Rechtsextreme Sonnwendfeier? Reporter von Veranstalter abgewiesen ( und weitere Artikel zu Sonnenwendfeiern)
Eine Sonnwendfeier in Oderwitz steht bei Kritikern im Ruf, rechtsextrem zu sein. Die Polizei kann nichts daran finden – auch nicht daran, dass der Veranstalter keine Reporter zulässt.
Die Sommersonnenwende am 21. Juni wird als längster Tag des Jahres vielerorts gefeiert – oft mit einem großen Feuer. Seit Jahren sorgt eine solche Feier auf einer Wiese oberhalb von Niederoderwitz für Kritik. Etwa der Zittauer Verein „Augen auf“ argwöhnt, dass die Veranstalter dort völkische und germanische Riten mit rechtsextremem oder rechtsnationalen Gedankengut vermengen.
In diesem Jahr fand die Feier in der Nacht zum Sonntag statt. Offenbar gab es auch auswärtiges Medieninteresse daran. Weil die Veranstalter Reportern keinen Zugang zu der privaten Feier gewährten, rückte die Polizei an – die allerdings hatte an der Sonnwendfeier nichts zu beanstanden.
Ein Beamter der Polizeidirektion Görlitz teilt SZ auf Anfrage zu der Sonnwendfeier mit, dass es in der Nacht einen Beschwerdeanruf von Pressevertretern gegeben habe, die die Feier in Augenschein nehmen wollten, aber nicht auf das Gelände gelassen worden seien. Eine angerückte Polizeistreife sei daraufhin über einen längeren Zeitraum bei dem Fest anwesend gewesen. „Ein Verdacht auf Rechtsextremismus oder verbotene Symbolik hat sich dabei nicht einmal ansatzweise bestätigt“, so die Polizei.
Es habe sich um eine „ganz normale Feier mit Wikinger- und Mittelalter-Touch“ gehandelt. Einen Grund zum Einschreiten habe es nicht gegeben. Von welchem Medium die Reporter kamen, wollte die Polizei nicht mitteilen, es habe sich aber um ein größeres und bekanntes gehandelt.
Bürgermeister hat keine Bedenken mehr
Im vorigen Jahr hatte sich Oderwitz‘ Bürgermeister Cornelius Stempel (parteilos) noch beunruhigt wegen der Sonnwendfeier gezeigt. Er befürchtete, dass ein Schatten auf Oderwitz fallen könnte, wenn es dort rechtsextreme Treffen gebe – zumal auch das Landesamt für Verfassungsschutz die Oderwitzer Sonnwendfeier wegen dieses Verdachts im Visier hatte. Laut dem Verein „Augen auf“ gab es bei den Teilnehmern personelle Verflechtungen zum rechtsextremistischen Spektrum.
Der Veranstalter der Feier hatte bei einem Auftritt im Gemeinderat nach dem Fest 2022 alle Vorwürfe bestritten. Er und die Teilnehmer würden mit dem Fest keinerlei politische Absicht verfolgen. Es sei einst im Freundeskreis aus Liebhaberei zu mittelalterlichen Bräuchen entstanden.
In diesem Jahr reagierte Bürgermeister Stempel im Vorfeld der Veranstaltung auf SZ-Nachfrage entspannter. „Wir haben keine Befürchtungen, da das Fest zwar immer stattgefunden hat aber keine Auswirkungen auf die Gemeinde hatte“, sagt er. Die Veranstalter hätten wie jedes Jahr ordnungsgemäß das Feuer angemeldet. Er habe auch den Ortspolizisten gebeten, sich den Veranstaltungsort vorher anzuschauen.
Das sei am Donnerstag vor dem Fest geschehen, als die Veranstalter gerade mit dem Aufbau beschäftigt waren. Der Bürgerpolizist habe dabei auch mit den Veranstaltern gesprochen. „Er hat nichts festgestellt, was ein Einschreiten rechtfertigen würde“, so Stempel. Der Verein „Augen auf“ habe an Oderwitzer Haushalte Postwurfsendungen geschickt, in denen auf eine „völkische Gemeinschaftsfeier“ hingewiesen werde. Er aber habe weder Grund noch Handhabe, gegen die Sonnwendfeier vorzugehen.
Auch die Polizeidirektion Görlitz hatte im Vorfeld der Feier keine bedenklichen Erkenntnisse zu Inhalt oder Teilnehmern. „Uns liegen keine polizeilichen Erkenntnisse über die Teilnehmer und zu einem möglichem rechtsextremen Hintergrund vor. Aus den Erfahrungen der letzten Jahre kann jedoch davon ausgegangen werden, dass die Teilnehmer einen Bezug zum Mittelalter haben“, hieß es auf SZ-Anfrage.
Anja Beutler Sächsische Zeitung 06.07.2022
Sonnenwendfeier Oderwitz: Organisatoren bestreiten Vorwürfe
Ein Oderwitzer Mitstreiter des Festes erklärt im Gemeinderat, man habe sich von der politischen Bühne abgekapselt. Daran gibt’s Zweifel.
Obwohl das Thema gar nicht separat auf der Tagesordnung stand, war es eines der umfangreichsten und auch wichtigsten an diesem Montag im Oderwitzer Gemeinderat. Wie angekündigt, informierte Bürgermeister Cornelius Stempel (parteilos) über den Stand der Dinge zur „Sonnenwendfeier Niederoderwitz“, die in den vergangenen Tagen in einem Blogeintrag von „Recherche Ostsachsen“ thematisiert und auch von der SZ aufgegriffen wurde. Demnach steht der Verdacht im Raum, dass die Teilnehmer an der Feier Kontakte zu Gruppierungen mit völkischem und rechten Gedankengut unterhalten beziehungsweise selbst dazugehören.
Auch der Landesverfassungsschutz kennt die Veranstaltung und prüfte nach einem Anfangsverdacht 2018 – ebenso wie in diesem Jahr – ob bei der Veranstaltung verfassungsfeindliche Symbole gezeigt worden sind. 2018 war nichts Auffälliges gefunden worden. Die aktuellen Untersuchungen sind noch nicht abgeschlossen. Die Gemeinde ist weiterhin mit dem Verfassungsschutz in Kontakt, erklärte der Bürgermeister. Stempel gab in diesem Zusammenhang zu, dass er nach dem überraschenden Bekanntwerden der doch massiven Vorwürfe in dem Blogeintrag zunächst mit der Situation überfordert gewesen sei. Inzwischen habe die Gemeinde aber analysiert und sich Partner gesucht, um adäquat reagieren zu können.
Mitorganisator in Gemeinderat eingeladen
Cornelius Stempel machte gleichwohl deutlich, dass er auch das Gespräch mit den Organisatoren und Anmeldern des Feuers suche. Einer von ihnen – der Oderwitzer Raik Molitor – war auf Einladung des Bürgermeisters in die Ratssitzung gekommen. Die Angaben, die er gegenüber dem Bürgermeister bereits gemacht hatte – man habe keinerlei politische Hintergedanken, sondern veranstalte ein mittelalterliches Feuer mit Nachbarn, das einen privaten Charakter trage – bestätigte er nochmals im Rat: Es habe als „Fest im Freundeskreis angefangen auf mittelalterlicher Basis“ und sei nach wie vor eine Privatveranstaltung. „Ich bin Oderwitzer, wir wollen dem Ort nichts Böses“, sagte Molitor in der Sitzung und fügte mit Blick auf politische Strömungen hinzu: „Wir haben uns von einer politischen Bühne abgekapselt.“
Auf den Zwischenruf eines der Gäste im Rat „wer denn da nun wieder Öl ins Feuer gegossen habe“, wo es sich doch augenscheinlich um eine normale Sonnenwendfeier handele, ergriff Dorothea Schneider vom Verein „Augen auf“ das Wort. Der Verein betreibt seit Jahren im Landkreis Demokratiebildung, klärt über verfassungsfeindliche und rechte Umtriebe oder zweifelhafte Symbolik auf. Sie betonte, niemand habe ein Problem, „wenn es sich um eine normale Sonnenwendfeier“ handele. Bei den Veranstaltungen in Niederoderwitz in den vergangenen Jahren habe es aber vor allem personelle Verflechtungen zu verschiedenen Parteien und Gruppierungen von AfD über NPD, Identitäre Bewegung oder anderen völkischen Gruppierungen gegeben. „Ich weiß von Leuten, die in Oderwitz für das Völkische rekrutiert worden sind“, fügt sie an.
Solche Entwicklungen will Cornelius Stempel verhindern: „Wir müssen den Ruf der Gemeinde schützen“, betonte er. Vermutlich werde man als Verwaltung die Hintergründe nicht aufklären können, aber man werde die Lage weiter beobachten. Abgesehen davon werde man im kommenden Jahr mit Blick auf Trockenheit und Brandschutz genauer hinsehen. In diesem Jahr hatte es Kritik und Diskussionen an der Zulassung des hohen Feuers trotz hoher Waldbrandwarnstufe im Kreis gegeben.