschwand.