Rätselraten um Rollator-Überfall: Hunderte Teilnehmer bei Neonazi-Demo
Heidenau – Gespenstige Stimmung: Freitagabend folgten Hunderte Teilnehmer einem Neonazi-Aufruf zu einer Demonstration nach Heidenau, zogen dort teilweise vermummt und böllerwerfend durch die Straßen.
Hintergrund sind die Verletzungen eines Rentners (84). Steht für das rechte Spektrum fest, dass der Mann niedergestochen wurde, ist die Polizei da längst nicht so sicher.
Morgendlich lief ein Rentner beim Sportforum seine Spazierrunde, bis zum vergangenen Montag: Zeugen entdeckten den Mann verletzt, Rettungskräfte brachten ihn in ein Krankenhaus.
Seitdem ermittelt die Polizei. Er gab den Ermittlern zu Protokoll, dass zwei Männer ihn ausrauben wollten, dann mit einem Messer auf ihn eingestochen haben.
Bislang haben sich jedoch keine Zeugen gemeldet, die diese Version bestätigen konnten. Aus Polizeikreisen heißt es, der Mann leide unter Demenz, die Aussage sei daher nur bedingt belastbar. Auch lasse das Verletzungsbild eher darauf schließen, dass er sich die Verletzungen selbst beigebracht habe.
Zu Details will sich die Polizei nicht äußern. „Wir ermitteln betont in alle Richtungen“, so Polizeisprecher Marko Laske (49). „Das schließt auch eine Selbstverletzung ein.“
Die Demonstranten nutzten dennoch den Anlass, um Spenden für das Umfeld der letzte Woche verhafteten Terrorverdächtigen zu sammeln. („Sächsischen Separatisten“)
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Thomas Fischer BILD 08.11.2024
Polizei in Alarmbereitschaft bei Demo in Heidenau:
Neonazis verbreiten Falsch-Information zu Messer-Attacke
Heidenau (Sachsen) – Neonazis instrumentalisieren einen ungeklärten Fall für ihre Zwecke bei einer Demo der rechtsextremen „Freien Sachsen“ in Sachsen.
Die Polizei Sachsen sicherte am Freitagabend in Heidenau einen rechtsextremen Aufzug ab. Den hatte Freie-Sachsen-Frontmann Max Schreiber (37) organisiert – er ist auch für NPD-Nachfolger „Heimat“ aktiv.
Auch zahlreiche Jung-Neonazis der Elblandrevolte aus Dresden und Bautzen waren angereist. Sie gelten spätestens seit dem brutalen Überfall auf SPD-Politiker Matthias Ecke (41) im Sommer 2024 als gewaltbereit und unberechenbar.
Im Sommer 2024 zu einem Jahr und zwei Monaten Haft auf Bewährung verurteilt: Anführer Max Schreiber (37). Am Ende seiner Demo bat er um Spenden für die Frauen der festgenommenen „Sächsischen Separatisten“
Neonazis verbreiten weiter Falsch-Informationen
Anlass der Neonazi-Demo ist der ungeklärte Fall eines Rentners (84) in Heidenau. Im Telegram-Kanal wird von „Team Schreiber“ behauptet: „Der Senior liegt mit 6 Messerstichen im Bauch auf der Intensivstation.“
Polizeisprecher Thomas Geithner (51): „Das sind Falschinformationen. Weder liegt der Mann auf der Intensivstation, noch sind 6 Messerstiche festgestellt worden.“ Bei der Demo fabulierte Schreiber plötzlich von 3 Messerstichen.
Ein Demo-Teilnehmer der Elblandrevolte zeigt den rechstextremen White-Power-Gruß auf dem Weg zur Demo
Rätselhafter Fall um 84-Jährigen
Der betagte Rentner war am 4. November gegen 7.45 Uhr mit seinem Rollator unterwegs. Nach eigenen Angaben sei er an der Straße „Am Sportforum“ in Heidenau (Sachsen) überfallen und verletzt worden.
Zwei junge Männer hätten ihn demnach angesprochen und mit einem Messer verletzt. Seitdem werden in der Region Gerüchte gestreut, es wären arabischstämmige Jugendliche gewesen.
Ermittler haben Zweifel an Tathergang
Wie BILD aus Polizeikreisen erfuhr, haben die Ermittler erhebliche Zweifel an der Version des alten Mannes. Denn sein sogenanntes „Verletzungsbild“ passt nicht zur Tatschilderung.
In einer Erstmeldung hatte auch BILD über die vermeintlichen Stich-Verletzungen berichtet, was sich im Laufe der Recherche jedoch nicht bestätigte.
Die Befragung des Seniors soll sich äußerst schwierig gestalten. Wie BILD erfuhr, ist der Rentner dement. Ins Krankenhaus wurde er aufgrund seines schlechten Allgemeinzustandes eingeliefert, nicht wegen Überfall-Verletzungen.
Keine Messerstiche entdeckt
Nach BILD-Information wurden keine Messerstiche entdeckt, auch die Kleidung des Rentners soll unbeschädigt sein. Bei einer rechtsmedizinischen Untersuchung sollen am Körper des 84-Jährigen stattdessen rote Punkte festgestellt worden sein – etwa so groß wie Stecknadeln.
Dafür haben die Ärzte und Ermittler bislang keine Erklärung.
Die Ersthelfer, die den hilflosen Mann entdeckten, konnten außerdem keine Tatverdächtigen im Umfeld beobachten.
Polizei sucht Zeugen
Polizeisprecher Thomas Geithner zu BILD: „Aus ermittlungstaktischen Gründen können wir uns derzeit nicht zum Sachverhalt äußern.“
Möglicherweise wird der Fall nie aufgeklärt, da der Mann aufgrund seines Zustandes nicht zur Aufklärung beitragen kann – und seine Version auch auf Demenz zurückzuführen sein könnte. Die Polizei sucht weiter dringend Zeugen.