Rückblick 13.12.21
1312 in Leipzig
Der Vorfall ist schon etwas her, aber wir wollen trotzdem noch unsere Gedanken dazu äußern.
Für uns ist es nicht nachvollziehbar wie eine Sponti am 13.12. gegen Polizeigewalt in einem migrantischen Stadtteil als Einladung angesehen wurde, wahllos Autos von Anwohnerinnen anzuzünden. Im Aufruf stand, dass sich die Demo gegen Polizeigewalt, gegen die unaufgeklärten Morde von Oury Jalloh und vielen weiteren, sowie gegen das rassistische Grenzregime der EU richten sollte.1
Stattdessen wurde von einer Alman Demo Mülltonnen angezündet, eine DITIB-Moschee angegriffen und Autos geschrottet. Es war eine Demo, die teilweise Angst und Verunsicherung bei den umstehenden Menschen ausgelöst hat, weil von außen noch nicht einmal deutlich wurde, ob es sich um Linke oder Rechte handelte.
Unser Erleben bei der Sponti
Der Demonstrationszug war ganz anderes, als wir erwartet haben. Wir haben es so beobachtet, dass der Aktionskonsens von einzelnen Personen das Ziel der Demo verfehlt hat und dem Aktionskonsens eines Großteils der Gruppe widersprochen hat. So haben wir beobachtet, dass Menschen, die Autos und Mülltonnen beschädigt und angezündet haben, aus dem Demozug angeschrien wurden, sie sollen „den scheiß lassen“. Auch als die DITIB Moschee angegriffen wurde, gab es lauten Widerspruch aus der Demo.
Solch eine Dynamik konnte schon bei anderen spontanen Aufzügen der linken Szene beobachtet werden.
Die Eisenbahnstraße ist aus vielen Gründen ein vulnerabler Ort. Den Menschen, die ihrer ziellosen Zerstörungswut freien Laufe gelassen haben, war das anscheinend egal. Ihnen waren die Konsequenzen für die Anwohner:innen egal und es war ihnen auch egal, dass sich ihre Aktionen gegen den Konsens von vielen anderen aus der Demo richtet.
Was geht bei Linken die Autos im einzigen migrantischen Viertel Leipzigs als Kapitalismuskritik verkaufen wollen? Es war ihnen völlig egal, dass das Viertel danach voller Bullen war und Leute in Gewahrsam kamen. Was ist das für ein Umgang gegenüber Genoss:innen, für die das teilweise ihre erste Demo waren, sie solch einer Gefahr und Repression auszusetzen nur weil man Bock auf Eskalation hat?
Wir fordern, dass ein solches Verhalten bei zukünftigen Aktionen Konsequenzen hat und diese Destruktionslust als Selbstzweck als das begriffen was sie ist: unglaublich dumm und sinnlos. Gezielte Aktionen gegen Nazis und Islamisten sind etwas anderes als Hooliganismus und Gewaltkult.
Wir als einzelne Personen sind sehr enttäuscht darüber, wie die Demo verlaufen ist und in gewisser Weise auch geschockt von uns selbst, dass wir Teil davon waren. Wir sind enttäuscht, dass sich einzelne Personen so gegen den Demokonsens und gegen den Aufruf verhalten haben. Wir hätten damit rechnen müssen, dass Autonome am 13.12. immer Dinge kaputt machen wollen. Aber der Ort und das Ziel der Demo hat uns glauben lassen, dass es nicht zu so einer Zerstörungswut kommt, sondern ein gemeinsamer Kampf gegen Staat und Polizei möglich ist.
Sicherheitsgefühl: Es waren anscheinend mehrere Cops bei der Demo dabei. Vielleicht auch nur gegen Ende. Als noch 12 Menschen eine ganze Zeit nach der Demo in Gewahrsam genommen wurden, konnten dort zwei Zivi Cops erkannt werden. Als Erinnerung: Signalaufrufe sollten auf Signal und anderen sicheren Kommunikationskanälen bleiben, der Aufrufstext beibehalten werden und auf Spontis gehören keine Handys, für die eigene Sicherheit und die der Genoss:innen!
Was geschah danach:
Wir sind entsetzt, dass sich deutsche Linke in Sachsen dazu ermutigt fühlen Moscheen einzuwerfen. Ohne Rücksicht, was es für migrantische Personen signalisiert, wenn abends ein gewalttätiger Mob durch das Viertel läuft und eine Moschee einwirft.
Dieser Fenstereinwurf ist absolut nicht vermittelbar, stand in keiner Beziehung zum Demoaufruf gegen Polizeigewalt und schadet dem Kampf gegen das AKP-Regime. Es ist schlichtweg etwas anderes, wenn kurdische Jugendliche eine DITIB Moschee gezielt angreifen wie 2015 in Stuttgart geschehen, als wenn deutsche Autonome wahllos Moscheen einwerfen weil es „ja Faschos sind“. 2016 wurde eine DITIB Moschee in Dresden von Rechtsextremen angegriffen, aber an den möglichen Traumatisierungseffekt für Muslime in Sachsen haben diese Autonomen keinen Gedanken verschwendet.
Viele Einordnungen nach der Sponti haben uns sprachlos gemacht. Auf einmal wurde die DITIB Moschee zum „migrantischen Safespace“ gekürt und Linke haben Spendenaufrufe initiiert und die Wichtigkeit des „Gesprächsfadens“ betont.
Was ist das für ein Safespace, in dem gegen Kurd:innen und Homosexuelle gehetzt wird? In denen Märtyrerspiele veranstaltet werden, bei denen Kinder in türkischer Uniform Krieg spielen und wo für den türkischen Angriffskrieg gegen die Menschen in Rojava gebetet wird? In dem der Völkermord an den Armenier:innen geleugnet wird? Seit wann sind „Safespaces“ von türkischen Nationalist:innen verteidigenswert?
Um es deutlich zu sagen: DITIB Moscheen sind nie nur Gebetshäuser, sondern ein politisches Projekt der Türkei. In ihnen wird spioniert, Oppositionelle bedroht und angegriffen. DITIB untersteht der türkischen Religionsbehörde Diyanet, dessen Präsident Ali Erbas Homosexualität als „widernatürliche Perversion“ und den CSD als Ketzerei bezeichnet hat. Die Imame in DITIB Moschee werden damit von einer von Erdoğan unterstellten Behörde entsandt und bezahlt. Die Wortwahl der Freitagspredigten kommt direkt aus der Türkei. DITIB und ihre Funktionäre sind eng mit den Grauen Wölfen verbunden, der größten rechtsextremen Organisation in Deutschland. Und Linke setzen sich dafür ein, dass Spenden an DITIB fließen?!
DITIB erhält nun die Gelegenheit sich in die Opferrolle zu begeben und bekommt nur noch mehr Zugänge zu Ressourcen und Einflusssphären in Deutschland. Das muss unbedingt verhindert werden. Statt ihrem orientierungslosen Gewaltkult zu fröhnen, sollten Linke mit helfen es unmöglich zu machen, dass DITIB den Islamunterricht an deutschen Schulen dominieren darf wie in NRW. Oder die kurdischen Genoss:innen unterstützen, die dagegen kämpfen, dass DITIB staatliche Gelder als Jugendhilfeträger bekommt. Dafür müsste es auch Linke endlich interessieren dass die deutsche Politik DITIB als Lieblingspartner hat und sie die meisten Gelder bekommen, weshalb es mittlerweile der größte islamische Dachverband in Deutschland ist.
DITIB muss auf allen Ebenen bekämpft werden, damit sich ihre rassistischen und menschenfeindlichen Mobilisierungsansinnen nicht weiter verbreiten können.
Für ein Ende des rücksichtslosen Gewaltfetischs als Selbstzweck von linken Autonomen.
Gegen Männermob-Hooliganverhalten auf Aktionen.
Kampf dem Faschismus und dem AKP-Regime.
1 (Dass als Ort für die Sponti die Eisenbahnstraße ausgesucht wurde, erwies sich als falsch. Die Sponti diente als weiteres Beispiel, dass eine Demo gegen Polizeischikane in einem Viertel mit eh schon Polizeipräsenz, eher dazu führt, dass Bullen extra dorthin gelockt werden und die Anwohner:innen noch mehr in den Kontakt und Augenfeld treten müssen. )