NDK-Veranstaltungen in Gefahr – Eklat um gestrichene Förderung für Wurzener Demokratieverein: OBM schreibt Bittbrief

Nachdem der Stadtrat dem Netzwerk für Demokratische Kultur die Förderung versagte, bleibt es dramatisch. Linke und AfD melden sich zu Wort, der Verein schlägt Alarm, und Stadtchef Buchta sucht ein Hintertürchen.

Nachdem der Wurzener Stadtrat dem Netzwerk für Demokratische Kultur (NDK) den finanziellen Zuschuss für 2026 verweigerte, sind im nächsten Jahr geplante Veranstaltungen des Vereins akut gefährdet, sagt NDK-Geschäftsführerin Martina Glass auf LVZ-Nachfrage.

Auch das Projekt des „Offenen Hauses“ könne nicht fortgeführt werden, sofern der kommunale Eigenanteil in Höhe von 12.000 Euro nicht fließe. Geld, das nötig ist, damit der Verein weitere 150.000 Euro beim „Kulturraum“ beantragen kann.

Von Figurentheater bis Krimi-Dinner, von Swing bis Salsa, von Vorträgen bis hin zur Flüchtlingsberatung – der Demokratie-Verein ist breit aufgestellt. Das weiß auch Wurzens Oberbürgermeister Marcel Buchta (parteilos).

Wurzener OBM würdigt Arbeit des NDK

Mit einem Brief wandte sich das Stadtoberhaupt inzwischen an den Kulturraum als Fördermittelgeber. In dem Schreiben würdigt der OBM ausdrücklich die bisher geleistete Arbeit des NDK, das auch Publikum aus der Umgebung anziehe.

Er bedauere, dass der Stadtrat die Zahlung des sogenannten Sitzgemeindeanteils für das NDK mehrheitlich abgelehnt hat, hoffe aber, dass der Kulturraum dennoch eine Möglichkeit sehe, auch 2026 zu fördern, so Buchta weiter.

Sebastian Miklitsch vom Kulturraum bezeichnet das NDK als langjährig anerkannten Player. Seiner Meinung nach stelle der Verein eine Bereicherung für Wurzen und darüber hinaus dar. Daher habe ihn das Abstimmungsergebnis überrascht.

Finanzieller Beitrag der Stadt essenziell

Eine Förderung des NDK sei aber nur möglich, wenn Wurzen – wie in den Vorjahren auch – seinen Anteil von acht Prozent an der Gesamtsumme leistet, betont Kultursekretär Miklitsch: „Lediglich Worte reichen da nicht aus.“

Wie berichtet, votierten zwölf Abgeordnete gegen die finanzielle Förderung des NDK, fünf waren dafür, drei enthielten sich. Abgestimmt wurde geheim, da es im Vorfeld der Debatte zu nicht näher beschriebenen Bedrohungen gekommen sei.

Es ging um ein Rededuell im Anschluss an eine Sitzung des Kulturausschusses zwischen einem Gast der Veranstaltung, Mitglied der Partei Die Linke, und zwei CDU-Stadträtinnen, die gegenüber der LVZ von einem ungewöhnlich „scharfen Ton“ sprachen.

Linken-Stadtrat legt Beschwerde ein

Da der Schutz der Räte für ihn höchste Priorität habe, hielt OBM Buchta eine geheime Abstimmung für geboten. Die Mehrheit der Stadträte folgte seinem Antrag. Dadurch ist das Abstimmungsverhalten intransparent. Niemand weiß, wer wie votiert hat.

Linken-Stadtrat Jens Kretzschmar, selbst NDK-Mitglied, vermutet, dass die Nein-Stimmen neben der AfD hauptsächlich von der CDU stammten. Er spricht von einem „politisch motivierten“ Beschluss. Gegen diesen hat er jetzt Beschwerde bei der Kommunalaufsicht eingelegt.

Er argumentiert damit, dass der Grund für die geheime Abstimmung im Gremium trotz Nachfrage nicht genannt worden sei. Daher gehe er davon aus, dass die Abstimmung wiederholt werden müsse, und zwar offen. Die Allgemeinheit habe ein Recht darauf.
300.000 Euro für Wurzener Vereine

Brigitte Laux, Sprecherin des Landratsamtes, bestätigt den Eingang der Beschwerde. Das Ergebnis der Prüfung liege noch nicht vor: „Bis zum 16. Mai haben wir zunächst noch Informationen von der Stadt Wurzen angefordert.“

Unterdessen wandte sich AfD-Stadtrat René Opolka an den OBM. Er wollte wissen, ob rechtliche Schritte gegen jene Person eingeleitet worden seien, die die CDU-Stadträtinnen mutmaßlich bedroht habe. Buchta verneinte, dies könnten nur die Betreffenden selber tun.

Die Stadt Wurzen steckt sowohl 2025 als auch 2026 jeweils fast 300.000 Euro in die Vereinsförderung. In der Summe enthalten sind Bürgerbudgets für die Ortsteile, Gelder für Sportvereine und Dorfgemeinschaftshäuser. Aber auch die Sitzgemeindeanteile.
Ähnliche Debatten auch andernorts

Inkludiert seien für dieses Jahr zudem 27.000 Euro, die weiteren Einzelprojekten von Vereinen zugutekommen. Diese Summe erhöhe sich 2026 auf 39.000 Euro, sollten die ursprünglich als Sitzgemeindeanteil für das NDK geplanten Gelder frei werden, sagt Stadtsprecherin Cornelia Hanspach.

Neben rund 45 weiteren Antragstellern könne sich das NDK selbstredend um die Förderung eines Projektes aus diesem Topf bewerben, teilt Hanspach mit: „Um möglichst viele Initiativen zu bedenken, gibt es allerdings maximal 2500 Euro pro Vorhaben.“

Nach den Worten von NDK-Geschäftsführerin Glass sei das ablehnende Stadtratsvotum längst Thema über Wurzen hinaus. „Weil es ähnliche Entwicklungen eben nicht nur in Wurzen, sondern auch in anderen Kommunen in Sachsen, wie Bautzen oder Meißen, gibt.“

Solidaritätsbekundung mit NDK

Stadtsprecherin Hanspach betont, dass der Ratsbeschluss nicht etwa das Ende der demokratischen Aktivitäten in Wurzen bedeute: „Ich denke, viele unserer Vereine leisten alle auf ihre Weise demokratische Bildungsarbeit.“

Wurzen, sagt Hanspach, bleibe auch künftig ein verlässlicher Partner: „So unterstützen wir die Initiativen im Jahr der jüdischen Kultur in Sachsen, das 2026 ansteht.“ Hintergrund: Das NDK gilt den Veranstaltern als ein etablierter und gut vernetzter Partner.

Auch deshalb wandte sich Anja Lippe, Projektleiterin von „Tacheles 2026″ besorgt an die Öffentlichkeit: „Mit dem Themenjahr wollen wir zum offenen Austausch einladen. Dafür braucht es starke Kooperationspartner vor Ort, wie es das Netzwerk ist.“

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Haig Latchinian 24.04.2025

Haben Sie Wurzener CDU-Stadträtinnen vor der Abstimmung bedroht, Herr Tietz?

Ein Wurzener soll Stadtrats-Mitglieder derart eingeschüchtert haben, dass sie lieber im Geheimen über die Förderung für das Netzwerk für Demokratische Kultur abstimmen wollten. Was steckt dahinter? Der kritisierte 33-Jährige äußert sich zu den Vorwürfen.

Es war ein Beschluss, der weit über Wurzen hinaus für Beachtung sorgte: Auf ihrer vorösterlichen Sitzung verweigerten die Stadträte dem mehrfach preisgekrönten Netzwerk für Demokratische Kultur (NDK) den finanziellen Zuschuss für 2026. Doch nicht nur das Abstimmungsergebnis selbst ließ aufhorchen. Auch die Art und Weise, wie es zustande kam.

Es geht um Vorwürfe, bis hin zu einer in Rede stehenden Bedrohung – die dazu führte, dass der Wurzener Stadtrat in Sorge vor einem möglichen Übergriff lieber geheim über das NDK abstimmen wollte. Ein Sonderfall in der Kommunalpolitik.

Wurzener soll zwei Stadträtinnen eingeschüchtert haben

Ursprünglicher Auslöser dieses Angstklimas im Wurzener Stadtrat ist ein 33-jähriger Bürger der Stadt: Michael Tietz. Der Vorwurf gegen ihn: Er soll zwei Politikerinnen des Stadtrates – Sarah Fischer und Daniela Thiele – derart eingeschüchtert haben, dass sie sich nicht mehr sicher fühlten.

Wie berichtet, hatte sich Tietz im Kulturausschuss ein Rededuell mit zwei CDU-Rätinnen geliefert. Es ging ums NDK, dessen Angebote Tietz regelmäßig nutzt, wo er sich auch selbst engagiert. Der Kulturausschuss sollte über 12.000 Euro Förderung für den Netzwerk-Verein beschließen – Geld, das die Stadt zuschießt, damit der Verein weitere rund 150.000 Euro Fördergelder beim Kulturraum Leipziger Raum beantragen kann.

Doch der Ausschuss beschloss, dass der Stadtrat in seiner Vollversammlung darüber entscheiden möge. Für Michael Tietz, Mitglied der Partei Die Linke, ein schwer erträglicher Vorgang. Er könne nicht verstehen, wieso sich die Stadträte so deutlich gegen einzelne Projekte des NDK aussprechen: „Es ging um den kommunalen Anteil. In Wahrheit aber ist nun die gesamte Anschlussförderung der sozio-kulturellen Arbeit gefährdet.“

Nach der Ausschuss-Runde soll sich die verbale Auseinandersetzung mit den CDU-Stadträtinnen zugespitzt haben. „Ich sagte ihnen im Anschluss an die Sitzung deutlich, dass ich es würdelos finde, einen Antrag der AfD mitzutragen.“ Ja, er habe dies mit Nachdruck geäußert, die Frauen aber weder bedrängt noch sich ihnen in den Weg gestellt, versichert Tietz.

„In meiner Partei haben wir das ausgewertet. Natürlich muss ich es akzeptieren, wenn Frau Fischer unsere Auseinandersetzung anders empfunden hat als ich. Dennoch: Längst nicht alle werten mein Auftreten als Bedrohung.“

Sarah Fischer: „Man muss vorsichtig sein“

Die beiden Christdemokratinnen sehen das offenkundig anders. Sarah Fischer schildert auf LVZ-Nachfrage, sie sei von Tietz heftig zur Rede gestellt worden. „Es war ein scharfer Ton“, betont Fischer. Und ja, sie habe sich bedroht gefühlt: „Wir sind in der Politik alles Ehrenamtler, haben Haus und Familie, da muss man vorsichtig sein.“
Sie sei nicht die Einzige, die sich daher an Oberbürgermeister Marcel Buchta (parteilos) wandte, ihre Besorgnis schilderte.

Buchta zog Konsequenzen. Auf der Stadtratssitzung rund einen Monat nach dem Kulturausschuss konfrontierte der OBM Stadträte und Besucher unvermittelt mit der Botschaft: Er sprach von Bedrohungslage, ging nicht weiter ins Detail. SPD-Stadträtin Steffi Kretzschmar fragte nach, wollte wissen, was eigentlich los ist. Buchta verweigerte nähere Auskünfte und stellte einen Antrag auf geheime Abstimmung.

Selbst eine Woche später wissen die Stadträte offenbar noch nichts Genaues über die dargestellte Bedrohung. „Die konkreten Hintergründe der geheimen Abstimmung sind uns Stadträten bis heute nicht bekannt“, sagte BfW-Fraktionschef Thomas Schumann am Mittwoch. Er finde das befremdlich. Zumal er Mitglied des Ältestenrates ist. Das Gremium ist gewöhnlich in die Vorbereitungen der Ratssitzungen direkt einbezogen.

Sicher ist: Die von Buchta skizzierte Bedrohungslage machte Eindruck, die deutliche Mehrheit der offensichtlich überraschten Stadträte stimmte für den Antrag auf geheime Abstimmung.

Später wird es heißen: Zwölf Abgeordnete sprechen sich gegen die finanzielle Förderung des NDK aus, fünf sind dafür, drei enthalten sich. Es steht im Raum, dass mutmaßlich CDU-Stadträte im Gleichklang mit der AfD abgestimmt haben.

Laut Andrea George vom Büro des Stadtrates waren neben dem OBM jeweils sechs CDU- und AfD-Räte, je zwei von SPD und Linken sowie drei von „Bürger für Wurzen“ (BfW) anwesend. Wer votierte wie?

Mangels Transparenz ist das tatsächliche Abstimmverhalten nicht nachvollziehbar. Er vermute, dass die Nein-Stimmen neben der AfD hauptsächlich von der CDU stammten, so Linken-Stadtrat Jens Kretzschmar, selbst NDK-Mitglied.

BfW-Fraktionschef Schumann geht noch einen Schritt weiter. Seiner Meinung nach dürfte der CDU die geheime Abstimmung entgegengekommen sein, „da sie sich offiziell nicht der Verletzung der Brandmauer zur AfD schuldig macht“, schlussfolgert Schumann.

Das intransparente Prozedere, für das extra eine Wahlurne in den Plenarsaal gebracht werden musste, wirft Fragen auf. Ist es überhaupt erlaubt, dass über ein derart polarisierendes Thema nicht, wie sonst üblich, offen beschlossen wird?

Grundsätzlich werde im Stadtrat offen abgestimmt, bemerkt Brigitte Laux, Sprecherin des Landratsamtes. Aber: „Aus wichtigem Grund kann davon abgewichen werden.“ Was ist ein wichtiger Grund? Das werde in der Sächsischen Gemeindeordnung nicht näher ausgeführt, räumt Laux ein.

Also stützt sie sich auf Kommentare zu den Gesetzestexten. Ein wichtiger Grund liege vor, „wenn etwa zu befürchten ist, dass keine freie und unbeeinflusste Entscheidung getroffen werden oder es zu Schwierigkeiten im Privat- oder Geschäftsleben kommen kann“. Es reiche aber nicht, wenn das Abstimmungsergebnis möglicherweise als unpopulär gilt, fügt Laux an.

OBM Buchta begründet seinen Antrag mit dem Schutz der Stadträte. Der, so betont der Rathauschef im Gespräch mit der LVZ, habe für ihn Priorität. Ein Vorgang, über den Wurzen wohl noch einige Zeit gesprochen wird.