Ampel-Pläne für Überwachung weitreichender als bisher bekannt
Neben Gesichtserkennung soll Polizei auch Stimmen im Internet analysieren dürfen
Die geplante Ausweitung der polizeilichen Überwachungsbefugnisse in Deutschland geht deutlich über die bisher diskutierte Gesichtserkennung hinaus. Neben der automatisierten Auswertung von Bildmaterial soll die Polizei künftig auch Stimmerkennung im Internet durchführen dürfen. Das geht aus einem nun veröffentlichten Gesetzentwurf hervor. Verschiedene biometrische Daten von Verdächtigen sollen demnach mit Daten aus sozialen Medien und anderen Quellen im Internet abgeglichen werden können.
Ziel des »Gesetzes zur Verbesserung der Terrorismusbekämpfung« ist es, »insbesondere, mutmaßliche Terroristen und Tatverdächtige zu identifizieren und zu lokalisieren«. Außerdem wollen die Behörden auf diese Weise Informationen über »Mittäter oder Hintermänner« erhalten. Der Einsatz von Stimmerkennung im Internet würde es ermöglichen, Audiodaten etwa aus Online-Videos oder Podcasts automatisiert zu analysieren und nach Stimmproben von Verdächtigen zu durchsuchen.
Möglich wäre dies aber nur bei schweren Straftaten und unter richterlichem Vorbehalt, wie es auch bei der Telekommunikationsüberwachung der Fall ist. Dazu soll die Strafprozessordnung um einen neuen Paragrafen 98d zum Abgleich biometrischer Daten ergänzt sowie das BKA-Gesetz und das Bundespolizeigesetz geändert werden.
Als weitere Voraussetzungen für den biometrischen Abgleich gilt, dass »die Tat auch im Einzelfall schwer wiegt« und »die Identitätsfeststellung oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes auf andere Weise wesentlich erschwert oder aussichtslos wäre«. Nach Abschluss der Ermittlungen sollen die Daten gelöscht werden.
Die Echtzeit-Erkennung etwa von Livestreams oder Aufnahmen aus Webcams soll ausgeschlossen sein, der Abgleich also rückwirkend erfolgen. Allerdings ist fraglich, ob dieser Vorgabe nicht schon durch eine Speicherung des Materials oder Verzögerung der Analyse um wenige Sekunden entsprochen würde.
Die neuen polizeilichen Befugnisse sind Teil eines »Sicherheitspakets«, mit dem die Bundesregierung auf die tödliche Messerattacke in Solingen am 23. August reagiert hat. Ob der Attentäter jedoch mithilfe von Gesichtserkennung zu stoppen gewesen wäre, ist zweifelhaft. Ein flächendeckender Echtzeit-Einsatz der Technologie ist grundrechtlich problematisch, sagt der Professor für IT-Sicherheitsrecht an der Hochschule Bremen, Dennis-Kenji Kipker.
Zum »Sicherheitspaket« gehört auch ein Vorschlag zur Verschärfung des Asylrechts. beide Gesetze wurden laut dem Magazin »Heise Online« den Ampel-Fraktionen als sogenannte Formulierungshilfe zugeleitet. Dies ermöglicht ein beschleunigtes Gesetzesverfahren, indem die Fraktionen jeweils eigene Entwürfe einbringen können. Die ebenfalls erforderliche Stellungnahme des Bundesrats kann so umgangen werden.
Der Gesetzentwurf zum biometrischen Abgleich wird erstmals am morgigen Donnerstag im Bundestag behandelt. Die Eile mag der bevorstehenden Landtagswahl in Brandenburg am 22. September geschuldet sein. Nach den Wahlniederlagen in Thüringen und Sachsen will die Regierung mit dem Ausbau der Überwachung offenbar Handlungsfähigkeit bei den Themen Terrorismus und Migration zeigen.