Darum sind rechtsextreme Straftäter in Sachsen immer jünger
Die Zahl rechtsextremer Straftaten in Sachsen ist dramatisch gestiegen. Besonders besorgniserregend: Immer mehr junge Erwachsene, Jugendliche und sogar Kinder sind beteiligt. Welche Strategien rechte Gruppierungen zur Anwerbung nutzen.
Die Zahl der rechtsextremen Straftaten ist im vergangenen Jahr deutlich gestiegen. Dabei nimmt vor allem die Zahl der Jugendlichen und jungen Erwachsenen unter den Tatverdächtigen zu. Das geht aus der Antwort des sächsischen Innenministeriums auf eine Kleine Anfrage der Grünen-Landtagsfraktion hervor.
Demnach stieg die Zahl der rechtsextremen Straftaten auf 4216 Fälle – von 2704 im Vorjahr. In den Jahren davor bewegten sich die Fallzahlen knapp ober- oder unterhalb der 2000er-Marke. Im Jahr 2024 konnten dabei insgesamt 1681 Fälle aufgeklärt und 2842 Tatverdächtige ermittelt werden. Davon waren 816 Personen im Alter von 14 bis 17 Jahren.
Zum Vergleich: Unter den 1442 Tatverdächtigen, die 2023 ermittelt werden konnten, waren 218 Personen im jugendlichen Alter.
Einen ähnlich starken Anstieg gab es bei den Tatverdächtigen im Alter von 18 bis 25 Jahren. Dort stieg die Zahl von 2023 zu 2024 von 92 auf 480.
„Wie bundesweit wird auch für den Freistaat Sachsen seit Anfang 2024 die Tendenz festgestellt, dass Rechtsextremisten, insbesondere im militanten Bereich, immer jünger werden“, schreibt das Innenministerium zur Einordnung. Vor allem sei eine starke Zunahme der Teilnahme von Jugendlichen an öffentlichen Protestveranstaltungen wahrnehmbar. Auf Nachfrage nennt das Ministerium Rechtsrockkonzerte und die in Sachsen weit verbreiteten Proteste gegen Christopher-Street-Day-Demos. Dort habe es im Jahr 2024 Identitätsfeststellungen größerer Gruppen gegeben.
Kinder begehen Propagandadelikte
Außerdem führt das Innenministerium an, dass Kinder unter anderem an Schulen rechtsextremistische Propagandadelikte begehen. „Immer häufiger haben die als Tatverdächtige geführten Personen das 14. Lebensjahr noch nicht erreicht“, heißt es in der parlamentarischen Anfrage der Grünen. Das Innenministerium verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass zu rechtsextremen Straftaten von Kindern keine verlässlichen Daten vorliegen, weil die Erfassung von unter 14-Jährigen dem Verfassungsschutz in Sachsen untersagt ist.
Aktuelle Themen dienen als Köder
Nach Angaben des Innenministeriums spielen die Jugendorganisationen rechtsextremer Parteien bei der Radikalisierung eine wichtige Rolle. Drei Nachwuchsorganisationen rechtsextremistischer Parteien sind derzeit laut Ministerium in Sachsen aktiv: Die Jungen Nationalisten, Jugendorganisation der Partei Die Heimat (ehemals NPD), die Nationalrevolutionäre Jugend, Jugendorganisation der Partei Der III. Weg, sowie die Freie Sächsische Jugend, Jugendorganisation der Freien Sachsen. Aufgeführt ist auch die Junge Alternative, die Jugendorganisation der AfD, die Ende März 2025 aufgelöst wurde.
Die Jugendorganisationen der Parteien seien bestrebt, Nachwuchs über zunächst niedrigschwellige und ideologiefreie Aktivitäten wie Wanderungen, Nachhilfe- und Sportangebote zu gewinnen, heißt es. Dadurch entstehe ein Gemeinschaftsgefühl, das junge Menschen an die Gruppe binde. „Aktuelle Themen, die die Lebenswirklichkeit junger Menschen unmittelbar betreffen, dienen als Köder.“
Aus Sicht des Innenministeriums entfalten die umfangreichen Werbeaktivitäten von extremistischen Akteuren aber „nur sehr begrenzt Wirkung“ – gemessen an rund 800.000 in Sachsen lebenden Personen unter 21 Jahren.
Darüber hinaus führt das Innenministerium weitere relevante rechtsextremistische Jugendgruppieren auf: Deutsche Jugend Voran, Urbs Turrium, Chemnitz Revolte, Jung & Stark sowie die Gruppe Letzte Verteidigungswelle.
Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) sieht den Freistaat bei der Bekämpfung der rechtsextremen Gewalt aber auf einem guten Weg. Die Erfolge der Sonderkommission Rex gegen Jugendcliquen wie beispielsweise der Elblandrevolte zeigten, dass die Sicherheitsbehörden der steigenden Entwicklung wirkungsvolle Maßnahmen entgegensetzen, so Schuster.
„Der anhaltende Anstieg der Kriminalität von Jugendlichen und sogar Kindern bringt die Polizei mit ihren Instrumenten an die Grenzen. Was zu Hause ausbleibt, kann von Polizisten nicht korrigiert werden“, sagt Schuster.
Die anhaltend steigende Entwicklung im Bereich der Jugendkriminalität stelle die Frage nach einer Justierung wesentlicher Grundprinzipien der Strafverfolgung. Schuster plädiert bei 18- bis 21-Jährigen für eine Regelumkehr. Seiner Auffassung nach soll dann grundsätzlich nicht nach Jugendstrafrecht, sondern Erwachsenenstrafrecht geahndet werden.
Gegenteiliger Trend bei Linksextremismus
Bei linksextremistischen Straftaten zeigen die Zahlen einen gegenteiligen Trend. Nach Angaben des Innenministeriums wurden 2024 insgesamt 1395 Straftaten in dem Bereich registriert. In den Jahren zuvor gab es jeweils etwas mehr als tausend linksextremistische Straftaten.
574 Tatverdächtige konnten im vergangenen Jahr ermittelt werden. Davon waren 96 Personen im jugendlichen Alter und 95 Personen im Alter zwischen 18 und 25 Jahren. In den beiden Vorjahren hatte es noch deutlich mehr Tatverdächtige aus diesen beiden Altersgruppen gegeben.
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Natalie Meinert
24.11.2025
Rechtsextreme in Sachsen: Mehr Straftaten durch Mädchen und Frauen
Rechtsextreme Strukturen gelten oft als männerdominiert. Der Anteil von politisch motivierter Gewalt durch weibliche Personen in der sächsischen Szene wächst jedoch.
Der Anteil rechtspolitisch motivierter Straftaten durch Mädchen und Frauen in Sachsen ist gestiegen. Das geht aus einer Antwort des sächsischen Innenministeriums auf eine Kleine Anfrage des Landtagsabgeordneten Valentin Lippmann (Grüne) hervor. Demnach erhöhte sich der Anteil weiblicher Tatverdächtiger im Bereich „Politisch motivierte Kriminalität – rechts“ in den letzten fünf Jahren von etwa neun auf 13,5 Prozent.
Aktuell gelten zudem etwa 17 Prozent des rechtsextremistischen Personenpotenzials in Sachsen als weiblich. Bezogen auf die etwa 6000 bekannten Rechtsextremen im Freistaat wären das etwa 1000 Frauen (Stand 31. Dezember 2024). Eigenständige rechtsextremistische Gruppierungen von Frauen seien dem sächsischen Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) in Sachsen nicht bekannt.
Chauvinistische Vorstellungen von Frauen
Ein Vergleich der Zahl der Straftaten zu den Vorjahren sei der Antwort zufolge nicht möglich, „da das Datenbanksystem des LfV Sachsen auf einer fortlaufenden Datenerfassung basiert. Informationen werden dabei kontinuierlich hinzugefügt und entfernt, wodurch eine dynamische Datenbasis entsteht.“
Mit emotionalisierender Bildsprache und Themen wie Migration oder dem Schutz traditioneller Werte würden rechtsextreme Gruppen gezielt auch weibliche Personen ansprechen.
Letzteres ginge jedoch häufig einher mit der Unterordnung der Frau unter den Mann und der rechtsextremen Verschwörungserzählung des „Großen Austauschs“ – um diesen entgegenzuwirken, sollen die Frauen den Rechtsextremisten zufolge viele Kinder gebären. Im Internet seien darüber hinaus über Videoplattformen und soziale Medien überregionale und regionale rechtsextremistische Angebote vorhanden.