Strafe vom Leipziger Ordnungsamt – Sonntags öffnen kaum noch Spätis: Tante Emmas Lädchen zeigt den Grund

Tante Emmas Lädchen hat seinen Bußgeldbescheid veröffentlicht. Weil das Leipziger Ordnungsamt keine Verstöße beim Ladenschluss duldet, geben immer mehr Späti-Betreiber auf oder testen einen schwierig begehbaren Ausweg.
Er wäre gerne auch am Sonntag für seine Kundschaft dagewesen. Bei Tante Emmas Lädchen in der Leipziger Südvorstadt kann man nicht nur Toastbrot oder Getränke aller Art kaufen, sondern auch frisch gebrühten Kaffee trinken, drei einzelne Zigaretten oder lieber bunte Lutscher erstehen.
Der Späti in der Kochstraße 35 ist vor allem als Umschlagplatz für Päckchen und Pakete bekannt, weil er mit gleich mehreren Logistikfirmen zusammenarbeitet: DHL, UPS und DPD. Wie praktisch, wenn man eine Sendung auch am siebten Tag der Woche abschicken oder abholen kann. Doch damit ist es nun vorbei.
Eigentlich die umsatzstärkste Zeit
Obwohl die Spätverkäufe in Leipzig wie im ganzen Land an Sonntagen ihre größten Umsätze machen, wird George Matti Jakob sein Lädchen sonntags nicht mehr öffnen. „Beim ersten Mal wurde ich verwarnt, beim zweiten Mal gab es ein Bußgeld“, erzählt der Inhaber des Mini-Familienbetriebs. „Beim dritten Mal würde mir wahrscheinlich der Gewerbeschein entzogen. Das kann ich nicht riskieren.“
Während sich die meisten anderen Späti-Betreiber über das Vorgehen der Behörde nur hinter vorgehaltener Hand beklagen, hat Matti Jakob zwei Seiten seines Bußgeldbescheids nun an das Schaufenster geklebt.
„Vorsätzlich“ habe Tante Emmas Lädchen gegen das sächsische Ladenschlussgesetz verstoßen, ist dort zu lesen. An mindestens zwei Sonntagen seien Waren angeboten worden, obwohl das verboten sei. Dies hätten Kontrollen der Inspektoren der Operativgruppe der Behörde bewiesen.
Dem Betreiber wurde eine Geldbuße von 750 Euro auferlegt – plus 41 Euro für Gebühren und sonstige Auslagen der Stadtverwaltung. „Am Sonntag dürfen wir nicht mehr öffnen. Bedankt euch bei den Beamten vom Ordnungsamt“, steht nun an der Eingangstür.
Strafrahmen bis 5000 Euro
Dabei hätte es noch viel schlimmer kommen können. Laut Gesetz drohen bei Verstößen gegen die Sonntagsöffnung Strafen von bis zu 5000 Euro, teilt das Ordnungsamt auf LVZ-Nachfrage mit. Man sei verpflichtet, den Willen des sächsischen Gesetzgebers umzusetzen. Der Landtag habe verboten, an Sonntagen Einzelhandel zu betreiben.
Ausnahmen gelten zum Beispiel für Tankstellen, Apotheken, Bäcker und Geschäfte in Reisezentren wie Bahnhöfen. In Leipzig nutzten das nicht nur die Promenaden Hauptbahnhof, sondern auch der neue Bio-Markt an der S-Bahn-Station Lützowstraße in Gohlis. Auch er darf sonntags öffnen.
Die Späti-Betreiber schauen zunehmend in die Röhre. Zu den teuren Kontrollen gesellen sich steigende Energiekosten und Mieten, die Konkurrenz durch Automaten-Shops für Getränke und Lebensmittel-Lieferdienste. Alles zusammen habe sich die Zahl der Leipziger Spätis in den vergangenen Jahren mehr als halbiert, erzählen Insider, die nicht namentlich genannt werden wollen.
Letzter möglicher Ausweg sei oft eine Gaststätten-Lizenz. Denn damit darf man auch wochentags nach 22 Uhr sowie an Sonn- und Feiertagen zum Beispiel Getränke verkaufen, die gleich vor Ort oder „über die Straße“ konsumiert werden. Oder zumindest konsumiert werden könnten.
Spätis werden Gaststätten
Es sei wohl kein Zufall, dass sich immer mehr gestandene Adressen Tische und Stühle in den Gastraum stellen oder kleine Freisitze vor dem Eingang schaffen. Beobachten lässt sich das etwa entlang der Karl-Liebknecht-Straße bei mehreren Adressen wie: Kiosk1, Südplatz-Späti, Kulturkiosk Süd, Limon-Späti, Karli 96.
An der Kochstraße im Tante Emmas Lädchen konnten oder wollten die Inspektoren der Operativgruppe offenbar kein Auge zudrücken. „Ein glaubhaftes gastronomisches Angebot, welches zu diesem Zweck eine Öffnung des Objekts rechtfertigen könnte, war nicht ersichtlich“, heißt es in dem Bescheid am Schaufenster. „Lediglich ein paar wenige Teigwaren bzw. Falafel und eingefrorene Dönerbrote waren vorhanden.“
Selbst wenn Betreiber Matti Jakob zwischen all‘ den Päckchen noch Platz für Stühle und Tische schaffen könnte, wäre das keine Garantie für eine problemfreie Sonntagsöffnung. Ab wann ein Raum eine Gaststätte ist – zu der Frage gibt es komplizierte Regelungen bei Hygiene, Brandschutz, Toiletten. Zum Beispiel gehen Kneipentüren immer nach außen auf, die des Lädchens aber nach innen.
Zahnpasta, Kaffeefilter, Spülmittel, Windeln: Ein früherer Späti im Leipziger Westen hat gerade alle Waren aus den Regalen geräumt, die sich nicht sinnvoll im heutigen Gastraum konsumieren lassen. Der Betreiber spricht nun von einem Bistro und sagt, er habe keine Lust mehr auf teure juristische Auseinandersetzungen mit den Behörden.
„Die Spätis sterben gerade aus, denn sie haben keine Lobby.“