Listenparteitag der AfD: Die Angst vor Chaos in Glauchau
Vor fünf Jahren scheiterte die sächsische AfD daran, eine Liste für die Landtagswahl rechtssicher aufzustellen. Dieses Mal soll alles anders werden. Doch in der Partei wächst die Unruhe.
Nie wieder möchte die sächsische AfD eine Zusammenkunft erleben wie vor fünf Jahren in Markneukirchen. Damals hatte die Landespartei ins Vogtland gebeten, um die Liste für die Landtagswahl aufzustellen. Nach zweieinhalb Tagen endete die Versammlung chaotisch. Die Vertreter von Kreisverbänden schrien, weil ihre Kandidaten reihenweise durchfielen. Schließlich waren statt der vorgesehenen 61 Plätze lediglich 18 gewählt. Die AfD benötigte einen zweiten Parteitag – was dazu führte, dass sie am Ende nur mit einer gekürzten Landesliste zur Wahl antreten konnte.
Dieses Mal soll alles besser werden: Vier Tage hat die AfD Mitte März geblockt. Am 14., 15., 16. und 17. März soll die Landesliste in der Sachsenlandhalle in Glauchau gewählt werden. Auch setzt die Partei zum ersten Mal überhaupt auf Delegierte. Bisher konnte jedes Mitglied anreisen, um bei der Listenaufstellung ein Wörtchen mitreden zu können: Einzelne Kreisverbände charterten Reisebusse, um sich möglichst viel Mitspracherecht zu sichern. Weniger gut organisierte Kreisverbände schäumten vor Wut.
Manches Fraktionsmitglied fürchtet um seine Chancen
Die veränderten Rahmenbedingungen führen allerdings nicht dazu, dass die sächsische AfD gelassen auf die Zusammenkunft in wenigen Wochen blickt. Im Gegenteil: Seit Wochen herrscht in der Partei der Eindruck vor, dass hinter den Kulissen um die besten Plätze geschachert und gebuhlt wird. Die Absprachen zwischen den Kreisverbänden laufen. Vor allem manches Mitglied der Landtagsfraktion sieht sich um seine Chancen gebracht.
Bei der Landtagswahl 2019 holten AfD-Kandidaten 15 Direktmandate. Besonders in Ostsachsen konnten sich AfD-Bewerber durchsetzen. Weitere 23 Personen zogen dank der AfD-Landesliste in den Landtag ein. Dieses Mal könnte das Verhältnis anders ausfallen. Der AfD, das geben ihre Mitglieder freimütig zu, droht der eigene Erfolg zum Problem zu werden.
Haben nur die vorderen Listenplätze eine Chance?
Die Umfragewerte für die AfD sind nach wie vor hoch. Umfragen sehen sie bei 35 Prozent oder mehr. Die Einstufung als rechtsextremistische Bestrebung durch den sächsischen Verfassungsschutz hat der Partei bislang nicht geschadet. In der AfD wird spekuliert, dass sie deutlich mehr Direktmandate erringen werde. Das würde bedeuten, dass nur die vorderen Plätze auf der Landesliste sicher in den Landtag einzögen: „Ab Platz 15 könnte es eng werden“, heißt es.
Die Fraktion hat deswegen ein Interesse daran, bisherige Abgeordnete abzusichern, die sich in der ausgehenden Legislaturperiode politisch hervorgetan haben. Man müsse eine leistungsfähige Truppe haben, lautet das Argument. Dieses Ansinnen muss aber nicht deckungsgleich mit den Interessen der Kreisverbände sein. Deren Gunst ist nicht unbedingt an den Status im Landtag geknüpft.
Bisherige Regeln gelten kaum noch
Als Beispiel für die auseinanderliegenden Interessen wird derzeit die stellvertretende Landesvorsitzende Martina Jost angeführt, die in der Fraktion für Migrations- und Sozialthemen zuständig ist. Laut internem Flurfunk kann die Dresdnerin nicht mit einem aussichtsreichen Platz rechnen. Von einer „Abstrafung“ ist die Rede.
Dabei galt in der AfD lange Zeit die Regel, dass prominente Köpfe aus den Großstädten Leipzig und Dresden über die Liste abgesichert werden müssen. Denn im Gegensatz zu den Kandidatinnen und -kandidaten in den Regionen können sie vermutlich kaum ein Direktmandat erringen. Doch auch der Umstand, dass Jost eine von nur vier Frauen in der Landtagsfraktion ist, hilft ihr wahrscheinlich wenig. Frauen hatten und haben es in der AfD traditionell schwer.
Die ersten sechs Plätze sind bereits fix
Offiziell hält sich der Landesvorstand aus diesen Machtspielen raus, einen Listenvorschlag wird die Parteispitze nicht vorlegen. „Das wird es definitiv nicht geben“, sagt ein Parteisprecher. In den Gesprächen der Kreischefs kristallisiert sich aber nach und nach eine Rangfolge heraus, die bis Anfang März inoffiziell stehen soll. Die ersten Listenplätze gelten bereits als fix.
Partei- und Fraktionschef Jörg Urban wird den Spitzenplatz erhalten, es folgen Generalsekretär Jan Zwerg, der Jurist und Parteivize Joachim Keiler, Innenpolitiker Sebastian Wippel, der Landtagsvizepräsident André Wendt und Bildungspolitiker Rolf Weigand auf den Plätzen zwei bis sechs.
Skepsis in der Partei ist groß
Amüsiert beobachten Parteimitglieder, dass einzelne Abgeordnete inzwischen ein regelrechtes „Schaulaufen“ veranstalten, um auf der Liste gut abgesichert zu sein. Fraktionäre, die in den vergangenen fünf Jahren kaum aufgefallen seien, strichen jetzt die eigene Arbeit heraus. Dabei gilt die Landtagsfraktion auch in der Partei nicht als die schlagkräftigste Truppe. Die Bilanz seit 2019 sei bestenfalls gemischt.
Der Parteitag in Glauchau müsse geordnet ablaufen, sagen Spitzenkräfte fast beschwörend in diesen Tagen. Das sei „Sinn der Übung“. Darauf setzen wollen momentan aber die wenigsten. Immerhin das Minimalziel ist klar: Die komplette Landesliste soll am 17. März stehen. Unter allen Umständen. Irgendwie. Ob die AfD die eigenen Ansprüche erfüllen kann?