Über den schlechten Zustand der Linken zu Leipzig – Teil II: Das Anti-Imperium schlägt zurück

Einleitung:
Im festen Glauben an die überschwängliche Arroganz so mancher Leipziger Antifas, habe ich mir vor kurzem ein Guilty-Pleasure erlaubt und eine kleine Polemik verfasst. Dieser Text scheint denn auch seinen Zweck erfüllt zu haben, einmal ordentlich Welle zu machen und somit die recht schläfrig verlaufende Antifa-Debatte neu zu entfachen.
Meine Erwartung wurde erfüllt: Die sogenannte/selbsternannte „Antifagruppe“ alea hat angebissen und eine hastig zusammengeschusterte Antwort veröffentlicht. Dabei handelt es sich um eine sehr hilflos wirkende Gegenpolemik, die bei mir vor allem Mitleid erregt hat und bei der sie sich, unter dem Einsatz einiger rhetorischer Tricks, vortrefflich um eine inhaltliche Auseinandersetzung mit meiner Kritik gedrückt haben. Das war dann doch ein wenig unprofessionell; in solchen Fällen am besten gar nicht antworten, da Polemiken doch oft rhetorische Fallen sind, nur mal so als kleiner Tip am Rande 😉
Für meine Wenigkeit ist das natürlich eine vortreffliche Gelegenheit, ein längeres Essay zu veröffentlichen, um die Debatte auf eine Sachebene emporzuheben.
Es scheint mir nämlich so, nachdem ich die diffuse Antwort der alea ausgiebig studiert habe, dass diese allerwertesten Aushilfsphilosophen meinen inhaltlichen Hauptpunkt gar nicht erst verstanden haben oder ihn gar nicht erst verstehen wollen.
Wenn ich mir auch ein wenig unqualifiziertes Herumpsychologisieren (wie es die alea offensichtlich gerne betreibt) erlauben darf, dann würde ich glatt behaupten, dass der Verlust jeglicher radikaler Opposition gegen das System, noch gar nicht allzu lange zurückliegt und sich, bei den Genoss*innen der alea, der Trauerprozess noch in der Anfangsphase, also im Zustand der Leugnung, befindet, was ich natürlich als seelische Einschränkung berücksichtigen werde.
Ich möchte deshalb an dieser Stelle gar nicht so weit gehen und die infame Unterstellung in den Raum werfen, dass die alea in vollem Bewusstsein rhetorische Tricks anwenden würde, um von der intellektuellen Schaumschlägerei ihrer Texte und der eigenen Unfähigkeit, auch nur ein einziges kohärentes Argument zu verfassen, abzulenken; Vielmehr bin ich, dank meiner ferndiagnostischen Superkräfte, zu dem Schluss gekommen, dass die kognitive Dissonanz, ausgelöst von ihrem radikalem Selbstbild in Verbindung mit einem höchst bürgerlichen Kern, einige Meisterstücke der Mentalgymnastik in ihren Köpfen ausgelöst hat. Diese sind durch ihr eigenes Unterbewusstsein getäuscht worden, in Form einer Subtraktion dissonanter Kognitionen:
Einfach gesagt: Sie ignorieren und verdrängen ihr bürgerliches Verständnis von Politik.
Vielleicht wird die Lektüre meines Textes euch in eurem schwierigen Trauerprozess helfen, zuerst zerstörerische Wutausbrüche auslösen, dann den Gedanken an einen politischem Kompromiss unserer gegenteiligen Positionen in euren Kopf setzen und, nach einem kurzem Umweg durch ein tiefes Tal der Depression, den die Hoffnungslosigkeit jeglicher bürgerlicher Politik in einem Menschen hervorruft, euch schließlich den Weg zur heilsamen Akzeptanz eurer Bürgerlichkeit weisen…
Ich schreibe diesen Text ja auch, um mein tiefstes Mitgefühl mit eurem erbarmungswürdigen Zustand auszudrücken; Ich weiß, euer Verlust ist schwer! Doch wo sich eine Türe schließt, da entriegelt sich auch die Schleuse in den Bundestag: Es warten Talkshows, Diäten und Chauffeure auf euch, denn die Tore der bürgerlichen Politik stehen euch in eurem zukünftigen Werdegang offen!
Nun, ich werde ab jetzt mein allerbestes geben, den Sarkasmus zu unterdrücken, zumindest so weit mir das irgendwie möglich ist. Ich bin halt auch nur ein Mensch und gerade solch eine Erwiderung, wie sie die alea verfasst hat, macht ein solches Unterfangen ziemlich schwierig.
Habt denn ein wenig Nachsicht über die eine oder andere Spitze, die ich mir dann doch nicht verkneifen konnte. Den Gebrauch von Stilmitteln habe ich auch nicht gescheut. Seht es als die notwendige Würze, um den Diskurs weiterhin scharf zu halten, wir wollen ja auch Spaß am Lesen haben!
Der politische Inhalt wird aber im Vordergrund stehen und vielleicht gelingt es mir sogar der alea die Tomaten der bürgerlichen Politik von den Augen zu nehmen und sie durch die Gleitsichtbrille der Anti-Politik zu ersetzen.
Dazu aber später mehr, ich möchte zuerst ein paar kleinere Unklarheiten richtigstellen, die die alea ihrem schlechten Textverständnis zu verdanken hat:
Über Ferndiagnosen:
Ich bin schon weiter oben auf die wirklich lächerliche Form der Westentaschenpsychologie, welcher sich die alea bedient, eingegangen. Natürlich gehe ich nicht davon aus, dass sie geistig eingeschränkt sind, eine Retourkutsche ist nunmal ein schönes Stilmittel…
Ich möchte also noch einmal klarstellen, weil mich diese esoterische Form der unwissenschaftlichen Spekulation wirklich nervt: Ich bin nicht das Zerrbild in euren Köpfen, dass ihr von aufständischen Zusammenhängen habt, ich bin einfach nur ein Mensch. Eure substanzlose Psychoanalyse zeigt höchstens eure Unwissenheit und Ressentiments. Leider ist dieses Geschwurbel in linken Texten sehr beliebt, Adorno beispielsweise kann es eigentlich nie lassen, irgendeinen längst widerlegten Nonsens vor sich hin zu brabbeln. Es sei ihm aber verziehen, damals war diese antiquierte Form der Psychoanalyse halt noch ganz neu und aufregend. Aber der alea mag ich solche Ausbrüche geballter Unwissenheit dann doch nicht verzeihen, auch weil sie auch nicht die Einzigen sind, die sich solch billiger Methodik bedienen.
Wie ich anhand meiner ableistischen Tirade aufgezeigt habe, kann eigentlich Alles pathologisiert werden und der politische Gegner hat so keinerlei Spielraum sich mit Argumenten zu wehren.
Allein schon die Tatsache, dass ich zur Mäßigung beim Austragen von innerlinken Konflikten aufrufe, wird mir von der alea-Forensik schon als implizierte Gewaltandrohung ausgelegt, da diese in Leipzig anscheinend gar nicht im Raume stünde.
Ich kann darauf eingehen, aber in ihrer „Argumentation“ ist das dann schon ein weiterer Beweis für meine Gewalttätigkeit, weil ich mich ja von ihr distanzieren muss, also: ich bin quasi schon Schläger, weil ich auch nur einen Gedanken an die Gewalt verschwende.
Es handelt sich also um eine manipulativen Eingriff in die Debatte, ein weiteres Zeichen der elitären Tendenzen in der alea, die lieber persönlichen Angriffen einen wissenschaftlichen Anschein gibt, anstatt sich mit den Inhalten einer Kritik auseinanderzusetzen.
Trotzdem möchte ich daran erinnern, dass es schon mehrere gewalttätige innerlinke Auseinandersetzungen in jüngster Zeit gegeben hat, z.b. durch die Connewitzer Kiezmiliz, durchgeknallte Anti-Ds vor der HTWK oder ein wenig länger her, mir aber noch gut im Gedächtnis geblieben: im Rahmen einer transfeindlichen Hetzveranstaltung im Conne Island, wo sich „linke“ Secus und ein paar Machos mit Gegendemonstranten prügelten.
Gewalt unter Linken steht gerade eben in Leipzig im Raum, deshalb habe ich erwähnt, dass es sinnvollere Sachen gibt, als sich irgendwo mit Idioten zu schlägern. (eine Ausnahme macht vielleicht der oben beschriebene transfeindliche Hetzer, ein Schädelbasisbruch könnte da noch was im Oberstübchen grade rücken…)
Ich bin kein*e Moralist*in, wenn es was bringt, kann gerne drauf losgedroschen werden, Gewalt ist aber in den meisten Fällen unnötiger Stress und bewirkt kein Umdenken. Wir haben dringendere Probleme, als uns in Flügelkämpfen zu zerfleischen und das bedeutet auch ein paar Kommunistenkinder ihre doofe Stadtteilführung machen zu lassen, was sind denn eure Probleme in Connewitz? Müssen denn die Blockwarte von der Stö ihren Macho raushängen lassen, anstatt die Hänger einfach zu ignorieren?
Gedenken:
Das Zerrbild in den Köpfen der alea gibt ihnen auch den weiteren Verlauf ihres Textes vor. Das Missverständnis setzt sich fort, da sie mir erzählen wollen, dass antifaschistisches Gedenken etwas Gutes ist. In ihrer beschränkten Sicht auf die Welt, haben sie das einzige ernsthafte Lob, dass ich ihnen zugestanden habe, wohl als ironische Spitze missverstanden.
Da sie das unqualifizierte Herumspekulieren wohl hauptberuflich betreiben, möchte ich die Genoss*innen nunmehr ein wenig über meine Meinung zum Gedenken erhellen:
Ein jeder Mensch, der durch die faschistischen Kräfte ermordet wurde, ist ein im Überlebenskampf Gefallener!
Ein jeder Mensch, der ermordet wurde, ist, trotz aller Schmach durch die ekelerregende Gewalt, ein würdevoller Toter, der für immer einen festen Platz in unserem Herzen hat. Der Todeskult der staatlichen Gewaltherrschaft, führt zum Hass auf das freie Leben und deshalb morden Polizisten, Faschisten und andere Knechte der Macht. Die vermeintliche oder tatsächliche Weigerung der Gefallenen sich der kapitalistischen Todesmaschinerie zu unterwerfen, wird von den offiziellen Staatsbütteln oder der regierungskritischen Faschosoldateska als eine gesellschaftszersetzende Unverschämtheit gedeutet und prompt mit dem Tode bestraft [1].
In ihrem Überlebenskampf gegen die Todesmaschinerie sind unsere Geschwister alle gleich.
Alle Gefallenen sind gleich wichtig. Ihr Tod ist immer eine Tragödie, Teil des grausamen Dramas, dass sich „zivilisiertes“ Leben nennt. Der Todeskampf des Christos Kassimis, nachdem er durch einen Schusswechsel mit der Polizei am Boden liegend verblutete, ist kein anderer gewesen, als der Todeskampf des Alberto Adriano, der von den feigen Betbrüdern des germanischen Idiotenkults zu Tode getreten wurde. Alle Gefallenen sind gleich viel wert und eine Hierarchie der Kämpfe aufzumachen liegt mir ganz und gar fern.
Es ist die gleiche Angst, der gleiche verzweifelte Hilfeschrei, die Fred Hampton und Oury Jalloh in den letzten Sekunden ihres Lebens vereinigten.
Im Tod sind wir alle gleich.
Im Leben sind wir Alle individuell, doch sind wir immer gleich viel wert, auch wenn wir ganz unterschiedliche Lebenserfahrungen machen.
Das Leid, der Schmerz vereint uns, lässt uns die Verzweiflung unserer Geschwister spüren. Wir fühlen für unsere Schwestern in Gaza, wenn wir am ganzen Körper bluten, weil wir nicht aufhören konnten zu kratzen in der Nacht, wegen der Krätze, die wir uns auf der Platte eingefangen haben. Wir fühlen für unsere Brüder in Concepción, Chile, wenn der Wald unserer Kindheit abgeholzt wird, um Platz zu machen für Beton und Lärm. Wir fühlen für unsere Kinder in Kashmir, wenn wir in der Gewahrsamszelle geschlagen und gefoltert werden.
Auch wenn das Leid woanders immer größer zu sein scheint, ist das individuelle Erleben und die persönliche Empfindung die wir vom Leid haben, einer der wenigen Bezugspunkte, den wir mit unseren Mitmenschen auf der anderen Seite der Welt haben können, wenn wir keine direkte Beziehung mit ihnen haben (Verwandtschaft/Freundschaft).
Es gibt kein objektives Leid, weil der Schmerz immer subjektiv ist, nur sollten wir unser Leid nicht in den Vordergrund stellen, wenn wir über das Leid von Anderen reden.
Aus einem Brief, der 1969 aus der Zentrale der Sicherheitspolizei in der Bouboulinas Straße 21 geschmuggelt wurde und an Jean-Paul Sartre gerichtet ist:
„Meine Zelle ist so eng, dass ich nur mit angezogenen Beinen liegen kann. Sie hat kein Licht, keine Belüftung, der Boden ist feucht und wimmelt von Wanzen. Das Guckloch in der Tür ist meine Angst und meine Hoffnung. Oft blicke ich durch das winzige Gitter und versuche etwas zu erkennen. Im Gang unterdrücktes Murmeln: ein Körper wird, in eine Decke gewickelt, vorbeigetragen. Der Mann stöhnt. Schritte nähern sich. Ich fürchte mich. Ein Schlüssel knirscht in meinem Schloß, meine Tür geht auf, man bringt mich hinaus. Und bald, wenn ich erst dieser in die Decke gewickelte blutende Körper bin, werde ich vor Schmerzen nur noch stöhnen können.
Man führt mich eine Etage höher. Das Verhör beginnt. Mallios ist ein Theoretiker, Lambrou dagegen wendet die Methoden dieses ausgeklügelten, perfektionierten Systems an. Ich schreie auf. Sartre! Hörst Du mich? Ich weiß das es Vietnam gibt, ich bin unbedeutend gegenüber den Feuern dieser Hölle, aber ich schwöre Dir, Sartre, unsere Tage in diesem Polizeigebäude sind der Keim eines zweiten Vietnam! Du kannst dieses Gebäude sehen, wenn du einmal in Athen spazierengehst. Tausende von Leuten laufen täglich an ihm vorbei, ohne den Blick zu heben. Die einen aus Angst, die anderen aus Unwissenheit. Zwei Schritte weiter befindet sich der Park des Nationalen Archäologischen Museums. Unsere Schreie werden von dem Lärm der Stadt übertönt, in der die ausländischen Touristen in der Sonne spazierengehen… Oft steht vor dem Gebäude ein Motorrad mit laufendem Motor, fährt aber niemals ab. Sein Lärm übertönt die Schreie. Wenn die Henker in der Eckkneipe ein Bier trinken gehen, wird der Motor abgestellt.
Du wirst auf diese Bank gebunden. Ein Reigen von Wilden umringt dich. Sie gehören der selben Henkerrasse an, die in Vietnam meine Schwestern Pham Thi Binh, Nguyen Thi Tho gefoltert haben. Ich kann nicht, ich will Dir nicht sagen, Bruder, wie, womit, wie sehr sie mich gefoltert haben.
Ich schließe die Augen, um meine Henker nicht zu sehen. Lambrou steht etwas abseits, ein Arzt ist neben ihm. Er heißt Kioupis. Sein Name gehört auf die Liste derer, die eines Tages gerichtet werden müssen. Er fühlt meinen Puls. Er befiehlt: weitermachen…anhalten…Ich soll am Leben bleiben, ich soll sprechen, die Namen meiner Genossen nennen. Ich schwöre Dir, ich habe nichts gesagt. Mein Schweigen gibt mir das Recht, Dir zu schreiben.“
Wir gedenken den Gefallenen und den Gefangenen, um unserem Schmerz Ausdruck zu verleihen, unsere Tränen nicht mehr zurückhalten zu müssen, um unsere Pein in die Welt zu schreien, auf dass der Gram uns nicht innerlich zerfrisst. Wenn wir unserem Schmerz Platz geben und somit unser Trauma begegnen, können wir unsere Trauer in Wut, in Kraft, in eine kämpfende Bewegung umformen. Doch ohne Trauer haben wir keine Möglichkeit mehr für die Wut, indem wir unsere Emotionen unterdrücken, haben wir keinen Platz mehr für eine tatsächliche emotionale Bewältigung: Anstelle von Trauer, Nähe und Wut tritt Zynismus, Entfremdung und kalter Hass.
Das „unrevolutionäre Wischiwaschi-Gedenken“ ist tatsächlich einer der wenigen revolutionären Inhalte, den die alea noch praktiziert. Ich finde, in diese Richtung könnte sie gerne mehr machen, anstatt so schlechte Texte zu veröffentlichen und den 1000sten Vortrag zu den bösen post-colonial Antisemiten zu organisieren. Da bin ich ganz „gönnerhaft“.
Gleichwertigkeit der Kampffelder:
Ich möchte nochmals auf die Gleichwertigkeit der Kämpfe eingehen, da sich bei der alea anscheinend niemand die Mühe gemacht hat, den kurzen Text [2] der in meiner Polemik verlinkt war zu überfliegen. Dann wäre ihnen vielleicht aufgefallen, dass ich kein stumpfer Machist bin, der nur nach dem bewaffneten Kampf schreit, weil er sonst nichts im Leben hat, außer Gewalt.
Um eine tatsächliche (anti-)politische Positionierung und Debatte voranzubringen, an der die alea vorgeblich so interessiert ist, werde ich hier einmal genauer auf die Kritik an der Hierarchisierung/Rangordnung von Kämpfen eingehen, dazu bediene ich mich eines vortrefflichen Textes, den ich auch gleich mal ins Deutsche übertragen habe. Es handelt sich um einen Ausschnitt aus einem anarchistischen Text, der sich mit dem damals neu aufkommenden radikalen Nihilismus auseinandersetzt. Ich kann mir vorstellen, dass viele Klischees in den Köpfen der alea über meine Wenigkeit, von Erfahrungen mit solchen kurzgeschlossenen Krawallos herrühren. Es ist dabei wichtig zu erwähnen, dass die Form des Nihilismus, die von Alfredo Cospito [3] oder den Feuerzellen [4] propagiert wird, mit Max Stirner nur noch oberflächlich etwas zu tun hat.
Ich frage mich, wozu ein Mensch, der zum Spaß an der Freude gegen den Staat kämpft, ohne dabei eine revolutionäre Ambition zu haben (die durchaus egoistisch motiviert sein kann), Aktionserklärungen und lange politische Traktate verfasst. Wozu irgendwelche Leute zum Nachahmen anstiften, wenn der ganze Kampf nur das sinnlose Aufbäumen der bedrängten Kreatur ist? Eine Frage, die mir bisher nur tatsächliche Nihilisten im persönlichen Gespräch beantworten konnten: Sie schreiben nämlich keine großspurigen Erklärungen, sondern zünden halt einfach was an und erfreuen sich dran.
„[…]
Es muss gesagt werden, dass, auch wenn der stetige Lebenswandel im sozialen Krieg bewundernswert und inspirierend ist, sich ihre Idee vom sozialen Krieg nicht groß von der staatlichen Definition vom Krieg unterscheidet: ein Konflikt zwischen zwei Antagonisten [Gegnerische Protagonisten AdÜ], der mit bewaffneten Aktionen, also die Zerstörung von Mensch, Material und Organisationsfähigkeit, von einer der beiden Seiten gewonnen wird. Der grundsätzliche Unterschied liegt darin, dass die Nihilisten durch ein Verlangen nach Freiheit zu ihrem Kampf veranlasst werden, nicht durch ein Verlangen nach Macht, wie bei staatlichen Akteuren. Die Nihilistische Motivation speist sich aus der Kühnheit und dem Ideal, ist somit grenzenlos, die des Staates hingegen ist durch die berechnete Chance auf den Sieg begrenzt. Die Nihilisten ziehen also in den Krieg, selbst wenn sie wissen, dass sie nur verlieren können, was sehr bewundernswert ist. Der große Unterschied zur maoistischen Guerilla liegt darin, dass die Nihilisten nicht vorhaben die „Massen“ in die militärisch-politische Organisation der Guerilla zu integrieren. Das ist ein weiterer Punkt für den Nihilismus. Doch trotz dieser zwei minimal-libertären Anteile, führt die nihilistische Ausformung des sozialen Kriegs in die Militarisierung des Konflikts (die Entwicklung des Konflikts nach Staatslogik) und somit zu einer erhöhten Kraft des Staates, den Gegner zu „lesen“, zu verstehen, einzukesseln und zu bändigen. Um hier die Kritik klarzustellen, wir denken nicht, dass der Nihilismus befähigt ist den Staat zu reproduzieren. Aber der Nihilismus bringt den Kampf sehr wohl auf eine dem Staat hilfreiche Ebene.
Eine neue Welt kann nicht geschaffen werden, ohne die Jetzige zu zerschlagen. Und wir können auch nicht die neue Welt planen, weil wir die zukünftigen Umstände nicht voraussehen können. Weiterhin, die Form der Welt im jetzt vorauszuplanen – oder die Form eines Kollektivs, das mehr Menschen umfasst als die Anzahl unserer Bekanntschaften – ist eine autoritäre Beschäftigung. Trotzdem, der Staat besteht nicht nur in den materiellen Umständen, sondern auch in den Sozialbeziehungen die er reproduziert; Eine Beziehung kann ein Mensch nicht zerstören, ohne gleichzeitig eine neue zu erschaffen. Ein Gebäude kann zerstört werden, ohne ein Neues an seiner statt zu errichten. Eine Sozialbeziehung der Entfremdung kann aber nicht ohne die Schaffung einer anderweitigen Sozialbeziehung beendet werden. Es besteht immer eine Beziehung zwischen Wesen und Körpern im selben Raum. Wenn wir aber nicht über die Schaffung von neuen Sozialbeziehungen reden, dann können wir auch nicht ehrlich über die Zerstörung des Staates sprechen. Oder: Wir stehen an einer Weggabelung, auf der einen Seite ist der Vorschlag zum Angriff auf den Staat, auf der Anderen der Verschlag zur Vernichtung des Staates. Der Vorschlag der sich am meisten auf die Zerstörung fokussiert, also der nihilistische Vorschlag, dürfte wohl die Vision der Vernichtung nicht realisieren können, weil sich nur auf die Zerstörung ausgerichtet wird. Es wäre wohl eine ziemlich traurige Vision der „permanenten Revolte“: Ständig die Symbole des Staats angreifen, ohne jemals die Machtbasis zu erreichen.
Weil es sich um eine Praxis des Angriffes und nicht um eine Praxis der Zerstörung handelt (welche auch einen kreativen Aspekt beinhalten, den die Nihilisten nicht vorschlagen), übernimmt sie auch mit Leichtigkeit die Konzeption von Gewalt. Der Diskurs über die Gewalt, wie er von vielen (nicht allen) Nihilisten geführt wird, ist ein gegenseitiger Dialog mit dem pazifistischen Diskurs der Spießbürger. Eine Debatte zwischen Engelchen und Teufelchen, aber immerhin ein Dialog. Anstatt die gegensätzliche Zweiteilung von Gewalttätigkeit und Friedbarkeit des Spektakels abzulehnen, übernehmen sie einfach nur den Gegenpol zum Pazifismus innerhalb des, vom Spektakel geschaffenen, Erklärungsmodells. Der älteste Trick der Demokratie ist es, die Regeln der Debatte so zu kontrollieren, dass beide Seiten die gezeigt werden (die „Gute“ und die „Böse“) die Logik des Staates und der Macht reproduzieren. Es ist unmöglich innerhalb des staatlichen Erklärungsmodells zu einer radikalen Vision zu gelangen. Trotz alledem hat sich der Nihilismus seit seinen Anfängen in der Rolle des Teufels eingefunden, hat also die „Böse“ Option gewählt, wie sie vom Spektakel definiert und bekanntgemacht wurde. Der übergeordnete Konflikt des Nihilismus ist demzufolge so beschaffen: Wähle entweder die Stellung der „bösartigen“ Person, die all jene Rollen aufführt, die der bürgerlichen Pazifistenopposition Sinn stiftet, oder die radikale Verneinung der Grundfesten des Systems – und somit die Verneinung der patriarchalen Rangfolge der Taktiken, Kategorisierung und Fetischisierung der Gewalt und die entfremdeten und spektakularisierten Formen der Kommunikation.
Die Nihilistische Rekuperation ist eine Rückgewinnung symbolischer Momente der heterogenen Kämpfe, eingebettet in den Diskurs der Gewalt. Das ist dieselbe Aufgabe, welche die Presse im Zusammenhang mit diesen Kämpfen erfüllt, nur das die Presse damit Angst zu schüren versucht, während der Nihilismus diese Performance abliefert, um eine virtuelle und vereinfachte Illusion der der eigenen Stärke zu generieren – das findet dann innerhalb einer heroischen Erzählung vom Kampf der Autorität gegen die Rebellen statt.
[…]
Wir sind Anarchisten, die den Teil unserer Tradition, der von der gesellschaftlichen Linken kommt, kritisch gegenüberstehen, doch wir sind auch dankbar für all die Fehler dieser Tradition, weil wir so die Möglichkeit haben, aus ihnen zu lernen. Wir glauben an die totale Verneinung aller Grundsätze des jetzigen Systems. Darunter verstehen wir aber auch die Verneinung der Spektakularisierung, der Entfremdung und Isolation, der Eroberung und Vernichtung der Vorstellungskraft, der Gegenüberstellung von Friedfertigkeit und Gewalttätigkeit und des Konzepts von Militarisierung, dass unsere eigenen Kämpfe beeinflusst hat.
[…]“
Die Genoss*innen, die sich am Spektakel ihrer Aktionen ergötzen, ob nun aus nihilistischem Egoismus oder falsch verstandenem „Altruismus“, haben den eigentlichen Sinn der radikalen Politik nicht verstanden. Wir wollen uns langfristig organisieren um die Mächtigen zu stürzen, dazu müssen wir nicht in die Zeitung kommen. Ein schlauer Mensch hat mal einen guten Track gemacht:
„The Revolution will not be televised“ [5]
Im weiteren Text werde ich nochmal genauer auf das Spektakel eingehen, dass viele „linke“ Gruppen zu benutzen versuchen, um „linke“ Positionen in der Gesellschaft zu verbreiten.
Intermezzo: Was ist denn eigentlich bürgerlich?
Da die alea leider auch nicht versteht, was ich mit „bürgerlicher Politik“ meine, schiebe ich hier noch eine kleine Begriffserklärung ein; dieser Begriff führt ja häufiger zu Verwirrung.
Sprache ist ein diffuses Feld und jeder Mensch hat bei jedem Wort so ein ganz eigenes Sprachgefühl, dass von der Duden-Definition abweicht. Doch gibt es, neben der Alltagssprache, auch die Fachsprache. Da werden wiederum Fachbegriffe (wie bspw. Rekuperation[6]) verwendet, die eine feste und relativ genau beschriebene Bedeutung haben, um Platz und Zeit zu sparen. Bürgerlich wird, meiner Erfahrung nach, im allgemeinen Sprachgebrauch mit der Mittelschicht oder dem Bildungsbürgertum gleichgesetzt. Das sind Konzepte, die heutzutage vor allem als Milieus oder Schichten im Kontext der Soziologie und Anthropologie beschrieben werden.
Wenn ich diese beiden Begriffe höre, denke ich sofort an hochgestochene Sprache (solch eine, wie ich sie hier im Text verwende), an sündteure Peugeot-Rennräder, an Ökomuttis und etwas schmuddelige Einfamilienhäuser, weil man um alles in der Welt bloß nicht spießig wirken will.
Ich denke zwar, dass eine anständige Hygiene und Sauberkeit ein Zeichen von Selbstachtung sind, ich vermute aber, dass die Ressentiments der Mittelschicht recht tief sitzen und Dreck mit Unterschicht verbunden wird, der man schon durch fleißiges Spenden und ein Ehrenamt hilft, da kann sich der Bürger den einen oder anderen Stereotypen erlauben…
Ich bin hingegen einem anderen sozialen Milieu entsprungen als der ökobewussten Holzhausfamilie; die spekulationsfreudigen Amateuranthropologen von alea haben den richtigen Riecher gehabt:
Ich gestehe, ich komme aus dem Bildungsbürgertum!
Ich habe kein Problem damit, über meine „gutbürgerliche“ Herkunft zu reden, auch wenn ich aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes keine weiteren Details mehr verraten werde.
Ich habe das Gefühl, das die alea den Schein erwecken wollte, mich auf frischer Tat ertappt zu haben, weil ich aus dem sozialen Milieu des Bildungsbürgertums stamme. Doch ist überhaupt nichts schlecht oder komisch dabei, in ökonomisch gesicherten Verhältnissen aufzuwachsen und eine umfassende Allgemeinbildung ermöglicht zu bekommen [7]. Ich scheine in den Augen der alea eine ganz fürchterliche Transgression begangen zu haben. Die Todsünde der Doppelmoral!
Wie kann ich, als Ausgeburt der Bürgerlichkeit, die bürgerliche Politik der alea kritisieren?
Nun, das ist ein klassisches Strohmannargument des Springerverlags, wird aber häufig einfach unkritisch von Linken übernommen. Es ist auch verständlich, das Wort Bürgerlichkeit im allgemeinen Sprachgebrauch zu verstehen und es danach im allgemeinen Gebrauch zu verwenden.
Dieser Text ist aber im Rahmen eines linksgerichteten, politologischen/philosophischen/ökonomischen Kontexts verfasst worden, es handelt sich nicht um ein alltägliches Gespräch am Küchentisch. In diesem Kontext verhält sich die Bürgerlichkeit, mehr wie ein Fachbegriff, ist ziemlich genau definiert und bedeutet etwas ganz anderes als Mittelschicht.
Im politologischen Sinne ist ein jeder mit deutschem Pass ein Staatsbürger. Nach dieser Definition ist jeder Bürger auch bürgerlich, ob arm oder reich, wir Leben bekanntlich auch in der bürgerlichen Gesellschaft. Früher gab es Leibeigene, Gemeine/Freie, Geistliche, Vogelfreie/Gesetzlose, Bürger (Stadtbewohner) und Edelleute, alle mit unterschiedlichen Rechten und Pflichten. Heute gibt es nur noch Bürger und vor dem Gesetz sind, zumindest theoretisch, alle Menschen gleich.
Ich verwende aber eher die marxistisch gefärbte Definition, anstatt die liberal-demokratische:
Die bürgerliche Gesellschaft hält die Kapitalverhältnisse des kapitalistischen Systems aufrecht.
Also Kapitalakkumulation, Lohnarbeit, Geldsystem und eine besitzende Klasse (Buorgeoisie), die im Gegensatz zu einer besitzlosen Klasse (Proletariat/Arbeiterklasse) steht.
Der Vorwurf der Bürgerlichkeit bezieht sich nicht auf ein Mittelschichtsgehabe, auch wenn die akademische Arroganz der alea keine Grenzen kennt, sondern auf einen Politikansatz, der die Kapitalverhältnisse aufrechterhält. Nach dieser Definition sind viele aus Bildungsbürgertum und Mittelschicht Proletarier*innen, weil sie ihre Arbeitskraft verkaufen müssen, um ein Auskommen zu haben. (Klar, Klassenbewusstsein haben Leute aus der Mittelschicht meist nicht. Das ist hier aber auch gar nicht der Punkt.)
Es ist sehr befremdlich, dass ich das fleißigen Adorno und Marcuse Lesern erklären muss, ist es doch ein beliebtes Nonsensargument der bürgerlichen Presse, um sich nicht mit den Inhalten von Antikapitalisten zu beschäftigen, irgendwelchen Leuten aus der Mittelschicht vorzuwerfen, dass sie bürgerlich sind.
Um es nochmal zu wiederholen: Meine Herkunft oder die Herkunft aller Anhängenden von alea ist unerheblich für meine Kritik. Ich kritisiere ihre versöhnliche Haltung zur bürgerlichen Gesellschaft.
Die bürgerliche Linke und die radikale Linke
Obwohl sich die alea selbst eher als unbedeutende Organisation eingestuft hat, konnten es sich der/die/das Autor*in(nen) des Textes nicht nehmen lassen, mit den eigenen Großtaten im Bereich der aufsuchenden Sozialarbeit, der intellektuellen Schaumschlägerei und der gewaltorientierten Jugendkultur anzugeben, sowie sich über die eigene Fachkunde in den Disziplinen Transpi-malen und im professionellen Fahnenschwenken zu produzieren. Das sind selbstredend starke Leistungen, die wir Alle ganz doll zu schätzen wissen und sicherlich auch keine fremden Lorbeeren sind. Es ist mir zwar, mit meinem sehr begrenzten Verständnis des Raum-Zeit-Kontinuums, nicht erklärlich, wie eine paar Jährchen junge Gruppe, halb Leipzig aufgebaut und vor Nazis geschützt haben soll, aber bitte, ich bin auch nicht allwissend.
Doch hat die Masse der Taten wenig Aussagekraft über deren Effektivität, im Kampf gegen die kapitalistische Todesmaschinerie.
Sonst hätten die ultraroten Extremfahnenschwenker*innen von MLPD bis TKP/ML schon längst das ganze Proletariat agitiert. Dem ist aber nicht so.
Wir sehen hier sehr gut, dass die alea die eigenen Probleme und Missverständnisse auf den politischen Gegener (also mich) projiziert. Da sie aber im Zustand der Realitätsverweigerung (aus welchem Grund auch immer, ich bin kein Psychologe) verharren, möchte ich nochmal ganz genau erklären, warum ihre Ideen über „den schlechten Zustand der Welt“ bürgerlich sind. Ich werde dazu erst einmal etwas weiter ausholen, weil diese Kritik auf viele „linke“ Gruppen zutrifft, die in den letzten 20, 30 Jahren entstanden sind. Ich möchte diese Kritik nämlich nicht nur auf ein paar unkreative, politische Traktate anwenden, sondern auf die ganze Idee der linken Szenepolitik, die zurzeit immer noch Bestand hat.
Bei der alea handelt es sich um eines dieser unseligen Überbleibsel der „post-autonomen“ Bewegung, im Ausland auch „Post-Operaismus“ genannt. Die führen ihren Ursprung auf die „Heinz-Schenk-Debatte“ und auf die Theorien von Antonio Negri zurück.
Die anarchistische Bewegung aus Deutschland & die „Alt“-Autonomen haben sich dann aber eher an dem aus Italien stammenden aufständischen Anarchismus/Insurrektionalismus [8] orientiert oder am aus Uruguay stammenden Especifismo [9] oder dem Direct Action Movement aus der UK [10].
Die meisten Post-Autonomen haben versucht, vor allem durch Kampagnenarbeit und politische Bildungsarbeit, größere gesellschaftliche Zusammenhänge in Richtung grober linker Ziele zu mobilisieren und somit anzupolitisieren. Sie versuchten aktiv in den sozialen Bewegungen an Einfluss zu gewinnen, um linke Politik „gesellschaftsfähig“ zu machen und um eine linke Hegemonie aufzubauen, in der vagen Hoffnung, dass dies auch radikalen Elementen zum Erfolg verhelfen würde. Dafür wurden pragmatische Bündnisse mit bürgerlichen Akteuren geschlossen, militante Aktionen [11], wurden durch symbolischen, dafür aber massentauglichen, Widerstand ersetzt. Hochglanzbroschüren und professionelles Auftreten, statt DIY und Reproduzierbarkeit wurden zur politischen Norm in der „linken Szene“, eine immer stärker werdende Abkehr von Klassenpolitik und sozialrevolutionären Tendenzen wurde sichtbar. Ab den 2000ern setzte auch eine zunehmende Zersplitterung der linken Bewegungen in sehr gegensätzliche polit. Lager ein. Anstatt das Scheitern der Stadtguerilla, APO und der autonomen Besetzer*innenbewegung aufzuarbeiten und Lehren aus den 68er und 81er Bewegungen zu ziehen, wurde von den Post-Autonomen immer mehr auf eine Zusammenarbeit mit staatlichen Institutionen, den Aufbau und die Unterstützung von gemeinnützigen Vereinen/NGOs, sowie auf Bündnisarbeit (auch mit Parteien) gesetzt. Um kurzfristig weiter „Erfolge“ verbuchen zu können, wurde einfach ein Großteil der radikalen Ansätze über Bord geworfen.
Das hatte den Effekt, dass große Teile der Unterschicht, die eine gesunde Skepsis gegenüber von Parteipolitik und Akademikereliten hat, sich von der linken Bewegung abwendete.
Gleichzeitig schreckten auch die pro-israelischen Kräfte innerhalb der Linken Proletarier*innen mit Migrationshintergrund ab, da seit dem gescheiterten Friedensprozess, also ab dem Beginn der 2. Intifada, die israelische Regierung und ein Großteil der israelischen Bevölkerung keine Scheu mehr vor Rassismus und Völkermord hat, also jegliche Reformvorhaben in Israel illusorisch scheinen.
Die post-autonome Bewegung hat einer revolutionären Politik eigentlich nur geschadet. Sie hat ursprünglich radikale Bewegungen rekuperiert, also wieder in die bürgerliche Gesellschaft re-integriert und ihre Ziele einer linken Hegemonie nicht erreicht, eher im Gegenteil.
Gleichzeitig werden elitäre Positionen in der Linken immer häufiger, überall wird nach Spezialisten und Technokraten verlangt, wie es die ganzen Staatsantifaspinner während Covid getan haben. Dieser Elitismus ist Rechts, egal ob ihn die Grünen oder die Linken anwenden, die Anmaßung von Nah-Ost Expertise ist da nur das Sahnehäubchen.
Kurzgesagt: Reaktionärer Rollback, statt „linker Hegemonie“.
Wozu diese Geschichtsstunde? Ich möchte einmal klarmachen, dass famose Logistik, gute Propaganda, bundesweite Zusammenarbeit oder Massenaktionen für sich genommen kaum etwas bewirken, wenn sie nicht der Selbstermächtigung und Selbstorganisierung der Proletarier*innen dienlich sind. Das ist nämlich fast immer der Sinn von antikapitalistischer Politik: Sozialismus.
Die Arbeiter*innen bestimmen selber, nicht die Kapitalist*innen.
Da ist diese völlig vom Kern der Sache losgelöste Massenpolitik einfach sinnlos, deshalb hat „#widersetzen“ auch noch nie einen Effekt gehabt und wird nie einen haben. Die militanten Aktionen gegen die NPD, die mit weniger Demonstrierenden mehr erreichen konnten, waren nur deshalb effektiv, weil sie im Kontext einer proletarischen autonomen Bewegung gemacht wurden, die aktiv die Gegner des Proletariats angegriffen haben. Nur durch diese Art von Politik haben wir heute überhaupt noch eine Antifa-Bewegung. Ohne einen proletarischen Politikansatz können wir uns die linke Politik abschminken.
Bei linker Politik geht es nämlich darum, Hierarchien abzubauen, für Freiheit, Gleichheit und Geschwisterlichkeit zu kämpfen. Das kann nicht mit einer Szeneelite entstehen, die die Bewegung verwaltet und uns großspurig erklären will, wie die Welt denn zu funktionieren habe.
Das sind nämlich die Leute, die unbequemen Bands in der G16 den Strom abstellen, weil sie verbotene Parolen verwenden, also die freiwilligen Blockwarte der Staatsraison.
Das sind die Leute, die niemals über Völkermord reden wollen, weil alles schon dazu gesagt wurde, obwohl man sie noch nie öffentlich darüber reden hörte, außer um Linken und Migranten Antisemitismus vorzuwerfen. Dieser Vorwurf mag vielleicht auch berechtigt sein, klingt dann aber halt sehr hohl und falsch in Anbetracht ihres dröhnenden Schweigens.
Ihr elitäres verhalten ist der Ausdruck ihres autoritären Geistes, der durch die Propaganda des Staates schon völlig zersetzt wurde, sodass gespinnerte Verschwörungstheoretiker und kommunistische Sekten als größere Bedrohung wahrgenommen werden, als die Wiederaufnahme von Säbelrasseln und Kriegshetze, wieder mit Unterstützung von SPD, Grünen und Linkspartei.
Da mir von ideenlosen Szeneverwesern eine generelle Ideen- und Ideologielosigkeit vorgeworfen wird, möchte ich ihren seelenlosen Politikansätzen, ein bissi Theorie zu einer widerständigen und proletarischen Praxis entgegenstellen.
Dabei bediene ich mich nun eines Ausschnitts aus dem hervorragenden Buch: „Reise ins Auge des Sturms“ von Pierleone Porcu, die Übersetzung habe ich leicht angepasst:
„[…]
Die Charakteristiken der Gruppen
Die insurrektionalistischen, informellen und anarchistischen Gruppen lehnen alle autoritären, disziplinierten und zentralisierten Organisationsformen ab, ebenso wie sie, sowohl auf unmittelbarer wie auf gesellschaftlicher Ebene, alle Konventionsmodelle der Organisationsform ablehnen. Die Individuen, die sie bilden, drücken ihren radikalen Subjektivismus, der hinter der insurrektionalistischen Aktion steht, in seiner ganzen Tragweite aus. Ein charakteristischer Wesenszug ihrer Aktion ist der “Voluntarismus”, der sie, aus dem Innern der Klassenkonfrontation, dazu veranlasst, faktisch alle fatalistischen oder aufschiebenden Positionen über das Eintreten der sozialen Revolution zu überwinden, da sie eine kritische Haltung gegenüber jeglicher Theorie oder Analyse einnehmen, die sich auf den – sowohl mechanistischen als auch dialektischen – wissenschaftlichen Determinismus stützt.
Diese Genoss*innen sind sich darüber bewusst, dass zwischen der nackten theoretischen Bekräftigung und der radikalen Veränderung der materiellen Realität ein Bewusstsein liegt, und zwar die Entscheidung und die individuellen Entschlossenheit, die da sein muss, um kraftvoll dafür zu kämpfen, das Ende der Ausbeutung und der Unterdrückung gewaltsam zu beschleunigen.
Darum fordern sie im Kampf nicht nur qualitativ das Ausmaß der Individualität eines jeden Gefährten, sondern sie fordern, im Prozess der direkten Miteinbeziehung der Ausgebeuteten ins aufständische anarchistische Projekt, auch die Individualität aller Proletarier, die sich aktiv an den Kämpfen beteiligen. Sie wissen aus Erfahrung, dass es ohne den individuellen Ausdruck derer, die sich am Kampf beteiligen, keine authentische Radikalität in der Klassenkonfrontation, sondern nur Abflachung und Massentauglichkeit gibt. Nur so kann man das Bewusstsein besitzen, dass die kollektive Aktion ausgehend von den individuellen Akten der Revolte innerhalb des revolutionären Prozesses anwächst und sich radikalisiert, denn diese sind es, worin sich das konstante Maß der laufenden sozialen Veränderung widerspiegelt.
Ausgehend von diesen Grundvoraussetzungen rufen diese Gruppen ihre spezifische anarchistische informelle Organisation ins Leben und so bauen sie, im Innern der Klassenkonfrontation, autonome Massenstrukturen auf. Diese letzteren müssen direkter Ausdruck jener proletarischen sozialen Selbstorganisationsprozesse sein, die sich subversiv in dem Gebiet realisieren. Die organisatorische Informalität ist es, die den aufständischen sozialen Kampf kennzeichnet, der auf der Notwendigkeit anwächst, sich unter dem unaufschiebbaren Antrieb der direkten Befriedigung der eigenen Bedürfnisse von unten selbst zu organisieren.
Die Organisation wird somit eine Notwendigkeit, die sich, als Tatsache, von selbst rechtfertigt, jedoch auf präzisen Methoden basiert. Eine von diesen ist die aufständische Methode, welche von dem unabdingbaren Erfordernis einer Kampfpraxis ausgeht, die auf die unmittelbare Erreichung bestimmter Ziele ausgerichtet ist.
Wir organisieren uns also ausgehend von dem, was innerhalb der Klassenkonfrontation unsere Erfordernisse zur sozialen Selbstbefreiung sind. Die informellen anarchistischen Gruppen tun nichts anderes, als sich in diese Logik einzufügen, indem sie der Umsetzung ihrer aufständischen sozialen Intervention freien Lauf lassen, die einzig darauf ausgerichtet ist, in den unterschiedlichen Kampfsituationen die laufende Klassenkonfrontation zu radikalisieren.
Die Charakteristiken der Organisation
Die informelle anarchistische Organisation ist die Überwindung aller vorhergehenden spezifischen Organisationsmodelle, die das insurrektionalistische Projekt in der Vergangenheit annahm. Sie lehnt es ab, sich eine vorgefertigte Organisationsform zu geben, sie bevorzugt es, sich allmählich in direkter Verbindung mit den Projekten und Zielsetzungen zu definieren, die sich die in ihr präsenten Gruppen und Individualitäten in ihrer subversiven Intervention zu erreichen vornehmen. Sie ist also eine projektbezogene Organisation, die nicht auf einem allgemeinen Programm gründet, die die Mitgliedschaft ihrer Militanten auf nicht vorgefertigte Vereinsregeln stützt, und die keine Gründungsdokumente verfasst, die darauf ausgerichtet sind, ihre Notwendigkeit zu rechtfertigen. Ihre effektive Nützlichkeit wird ständig in Frage gestellt, da ihre Militanten jegliche theoretische Ausgangslage zurückweisen, die von der insurrektionalistischen Praxis, die sie vorantragen, losgekoppelt ist. Sie ist das Ende von jeder getrennten Aktivität, welche Rollen erzeugt, die im Wesentlichen die autoritären und hierarchischen Bedingungen der herrschenden alten Welt reproduzieren.
Diese Organisation nimmt sich in ihrem inneren Funktionieren nicht die Erreichung irgendeiner theoretischen und operativen Synthese unter den Militanten vor, denn sie befähigt nicht immer nur die Entscheidungsautonomie der Gruppen und Individualitäten, die in ihr präsent sind, sondern berücksichtigt auch die Besonderheiten und Komplexitäten, die die soziale Realität aufweist.
Ihre Militanten operieren schließlich stets in unterschiedlichen Situationen, die völlige operative Autonomie ist dabei von primärer Wichtigkeit, da sie es erlaubt, jederzeit die Organisationsformen an die unterschiedlichen Umstände anzupassen, die man für wirksamer und geeigneter für die Entwicklung des Kampfes hält.
Die spezifische informelle anarchistische Organisation bildet:
a. eine bestimmte Art und Weise, sich unter anarchistischen Gruppen und Individualitäten zu koordinieren, die nach der Erreichung bestimmter Ziele streben;
b. eine Erweiterung der einzelnen sozialen Interventionen, welche die Gruppen zur Zeit autonom vorantreiben;
c. einen spezifischen Raum als Diskussionsort zwischen unterschiedlichen Kampfrealitäten;
d. ein Mittel zur Solidarität und zur Verfügbarkeit von adäquateren Mitteln für jene isolierten Genoss*ìnnen, die ansonsten nicht in der Lage wären, eine eigene autonome Intervention auf dem Gebiet zu realisieren;
e. eine Vorgehensweise zur gleichzeitigen Aktion auf dem ganzen nationalen Gebiet, indem der den unterschiedlichen sozialen Interventionen das richtige Gewicht gegeben wird, welche ansonsten darin enden würden, auf ein bestimmtes Gebiet beschränkt zu bleiben.
Jede neue Intervention, die innerhalb der informellen Organisation vorgeschlagen wird, bedeutet nicht ein Aufgeben der Interventionen, welche die Gruppen und Individualitäten separat voneinander vorantragen, sondern eine Erweiterung, die dazu veranlasst, das, was vorher getan wurde, immer kritischer zu betrachten.
Die Grenzen und Schwächen des eigenen Operierens können nur erfasst werden, wenn der Kampf durch eine allmähliche Erweiterung der sozialen Intervention radikalisiert wird. Nur so kann die Intervention schwieriger in die institutionelle Perspektive der Parteien integriert werden.
Abgesehen davon können die neuen Vorschläge eine stärkere und effizientere Kontinuität der Kämpfe garantieren. Es gibt fortgeschrittene Kampfsituationen und rückständige Situationen, die unserer Meinung nach miteinander verglichen werden müssen. Die informelle anarchistische Organisation erlaubt es den Genoss*innen, die sich an ihr beteiligen, aus der Diskussion, die darin geführt wird, realere und kritischere Ansichten der Kampfsituationen herauszuziehen. Die Kämpfe, die vorangetragen werden, bieten Gelegenheit, um festzustellen, wie die innere Umstrukturierung der Herrschaftsapparate erfolgt, und bieten die Möglichkeit, daraus nützliche Hinweise zu entnehmen, um die Rekuperation der späteren Kämpfe, welche die Genoss*innen in anderen Situationen vorantragen, zu verhindern.
Die Sorge über eine mögliche Erstarrung der Struktur in einer fixen Form hat jedoch kein Fundament. In Praxis ist die informelle anarchistische Organisation ein Diskussionsort, an dem Analysen und Vorschläge vorgestellt werden, die darauf ausgerichtet sind, die Interventionsfront zu erweitern. Dies erlaubt es, die Organisation, in immer neuen Formen, dem Erfordernis entsprechen zu lassen, konkrete Antworten zu finden, um eine effektive Erweiterung der Kämpfe realisieren zu können. Ihre Militanten, auch wenn sie danach streben, ihr eine Vollständigkeit zu geben, lehnen es ab, sie in einer abgeschlossenen Organisationsform erstarren zu lassen. Diese kritische Unbestimmtheit, die von den Militanten in verschiedenen Formen ausgedrückt wird, erlaubt es, die Organisation je nach den unterschiedlichen Erfordernissen, die von allen Gefährten ausgedrückt werden, die sich an ihr beteiligen, von Mal zu Mal zu verändern und umzuformen, während auf dem ganzen nationalen Gebiet auf möglichst wirkmächtige Weise gemeinsame Initiativen vorangetragen werden.
Da das Kriterium angenommen wird, dass es kein zu bevorzugendes Handlungsfeld gibt, sondern es die Situation der Klassenkonfrontation ist, die von Mal zu Mal darauf hindeutet, welcher Intervention es gegenüber anderen, die am Laufen sind, Nachdruck zu verleihen gilt, leitet sich daraus ab, dass es die Genoss*innen selbst sind, die die Fristen und Durchführungszeiten der Interventionen festlegen, ohne denjenigen hinterherzurennen, die von anderen aufgestellt wurden. Außerdem reproduziert die informelle Organisation, als ein spezifischer anarchistischer Organismus, keine internen Bürokratien. Ihr ganzes Funktionieren basiert auf der Horizontalität der Entscheidungen, die im Laufe von Vollversammlungen getroffen werden, Entscheidungen, die selbstverständlich nur für jene Geltung haben, die sie getroffen haben.
In diesem Sinne müssen die frei getroffenen Verbindlichkeiten auf verantwortliche Weise, auf individueller Ebene und auf Gruppenebene, respektiert werden. Wenn es keine Gelegenheit gibt, dass sich alle sehen, muss, außerhalb von jeglichen Formalitäten, nach Möglichkeiten dafür gesorgt werden, dass wenigstens ein Genosse*in von jeder Gruppe, die der Organisation angehören, anwesend ist. Das ist wichtig, um die Entscheidungen von jeder einzelnen Gruppe über die bereits behandelten Argumente und ihre eventuellen gemeinsamen Aktionsvorschläge bekannt zu machen.
Die Entscheidungen, die in solchen Versammlungen getroffen werden, müssen immer in die einzelnen Situationen zurückgetragen werden, wo es den Genoss*innen frei steht, sie anzunehmen oder teilweise oder ganz zurückzuweisen. Anstatt auf klare Normen zu vertrauen, vertraut man, für das gute Funktionieren einer solchen Organisation, auf die erreichte Reife der einzelnen Militanten, auch wenn diese Lösung das Risiko einer möglichen organisativen Lähmung mit sich bringen kann. Falls dies geschehen sollte, sind die Genoss*innen, welche die Organisation realisiert haben, den Aufgaben, die sie sich zum Ziel gesetzt haben, nicht gewachsen gewesen, weshalb es besser ist, dass sich die Organisation selbst auflöst. Falls wir, um sie mit Effizienz auszustatten, faktisch die grundlegenden Voraussetzungen aufgeben müssten, würde unser Operieren denselben Widersprüchen anheimfallen, die wir in den anderen spezifischen anarchistischen Organisationen ausgemacht haben.
Eine solche Organisation kann also von den Genoss*innen aufgelöst werden, falls sie, im selben Moment, da sie aufrechterhalten wird, nicht mehr die Inhalte ausdrückt, die sie zu Beginn notwendig machten.
Mehr kann nicht gesagt werden über die anarchistische informelle Organisation. Wir stehen am Anfang von dieser faszinierenden spezifischen Erfahrung, die es auf jeden Fall die Mühe wert ist, unterstützt zu werden, da sie sich außerhalb der alten Wege, sich zu organisieren, bewegt. Die Hauptsache besteht darin, sich angesichts der ersten Schwierigkeiten nicht aufhalten oder entmutigen zu lassen, die Veränderung, die wir uns wünschen, verdient diese Anstrengung.
Die Charakteristiken der Massenstrukturen
Die spezifischen informellen anarchistischen Gruppen üben, um in den Kämpfen die selbstverwalteten Massenstrukturen aufzubauen, eine radikale Kritik an der Wirkungslosigkeit und an der geringen Handlungskraft der Massenstrukturen der Parteien und Gewerkschaften.
Diese Gruppen schlagen den Ausgebeuteten vor, aus diesen Strukturen auszutreten und auf autonome Weise andere in Gang zu bringen, angesichts der unabdingbaren Notwendigkeit, von einer klaren Organisationsgrundlage auszugehen, wenn man im Kampf vorankommen will und wenn man bestimmte Ziele erreichen will.
Ausgehend vom insurrektionalistischen Schema zeigen diese Gruppen den Ausgebeuteten auf, wie solche Organismen gemeinsam aufgebaut werden könnten. Der Vorschlag geht von der Zurückweisung aller vorgefertigten Modelle aus, wie beispielsweise das gewerkschaftliche oder das Rätemodell, weshalb die Massenorganisationsformen im Verlaufe der jeweiligen Entwicklung des Kampfes geformt werden müssen.
Diese Tatsache bezeichnet einen wichtigen Schritt im Zuge einer realen Bekräftigung der Prozesse von Autonomie und proletarischer sozialer Selbstorganisation, da sie nicht nur der spontanen Kreativität der Proletarier Raum gibt, sondern auch dafür sorgt, dass die letzteren es sind, die auf bewusste Weise fortlaufend alle Entwicklungsmomente selbst bestimmen, und nicht, wie es in der Vergangenheit der Fall war, es die Revolutionäre waren, die diese Aufgabe erfüllten.
Demnach basieren die Strukturen, die von diesen Gruppen vorgeschlagen werden, auf der qualitativen Umsetzung der anarchistischen Konzepte und nicht auf ihrer ideologisch-formellen Akzeptanz von Seiten der proletarischen Massen (man bemerke in diesem Sinne die Distanz, die sie von den ideologisch orientierten Massenstrukturen des Anarcho-Syndikalismus trennt).
So können wir die Aufgaben umreißen, welche die spezifische informelle anarchistische Gruppe in ihrer aufständischen Intervention auf Massenebene entwickelt:
a. Sich im Gebiet darum kümmern, den Ausgebeuteten durch Informations- und Propagandainstrumente die Gründe zur Bildung einer Massenstruktur als Alternative zu jenen, die von den Parteien und Gewerkschaften betrieben werden, zu erklären, indem sie in jeglicher Hinsicht die positive Funktion klarstellen, die diese Struktur in der Entwicklung des Kampfes haben kann.
b. das Entstehen verschiedener Massenstrukturen zu fördern, die zeitlich nicht aufgeschoben werden dürfen, sprich: man kann nicht darauf warten, bis es die Ausgebeuteten selbst sind, die sie von alleine entstehen lassen.
Deswegen bringt die spezifische anarchistische Gruppe in den Kampfsituationen, in der sie präsent ist, diese Strukturen in Gang, und sei es auch auf embryonaler Ebene, indem sie versucht, alle möglichen Zielsetzungen aufzuzeigen, in denen sie sich praktisch entwickeln können. Tatsächlich bedürfen sie, um sich zu entwickeln, da sie, eben, Massenstrukturen sind, der direkten und aktiven Beteiligung von möglichst vielen Proletariern in dem Gebiet, wo sie entstehen.
Das ist ihre grundlegende Voraussetzung. Aber ihre territoriale Ausweitung sollte stets einer effektiven Erweiterung der Kampffront entsprechen, die, logischerweise, auf der Beteiligung und der spontanen Einbeziehung von immer breiteren proletarischen Schichten beruht. In Aussicht auf eine größere Schlagkraft koordinieren sich diese Strukturen in dem jeweiligen Kampfgebiet. Daraus entspringt das praktische Erfordernis, sich mit einigen Instrumenten auszustatten, die für ihre Entwicklung als unentbehrlich betrachtet werden: einen passenden Ort zu finden, an dem sich alle an den einzelnen Strukturen Beteiligten zu Versammlungen treffen; eine permanente Solidaritätskasse zu gründen, woraus kollektiv bezogen werden kann, um die verschiedenen Initiativen zu entwickeln, sowohl betreffend der Propaganda (Plakate, Flugblätter, Videos, usw.), wie auf Ebene der Aktion (ein Gebiet, wo es hilfreich ist, nicht nur über die nötige Entschlossenheit, sondern auch über eine gewisse Geldsumme zu verfügen).
In Berücksichtigung dieser Erfordernisse sollte man jedoch nicht leichten Beeinflussungen zum Opfer fallen, indem man sich in die Interessen verwickeln lässt, die von den sogenannten “Leuten” vertreten werden (unter diesen so generischen und fragwürdigen Begriff fallen die Ausgebeuteten genauso wie die Ausbeuter). Also keine interklassistische Front, die zu unterstützen ist.
Die Analyse muss uns nicht nur stets korrekt aufzeigen, gegen welche Interessen man kämpft, sondern muss uns auch dazu bringen, jene, die in einem bestimmten Moment unser Klassenbezugspunkt sind, sprich alle Kategorien der Ausgebeuteten, korrekt zu umrahmen.
Hiermit wollen wir keine marxistischen Haltungen annehmen, sondern wir verteidigen diese These, weil wir überzeugte Materialisten sind und daher denken, dass es, unabhängig von unseren schönen Idealen, bestimmte Interessen gibt, welche die Menschen dazu bringen, sich auf die eine oder auf die andere Seite der Barrikade zu stellen. In diesem Sinne strebt unsere Aktion danach, die bestehenden Interessen und Herrschaftsverhältnisse radikal in Frage zu stellen.
Die anarchistischen Massenstrukturen gestalten sich innerhalb der Klassenkonfrontation als proletarische autonome Organisationen, die, in ihrer spezifischen Weise, den Kampf anzugehen, keine Hierarchien aufweisen. Sie beruhen einzig auf dem Konzept der permanenten Selbstorganisation, weshalb die Entscheidungen in ihrem Innern stets im Laufe von Vollversammlungen getroffen werden.
Die gewählten Kampfformen spiegeln stets die Modalität der direkten Aktion wieder und weisen eine völlige Zurückweisung von jeglichem Prinzip von Delegation auf, und sei sie auch nur vorübergehend.
Da sie sich keine vorgefertigten Vereinsregeln geben, verspüren diese Organismen keine Notwendigkeit, Gründungsdokumente zu verfassen, die die Beitritts- und Teilnahmebedingungen im Detail formell umreißen.
Sie gründen sich auf einer permanenten Konfliktualität, in Anbetracht der Tatsache, dass sie insurrektionalistische Kampfstrukturen sind, die einzig darauf abzielen, die Strukturen der Herrschaft anzugreifen. Diese Notwendigkeit leitet sich daraus ab, dass der Kampf mit Beständigkeit vorangetragen werden muss, denn von seiner Kontinuität hängt auch seine reale Wirkungskraft ab.
Die Beteiligung an diesen Massenstrukturen beruht auf den oben dargelegten Voraussetzungen. Es muss schließlich betont werden, dass diese Strukturen nichts mit den gewerkschaftlichen Basisstrukturen gemein haben, keine speziellen Kategorie- oder Klientelinteressen verteidigen, und auch nicht danach streben, sich in permanente Massenorganismen zu verwandeln. […] Wir sehen in der generalisierten Selbstverwaltung der Kämpfe nicht nur einen Weg, um die alte Welt hinwegzufegen und radikal zu verändern, sondern auch die einzige Garantie von totaler Freiheit, auf dass nichts stehen bleibt im individuellen und sozialen Leben der Menschen, das nicht nach einem ununterbrochenen Wandel von sich selbst und der Welt strebt, in der wir leben.
[…]“
Ein aufmerksam Lesender wird merken, dass der aufständische Anarchismus keineswegs die Proletarier*innen außer Acht lässt und stumpf nach vorne prescht, sondern ist von einer grundsätzlichen Skepsis der Hierarchie und permanenten Organisation geprägt. Es geht darum langfristige aber gleichzeitig flexible Massenstrukturen aufzubauen, dass sehe ich mit vielen kleinen und selbstorganisierten Zusammenhängen, die sich miteinander koordinieren viel besser erreicht, als mit der starren Parteipolitik der Roten oder der (aktuellen) Gewerkschaftspolitik von FAU und co.
Dieser dezentrale Politikansatz, auch Anti-Politik [12] genannt, ist für mich ein Weg in die richtige Richtung.
Ich würde, Kraft meiner Wassersuppe, die alea im Kontext der bedeutungslosen Post-Autonomen verorten. Ihre ideologische Perspektive bezieht sich vor allem auf die vage Hoffnung, dass politische Bildungsarbeit und Erinnerungspolitik wichtige Bestandteile im Prozess sind, eine wahrhaftige, revolutionäre/“emanzipatorische“ politische Ideologie zu erarbeiten. Doch bis dahin braucht es noch lange und so schadet es nicht, auch bürgerliche Kräfte z.B. im Kontext des Ökozids/Klimawandel zu unterstützen. Praktische revolutionäre Ansätze werden als unzureichend, illusionär und verkürzt abgelehnt.
Das dies eine schlechte Ausrede zum Nichtstun ist, habe ich schon im letzten Text breitgetreten, hier aber nochmal, vielleicht geht die alea dann endlich mal auf meine Kritik ein:
Das jeder politische Ansatz unzureichend und verkürzt ist, ist eine philosophische Binsenweisheit. Schon Sokrates wurde von Platon in den Mund gelegt, dass er nur wisse, nichts zu wissen.
Das dies keine Ausrede zum Nichtstun ist, zeigen allein schon die letzten 2000 Jahre neo-platonischer Ansätze.
Die Idee, dass eine Unterstützung bürgerlicher Kräfte nicht schaden könnte, finde ich besonders irrsinnig, da die Grünen noch nie etwas anderes gemacht haben, als dem Kapitalismus einen grünen oder sozialen Anstrich zu verpassen, haben aber an den eigentlichen Problemen rein gar nichts geändert. Die liberalen Ökos erfüllen nur den Zweck, die Leute in falscher Sicherheit zu wiegen. Eine Wiedereinführung des Feudalismus wäre effektiver um den Ökozid einzugrenzen, als die Grünen oder den BUND zu unterstützen. Es ist eine absurde Verkürzung der Probleme, die durch den globalen Kapitalismus ausgelöst werden, wenn man denkt, dass auch nur eine Sekunde deiner Lebenszeit bei einer kapitalfreundlichen Partei gut angelegt wäre. Genauso verhält es sich mit einer „Linkspartei“, die mit dem Antikapitalismus kokettiert, ohne ihn jemals anzunehmen.
Tolle Demokratie! Tolle Verfassung!
Die letzten Jahre haben uns doch aufgezeigt, dass die Grünen und die Linkspartei versuchen, einer Politikform die längst gescheitert ist, mit allen Mitteln eine Galgenfrist zu erkämpfen. Diese Parteien betreiben ganz allgemein eine Verwässerung linker Politik, um ihren Machtanspruch durch Falschinformationskampagnen zu untermauern. Gerade eben diese Unterstützung von „linken“ Parteien und die Zusammenarbeit mit allerlei staatl. geförderten NGOs (wie ich weiter Oben schon mehrfach angemerkt habe), führt nur zu einem erstarken der bürgerlichen „Zivilgesellschaft“ und schreckt gerade eben interessierte Außenstehende ab, die dem Staat und den Parteien kritisch gegenüberstehen. Verrückten rechten Verschwörungsmythen über Demogeld und von Merkel trainierten Schlägertrupps zum Trotz, antifaschistische Zusammenhänge vermitteln gerade in Ostdeutschland, durch ihre Zusammenarbeit mit dem demokratie-industriellen NGO-Komplex, den Eindruck einer Staatsantifa. Besonders in Anbetracht dessen, dass eine sogenannte/selbsternannte „Anarchistin“ (pfui!) im Bundestag sitzt, für eine „linke“ Partei, die „Alerta Antifascista!“ ruft und dann doch Merz ins Amt hievt.
Die alea übernimmt Grundprämissen der bürgerlichen Politik und reproduziert sie unkritisch und anscheinend ignorant, also wider besseren Wissens.
Was mir meine Arbeit natürlich noch mehr erschwert, als ihr langweiliger Schreibstil, ist ihre bornierte Weigerung den Inhalt ihrer eigenen Texte zu akzeptieren.
Ich habe ihnen sogar extra ein Zitat eines, ihnen gut bekannten, Autors herausgesucht (dessen pro-zionistische Positionierung nichts mit der Aussage dieses Zitat zu tun hat), damit die Sturköpfe von alea es ein wenig einfacher haben, die eigenen ideologischen Verirrungen einzugestehen oder zumindest einen Versuch unternehmen ihre philosophische Position mit Argumenten (!) zu verteidigen.
Sie haben sich aber nicht für eine konstruktive Debatte (die kann natürlich auch scharf und sarkastisch geführt werden) entschieden, die ich, unter der Verwundung von Originalzitaten aus ihren Texten, angestoßen habe. Nein, ihr Text ist bei rhetorischen Ausweichspielchen und Strohmannargumenten geblieben, hat also dieselbe intellektuelle Basis wie ein durchschnittlicher Debattenbeitrag von Charlie Kirk (Rest in Shit).
Die geistige Umnachtung, die ich ihnen in der Einleitung diagnostizierte, ist sicherlich nicht der Grund für ihr Verhalten. Ich glaube die Aktivisten bei alea waren einfach faul und haben halt irgendwas runtergeschrieben.
Eure bürgerliche Positionierung ist offensichtlich und wird von euch auch offen propagiert. Warum würdet ihr sonst auf die Rückseite eurer Broschüre, den Schlusssatz eures Traktats drucken? Also mit Einleitung, die wichtigsten und bedeutsamsten Teile eines Textes? Also eben genau die Aussage, dass bürgerliche Parteien zu unterstützen, nicht schädlich sei?
Welchen Zweck verfolgt ihr denn sonst damit, außer die Akzeptanz linker Parteipolitik in Leipzig zu steigern?
Ich warte auf eine Antwort, am besten mit These, Begründung und Beispiel – den Schreibplan könnt ihr euch sparen – mehr erwarte ich mir gar nicht von euch, liebe alea. Ich wünsche mir nur einen intellektuellen Diskurs von euch, nicht diese Kindergartenkacke. Ich hoffe, dass ist nicht zu viel verlangt.
Ich denke es ist keine Anmaßung, wenn ich sage, dass der armselige Politikansatz, der in der linken Szene in Leipzig dominiert, sowie die jetzige Planung der Antifa-Wochen mit ihrer sehr „interessanten“ Themenauswahl, keine Proletarier*innen vom Klassenkampf oder ihrer Selbstorganisierung überzeugen wird.
Wie denn auch? Was bietet denn die Linke in Leipzig?
Einen täglichen Kampf für Selbstbestimmung und Selbstorganisierung von proletarischen Zusammenhängen, die von Militanten, die sich aktiv und solidarisch an den Kämpfen beteiligen, unterstützt werden?
Ich sehe vor allem eine Kaderelite und eine Bildungselite, die vorgeben wollen wie die Kämpfe denn bitte auszusehen haben und sonst vor allem Linke Aktivisten, die sich gegenseitig zu Bespaßen versuchen, anstatt wirklich mal mit Leuten außerhalb der direkten Szene-Bubble zu interagieren oder sich mit deren Sorgen, Probleme oder Wünschen auseinanderzusetzen.
Natürlich gibt es hier und da Erfolge und Dinge, die besser am Laufen sind, aber wenn ich bedenke wie voll diese Stadt mit zugezogenen „Radikalen“ ist, ihr Effekt ist demgegenüber eher minimal und oft auch kontraproduktiv.
Leipzig in Trümmern:
Es gibt einen veralteten und auch etwas unpassenden Begriff, der während der 68er Bewegung entstanden ist: Szene-Ghetto.
Dieser Begriff bezeichnet die Tendenz der linken Szene sich in einen abgegrenzten Raum und aus der Gesellschaft zurückzuziehen. Der Vergleich mit einem Ghetto hinkt, da dieser Prozess meist nicht aufgezwungen ist, wie das bei Juden oder der schwarzen Unterschicht in den USA der Fall war. Die Szene zieht sich eigentlich immer freiwillig (aber nicht selbstbestimmt) in das „gewonnene“ Gebiet zurück.
Ich werde dieses Phänomen mit dem etwas vergessenem Begriff Biedermeier [13] bezeichnen.
Kurze Geschichtsanalyse: Der Rückzug ins Private und in die Szene von radikal-linken Zusammenhängen ist in Westeuropa seit dem Ende ihrer Hochphase 70er und 80er Jahren zu beobachten. Zwischen 1968 und 1989 hatte die radikale Linke dort ihre Zenit erreicht und hat die Grundlagen für die jetzige Westdeutsche Szene gelegt und somit auch die Ostdeutsche radikale Bewegung grundlegend geprägt. Im Zuge des neoliberalen Umbruchs und dem endgültigen Verrat der sozialistischen Elite am Kommunismus [14] zog sich die radikale Linke zunehmend ins Private und Subkulturelle zurück.
Heute gibt es deswegen viele ältere Jahrgänge, die mit anarchistischen, kommunistischen und anti-autoritären Werten viele positive Erinnerungen verbinden, aber diese alten Genoss*innen haben sich meist vollständig von der radikalen Jugendbewegung abgewandt. Viele Boomer haben ihre Schäfchen ins Trockene geholt und es sich in der Mittelschicht bequem gemacht und trotz der voranschreitenden neo-liberalen Verelendung, gehen jetzt auch jüngere Jahrgänge diesen Weg ins Biedermeier und in die vereinzelte Kernfamilie.
Connewitz, einst ein Kiez der Unterschicht, ist heutzutage ein gutbürgerliches Viertel mit subkulturellem Charme, wo vor allem weiße, deutsche Kinder von ihren erinnerungspolitisch geschulten Eltern per Lastenrad zum Kindergarten gefahren werden. Sesshaft gewordene Altpunks und teuer bekleidete Goten geben sich hier die Klinke in die Hand, kurzgesagt: Für einen, ganz doll von Westdeutschland privilegierten Menschen, wie mich, wirkt das Viertel sehr weiß und sehr deutsch.
Bei aller antifaschistischer Selbstbeweihräucherung der Connewitzer, sollte eben nicht vergessen werden, was Leipzig und Ostdeutschland generell für alle migrantisierten Menschen bedeuten: Rassismus, Diskriminierung und Ausgrenzung. Das Alles gibt es auch im Westen, aber da gibts halt auch mehr Ausländer und deshalb weniger Rassismus und mehr Möglichkeiten sich in der eigenen Community dagegen abzuschotten.
Mir wurde, wegen meiner politischen Einstellung, von der alea vorgeschlagen, nach Berlin zu ziehen, da lehne ich aber dankend ab, da geh ich lieber nach Chemnitz.
Meine Aversion gegen Berlin kann ich mir aber vor allem deshalb erlauben, weil ich weiß bin und akzentfrei Deutsch spreche. Dabei habe ich aber schon viele migrantisierte oder farbige Leute kennengelernt, die aus dem „sicheren“ Leipzig weggezogen sind, weil diese Stadt einfach unausstehlich für sie war. Und das lag nicht daran, dass diese Leute in Probstheida von Nazis belästigt wurden, sondern weil sie systematisch von rassistischen Linken angefeindet und ausgegrenzt wurden. Die rechten Viertel am Leipziger Stadtrand und das teilweise noch extremere Umland, machen den rassistischen Dauerzustand im „Schutzraum“ nur vergleichsweise weniger schlimm. Man wird in Connewitz vielleicht nicht auf offener Straße angespuckt, doch ein sogenannter „Pali-Lappen“ reicht schon aus, um für Kontroverse zu sorgen.
Ich bin nicht der Einzige Mensch, wo diesen Zustand für untragbar hält, aber solche regelmäßigen Entgleisungen sind in einem, so stark von einer weißen Mittelschicht geprägten Raum wie Connewitz, nicht weiter verwunderlich.
Der Rassismus ist Anzeichen einer reaktionären Hegemonie, die schon längst alle linken Kreise in Deutschland erfasst hat, nur ist die Leipziger Linke Gefangene ihres eigenen begrenzten Horizonts:
Ein weißer und deutscher Punk wird in Connewitz keine Probleme erfahren, es sind die Transmenschen, die Migrantisierten und all jene, die der Szene-Hegemonie widersprechen, die sich in Connewitz ausgeschlossen oder sogar bedroht fühlen. Die Probleme werden einfach unter den Teppich gekehrt, während es mir manchmal so scheint, als würden Palästinenser*innen und irrelevante Fahnenschwenker*innen zu dämonischen Schreckgespenstern aufgebauscht, die jederzeit auf Judenjagd gehen könnten.
Das heißt alles nicht, dass Leute bloß nicht nach Leipzig ziehen sollten – wer das möchte, soll es denn tun – es ist nur kein wunderbarer, linker „Schutzraum“. Das heißt auch nicht, dass die Ostdeutschen rassistischer sind als ihre westdeutschen Mit-Almans, die linken Rassisten treten hier nur leider in der Masse auf.
Wer wenig Geld hat und weiß ist, lebt in Ostdeutschland materiell wohl deutlich besser, als in Hamburg oder München, die Mieten sind deutlich bezahlbarer und es lässt sich hier deutlich einfacher günstig Leben.
Spirituell finde ich es dagegen grauenhaft, ich spiele auch häufig mit dem Gedanken in eine Stadt zu ziehen, in der es weniger Linke gibt: Die Ignoranz und Idiotie der Menschen tut nämlich um so mehr weh, wenn sie aus der „Ingroup“ stammen, mich vom Leipziger Stumpfsinn abzugrenzen fällt mir schwer. Es ist aber müßig mich weiterhin an den Symptomen der deutschen Tristesse abzuarbeiten, eine radikale Kritik geht an den Kern der Probleme.
Die Leipziger Linke sollte sich endlich mal mit ihrem Kern auseinandersetzen und sich die Probleme endlich eingestehen:
Ein schleichender Rückzug ins Szene-Biedermeier und die spießige Existenz im Szene-Kiez sind keine große Leistung, sondern ein politisches Armutszeugnis.
Die 90er sind vorbei, die 2000er auch, Connewitz ist nicht mehr der von allen Seiten bedrängte Kiez. Leipzig West, Süd und Ost sind fest in linker Hand. Das war aber mehr die Arbeit von Migrantisierten an der Eisi und von den ganzen Zugezogenen, die die Faschos in die Randbezirke verdrängt haben, als jetzt allein die Connewitzer Szene. Die Nazis sind immer noch da und immer noch eine Gefahr, sie wohnen halt nicht mehr so zentral oder haben ihre Hegemonie auf dem Land weiter ausgebaut. Eine Selbstorganisierung des Proletariats findet nicht statt, dafür ganz viel Werbung für DGB, Linkspartei und alle möglichen komischen Vereine.
Wenn ich daran denke, dass der „antifaschistische Schutzraum“ vor allem für weiße Menschen gilt und nur ein Gefahrenkiez mit offener Drogenszene einen migrantischen „Schutzraum“ darstellt, dann bietet sich ein desolates Bild:
Eine Gegend wo Kinder mit Spritzen im Sandkasten spielen ist kein „Schutzraum“, sondern ein Ghetto. Wir gehen täglich an Junkies vorbei, wir sehen die leeren Blister und Lachgaskartuschen am Straßenrand liegen, doch wollen so einige Linke hier nur die Hamas am Werke sehen; sie entmenschlichen das Leid der Unterschicht, dann können sie es leichter ignorieren.
Beispielhaft für die Absurdität der linken Echokammer, ist die großartige Demo nach dem etwas stümperhaften Angriff auf einen palästinasolidarischen Infostand vor der HTWK.
Zwei Haufen, a 40 Mensch, schreien sich mehrere Stunden lang an.
Das Ganze war ein schlechter Witz.
Ich möchte hier keine moralisierende Kritik darüber schreiben, wer jetzt im „Recht“ ist und wer nicht, das Völkerrecht und irgendwelche Antisemitismusdefinitionen, die sich irgendwelche pro-israelischen Thinktanks aus dem Arsch gezogen haben, sind mir ziemlich egal.
Was mir aber nicht egal ist, ist der Fakt, dass schon der Tod eines einzigen Kindes eine Tragödie ist. Was ist dann mit dem Tod von tausenden Kindern?
Ich verzweifle an dieser Frage jeden Tag und möchte eigentlich nur noch weinen, doch hab ich das Weinen schon vor langer Zeit verlernt. Vielleicht kommt irgendwann der Tag, an dem ich wieder Rotz und Wasser heule, doch bis dahin bleibt mir wohl nur das Formulieren von politischer Analyse und der kompromisslose Kampf für die Freiheit alles Lebens, um mich von meinem abgestumpften Herzen abzulenken.
Hier, meine ganz persönliche Rationalisierung des Unvorstellbaren:
Für jeden Menschen sollte ziemlich klar ersichtlich sein, wer in der Levante gerade die völlige militärische, ökonomische und politische Übermacht hat und sich quasi alles rausnehmen kann.
Weiterhin ist auch ziemlich klar, dass Deutschland da eine extreme Mitschuld hat, teilweise alle Seiten des Konflikts mit Waffen und Wirtschaftshilfe bedient hat und die Nähe zu Israel dazu nutzt, die eigene völlig unzureichend aufgearbeitete Nazi-Vergangenheit zu übertünchen.
Das Schreckgespenst der bösen Terroristen wird in Deutschland dazu genutzt die Totalüberwachung auszubauen, die rassistische Hetze mit Terrornarrativen zu füttern, die Grenzen dichtzumachen und das Proletariat zu spalten, damit niemand daran denkt, dass die 48 Stunden Woche eingeführt werden soll und Widerstand durch den Polizeistaat unmöglich gemacht wird.
Dieselben Politiker, die vor importierten Antisemitismus und Terrorismus warnen, treffen sich dann aber ganz entspannt mit den antisemitischen Terroristen von gestern, um die unliebsamen Ausländer in einen religiös-fundamentalistischen Gottesstaat abzuschieben. Jetzt wird auch die deutsche Volksgesundheit am Hindukusch verteidigt.
Der Kampf gegen Kriegshetze, Völkermord und Abschottungspolitik ist derselbe Kampf, wie der für Wohraum, Essen, Wasser und atembare Luft. Wir können uns nicht aus diesem Kampf herausnehmen, der Rückzug in die Sicherheit des Szene-Viertels ist eine Illusion.
Die klassischen linken Szenezusammenhänge laufen geradewegs ins Messer, wenn sie ihre überkommenen Machtspielchen weiter betreiben. Die Idee eine linke Hegemonie durch die akademischen Taschenspielereien a la Antonio Negri zu erreichen, hat sich als Treppenwitz der Geschichte herausgestellt.
Gruppen, die weiterhin die Lehren aus den Kämpfen der Vergangenheit nicht anerkennen wollen (wie beispielsweise die informelle Organisation, die Gleichwertigkeit der Kämpfe und die Ablehnung der parlamentarischen Pseudo-Opposition), sehen keinen Wert in ehrlicher Selbstkritik und möchten erst recht keine Selbstorganisierung des Proletariats.
Sie möchten ihre pseudo-egoistischen, also „narzistischen“ Ziele verfolgen:
Sie wollen die neue tolle Theorie aufstellen, die es niemals geben kann, weil philosophische Theorie immer ein Diskurs unter Vielen ist.
Sie wollen die neue tolle Bewegung verwalten und diese Bewegung dann ersticken, wenn sie sich ihrer Kontrolle entzieht.
Sie wollen die neue Tolle Gruppe aufbauen, die dann bedeutungslos vor sich hin dümpelt, aber das Graphic-Design ist supi!
Diese Kritik gilt übrigens für alle politischen Lager, ob jetzt Anti-Imp, Anti-D, Anarchismus, Kommunismus, Sozialismus oder Nihilismus. Die post-Autonomen sind da nur besonders schlimm, doch ist die Selbst-Bespaßung und Abschottung ein genereller Trend und besonders ironisch dabei: Die post-Autonomen wollten eigentlich das Gegenteil von Biedermeier erreichen, haben aber durch ihren Kontrollzwang den Biedermeier-Prozess nur weiter angefacht.
Ich hoffe dieser überlange Text kann einige Lehren aus der Vergangenheit vermitteln und einen klaren Standpunkt in den Vordergrund stellen: Den der proletarischen Selbstorganisierung.
Vielleicht können wir in den nächsten Jahren an diesem aufständischen Projekt wiederanknüpfen und so unsere Köpfe und Herzen für den revolutionären Ort öffnen, an dem wir alles im Superlativ finden können: Liebe wie Hass, Hoffnung wie Verzweiflung, Selbstlosigkeit wie Verrat.
Ich meine das große Abenteuer der Menschheit, den Kampf gegen die Unmenschlichkeit der Mächtigen dieser Erde. Eine Reise ins Unbekannte, hin zu jenem impulsiven Ausbruch, dem massenhaften und unvorhergesehenen Ansturm der Menschen auf die Bühne der Weltgeschichte.
Lasst uns den blutigen Pfad der Freiheit, den gefährlichen Weg der Selbstbestimmung beschreiten.
Auf dass wir alle Protagonisten unseres Lebens werden, es liegt dann zumindest in unseren eigenen Händen, ob es ein Lustspiel wird oder eine Tragödie bleibt.
In Gedenken an Rolf Pohle, der den Geist der Menschlichkeit trotz jahrelanger Isolation nie verloren hat und 2004 im Athener Exil verstarb.
Ich habe viele Väter.
Ich habe viele Mütter,
und ich habe viele Schwestern,
und ich habe viele Brüder.
Meine Väter sind schwarz
und meine Mütter sind gelb
und meine Brüder sind rot
und meine Schwestern sind hell.
Ich bin über zehntausend Jahre alt,
und mein Name ist Mensch!
Ich bin über zehntausend Jahre alt,
und mein Name ist Mensch!
Und ich lebe von Licht,
und ich lebe von Luft,
und ich lebe von Liebe,
und ich lebe von Brot.
Ich habe zwei Augen
und kann alles sehn.
Ich habe zwei Ohren
und kann alles verstehen.
Wir haben einen Feind.
Er nimmt uns den Tag,
er lebt von unserer Arbeit,
und er lebt von unserer Kraft.
Er hat zwei Augen,
und er will nicht sehen.
Und er hat zwei Ohren
und will nicht verstehen.
Er ist über zehntausend Jahre alt
und hat viele Namen.
Er ist über zehntausend Jahre alt
und hat viele Namen.
Ich weiß, wir werden kämpfen,
ich weiß, wir werden siegen,
ich weiß, wir werden leben,
und wir werden uns lieben.
Der Planet Erde
wird uns allen gehören,
und jeder wird haben, was er braucht.
Es wird keine zehntausend Jahre mehr dauern,
denn die Zeit ist reif.
Und es wird keine zehntausend Jahre mehr dauern,
denn die Zeit ist reif.
Max Stirner (ein Philosoph und Zeitgenosse von Marx, auch im Traktat „St. Max“ von ebenjenem verrissen) sah das Ganze sehr ähnlich und hat deswegen den reinen/tatsächlichen Egoismus postuliert, also sich nicht von gesell. Normen leiten zu lassen, sondern den eigenen Wünschen zu folgen. Altruismus kann es nach Stirner gar nicht geben, da ein jeder Mensch sich selbst am Nächsten ist und somit immer auch in erster Linie für sich arbeitet. Also selbst wenn man sich Selbst aufgibt für jemand Anderen, macht man dies um Selbst erhöht zu werden, z.B. durch Gott oder den historischen Materialismus etc.
Somit ist man entweder freiwillig Egoist und sich der unvermeidlichen Selbstbezogenheit bewusst oder unfreiwilliger Egoist, also verleugnet sich selbst.
Der regierungskritische Faschist oder der Staatsdiener sind beide unfreiwillige Egoisten, da sie ihr Selbst, entweder für die gesellschaftliche Rolle des Staatsdienstes (Beamtentum), zurückstellen oder für die Nation/Volksgemeinschaft. Sie werden auch als Agenten (Ausführende) der Autorität bezeichnet, sie vollstrecken den autoritären Geist der Staatsraison (siehe auch: Leviathan, Freddy Perlman). [2] Das elitäre Moment der deutschen Linken: https://knack.news/13221 & meine Polemik: https://knack.news/13562 [3] Alfredo Cospito ist ein patriarchaler Idiot, der einem hohen Tier aus der Atomkraft eine Kniescheibe zerschossen hat. Er wird. trotz seiner offensichtlich patriarchalen Grundeinstellung und völlig unverständlichen, wie auch irrsinnigen, Texten, von einigen Menschen durchaus für voll genommen. Mir geht der Dude am Arsch vorbei, trotzdem: Freiheit für Cospito! Kein Mensch soll im Knast sitzen! [4] Die „Verschwörung der Feuerzellen“ war eine etwas großspurige griechische Stadtguerillagruppe, die, im Gegensatz zu den meisten Guerillagruppen in Griechenland, nur grottig schlechte Prosa auf das Papier brachte. Die gesammelten Aktionserklärungen dieser Gruppe haben sich in der Vergangenheit einiger Beliebtheit in Deutschland erfreut, in Griechenland sind sie mittlerweile ziemlich verschrien. Trotz alledem: Solidarität mit den kämpfenden Genoss*innen! [5] Gil Scott-Heron 1969/70 auf YouTube zu finden. [6] Rekuperation, auf deutsch: „Wiedervereinnahmung durch den Klassenfeind“, bezeichnet den Prozess, der einstmals radikale Systemgegner wieder ins System reintegriert. Ein gutes Beispiel bieten Hausbesetzungen oder Wagenplätze: Was meist als radikale Kommune begann, entwickelt sich nach einigen Jahren und erfolgreicher Legalisierung in ein spießiges Mehrparteienhaus oder in einen Wagenplatz ohne Gemeinschaftsräume und mit privaten Plumpsklo. Dieser Prozess ist wichtiger Teil der Kapitalverhältnisse und ist keineswegs „unausweichlich“. (Es ist auch nicht weiter schlimm ein Haus zu kaufen und darin für günstig Miete gemeinschaftlich zu wohnen, radikal ist das Ganze dann aber nicht. Muss ja auch nicht, wir müssen halt überleben. Wir sollten uns diesen Prozessen bewusst sein und aktiv dagegen arbeiten, also jegliche Legalisierung ablehnen oder gleich legale Orte schaffen. Das waren zumindest meine Erfahrungen, vielleicht möchte auch wer anderes was dazu schreiben, ein spannendes Thema allemal.) [7] Das ist eine weirde Diskussion, die vor allem mit identitären Argumenten geführt werden. Ich bin deutsch und aus dem Bildungsbürgertum, das ist halt meine Herkunft, wieso sollte ich mich dessen schämen? Ich schäme mich oft meiner Mitmenschen, aber meine Kultur ist halt einfach Kultur. Ich kann versuchen schlechte Aspekte abzulegen und gute Aspekte auszubauen, aber schlussendlich wurde ich da halt reingeboren. Wer denkt, die eigene Identität allein wäre schon ein Argument, weiß nicht wie ein Argument funktioniert. (These, Begründung, Beispiel) [8] Aufständischer Anarchismus/Insurrektionalismus: Weiterentwicklung des Operaismus und der Autonomen Bewegung aus Italien der 80er Jahre. Insurrektionalismus ist eine Organisationsform, keine feste ideologische Ausrichtung, wie fälschlicherweise manchmal angenommen wird. Zum Insurrektionalismus lässt sich viel im Internet finden, wobei auf deutsch vor allem Individualanarchistische Ansätze wiedergegeben werden. Karl Plättner ist dabei als früher Vertreter in Deutschland zu erwähnen, der ähnliche Ideen schon in den 20ern hatte. Leider sind seine Schriften heute fast vergessen und sollten dringend neu aufgelegt werden. [9] Especifismo: Nach Adam Weaver sind die Schlüsselkonzepte:
1. Notwendigkeit einer spezifischen anarchistischen Organisation, die auf Einheit von Ideen und Praxis aufgebaut ist
2. Gebrauch der Org. zur Entwicklung von Theorie, sowie zur Bearbeitung von Strategie, Politik und Organisierung
3. Aktive Einmischung/Bildung von autonomen und breiten Sozialbewegungen, auch als „gesellschaftliche Einfügung“ oder „soziale Einbettung“ (inserción social) bezeichnet
Hat ähnlichkeiten und Überschneidungen mit dem Insurrektionalismus, wird in deutschland aber durch innerorganisatorische Linienkämpfe zerrieben und von Wohlfühl-Anarchos und Bauchlinken als Ausrede für einen Social-Club missbraucht. [10] Direct Action Movement: Etwas vaager Begriff über die neue anarchistische Taktiken, um in der Politik einzugreifen. Meist pazifistisch orientiert, wird hier viel Theorie der Kommunikationsguerilla aus den 80ern (auch interessant) wiederaufgegriffen. Kommt vor allem aus der UK und den USA. David Graeber und Jörg Bergstedt sind bekannt Vertreter, deren Texte auf deutsch zu finden sind. Der Hambacher Forst ist aus diesem Kontext entstanden. [11] Militanz: Eine militante Aktion ist eine zielgerichtete, also strategisch und taktisch bewertete und geplant durchgeführte Aktion. Ihr Sinn besteht darin, mit wenig gesellschaftlicher Macht in einen Kampf einzugreifen und trotzdem möglichst viel zu erreichen. Die militante Aktion ist eine Krücke, kein Selbstzweck der Revolutionär*innen.
Bsp: Eine Massenaktion ist ein Streik oder ein Sit-In, also eine Aktion, die nur mit einer großen Masse eine Wirkung erzeugen kann. Eine militante Aktion wäre z.B. der Bau eines Lock-Ons, wodurch wenige Militante einen großen Effekt erzielen können.
Eine militante Massenaktion, ist eine Aktion die durch einige Militante gestartet wird, aber von einer Masse fortgesetzt wird. Das kann daran liegen, dass die von den Militanten genutzte Aktionsform sehr leicht zu kopieren ist (z.B. Steine schmeißen) oder daran, dass die Militanten die Massen mit Informationen und Erfahrungen über militante Aktionsformen im vorhinein versorgt haben.
Diese Aktionsform erlaubt es den Militanten in soziale Kämpfe direkt einzugreifen und die staatlichen Akteure von den Proletarier*innen abzulenken, aber die Militanten sind immer in Gefahr zu Soldaten zu verkommen und selber ein staatlicher Akteur zu werden. [12] Anti-Politik:
Dazu ein interessanter Artikel, ich möchte vor allem den Schluss erwähnen, tieferes Nachforschen ist natürlich besonders spannend bei diesem Thema:
„Weil Anarchist*innen sich nicht vom politischen Spiel beeindrucken und einfangen lassen, haben sie das Potenzial in anderen Bereichen Veränderungen zu bewirken und Alternativen aufzubauen. Oftmals wird behauptet, dass wäre wenig „effektiv“. Aber vor allem ist es weniger spektakulär und sichtbarer als politisches Handeln. Das Streben nach Autonomie führt allerdings auch zu einer besonderen Herausforderung für Anarchist*innen. Denn mit der alleinigen Konzentration beispielsweise auf Kommunen, Arbeitskämpfe, Bestärkung der Einzelnen oder anarch@-kommunistische Gruppen, besteht die Gefahr einer Verselbständigung der Praktiken in diesen Gebieten.
Mit anderen Worten: Die Hausprojektgruppe kreist doch nur um sich selbst; das Syndikat ist doch nur eine spezielle Interessenvertretung; die Selbstbeschäftigung von Unterdrückten mit ihren Identitäten nimmt nie ein Ende; Gruppen betreiben weltfremde Propaganda, die nicht bei den Lebensrealitäten von Leuten ansetzt usw. Wenn der Anspruch formuliert wird, die Gesellschaft in ihrem Herrschaftscharakter insgesamt zu transformieren, bedeutet dies, dass das politische Handeln, das politische Feld nicht völlig ignoriert und vernachlässigt werden kann. Dies ist der Grund, warum Politik – trotz der grundlegenden Kritik an ihr – auch im Anarchismus wieder durch die Hintertür hereinkommt.
Doch weiterhin gilt, dass wir uns keine Illusionen über die Möglichkeiten des politischen Handels machen, sondern ihr gegenüber skeptisch bleiben sollten. Ein Beitrag dazu ist eine umfassendere Debatte über unser Politikverständnis, ja, über Grundbegriffe des politischen Denkens insgesamt. Ihnen einen eigenen Inhalt zu geben, sie mit einer anarchistischen Perspektive zu definieren, darin besteht meine theoretische Arbeit. Sie ist keine intellektuelle Selbstbeschäftigung, sondern ein wichtiger Bestandteil, soziale Bewegungen in ihrer Autonomie zu begreifen und ihnen zu neuem Selbst-Bewusstsein zu verhelfen.“
Quelle: https://paradox-a.de/texte/anti-politik-als-moeglichkeit/ [13] Biedermeier: Nach der verlorenen Revolution 1848 in zog sich die liberale Bürgerschicht in Deutschland und Österreich ins Private zurück. [14] Bei der Niederschlagung des Prager Frühlings, der Einführung des „entwickelten Sozialismus“ und dem Ausverkauf jeglicher verbliebener Werte an den Westen im Zuge des Zusammenbruchs der Sowjetunion und Jugoslawiens zeigten uns die sozialistischen Kadereliten, dass der Staatssozialismus nicht nur brutale Gewalt zur Durchsetzung seiner Macht benutzt, sondern auch weit vom Sozialismus entfernt war.